Über die Entstehung des Menschen existieren unterschiedliche Denkweisen. Die naturwissenschaftlich entwickelte Evolutionsgeschichte und die biblische Schöpfungsgeschichte sind die gängigsten.
Diese Arbeit soll anhand einer inhaltlichen Analyse und Interpretation des 1997 von Peter Hoeg veröffentlichten Romans Die Frau und der Affe zeigen, dass der Autor hier die beiden konträren Anschauungen zu einer neuen, eigenen Schöpfungsgeschichte verbindet. Dabei stellt sich die Frage nach dem Effekt der neuen Schöpfungsgeschichte. Wie geht der Text mit den biblischen Motiven um und inwiefern weicht Hoegs neue von der biblischen Schöpfungsgeschichte ab? Wie sieht diese neu entwickelte Menschheitsgeschichte aus?
Inhalt
1. Einleitung
2. Schöpfung versus Evolution
3. Biblische Motive im Roman
3.1 Adam
3.2 Die Arche Noah
3.3 Saint Francis Forest
3.4 Die Seele
4. Neue Menschheitsgeschichte und biblische Schöpfungsgeschichte im Vergleich
5. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Hinführung zum Thema
Über die Entstehung des Menschen existieren unterschiedliche Denkweisen. Die naturwissenschaftlich entwickelte Evolutionsgeschichte und die biblische Schöpfungsgeschichte sind die gängigsten.
Diese Arbeit soll anhand einer inhaltlichen Analyse und Interpretation des 1997 von Peter Hoeg veröffentlichten Romans Die Frau und der Affe zeigen, dass der Autor hier die beiden konträren Anschauungen zu einer neuen, eigenen Schöpfungsgeschichte verbindet. Dabei stellt sich die Frage nach dem Effekt der neuen Schöpfungsgeschichte. Wie geht der Text mit den biblischen Motiven um und inwiefern weicht Hoegs neue von der biblischen Schöpfungsgeschichte ab? Wie sieht diese neu entwickelte Menschheitsgeschichte aus?
2. Schöpfung versus Evolution
Hoeg präsentiert in Die Frau und der Affe eine neue evolutionäre Alternative der Menschheitsgeschichte. Dabei bedient er sich häufig eines naturwissenschaftlichen Vokabulars:
Die Zahl der Männer, die Madelene gekannt hatte, reichte, auch wenn sie für eine statistische Quantifizierung zu klein gewesen wäre, insgesamt doch aus, um ihr die Ableitung gewisser allgemeiner Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens zu erlauben.[1]
Auf der anderen Seite verwendet Hoeg zahlreiche biblische Motive, auf welche die Arbeit in den folgenden Kapiteln näher eingehen wird.
Diese Komposition aus religiöser Metaphorik und naturwissenschaftlichem Wortschatz kündigt bereits Hoegs Arrangement der auf den ersten Blick konkurrierenden Denkweisen an.
Zum einen schildert der Autor eine zwar etwas mystisch gefärbte, aber theoretisch mögliche Variation der Entwicklungsgeschichte. Er spielt die Möglichkeit einer evolutionären Abspaltung der Menschenrasse durch, deren Ergebnis ein äußerlich affenähnliches, an Intelligenz den Menschen jedoch deutlich überlegenes Lebewesen ist.
Zum anderen bettet er diese Entwicklungsgeschichte in biblische Momente ein und schickt Madelene und Erasmus in den Garten Eden, um sie dort wie Adam und Eva leben zu lassen.
Hoeg lässt also Teile aus Naturwissenschaft und Religion zusammenfließen und entwickelt daraus eine neue Geschichte über die Genese des Menschen. Dass der Antagonismus zwischen Schöpfung, also Entstehung, und Evolution, also Entwicklung,[2] aber nur ein scheinbarer ist, formuliert der Theologe Gerhard Lanzenberger folgendermaßen: „Das Lob des Schöpfers, Ziel der Schöpfungsgeschichte, wird durch moderne Evolutionstheorien gegenwartsbezogen verstärkt.“[3]
3. Biblische Motive im Roman
Die Frau und der Affe bedient sich bereits auf den ersten Seiten einer religiösen Metaphorik, um im Laufe der Geschichte immer feiner ausgearbeitete biblische Motive einfließen zu lassen. Schließlich gipfelt der Roman in einer fast kitschig anmutenden, apokalyptischen Schlussszene.
Die tragenden biblischen Motive sollen im Folgenden erläutert werden.
3.1 Adam
Die Figur „Adam“ spielt im Roman eine wesentliche Rolle. Sie verkörpert den „Narzißmus des männlichen Kulturschaffenden“.[4] Nicht absichtslos nennt Hoeg den Mann, der die oberste Instanz ist, Macht hat und als eine Art Erstling auf seinem Gebiet gilt, Adam. Adam Burden ist mächtig. Er ist gewissermaßen derjenige, an den man sich wenden muss, wenn es um die Zulassung von gefährdeten Tieren geht: „Das Ministerium wird sich fast immer an uns wenden. Insofern vertrete ich die Kontrollbehörde.“[5]
Im Alten Testament wird Adam als erster Mensch geschaffen. Er ist ebenfalls derjenige, der zunächst über die Tiere bestimmt: „Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen.“[6] So ist er auch im Roman als Direktor des Londoner Zoos in einer Position, in der er über die Tiere patriarchalisch herrscht.
Wie in der Bibel ist auch Adam Burden ein Erstling auf seinem Gebiet, sieht sich als einen Auserwählten, als schaffenden Wegbereiter:
Er [Erasmus] soll statt dessen den Namen des Ortes erhalten, […] aus dem die zoologischen Pioniere stammen, die ihn aus seinem Versteck gezogen haben, des Ortes, wo die wissenschaftlichen Institutionen zu Hause sind, die seine Art als erste beschrieben haben.[7]
Im Alten Testament steht: „Da sah die Frau, daß es köstlich wäre, von dem Baum zu essen […]. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.“[8] Wie in der Bibel ist Adam machtlos gegen seine Frau: „Gegen diese plötzlich auftretenden […] Augenblicke weiblicher Begierde hatte Adam keine Antikörper besessen. Madelene war ihm wie eine augenblickliche Blutvergiftung in die Adern gedrungen.“[9] Diese Schwäche bedeutet in beiden Fällen den Untergang Adams. In der Bibel verbannt Gott ihn aus dem Paradies, in Die Frau und der Affe verstärkt Adams Abhängigkeit von Madelene nur seinen männlichen Ehrgeiz und sein Machtstreben. Er ist von einer „Sehnsuchtsinfektion“[10] betroffen. Was Adam Burden aber schließlich innerlich zerstört, ist nicht die Tatsache, seine Frau zu verlieren, sondern die Schmach, sie an einen scheinbaren Primaten zu verlieren. „So erscheint der alte Adam als evolutionäres Auslaufmodell, während seine Frau an der Hand des Affen bzw. Post-Hominiden Erasmus den Weg in eine evolutionsgeschichtliche Zukunft beschreitet.“[11]
3.2 Die Arche Noah
Paradox wirkt die Tatsache, dass Hoeg dem Schiff, mit dem Bally zu Beginn des Romans Erasmus nach London bringt, den Namen „Arche“ gibt. In der Bibel lässt Gott Noah die Arche bauen und mit Tieren besetzen, „damit sie am Leben bleiben.“[12] Die Arche im Roman verkörpert allerdings das genaue Gegenteil. Sie bringt Erasmus, wie zahlreiche Tiere zuvor, nach London, wo man Experimente mit ihm machen will, ihn quält, ihn in einem Zoo gefangen halten will. In der Bibel bedeutet die Arche für die Tiere, die sie betreten, das Leben, im Roman bedeutet sie für die Tiere den Tod.
[...]
[1] Hoeg, Peter: Die Frau und der Affe. Hamburg: Rowohlt 1999. S. 45.
[2] Vgl. Lanzenberger, Gerhard: Schöpfung ist Evolution. Die Schöpfungsgeschichten der Bibel im Horizont der modernen Naturwissenschaften. Karlsruhe: Info 1988 (= Info aktuell). S. 12.
[3] Ebd. S. 18.
[4] Wagner-Egelhaaf, Martina: Vom Nachäffen. Menschen und Affen in der Literatur. In: Nestroyana 23 (2003). S. 34.
[5] Hoeg, P.: Die Frau und der Affe. S. 88.
[6] Gen 2,19.
[7] Hoeg, P.: Die Frau und der Affe. S. 218.
[8] Gen 3,6.
[9] Hoeg, P.: Die Frau und der Affe. S. 141.
[10] Ebd.
[11] Wagner-Egelhaaf, M.: Vom Nachäffen. S. 34.
[12] Gen 6,20.
- Arbeit zitieren
- Johanna Uchtmann (Autor:in), 2007, Die neue Schöpfungsgeschichte in Peter Hoegs Roman "Die Frau und der Affe", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120864
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