Fremdsprachenkenntnisse erweisen sich zunehmend als wichtige Schlüsselqualifikation für ein länderübergreifendes Miteinander in Beruf und Freizeit. Die Beherrschung von Fremdsprachen und unterschiedlichen Kommunikationsmitteln ist ein unerlässliches Werkzeug, um den Anforderungen der zunehmenden Globalisierung gerecht zu werden und insbesondere das Zusammenwachsen Europas zu fördern. Beim Fremdspracherwerb nehmen hierbei die Schulen als primäre Vermittler einen besonderen Stellenwert ein. Auch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hat diesen wichtigen Aspekt des bilingualen Sachfachunterrichtes hervorgehoben: „Fremdsprachenunterricht soll Kinder und Jugendliche befähigen, sich in der Sprache der anderen mitzuteilen. Er soll sie aber auch neugierig machen auf andere Völker, Kulturen und Mentalitäten und schließlich zu lebenslangem Fremdsprachenlernen motivieren.“
Im schulischen Kontext zielt bilinguales Lernen darauf ab, den Lernenden umfassende Gelegenheiten zu bieten, sich in der jeweiligen Fremdsprache in quasi-authentischen Situationen auszudrücken und zu agieren. Die Sprachkompetenz der Schüler wird über das Angebot des Fremdsprachenunterrichts hinaus gefestigt und erweitert. Bilingualer Sachfachunterricht darf jedoch nicht mit der Imitation des Prozesses eines natürlichen bilingualen Spracherwerbs verwechselt werden. Im Gegensatz zu einer doppelten Erwerbsphase der Muttersprache wird die Sprache im bilingualen Sachfachunterricht sehr bewusst gelernt. „Es handelt sich hier um eine additive Art von Bilingualismus“ , welche über ein institutionalisiertes Lernen erworben wird. Im Unterricht wird die herkömmliche strikte Trennung der Fächer überwunden und die Schüler werden in einer viel stärker ganzheitlich orientierten Weise angesprochen. Die Fremdsprache gewinnt Transparenz und ihr Erwerb gestaltet sich ansprechender.
Im persönlichen Interesse der Schüler ist es sinnvoll, vermehrt fremdsprachlichen Sachfachunterricht in den allgemeinbildenden Schulen zu integrieren. Künftig werden entsprechende Qualifikationen noch stärker als berufsbezogenes Eintrittskriterium gewertet werden und die individuelle Weiterbildung erleichtern.Je früher der Kontakt mit einer Zweit- oder Drittsprache geknüpft wird, umso leichter gestaltet sich das Erlernen neuer sprachlicher Kompetenzen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung: Bilingualer Sachfachunterricht - zweisprachig lernen und lehren
2. Abgrenzung der Grundtypen von Bilingualismus
2.1. Paralleler Bilingualismus
2.2. Territorialer Bilingualismus
2.3. Institutioneller Bilingualismus
2.4. funktionaler oder additiver Bilingualismus
3. Bilingualer Sachfachunterricht: Kunst – Englisch
3.1. Zur Situation des Fremdsprachenlernens in Deutschland
3.2. Rolle und Bedeutung der Arbeitssprache Englisch
3.3. Kunst - ein geeignetes Fach für bilingualen Unterricht?
4. Integratives Sprach- und Inhaltslernen im bilingualen Kunstunterricht 5
4.1. Die Bedeutung der Arbeitssprache im Kunstunterricht
4.2. Fremdsprachenlernen im bilingualen Kunstunterricht
4.2.1. Einsatz von Fremd- und Muttersprache
4.2.1.1. Das Prinzip der Einsprachigkeit
4.2.1.2. Bilingualität im Sinne einer Doppelinformation
4.2.1.3. Die Pendelstrategie zwischen Sach- und Sprachbezogenheit
4.2.1.4. code-switching
4.2.1.5. Bewusste Zweisprachigkeit
4.2.2. Fehlerkorrektur bzw. Fehlertoleranz
4.2.3. Leistungsmessung bzw. Leistungsbewertung
4.2.4. Der Einfluss von Immersionskomponenten auf den Wortschatzerwerb in der Sekundarstufe I
4.2.5. Inhaltslernen im bilingualen Kunstunterricht
5. Interkulturelles Lernen im bilingualen Kunstunterricht 14
5.1. Interkulturelle Kompetenz als Lernziel
5.2. Möglichkeiten zum interkulturellen Lernen im bilingualen Kunstunterricht
6. Anforderungen und Herausforderungen für Lehrer und Schüler im bilingualen Unterricht
6.1. Die Rolle des Lehrers im Unterricht und in der Vorbereitung
6.2. Neue Anforderungen für Schüler: zwischen Motivation und Doppelbelastung
7. Zur aktuellen Studiensituation
8. Entwicklungen und Tendenzen
9. Zusammenfassung und Bewertung
10. Bibliographie
11. Anlagenverzeichnis
12. Anlagen
12.1 Verzeichnis ausgewählter Einrichtungen und Institutionen, die sich mit Multilingualismus und Spracherwerb befassen
12.2 Schulen der Bundesländer mit bilingualem Angebot – Überblick
12.3 Realschulen und Gymnasien mit bilingualen Angeboten in Baden-Württemberg
12.4 Landesbildungsserver Baden-Württemberg: Unterrichtsmaterial Kunst „Pop Art“
Bilingualer Sachfachunterricht – Lernen für Europa
Kunst auf Englisch - Möglichkeiten und Grenzen eines Modulansatzes
1. Einleitung: Bilingualer Sachfachunterricht - zweisprachig lernen und lehren
Fremdsprachenkenntnisse erweisen sich zunehmend als wichtige Schlüsselqualifikation für ein länderübergreifendes Miteinander in Beruf und Freizeit. Die Beherrschung von Fremdsprachen und unterschiedlichen Kommunikationsmitteln ist ein unerlässliches Werkzeug, um den Anforderungen der zunehmenden Globalisierung gerecht zu werden und insbesondere das Zusammenwachsen Europas zu fördern.[1] Beim Fremdspracherwerb nehmen hierbei die Schulen als primäre Vermittler einen besonderen Stellenwert ein. Auch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hat diesen wichtigen Aspekt des bilingualen Sachfachunterrichtes hervorgehoben: „Fremdsprachenunterricht soll Kinder und Jugendliche befähigen, sich in der Sprache der anderen mitzuteilen. Er soll sie aber auch neugierig machen auf andere Völker, Kulturen und Mentalitäten und schließlich zu lebenslangem Fremdsprachenlernen motivieren.“[2]
Im schulischen Kontext zielt bilinguales Lernen darauf ab, den Lernenden umfassende Gelegenheiten zu bieten, sich in der jeweiligen Fremdsprache in quasi-authentischen Situationen auszudrücken und zu agieren. Die Sprachkompetenz der Schüler wird über das Angebot des Fremdsprachenunterrichts hinaus gefestigt und erweitert. Bilingualer Sachfachunterricht darf jedoch nicht mit der Imitation des Prozesses eines natürlichen bilingualen Spracherwerbs verwechselt werden. Im Gegensatz zu einer doppelten Erwerbsphase der Muttersprache wird die Sprache im bilingualen Sachfachunterricht sehr bewusst gelernt. „Es handelt sich hier um eine additive Art von Bilingualismus“[3], welche über ein institutionalisiertes Lernen erworben wird. Im Unterricht wird die herkömmliche strikte Trennung der Fächer überwunden und die Schüler werden in einer viel stärker ganzheitlich orientierten Weise angesprochen. Die Fremdsprache gewinnt Transparenz und ihr Erwerb gestaltet sich ansprechender.
Im persönlichen Interesse der Schüler ist es sinnvoll, vermehrt fremdsprachlichen Sachfachunterricht in den allgemeinbildenden Schulen zu integrieren. Künftig werden entsprechende Qualifikationen noch stärker als berufsbezogenes Eintrittskriterium gewertet werden und die individuelle Weiterbildung erleichtern. Je früher der Kontakt mit einer Zweit- oder Drittsprache geknüpft wird, umso leichter gestaltet sich das Erlernen neuer sprachlicher Kompetenzen.
2. Abgrenzung der Grundtypen von Bilingualismus
2.1. Paralleler Bilingualismus
Beim parallelen Bilingualismus werden zwei Sprachen gleichwertig nebeneinander gebraucht. Dies kann sich auf einen Staat beziehen, wie zum Beispiel der Trilingualismus in Luxemburg mit den Sprachen Deutsch, Französisch und Luxemburgisch. Aber auch individuellere Formen des parallelen Bilingualismus können beispielsweise im familiären Kontext beobachtet werden, wenn die Muttersprachen der beiden Elternteile differieren und den Kindern beide Sprachen gleichwertig vermittelt werden.
2.2. Territorialer Bilingualismus
Territorialer Bilingualismus bezieht sich auf territoriale Voraussetzungen, die eine Mehrsprachigkeit bedingen. Am Beispiel Belgiens lässt sich der Wandel der anerkannten Amtssprachen aufzeigen. Nach dem Ersten Weltkrieg fiehl das deutschsprachig besiedelte Gebiet im heutigen Ostbelgien durch den Versailler Vertrag an Belgien. 1921 erkannte daraufhin die belgische Regierung die territoriale Einsprachigkeit seiner Bewohner in den drei regionalen Sprachgebieten an: die niederländische Sprachzone Flandern, die französische Sprachzone Wallonien und die daran grenzende neue deutsche Sprachzone in Ostbelgien.
2.3. Institutioneller Bilingualismus
Der institutionelle Bilingualismus kann am Beispiel Kanadas aufgezeigt werden, wo die Amtssprachen Englisch und Französisch parallel gebraucht werden.
2.4. funktionaler oder additiver Bilingualismus
Der im institutionalisierten bilingualen Sachfachunterricht verwendete oder auch als Lernziel benannte Bilingualismus kann als funktionaler oder additiver Bilingualismus bezeichnet werden. Additiv beschreibt hierbei das additive Erlernen einer Zweitsprache nach dem Mutterspracherwerb. Funktional bezieht sich auf die beabsichtigten Kompetenzen und Sprachfähigkeiten, die hier erworben werden sollen.
3. Bilingualer Sachfachunterricht: Kunst – Englisch
3.1. Zur Situation des Fremdsprachenlernens in Deutschland
Das Fremdsprachenlernen ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Durch die Länderhoheiten im Bildungswesen ergeben sich starke Unterschiede hinsichtlich des Beginns des Fremdspracherwerbes sowie dessen Lehrinhalte. In Baden-Württemberg wurde zum Schuljahr 2003/04 flächendeckend an den Grundschulen des Landes für alle Schüler in der ersten Klasse Fremdsprachenunterricht in Englisch bzw. (in den Landesteilen in Grenznähe zu Frankreich) in Französisch eingeführt. So lernten im diesem Schuljahr 94 346 (80,6 %) der Erstklässler an den Grundschulen Englisch, 21 197 (18,1 %) Französisch.[4] Im vergangenen Schuljahr 2006/07 hatten dann flächendeckend alle vier Jahrgänge der Grundschulen Fremdsprachenunterricht. Aber auch andere Bundesländer haben Englisch oder andere Fremdsprachen als Pflichtunterricht in der Grundschule eingerichtet. Beispielsweise hat das Bundesland Bayern Fremdsprachenunterricht (Englisch, Französisch oder Italienisch) an allen Grundschulen für die Klassen 3 und 4 eingeführt. In Nordrhein-Westfalen begannen zum Schuljahr 2003/04 alle dritten Klassen der Grundschule mit Englisch.[5] Aber auch an den 46 Freien Waldorfschulen im Land wird entsprechend den Grundelementen der Waldorfpädagogik früh mit dem Fremdspracherwerb begonnen. Im Allgemeinen werden hier zwei Fremdsprachen bereits ab der 1. Klasse unterrichtet.
In Baden-Württemberg werden nun zum Schuljahr 2007/08 zum ersten Mal alle Schüler, die auf eine weiterführende Schule wechseln, bereits vier Jahre Unterricht in Englisch (bzw. an der Rheinschiene Französisch) gehabt haben. So wird im Gymnasium ab der 5. Klasse mit einer zweiten Fremdsprache begonnen und die erste aus der Grundschule bis einschließlich der 10. Klasse weitergeführt. Im sprachlichen Profil sowie im humanistischen Profil kommt in Klassenstufe 8 noch eine dritte Fremdsprache hinzu.
Auch an den Realschulen im Lande ist die Situation des Fremdsprachenlernens ähnlich strukturiert. Bereits im Schuljahr 1999/00 gaben 97 der damals 427 öffentlichen Realschulen an, dass sie Fachunterricht in einer Zweitsprache erteilen. In der Kontingentstundentafel[6] ist festgelegt, wie viele Jahreswochenstunden insgesamt bis zum Abschluss des Bildungsgangs zu erteilen sind. Es steht den einzelnen Schulen jedoch frei, diese auf die einzelnen Klassenstufen zu verteilen. Für die Fremdsprachen Englisch/Französisch gilt im Pflichtbereich von Klasse 5 bis 10 ein Jahreswochenstundensatz von 23 Stunden (zum Vergleich: Deutsch 26, Mathematik 24, Religionslehre/Ethik 11, Geschichte 8, EWG 15, NWA 24, Künstlerischer Bereich: Musik, Bildende Kunst 19 und Sport 17). Im Wahlpflichtbereich Französisch/Englisch kommen ab Klasse 7 nochmals 12 Wochenstunden hinzu. Für Schüler, die ab Klasse 5 Französisch als Pflichtfremdsprache hatten, kommt ab Klasse 7 auch Englisch als Pflichtfremdsprache hinzu. Außerdem wurden in Realschulen in Grenznähe zu Frankreich in den Klassenstufen 5 und 6 Arbeitsgemeinschaften Französisch eingerichtet. Um die Profilbildung der Schule im Bereich der Fremdsprachen verstärkt auszurichten, können auch themenorientierte Projekte im integrierten Bereich mit insgesamt 8 Wochenstunden zwischen den Klassenstufen 5-8 angeboten werden.
Obwohl die Lehrangebote in den einzelnen Bundesländern variieren, ist doch eine starke Tendenz zu immer früherem Fremdspracherwerb erkennbar. In Folge der Erkenntnis, dass Sprachen zunehmend wichtige Schlüsselqualifikation sind, setzten sich Verbände, Vereine und auch Elternschaften vermehrt dafür ein, dass mit den Kindern früh an deren Fremdsprachkompetenz gearbeitet wird. Demzufolge gibt bereits Einrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Horte, in denen ein früher Fremdspracherwerb spielerisch praktiziert wird.
Vereinfacht dargestellt gliedert sich die Situation des Fremdsprachenlernens im aufbauenden curricularen Zusammenhang in Deutschland in drei Segmente:
1. frühe, spielerische Konfrontation mit einer oder mehreren Fremdsprachen im Kindergarten-, Vorschul- und Grundschulalter
2. Aufgreifen der Grundlagen und Ausweitung der Sprachkompetenz im lexikalischen und grammatikalischen Bereich (meist anhand fiktionaler Lektionstexte)
3. Ausdehnung der Sprachfertigkeit auf Sachfachthemen unter Verwendung von realen Bezügen
3.2. Rolle und Bedeutung der Arbeitssprache Englisch
Im englischsprachigen bilingualen Sachunterricht ist Englisch sowohl Lerngegenstand, als auch Mittel der Kommunikation. Durch die erweiterte Verwendung der Sprache über den Fremdsprachenunterricht hinaus eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten. Spezifische Sachgebiete lassen sich anhand von authentischen Quellen erschließen. Dadurch ergeben sich oftmals neue Blickwinkel auf gewisse Aspekte, die bei einem Unterricht in deutscher Sprache verwehrt blieben. Des Weiteren erfolgt eine Ausweitung des fremdsprachlichen Handelns anhand von Sachtexten, die entgegen den Lektionstexten in englischen Lehrwerken authentisch sind, und durch die themenbezogenen Unterrichtsgespräche.
3.3. Kunst - ein geeignetes Fach für bilingualen Unterricht?
Wie später in 5.2 detaillierter ausgeführt wird, eröffnen sich im künstlerischen Kontext viele Zugänge zu künstlerischen Arbeiten sowie ein Großteil des Diskurses über Kunst erst durch die Beherrschung der englischen Sprache. Wird diese ausreichend beherrscht, erschließt sich dem Lernenden ein breiteres Spektrum an Kunstrezeption, Interpretation und umfassenderer Erschließung der jeweiligen geschichtlichen und kulturellen Kontexte.
Kritisch betrachtet könnte man an dieser Stelle auch das Beherrschen des Lateinischen oder Italienischen für einen umfassenden Kunstunterricht fordern, jedoch ist dies im bilingualen Unterricht nicht die Hauptintention.
Ein weiterer Aspekt, der ebenfalls für die bilinguale Gestaltung des Kunstunterrichts spricht ist, dass viele Anglizismen in der deutschen Fachsprache für künstlerische Auseinandersetzungen bereits gebraucht werden und daher den Schülern vertraut sind.
Des Weiteren ist Kunst im Vergleich zu anderen Schulfächern besonders handlungsorientiert ausgerichtet, was die Umgangsweise mit einer Fremdsprache als Arbeitssprache vereinfacht. Es gibt weniger Redeanlässe oder Textarbeitsphasen wie beispielsweise in Geschichte oder Erdkunde. Zudem können viele Begrifflichkeiten durch Realien erklärt werden oder
erschließen sich im Schaffungsprozess. Auch durch die starke visuelle Ausrichtung des Faches lassen sich unbekannte Fachterminologien besonders anschaulich vermitteln.
Es kann angenommen werden, dass mit ausreichender inhaltlicher und didaktischer Vorbereitung sich nahezu jedes Fach und jedes Themenfeld für einen bilingualen Unterricht eignet. Themen mit direktem Bezug zum Zielsprachland erscheinen zwar geeigneter, andere können jedoch ebenso aufbereitet und vermittelt werden.
4. Integratives Sprach- und Inhaltslernen im bilingualen Kunstunterricht
4.1. Die Bedeutung der Arbeitssprache im Kunstunterricht
Im muttersprachlichen Kunstunterricht kommt der Sprache und der gewählten Ausdrucksweise eine große Bedeutung zu. Kleinste Nuancierungen der Sprache im Bezug auf Bildbetrachtungen oder ähnliche fachliche Diskurse können dazu führen, dass ein anderer, nicht intendierter Inhalt transportiert wird. Oft handelt es sich um emotionale Eindrücke und unterbewusste Empfindungen, die uns den Zugang zu einem Werk eröffnen. Diese zu artikulieren fällt bereits in der Muttersprache schwer. Muss der Diskurs zudem in einer Fremdsprache geleistet werden, können durch den Mangel an treffendem Vokabular andere Aussagen transportiert und der eigentlich gemeinte Inhalt verfälscht werden.
Auch im Bezug auf die zahlreichen unbekannten Fachbegriffe und die fremden Bezeichnungen für Arbeitsmaterialien und Arbeitsprozesse, kommt der Muttersprache im Kunstunterricht eine große Bedeutung zu. Terminologien müssen eingeführt werden, demonstriert oder erklärt werden. Im bilingualen Kunstunterricht muss dieser Prozess analog in beiden Arbeitssprachen erfolgen.
4.2. Fremdsprachenlernen im bilingualen Kunstunterricht
Im bilingualen Kunstunterricht werden die Kompetenzen im Sachfach ausgebildet, aber auch eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache fokussiert. Im Sachfach selbst stehen fachliche, methodische und soziale Ziele im Vordergrund. Unter dem Aspekt des Fremdsprachenlernens wird die Kommunikation gefördert und ein Selbstvertrauen im Umgang mit L2 erzeugt. Durch reale Sprechanlässe werden die Schüler intensiver auf spätere Kommunikationssituationen vorbereitet, was ein normaler Sprachunterricht aus Zeitmangel nicht leisten kann. Hier wird der Großteil der Unterrichtsstunden auf die Einführung neuer Grammatik und Lexik verwendet. Texte oder Gesprächssituationen dienen daher meist nur zur Festigung dieser Strukturen oder Wörter. Im bilingualen Unterricht baut man jedoch auf die Vorarbeit des Fremdsprachunterrichts auf und behandelt lediglich themenbezogenes Vokabular wie einzelne Fachbegriffe, Kollokationen (gängige Wortverbindungen) oder ganze einleitende Satzgefüge, welche beispielsweise beim Besprechen eines Gemäldes oder Skulptur von Nöten sind. Der bilinguale Unterricht zielt daher auf die Entwicklung einer fachbezogenen Sprachkompetenz ab. Eine kontinuierliche Förderung der sprachlichen Komponente soll bewirken, dass die Schüler zu den erworbenen BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) aus dem Fremdsprachunterricht eine CALP (Cognitive Academic Linguistic Proficiency) entwickeln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Unterscheidung beider Begrifflichkeiten wurde von Cummins 1979 eingeführt. Die abgebildeten Grafiken sollen veranschaulichen, dass hinter den sprachlichen Fertigkeiten ein großer Bereich sprachbezogener kognitiver Fertigkeiten liegt. Dieser kognitive Bereich ist insbesondere im Umgang mit der Schriftsprache erforderlich und bildet sich kontinuierlich im Laufe der schulischen Bildung heraus. Das Eisberg-Modell[7] der monolingualen Sprachfertigkeit zeigt, dass der kleinere Zeil, der produktiv von den Schülern gebraucht werden kann, aus den sogenannten Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS) geformt wird. Die Sprache manifestiert sich hier im unmittelbaren persönlichen Austausch meist über Mündlichkeit. Der weitaus größere Anteil, die Fertigkeit der CALP Cognitive Academic Language Proficiency, äußert sich hauptsächlich in der Schriftsprache und insbesondere in der Beherrschung der Sprache in dekontextualisierten akademischen Situationen. Im schulischen Bereich kann hier auch auf den rezeptiven Sprachanteil verwiesen werden. Die Schüler können weitaus mehr erfassen, als sie selbst reproduktiv wiedergeben können oder frei produktiv zu bilden vermögen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Doppel-Eisberg-Modell der bilingualen Sprachfertigkeit nach Cummins verweist auf eine Problematik des bilingualen Sachunterrichts. Sprachgebundene Erscheinungen können nicht einfach in eine andere Sprache übertragen werden. Hierzu gehören einzelne Fachbegriffe, bestimmte Artikulationsmuster oder auch grammatikalische Systeme. Es ist daher erforderlich, dass im bilingualen Kunstunterricht wie auch in anderen Sachfachfächern grundlegende Begrifflichkeiten sowohl in der Mutter- als auch in der verwendeten Fremdsprache behandelt werden. Ergänzende Effekte ergeben sich hingegen durch die zugrundeliegenden mentalen Prozesse, die unabhängig von der gerade gesprochenen Sprache adaptiert werden können. Unter dem Begriff Methodenkompetenz gehören hierzu die Fähigkeiten im Umgang mit „discussion“ „description“ „analysation“, etc. sowie die Texterschließung oder die Sinnentnahme aus Gesprochenem.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Fremdsprachenlernen im bilingualen Kunstunterricht oder generell in bilingualen Sachstunden nur themenbezogen erfolgen und auf das Verständnis des Sachfaches beschränkt sein sollte. Die Verknüpfung von inhaltlicher und sprachlicher Arbeit kann beispielsweise über den Kontext, das Paraphrasieren und illustrierende Materialien wie den Einsatz von Realien, Bildern, Grafiken oder Tabellen erfolgen. Das bloße Übersetzen sollte vermieden werden, Vokabelgleichungen sind nur sehr beschränkt bei einzelnen Fachbegriffen einzusetzen. Hier ist also im Vergleich zum muttersprachlichen Fachunterricht ein erheblicher Mehraufwand zu leisten.
4.2.1. Einsatz von Fremd- und Muttersprache
Mutter-Sprache
Sprache-Lernen ist etwas Höheres als Sprachen-Lernen; und alles Lob, das man den alten Sprachen als Bildungsmitteln erteilt, fällt doppelt der Mutter-Sprache anheim, welche noch richtiger die Sprach-Mutter hieße; und jede neue wird nur durch Verhältnis und Ausgleichung mit der ersten verstanden, das Ur-Zeichen wird nur wieder bezeichnet; und so bildet sich die neuere Nachsprache nicht der neuen und eine der anderen, sondern alle sich der ersten Vor-Sprache nach.
Jean Paul
Bisher ist in den Überlegungen davon ausgegangen worden, dass der bilinguale Unterricht ein Sachfachunterricht ist, der vorwiegend in einer Fremdsprache abgehalten wird. Es sollen nicht zwei Arbeitssprachen zu gleichen Teilen verwendet werden. Bilingual meint vielmehr die angestrebte Zweisprachigkeit der Schüler. Der fachliche Diskurs im bilingualen Unterricht kann trotz Dominanz der Fremdsprache auf unterschiedliche Arten erfolgen. Verschiedene Weisen sollen nun skizziert werden:
4.2.1.1. Das Prinzip der Einsprachigkeit
Das Prinzip der gänzlichen Einsprachigkeit gilt als widerlegt. Nach dieser Auffassung war die Muttersprache nur äußerster Notbehelf. Für viele galt die Muttersprache als negativer Einfluss und Auslöser von „muttersprachlich bedingte(n) Interferenzfehler(n), und zwar auf allen Ebenen der Sprache, von Aussprache und Schreibung bis hin zur Semantik und Pragmatik“.[8]
Wie auch im Zitat von Jean Paul angedeutet ist dieses Prinzip nicht in der Praxis ohne Abstriche umsetzbar. In unserer Muttersprache ist die Sprachlichkeit eines jeden Menschen begründet. Sie ist „in einem ganz fundamentalen Sinn […] (der) Schlüssel zu allen weiteren Sprachen“[9]. Sie ist nicht nur auf die Semantik, Pragmatik, Lexik oder Grammatik beschränkt, auch unsere Mundmotorik und Schreibmotorik sind durch die Muttersprache geprägt.
[...]
[1] Am 1. Mai 2004 wurden zehn neue Staaten in die Europäische Union aufgenommen. 2007 folgten Bulgarien und Rumänien. Insgesamt zählt die Gemeinschaft nun 27 Staaten.
[2] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Fremdsprachen in den weiterführenden Schulen, Dezember 2003, S. 1.
[3] Niemeier 2002, S. 29.
[4] Die Summe der Prozentsätze gibt nicht 100, da Schüler in muttersprachlichen Klassen sowie in Vorbereitungs- und Förder-klassen nicht berücksichtigt sind.
[5] Vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
[6] Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg
[7] Grafiken: Sprachenzentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, http://spzwww.uni-muenster.de/~griesha/sla/cummins/eisberg.html#drei
[8] Vgl. Butzkamm 2002, 97
[9] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Verena Wendel (Autor:in), 2007, Bilingualer Sachfachunterricht – Lernen für Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120859
-
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