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Anhand Poes erster Dupin-Geschichte „The Murders in the Rue Morgue“, die erstmals 1841 in Graham’s
Magazine erschienen ist (vgl. Poe 2004, 239), und Doyles erster Holmes-Geschichte „A Study
in Scarlet“ (erstmals erschienen in Beeton’s Christmas Annual of 1887, vgl. Doyle 2004, VIII), werde
ich im Folgenden überprüfen, wo die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen C. Auguste
Dupin und Sherlock Holmes liegen. Ich werde dabei auf die Darstellung der beiden Detektivfiguren,
insbesondere auf ihre detektivischen Methoden, und auf die jeweiligen Beziehungen zwischen den
Erzählern und den Detektiven eingehen. Da es sich anbietet, werde ich zudem die Erzählperspektiven
miteinander vergleichen. So lässt sich insgesamt feststellen, wo sich Doyle an Poe orientierte und wo
nicht, d.h. wie viel Eigenständigkeit die Holmes-Figur besitzt.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Figurendarstellung
2.1 Persönlichkeit
2.2 Methode
3. Beziehung zwischen Erzähler und Detektiv
4. Erzählperspektive
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wenn wir an einen Vater aller literarischen Detektive denken, dann kommt uns meist Sherlock Holmes in den Sinn. Die Figur gilt als Vorlage späterer namhafter Detektive, der Name fast schon als Synonym für „Detektiv“. Die vom englischen Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle erfundene Figur erlangte solch einen Erfolg, dass sie vielfach und in allen erdenkbaren Medienformaten parodiert, imitiert und rekonstruiert wurde (vgl. Knight 1980, 67). Der erste im Jahre 1887 veröffentlichte Holmes-Roman A Study in Scarlet schlug „ wie eine Bombe auf dem Gebiet der Detektivliteratur ein “ (Sayers 1977, 169). Der Erfolg machte Doyle reich, zwang ihn aber auch, seine Holmes-Geschichten fortzuführen, obwohl er sich lieber mit anderem beschäftigt hätte (vgl. Knight 1980, 67).
Oft bleibt vergessen, dass Sherlock Holmes nicht der Ursprung aller großen Detektive der Literatur war, hatte er doch selbst eine noch ältere Detektivfigur als Vorbild: C. Auguste Dupin, der schon 1841 in drei Kurzgeschichten des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe ermittelt. Doyle schreibt selbst: „ Poe’s masterful detective, M. Dupin, had from boyhood been one of my heroes .” (Doyle 1944, 47) Poe sei „’ der Vater der Detektivgeschichte’ “, es schiene unmöglich, dass „’ Nachahmer irgendwo Neuland erschließen könnten, das sie mit voller Überzeugung als ihr eigen anzusehen vermöchten.’ “ (Matthews 1977, 51 f). In A Study In Scarlet findet sich auch eine Referenz, als Holmes’ Freund Watson dem Detektiv gegenüber bemerkt: „ You remind me of Edgar Allen [sic] Poe’s Dupin “ (Doyle 2004, 16). Dennoch wird der Holmes-Firgur so viel Eigenständigkeit zugeschrieben, dass spätere Detektive der englischen Literatur in der Regel auf ihn und nicht auf Dupin zurückgeführt werden. (vgl. Becker 1975, 11 f)
Anhand Poes erster Dupin-Geschichte „The Murders in the Rue Morgue“, die erstmals 1841 in Graham’s Magazine erschienen ist (vgl. Poe 2004, 239), und Doyles erster Holmes-Geschichte „A Study in Scarlet“ (erstmals erschienen in Beeton’s Christmas Annual of 1887, vgl. Doyle 2004, VIII), werde ich im Folgenden überprüfen, wo die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen C. Auguste Dupin und Sherlock Holmes liegen. Ich werde dabei auf die Darstellung der beiden Detektivfiguren, insbesondere auf ihre detektivischen Methoden, und auf die jeweiligen Beziehungen zwischen den Erzählern und den Detektiven eingehen. Da es sich anbietet, werde ich zudem die Erzählperspektiven miteinander vergleichen. So lässt sich insgesamt feststellen, wo sich Doyle an Poe orientierte und wo nicht, d.h. wie viel Eigenständigkeit die Holmes-Figur besitzt.
2. Figurendarstellung
2.1 Persönlichkeit
Die Persönlichkeit der Hauptfigur Dupin wird uns durch die Erzählung des namenlosen Chronisten der Geschichte vermittelt. Durchweg wird uns ein unglaublich analytisches Genie vor Augen gehalten. Der Effekt wird einerseits erzielt durch die bloße Handlung: Sie verläuft immer zu Dupins Gunsten, mit seinen Schlussfolgerungen trifft er immer ins Schwarze. Andererseits untermauern die direkten Reaktionen des Erzählers auf die geistigen Kunststücke von Dupin das Bild des Genies. Immer wieder bringt er seine Überwältigung zum Ausdruck: „ ’Dupin,’ said I gravely, ‚this is beyond my comprehension. I do not hesitate to say that I am amazed, and can scarcely credit my senses. How was it possible you should know I was thinking of –? ’” (Poe 1994, 123) oder “I stared at the speaker [Dupin] in mute astonishment” (ebd., 135).
Der Franzose Dupin stammt aus einer aristokratischen Familie, geriet jedoch durch gewisse Umstände in Armut und unternahm keine Anstrengungen, seine finanzielle Lage zu ändern, „ Books, indeed, were his sole luxuries “ (Poe 1994, 121). Nicht nur hier wird deutlich, dass soziale Werte für ihn keine Rolle spielen. Auch das Ausbleiben einer Kritik an dem Halter des Orang-Utans, der durch die Züchtigung des Tieres die Tötung in der Rue Morgue mitzuverschulden hat (vgl. ebd., 150 f), lassen erkennen, dass es Dupin nicht an der Aufrechterhaltung einer sozialen Ordnung liegt. Zwar revanchiert sich Dupin durch seine Mithilfe an dem Fall bei dem zu Unrecht inhaftierten Le Bon für einen Gefallen, den ihm dieser einst getan hat, was eine soziale Ader vermuten lässt, doch der Hauptimpuls für seine Detektivarbeit ist bloßes Vergnügen an der Sache selbst: „ [Dupin] is motivated by the specific intellectual problem, rather than by social or ethical values. [Because] much of the tale is taken up by lengthy discussions of his psychological, analytic and linguistic theories.” (Kayman 2003, 45) „ ’An inquiry will afford us amusement’ “ (Poe 1994, 133), sagt Dupin selbst, Le Bon erwähnt er erst an zweiter Stelle. Auch sein Gefährte bemerkt: “He seemed, too, to take an eager delight in [it] […] and did not hesitate to confess the pleasure thus derived.” (ebd., 123)
Dupin und gewisse Beamte der örtlichen Polizei kennen sich zwar gegenseitig, er selbst ist jedoch kein offiziell von der Polizei beschäftigter, sondern ein Amateur-Detektiv. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Dupin daher nicht durch die Detektivarbeit, sondern durch Zinsen eines kleinen Erbes (vgl. ebd., 121). Die Bekanntschaft zwischen ihm und den Beamten resultiert anscheinend aus Dupins bereitwilliger und erfolgreicher Mitarbeit an Kriminalfällen in der Vergangenheit: in „The Murders in the Rue Morgue“ erfahren wir, dass ihm der Polizeipräfekt G – ohne Umstände den Zugang zum Tatort erteilt (vgl. ebd., 133). Das Verhältnis zu den Kollegen bei der örtlichen Polizei ist stets von seinem Überlegenheitsgefühl geprägt, das teilweise in Spott übergeht: die seiner Meinung nach unangemessenen Methoden der Polizei vergleicht er beispielsweise mit der Literaturfigur Monsieur Jourdain, die einen Schlafrock verlangt, um die Musik besser hören zu können (vgl. ebd., 132).
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- Arbeit zitieren
- Ines Sundermann (Autor:in), 2007, "You remind me of Edgar Allan Poe’s Dupin", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120724
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