[...] Im Allgemeinen herrscht in der Literaturdidaktik Uneinigkeit über den Einsatz analytischer und produktiver Verfahren. Durch meine hier vorliegende Wissenschaftliche Hausarbeit bekam ich die Möglichkeit beide Verfahren näher zu untersuchen und einen Vergleich dieser in der Praxis anzustellen. Hierzu führte ich in zwei zweiten Klassen Unterrichtsversuche zum Märchen „Die Bienenkönigin“ der Gebrüder Grimm durch. Für die eine Klasse konzipierte ich eine Unterrichtseinheit mit ausschließlich analytischen Verfahren. In der anderen fanden einzig und allein handlungs- und produktionsorientierte ihre Anwendung. Im regulären Unterricht werden beide Verfahren nicht getrennt behandelt, sondern es findet eine Kombination beider statt. Um jedoch gezielte Aussagen über sie zu machen, werden sie gesondert betrachtet. Es soll im Folgenden kein Verfahren als „besser“ oder „schlechter“ definiert, sondern Vermutungen über ihre jeweilige Wirkung auf die Schüler aufgestellt werden. Die Betonung liegt hierbei auf „Vermutungen“, denn es können keine Aussagen über langfristige Auswirkungen der einzelnen Verfahren getätigt werden. Genauso wenig kann mit Sicherheit gesagt werden, welches Verfahren zu einem besseren Textverständnis führt. Diese Arbeit stellt lediglich einen Vergleich und die Dokumentation der beiden Unterrichtseinheiten dar, woraus sich Vermutungen ergeben.
Im ersten Teil dieser Arbeit wird die oben bereits erwähnte Kontroverse in der Literaturdidaktik kurz erläutert. Des Weiteren erfolgt eine Darstellung der beiden Verfahren durch die Ansätze der jeweiligen Vertreter, auf deren Grundlage diese Untersuchung durchgeführt wurde. Außerdem wird meine Vorgehensweise während des Projekts forschungsmethodisch beschrieben. Im zweiten Teil werden die Planung und die Durchführung des Versuchs methodisch und didaktisch dargestellt und begründet. Im darauf folgenden Teil finden die Dokumentation, der Vergleich und die Interpretation der Unterrichtseinheiten statt. Diese Arbeit wird durch einen Materialband zu den beiden Unterrichtseinheiten vervollständigt. Dieser enthält neben den zahlreichen Arbeitsblättern auch die Transkriptionen ausgewählter Unterrichtssequenzen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Voraussetzungen, Verfahrensweise und Ziele der Untersuchung
2.1 Zur Kontroverse in der Literaturdidaktik
2.2 Analytische und handlungs- und produktionsorientierte Unterrichtsverfahren
2.2.1 Analytische Verfahren
2.2.2 Produktive und handlungsorientierte Verfahren
2.3 Zielsetzung und Vorbereitung der Untersuchung
2.3.1 Ziele und Zweck der Untersuchung
2.3.2 Vorbereitung der Untersuchung
2.4 Die Forschungsmethode
2.4.1 Quantitative Forschung
2.4.2 Qualitative Forschung
2.4.3 Triangulation
2.5 Forschungsmethodische Prinzipien der Untersuchung
2.5.1 Fallanalysen als Untersuchungsrahmen
2.5.2 Der Lehrer als teilnehmender Beobachter und Forscher
2.5.3 Aufnahme und Dokumentation der Daten
2.5.4 Aufbereitung der Daten
2.5.5 Auswertung der Daten
2.5.6 Gütekriterien
3 Planung und Durchführung zweier Fallanalysen
3.1 Märchen in der Grundschule
3.1.1 Zum Märchenbegriff
3.1.2 Die Wichtigkeit der Märchen im Grundschulalter
3.2 Das Märchen „Die Bienenkönigin“ der Gebrüder Grimm
3.2.1 Inhalt
3.2.2 Struktureller Aufbau
3.2.3 Intention
3.3 Handlungs- und produktionsorientierter Umgang mit der „Bienenkönigin“
3.3.1 Die Lerngruppe
3.3.2 Intentionen und Ziele des Unterrichts
3.3.3 Methodische Vorgehensweise
3.3.4 Mögliche Schwierigkeiten und geplante Hilfestellungen
3.4 Klassischer analytischer Umgang mit der „Bienenkönigin“
3.4.1 Die Lerngruppe
3.4.2 Intentionen und Ziele des Unterrichts
3.4.3 Methodische Vorgehensweise
3.4.4 Mögliche Schwierigkeiten und geplante Hilfestellungen
4 Ergebnisse der Untersuchung
4.1 Dokumentation der Unterrichtsergebnisse
4.1.1 Handlungs- und produktionsorientierter Unterricht
4.1.2 Klassischer analytischer Unterricht
4.1.3 Test als Lernerfolgskontrolle
4.2 Interpretation und Vergleich
4.2.1 Erreichen der Lernziele
4.2.2 Textrezeption und -rekonstruktion
4.2.3 Einsicht in Gedanken und Vorstellungen der Schüler
4.2.4 Entfaltung der Kreativität
4.2.5 Beachtung des genauen Wortlauts im Märchen
5 Reflexion und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungsverzeichnis
8 Anhang
8.1 Gebrüder Grimm: Die Bienenkönigin
1 Einleitung
Im Rahmen meines Studiums an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigs- burg besuchte ich das Kompaktseminar „Handlungs- und produktionsorientier- ter Umgang mit Märchen – Hans Christian Andersen“. Damals befand ich mich im dritten Semester - also noch am Anfang des Studiums - und mir war noch nicht klar, was mich genau in diesem Seminar erwarten sollte. Ich wusste ledig- lich, dass wir uns mit dem Märchen „Däumelinchen“ von Andersen auseinan- dersetzen würden. Zu Beginn bekamen wir eine Einführung in das Thema
„Märchen“. Es folgte ein kurzer Exkurs in die Biographie Andersens. Danach lasen wir das Märchen gemeinsam, sprachen über dessen Intention und Merk- male. Zu diesem Zeitpunkt kam ich mir vor wie eine Schülerin. Erinnerungen an meine eigene Schulzeit und den Literaturunterricht wurden wach. Es war wie damals: mir kam es vor als würde die Zeit still stehen und ich sehnte die Pause herbei. Es stellte sich mir die Frage, was denn nun „anders“ an einem hand- lungs- und produktionsorientierten Unterricht sei. Die Antwort darauf bekam ich im weiteren Verlauf des Seminars.
Wir wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine hatte die Aufgabe, ein Schat- tenspiel zum Märchen zu inszenieren. Die andere, in der ich mich befand, sollte ein eigenes Märchenbuch drucken. Solche Methoden waren mir aus meiner eigenen Schulzeit nicht bekannt. Das war also „anders“. Wir konnten unsere eigene Kreativität entfalten und mussten nicht immer das tun, was der Lehrer [1] – hier die Dozentin – vorgab. Auf Grund dessen stieg meine Motivation und ich hatte Spaß daran, mich mit dem Märchen näher zu beschäftigen. Schon damals konnte ich mir vorstellen ähnliche Methoden auch in meine eigenen Unter- richtsversuche zu integrieren. Jedoch war ich mir noch nicht im Klaren darüber, warum die Lehrer uns früher ausschließlich analytisches Zerlegen von Texten und deren Interpretation zur Aufgabe machten, obwohl für mich erfahrungsge- mäß produktive Verfahren weitaus motivierender sind.
Im Allgemeinen herrscht in der Literaturdidaktik Uneinigkeit über den Einsatz analytischer und produktiver Verfahren. Durch meine hier vorliegende Wissen- schaftliche Hausarbeit bekam ich die Möglichkeit beide Verfahren näher zu un- tersuchen und einen Vergleich dieser in der Praxis anzustellen. Hierzu führte ich in zwei zweiten Klassen Unterrichtsversuche zum Märchen „Die Bienenkö- nigin“ der Gebrüder Grimm durch. Für die eine Klasse konzipierte ich eine Un- terrichtseinheit mit ausschließlich analytischen Verfahren. In der anderen fan- den einzig und allein handlungs- und produktionsorientierte ihre Anwendung. Im regulären Unterricht werden beide Verfahren nicht getrennt behandelt, sondern es findet eine Kombination beider statt. Um jedoch gezielte Aussagen über sie zu machen, werden sie gesondert betrachtet. Es soll im Folgenden kein Verfah- ren als „besser“ oder „schlechter“ definiert, sondern Vermutungen über ihre je- weilige Wirkung auf die Schüler aufgestellt werden. Die Betonung liegt hierbei auf „Vermutungen“, denn es können keine Aussagen über langfristige Auswir- kungen der einzelnen Verfahren getätigt werden. Genauso wenig kann mit Si- cherheit gesagt werden, welches Verfahren zu einem besseren Textverständnis führt. Diese Arbeit stellt lediglich einen Vergleich und die Dokumentation der beiden Unterrichtseinheiten dar, woraus sich Vermutungen ergeben.
Im ersten Teil dieser Arbeit wird die oben bereits erwähnte Kontroverse in der Literaturdidaktik kurz erläutert. Des Weiteren erfolgt eine Darstellung der beiden Verfahren durch die Ansätze der jeweiligen Vertreter, auf deren Grundlage die- se Untersuchung durchgeführt wurde. Außerdem wird meine Vorgehensweise während des Projekts forschungsmethodisch beschrieben. Im zweiten Teil wer- den die Planung und die Durchführung des Versuchs methodisch und didak- tisch dargestellt und begründet. Im darauf folgenden Teil finden die Dokumenta- tion, der Vergleich und die Interpretation der Unterrichtseinheiten statt. Diese Arbeit wird durch einen Materialband[2] zu den beiden Unterrichtseinheiten ver- vollständigt. Dieser enthält neben den zahlreichen Arbeitsblättern auch die Transkriptionen ausgewählter Unterrichtssequenzen.
2 Voraussetzungen, Verfahrensweise und Ziele der Untersuchung
Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts standen verschiedene Aspekte des Literaturunterrichts in der Deutschdidaktik zur Dis- kussion. Während in den 1970er Jahren noch über die Inhalte und Ziele debat- tiert wurde[3], rückten in den 1980er Jahren die Methoden in den Vordergrund. Vor allem „produktive Verfahren“ im Kontrast zu den herkömmlichen „analyti- schen“ standen im Zentrum der Diskussion.[4] Eine Darstellung dieser Kontrover- se wird im Folgenden vorgenommen.
2.1 Zur Kontroverse in der Literaturdidaktik
Gegen Ende der 1980er Jahre entfachte der auf analytische Verfahren konzent- rierte Didaktiker Hans Kügler in der Zeitschrift „Praxis Deutsch“ eine Diskussion über produktive Verfahren, die im handlungs- und produktionsorientierten Lite- raturunterricht Anwendung finden sollten.[5] Durch seine scharfen und teilweise unsachlichen Angriffe auf die didaktischen Entwürfe der Verfechter produktiver Verfahren löste er eine heftige Debatte aus.[6]
Er bezeichnete den handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht als einen „Trend der Literaturdidaktik der 80er Jahre“[7] der zu plumpem „Operie- ren in der fiktiven Welt der Texte“[8]und „zur Zerstörung des Textes als autono- mem Werk“[9]führe. Dies verhindere ein Verstehen dessen [10] und sei somit ledig- lich blinder „Handlungskult“[11]. Gerhard Haas wurde zur Last gelegt, sein Kon- zept des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts (siehe Ab- schnitt 2.2.2.1) habe „von seiner Zielsetzung her nur ein sekundäres Verhältnis
zur Literatur“[12]. Die Behandlung dieser finde hier nur „uneigentlich“[13]statt, näm- lich „als Material, […] Textobjekt“[14]und „Medium für Lehrer und Schüler“[15].
Haas konterte daraufhin mit der Frage, ob ein Leseunterricht nicht zuerst den Schülern und ihren persönlichen Interessen und Begabungen entsprechen soll- te. Es zeuge von „didaktischer Hilflosigkeit oder Arroganz“[16], die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schüler außer Acht zu lassen.[17]Gerhard Rupp unters- treicht Haas’ Position noch, indem er Küglers Literaturbegriff als „etwas anges- taubt“[18]und der modernen Literatur unangemessen bezeichnet.
Ob diese Darstellung der einzelnen Positionen nun Didaktiker und Lehrer dazu anregen, für ein Verfahren Partei zu ergreifen, sei dahin gestellt. Tatsache ist aber, dass der klassische analytische Literaturunterricht höchstwahrscheinlich noch heute den größten Teil des Unterrichts, abgesehen von der Grundschule, einnimmt. Jedoch stellen handlungs- und produktionsorientierte Verfahren das didaktisch am stärksten ausgearbeitete Gegenmodell dar.[19]
2.2 Analytische und handlungs- und produktionsorientierte Unterrichtsverfahren
Im Folgenden werden analytische und produktive Verfahren im Literaturunter- richt näher erläutert. Es werden einzelne Konzepte der jeweiligen Vertreter im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung vorgestellt.
2.2.1 Analytische Verfahren
Die Bedeutung der Textanalyse im Deutschunterricht wird von Lehrpersonen unterschiedlich eingeschätzt. Die einen bezeichnen sie als das Fundament des Unterrichts, als „den Kern des zu Erlernenden“[20]. Die anderen hingegen sehen
sie als lästig an, sogar als Nebensache, welche die Lust am Lesen nehme, aber trotzdem auf irgendeine Art und Weise durchgeführt werden müsse.[21] Der Be- griff „Textanalyse“ ist seit den 60er Jahren fester Bestandteil des Deutschunter- richts. Er war gekennzeichnet durch „einen sachlicheren, exakteren, kritische- ren Zugang zu Texten“[22]und sollte den interpretierenden Literaturunterricht ab- lösen. Eine übersichtliche und lernzielorientierte Strukturierung des Unterrichts, objektive Arbeitsergebnisse sowie eine Kontrolle des Lernerfolgs wurden er- hofft.[23]Kaspar H. Spinner, ein Verfechter der produktiven Verfahren, definiert die Textanalyse als
ÄP HWKRGLVF K GXUFKVWUXNWXULHUWH =H UOHJXQJ HLQHV 7H[W HV LQ VHLQH (OHPHQWH, GLH JHQDXH 'HWDLOEHREDFKWXQJ XQG GL H +HUDXVDUEHLWXQJ GHU IXQNWLRQDOHQ =XV DPPHQKlQJH ]ZLVF KHQ GHQ HLQ]HOQHQ (OH- PHQWHQ, JJI. DXFK GLH 5FNIKUXQJ GHU 7H[WP HUNPDOH DXI DX‰HU- WH[WOLFKH %HGLQJXQJVIDNWRUHQ. [24]
Da die analytischen Verfahren von Schülern erlernt werden können und das Gelernte auf andere Texte übertragbar ist und sie somit nicht nur erschlossen werden, finden sie von Lehrenden sehr großen Zuspruch. Abgesehen davon können Fähigkeiten, wie genaue Beobachtung, Strukturierung der Texte und Bildung von Kategorien, als fächerverbindende Ziele angesehen werden.[25]
„Den Modellfall eines analysierenden Zugangs zu Texten“[26] liefert die struktura- listische Analyse. Ein Vertreter dieses Ansatzes ist vor allem Hans Kügler. Sein didaktisches Gedankengut basiert auf einem struktural-semiologischen Litera- turbegriff, bei dem Literatur als codierter Text verstanden wird. Verbunden mit einem Kommunikationsprozess führt er zur Entschlüsselung des Codes und somit zum literarischen Verstehen.[27] Dieser Prozess wird einerseits durch die Textstruktur bestimmt, andererseits hängt er aber auch vom Vorverständnis des
Lesers ab.[28] In diesem Zusammenhang prägte Kügler den Begriff der „literari- schen Kommunikation“, welchen er wie folgt definiert:
Ä/LWHUDULVFKH .RPPXQLNDWLRQ HQW VWHKW >«@ DXV GHU 6SDQQXQJ Y RQ JlQJLJHU 'HQRWDWLRQ XQG EHGHXWHQGHU .RQQRWDWLRQ, G. K. DXV GHP 3UR]HVV GHU %HGHXWXQJVYHUZHLJHU XQJ XQG %HGHXWXQJVYHUWLHIXQJ LQPLWWHQ GHU VR]LDOHQ .RPPXQLN DWLRQ XQG RIW VHOEVW JHJHQ VLH. [29]
Die Textrezeption durch „das lesende Subjekt“[30] erfolgt nicht nur als passive Aufnahme, sondern „aktiv als ein Vorgang des lesenden Erschließens von Zei- chen“[31]. Schüler sollen dadurch eine „doppelte Kompetenz“[32] erlangen, die sich zusammen setzt aus dem Erkennen und dem Verstehen von literarischen Strukturen eines Textes.[33] Kügler hält hierbei die „Modi literarischer Kommuni- kation“[34], nämlich lesendes Erschließen auf hermeneutischer, dialektischer und strukturaler Basis für zentral und trennt sie ausdrücklich vom informativen und speziell vom emotionalen Lesen.[35]
Für die Grundschule ist laut Kügler das lesende Erschließen auf strukturaler und hermeneutischer Basis wichtig. Den dialektischen Modus lässt er hier au- ßen vor. Durch das hermeneutische Kommunikationsmodell, das für ihn ele- mentar ist, sei eine gute Grundlage für die analytische Textarbeit gegeben, da von einer offenen und emotionalen Textbegegnung ausgegangen wird, bei der es nicht zwingend notwendig ist, dass die Schüler Vorkenntnisse haben.[36] Beim strukturalen Modus wird die Besprechung des Inhalts im Hinblick auf die Sprachanalyse zurückgestellt. Zentral seien hierbei die Erarbeitung der Text- elemente und deren Funktion für die Gesamtstruktur.[37]
In der Grundschule könne man durch die einfachen Schritte des Zerlegens und Arrangierens grundlegende textbezogene Begriffe veranschaulichen.[38] Das ana- lytische Interpretationsgespräch spielt somit bei Kügler eine große Rolle. Er wendet dies schon in der zweiten Klasse an und will dadurch eine analytische und nüchterne Herangehensweise an Texte schulen, bei welcher deren Struktur erarbeitet werden soll.[39]
2.2.2 Produktive und handlungsorientierte Verfahren
Bereits Mitte der 1970er Jahre deutete sich eine Gegenbewegung zur Textana- lyse und -interpretation an. Es wurden die produktiven Verfahren ergänzend zum analytischen Unterricht vorgeschlagen. Jedoch fand erst in den 1980er Jahren eine theoretische Begründung und praktische Ausarbeitung des didakti- schen Modells eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts statt.[40] Dabei werden analytische Methoden nicht generell ausgeschlossen, je- doch zielen die produktiven und handlungsorientierten Verfahren auf „die Fun- dierung der Lesebereitschaft und die Ausbildung der Leselust“[41] der Schüler ab, welche die Basis für darauf aufbauende analytische Vorgehensweisen darstel- len können. Bevor nun auf einzelne didaktische Ansätze näher eingegangen wird, ist eine kurze Begriffsklärung von Nöten. Der doppelte Begriff der Produk- tions- und Handlungsorientierung betont zwei grundlegende Formen eines „ak- tiv-produktiven Tuns der Schüler“[42]:
1. „[…] den vielfältigen, durch praktisches Handeln und den aktiven Ge- brauch der Sinne bestimmten Umgang mit gegebenen Texten“[43], d. h. es werden verschiedene Möglichkeiten, etwa musikalische, bildnerische oder szenisch darstellende einbezogen, mit denen die Schüler auf den Text reagieren können,[44]
2. „[…] das produktive Erzeugen von neuen Texten […].“[45], bei welchem stärker die kognitiven Fähigkeiten der Schüler gefordert werden.[46]
Der Begriff des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts be- schreibt keinen „einheitlichen Ansatz“ [47]der Literaturdidaktik. Unter ihm werden verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Zielen und Methoden zusam- mengefasst, zu denen untereinander zwar eine Verbindung hergestellt werden kann, identisch sind sie jedoch nicht.[48]
Im Folgenden werden zwei Positionen handlungs- und produktionsorientierten Umgangs mit Literatur in der Grundschule näher erläutert, auf welche mit der vorliegenden Untersuchung Bezug genommen wurde. Zum einen ist dies das bereits erwähnte Konzept „Handlungs- und produktionsorientierter Literaturun- terricht“ von Gerhard Haas und zum anderen die „produktiven Verfahren“ von Kaspar H. Spinner.
2.2.2.1 Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht: Gerhard Haas
Haas’ 1984 für die Sekundarstufe entwickeltes Konzept schließt in seinen Neu- bearbeitungen seit 1997 auch die Grundschule mit ein, worauf im Folgenden eingegangen wird. Hier beziehe ich mich auf die Ausgabe von 2005. Für Haas gelten als oberste Ziele für den Grundschulunterricht der Aufbau und die Ent- wicklung der Lesefertigkeit und der Lesebereitschaft.[49]Laut Haas sei die Lese- erziehung ein Prozess, der in drei Stufen zu unterteilen sei:
6WXIH 1: Ä$XVELOGXQJ YRQ /HVHIHUWLJNHLW (7HFKQLN GHU 6LQQHQWQDKPH) [50] ³,
6WXIH 2: Ä(QWZLFNOXQJ YRQ /HVHEHUHLWVFKDIW XQG /HVHEHGUIQLVVHQ (DIIHNWLY HPR- WLYH %HMDKXQJ GLHVHU 6LQQHQWQDKPH)³ [51],
6WXIH 3: Ä:LOOH X QG )lKLJNH LW ]X P UHIO HNWLHUWHQ /HVHQ (NULWLVFKH 'XUFKGULQ JXQJ GHU DXIJHQRPPHQHQ ,QIRUPDWLRQHQ XQG Ã%RWVFKDIWHQ¶ ) [52] ³.
Hierbei schließt er für die Grundschule, die er auf der zweiten Stufe ansiedelt, analysierende kognitive Prozesse größtenteils aus. Er ist der Meinung, dass
„kritisch-analytisches Lesen ohne das breite Fundament einer affektiv-emotiven Einübung und Bejahung von Leseprozessen“[53] die Lust am und die Motivation zum Lesen der Kinder zerstöre.[54] Als Grundlage für die Ausbildung der Lesehal- tung hält er drei grundlegende Kompetenzen für die Lesefähigkeit für wichtig:
1. die ÄOLWHUDULVFKH .RPSHWHQ]³, wodurch eine „emotional-affektive oder kognitive Verbindung“ [55] zum Text aufgebaut wird;
2. die ÄHPRWLYH .RPSHWHQ]³, die eine Identifikation mit der Lektüre durch ei- gene Emotionen zulässt[56] und
3. die ÄNUHDWLYH .RP SHWHQ]³, um die Kreativität der Schüler durch Verän- dern, Ergänzen oder Übersetzen der Texte in andere Medien auszubau- en.[57]
Laut Haas liegt die Veränderung seines Ansatzes „in der pädagogisch fundier- ten Umkehrung des Objekt-Subjekt-Verhältnisses, dem damit verbundenen grundlegenden Methodenwechsel und von hier aus auch in einer teilweisen Neudefinition der Zielwerte dieses Unterrichts“[58]. Die Schüler mit ihren Fähigkei- ten und Fertigkeiten stehen bei Haas also im Mittelpunkt und sollen einen Be- zug zur Literatur aufbauen, indem sie diese als gewinnbringend für ihre persön- liche Lebensgestaltung kennen lernen.[59]. Die Textvermittlung soll bei Haas mit einem „ästhetischen Gebrauchs- und in einem ganz weiten Sinne Spielwert“[60]stattfinden.
Ihm ist es besonders wichtig, auch weniger sprachgewandten und leistungs- schwächeren Schülern einen Bezug zu literarischen Texten zu ermöglichen.[61]
Er lehnt deshalb das fragend- entwickelnde Unterrichtsgespräch weitgehend ab. Hier würden laut Haas nur wenige Schüler einen Beitrag liefern, die Mehr- zahl sich jedoch nicht am Geschehen beteiligen.“[62]
2.2.2.2 Produktive Verfahren: Kaspar H. Spinner
Kaspar H. Spinner grenzt sich vom „produktionsorientierten“ Literaturunterricht ab und spricht ausdrücklich von „produktiven Verfahren“.[63] Literatur betrachtet er als „exemplarisches Medium einer Auseinadersetzung mit sich selbst“.[64] Per- sönliche „Verstehensweisen von Texten im Unterricht [werden] ernster genom- men […], sowohl als Ausgangspunkt für Interpretationsgespräche wie als Appli- kation oder Übertragung auf die eigene Lebenswelt am Ende der Beschäftigung mit einem Text.“[65] Auf diese Weise könne Literatur entscheidend zur Ich- Findung beitragen.[66] Er geht von einer engen Beziehung zwischen dem Selbst- und Fremdverstehen aus und betont die gute Eignung produktiver Verfahren, unbekannte Perspektiven zu erschließen. Die Schüler würden sich dabei inten- siv mit der Situation einer literarischen Figur, vor allem mit ihrer Innensicht, durch innere Monologe oder erlebte Rede, beschäftigen[67]. Hierbei geht es ihm nicht ausschließlich um die Fähigkeit fremde Gedanken und Gefühle nachvoll- ziehen, sondern auch um Imagination, d.h. die Fähigkeit, sich fremde Situatio- nen vorstellen zu können.[68]Die wichtigste Aufgabe produktiver Verfahren ist für Spinner „die Imaginationsfähigkeit als Voraussetzung für das literarische Ver- stehen zu fördern.“[69] Deshalb werden heute produktive Verfahren auch vor der Textanalyse und –interpretation, die für Spinner einen sehr wichtigen Teil des Literaturunterrichts darstellen, eingesetzt. Er ist jedoch der Meinung, dass „vor aller abstrahierenden Reduktion“ der Text zuerst „imaginiert“[70]werden sollte. Es werden somit vor der Außenperspektive die Perspektiven im Text näher be-
trachtet[71]. Spinner bezeichnet das Interpretieren als einen „kommunikativen Akt“[72], „als Verständigung zwischen Verstehenden“[73]. D. h. ein Verständnis des Textes könne durch Reden über Erfahrungen miteinander erreicht werden.[74]
Spinner hat die produktiven Verfahren auch in der Grundschule erprobt, betont aber, dass die Textwahrnehmung der Schüler von ihren kognitiven Vorausset- zungen abhänge, die bei der Textauswahl und der Durchführung des Unter- richts zu berücksichtigen seien.[75]Es sei dennoch möglich bereits Grundschüler mit Texten zu konfrontieren, die sie dazu veranlassen „über das wörtlich gesag- te hinauszudenken.“[76] Diese sollten jedoch so aufbereitet sein, „dass die Schü- ler selbst die Sinndimensionen jenseits des wörtlichen Verstehens entdecken“[77].
Für diese unterschiedlichen Positionen soll an dieser Stelle keine Bewertung vorgenommen werden. Sie gaben mir jedoch den Anlass, beide Verfahren in der Unterrichtswirklichkeit zu erforschen, was im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausgeführt und begründet wird.
2.3 Zielsetzung und Vorbereitung der Untersuchung
Nachdem im vergangenen Abschnitt eine Darstellung der verschiedenen Posi- tionen der Didaktiker stattfand, werden nun die Ziele sowie meine Maßnahmen zur Vorbereitung der Untersuchung näher erläutert.
2.3.1 Ziele und Zweck der Untersuchung
Diese Untersuchung ist auf einen Vergleich zweier Unterrichtseinheiten ausge- legt. Es können daher keine Aussagen über langfristige Auswirkungen der pro- duktiven und analytischen Verfahren im Literaturunterricht gemacht werden.
Einerseits sollen hier Vermutungen über den Effekt der Verfahren und der enthaltenen Methoden in Bezug auf das Erreichen der Unterrichtsziele anges-
tellt werden. Dies betrifft das Primärziel des Literaturunterrichts, das Textver- ständnis und dessen Intention.
Andererseits wird untersucht, wie die einzelnen Methoden auf die Schüler wir- ken und wie sie mit dem jeweiligen Verfahren zu Recht gekommen sind. Dies geschieht unter Berücksichtigung der Arbeitsergebnisse. Des Weiteren wird ein Vergleich beider Unterrichtseinheiten vorgenommen, um eventuell deutlich ge- wordene Stärken und Schwächen des jeweiligen Verfahrens aufzuzeigen.
2.3.2 Vorbereitung der Untersuchung
Die Tatsache, zwei Unterrichtseinheiten durchzuführen, bei denen eine strikte Trennung von produktiven und analytischen Verfahren gegeben sein muss, die- se jedoch dieselben Ziele verfolgen sollten, erwies sich zu Beginn als problema- tisch. Denn um beide Unterrichtseinheiten zu vergleichen, ist eine Überprüfung der Ziele von Nöten. Normalerweise ist eine Kombination beider Verfahren ge- geben. Des Weiteren sollten die zu untersuchenden Klassen zumindest ähnli- che Vorerfahrungen zum Thema und Leistungsstände aufweisen. Die Auswahl fiel auf eine zweite Parallelklasse im Landkreis Ludwigsburg. Der Unterricht der beiden Klassenlehrerinnen ist aufeinander abgestimmt, wodurch davon ausge- gangen werden kann, dass sich die Schüler auf einem ähnlichen Wissensni- veau befinden. Dass die Leistungen der beiden Klassen differieren, erklärt sich von selbst, denn es ist unmöglich zwei vom Leistungsstand identische Klassen vorzufinden. Auf die beiden Lerngruppen wird im weiteren Verlauf noch konkre- ter eingegangen.
Als ich die Rahmenbedingungen geklärt hatte, fand die Konzeption der Unter- richtseinheiten statt. Für beide Klassen standen jeweils acht Schulstunden an drei Vormittagen zur Verfügung. Somit hatte ich für jede Klasse sechs Stunden Zeit, um die Unterrichtseinheiten durchzuführen und je eine Stunde für die Lernerfolgskontrolle. Diese fand jeweils zwei Wochen nach dem Unterricht statt. Beide Klassen erhielten ihre getätigten Arbeiten vor der Kontrollstunde korrigiert zurück.
Da ich vorhatte einzelne Unterrichtssequenzen zu filmen und zu fotografieren, verfasste ich einen Brief, in dem die Eltern der Schüler ihr Einverständnis dafür geben sollten.
2.4 Die Forschungsmethode
Die hier vorliegende Untersuchung basiert auf einer Vermischung von qualitati- ven und quantitativen Forschungsmethoden. Es werden sowohl Elemente der qualitativen als auch der quantitativen Forschung angewandt. Im Folgenden findet zuerst eine Abgrenzung dieser beiden Forschungsmethoden statt. Des Weiteren wird der für die Untersuchung relevante Begriff der „Triangulation“ von Methoden geklärt.
2.4.1 Quantitative Forschung
Der quantitative Forschungsprozess ist durch eine aufeinander aufbauende,
„lineare“ Vorgehensweise gekennzeichnet, die eine klare Struktur aufweist,[78] was folgende Abbildung deutlich macht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2
Der Ausgangspunkt für diese Art der Forschung ist die Theoriebildung mit Hilfe fachwissenschaftlicher Quellen, wie Literatur oder bereits durchgeführten empi- rischen Untersuchungen. Aus der vorliegenden Theorie werden Hypothesen gebildet, welche „in operationalisierter Form an empirischen Zusammenhängen überprüft werden“[79]. Empirische oder konkrete Forschungsgegenstände, wie das zu untersuchende Feld, dienen als exemplarisches Beispiel, an denen eine Überprüfung allgemeiner Annahmen durch Hypothesen stattfindet.[80] Das Ziel ist es hier die Repräsentativität der Ergebnisse, welche durch eine Stichprobe des Untersuchungsfeldes erreicht werden soll, zu garantieren. Der ausschlagge- bende Faktor ist „die saubere Zerlegung komplexer Zusammenhänge in unter- scheidbare Variablen, deren Wirkung darüber isoliert und geprüft werden
kann.“[81] Hier haben Theorien und Methoden Priorität gegenüber dem For- schungsgegenstand. Auf diese Weise finden die Überprüfung und unter Um- ständen auch die Falsifizierung statt.[82]
2.4.2 Qualitative Forschung
Bei der qualitativen Forschung wird ein völlig anderes Verständnis von For- schung im Allgemeinen vorausgesetzt als bei der quantitativen. Die einzelnen Bestandteile des ganzen Prozesses sind viel mehr voneinander abhängig und somit zu berücksichtigen:[83]„Qualitative Forschung beinhaltet ein spezifisches Verständnis des Verhältnisses von Gegenstand und Methode“.[84] Hierbei sollen Theorien – anders als in der quantitativen Forschung - das Ergebnis der Unter- suchung eines bestimmten Feldes darstellen und als solches formuliert werden.
Das zu untersuchende Subjekt steht im Vordergrund. Bei der Auswahl ist des- sen „Relevanz für das Thema“[85] ausschlaggebend. Es geht dabei nicht um das Zerlegen eines komplexen Gegenstands, sondern vielmehr „um die Verdichtung von Komplexität durch Einbeziehung von Kontext.“[86] Wichtig ist dabei auch, dass die verwendeten Methoden dem Untersuchungsgegenstand adäquat sind.[87]
Das Verhältnis von Theorie und Empirie ist durch das „Prinzip der Offenheit“[88] beschrieben: Dem Forscher wird nahe gelegt, sein theoretisches Vorwissen bezüglich bestehender Hypothesen zeitweilig außer Acht zu lassen. Dies gilt weniger für die zu untersuchende Fragestellung, welche lediglich unter theoreti- schen Gesichtspunkten skizziert wird.[89]
Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei der qualitativen Forschung nicht die Menge an gewonnen Daten oder die Repräsentativität im Vordergrund steht. Die „Qualität“ der erhaltenen Daten steht im Mittelpunkt dieser Forschungsme-
thode. Es sollen durch gewonnene Ergebnisse Verständnis und Wissen über ein spezielles Thema erlangt werden. Der Dateninhalt sowie der Prozess der Datenerhebung sind wichtiger als Hypothesen, die am Ende der Untersuchung formuliert werden können.
2.4.3 Triangulation
Qualitative Forschung stellt mitnichten einen Gegensatz zur quantitativen dar. Die qualitative Methode ist zwar mit der Logik der quantitativen nur schwer ver- einbar,[90]es besteht jedoch die Möglichkeit beide Methoden miteinander zu kombinieren, was auch der weitere Verlauf dieser Arbeit zeigt. Eine solche Kombination wird Triangulation genannt. Sie lässt sich „als Ansatz der Ge- ltungsbegründung der Erkenntnisse“[91]als Resultat der qualitativen Methode verwenden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Überprüfen der Ergeb- nisse, sondern um deren Erweiterung und Vervollständigung.[92]
Diesbezüglich nennt Flick verschiedene Ziele, mit denen eine solche Triangula- tion realisiert werden kann. Für meine Untersuchung ist das Folgende zutref- fend:
'LH 7ULDQJXODWLRQ V ROO GD]X GLHQ HQ, Ä(UNHQQWQLVVH E HU GHQ *H- JHQVWDQG GHU 6WXGLH ] X JHZLQQHQ, GLH XPIDVVHQGHU VLQG DOV GLHMH- QLJHQ, GLH GHU HLQH RGHU DQGHUH =XJDQJ HUEUDFKW KlWWH³[93] .
Nach Flick unterscheidet Denzin mehrere Typen von Triangulationen. Bei mei- nem Projekt wandte ich die „between-methods“[94] Triangulation an. Hier werden qualitative und quantitative Verfahren in derselben Untersuchungsphase zeit- gleich eingesetzt[95], um vielfältigere Daten durch eine Kombination von Metho- den zu gewinnen.[96]
Zum einen erhob ich Daten mit verschiedenen qualitativen und zum anderen mit quantitativen Methoden. Dadurch sah ich die Möglichkeit ein breiteres und
tieferes Spektrum an Daten zu erhalten, was im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausführlich dargestellt wird.
2.5 Forschungsmethodische Prinzipien der Untersuchung
Im folgenden Abschnitt werden die forschungsmethodischen Prinzipien, auf de- ren Grundlage die Untersuchung durchgeführt wurde, erläutert und begründet.
2.5.1 Fallanalysen als Untersuchungsrahmen
Fallanalysen nehmen innerhalb der qualitativen Forschung eine zentrale Stel- lung ein. Sie dienen dem Zweck der detaillierten Beschreibung oder der Re- konstruktion eines einzelnen Falles. Mayring macht folgenden Grundgedanken für eine Fallanalyse geltend:
6LH ÄZLOO VLF K ZlKUHQG GHV JHVDPWHQ $QDO\V HSUR]HVVHV GHQ 5FN- JULII DXI GHQ )DOO LQ V HLQHU *DQ] KHLW XQG .RP SOH[LWlW HUKDOWHQ, XP VR ]X JHQDXHUHQ XQG WLHIJUHLIHUHQGHQ (UJHEQLVVHQ ]X JHODQJHQ.³ [97]
Als Fall können einzelne Personen, aber auch eine ganze Familie oder Ge- meinschaft sowie eine Institution gelten. Hier stellt sich die Identifikation mit ei- nem Fall, der für die Untersuchung aussagekräftig ist, als Problem dar. Abge- sehen davon sind seine Eingrenzung und die Auswahl der zur Rekonstruktion erforderlichen Methoden schwierig zu lösende Aufgaben.[98]
Bei dieser Untersuchung sind mit „Fällen“ die beiden Schulklassen gemeint, in denen das Unterrichtsgeschehen erforscht werden sollte. Es wurden explizit nur die beiden Einheiten untersucht, ohne spezielle Befragungen der Klassenlehre- rinnen über einzelne Schüler durchzuführen. Dies hielt ich nicht für notwendig, da mir beide Klassen schon aus meinem Blockpraktikum II bekannt waren.
Bei einer Fallanalyse gibt es auch Grenzen. Es ist schwierig einzelne Fälle zu verallgemeinern. Dabei würde die Durchführung mehrerer Studien Hilfe leisten. Jedoch liegt das Ziel bei der hier vorliegenden Untersuchung nicht darin, von
einem speziellen Fall auf die Allgemeinheit schließen zu können. Es sollen le- diglich für zwei Fälle typische Erkenntnisse erlangt werden.[99]
2.5.2 Der Lehrer als teilnehmender Beobachter und Forscher
Eine weit verbreitete Methode in der qualitativen Forschung ist die teilnehmen- de Beobachtung. Wichtige Kennzeichen hierbei sind nach Flick die Integration des Forschers in das zu untersuchende Feld, dessen Beobachtungen aus Teil- nehmerperspektive sowie seine Einflussnahme als Beobachter auf den zu beo- bachtenden Gegenstand.[100]Der kanadische Ethnologe Jorgensen führt dies, laut Flick, in seinen Kennzeichen teilnehmender Beobachtung weiter aus. Er hebt dabei besonders die Offenheit der Datenerhebung hervor, was nun aus- zugsweise dargestellt wird:
Ä 1. HLQ VSH]LHOOHV ,QWHUHVVH DQ PHQ VFKOLFKHQ %HGHXWXQJHQ XQG ,QWHUDNWLRQHQ DXV GHU 3HUVSHNWLYH YRQ 3HUVRQHQ, GL H >«@ 7HLOQHKPHU LQ EHVRQGHUHQ 6L- WXDWLRQHQ >«@ VLQG;
2. GLH /RNDOLVLHUXQJ LP +LHU XQG -HW]W YRQ $OOWDJVVLWXDWLRQHQ >«@ DOV *UXQGODJH YRQ 8QWHUVXFKXQJ XQG 0HWKRGH;
3. HLQH )RU P YRQ 7KHRULH XQG 7 KHRULHELOGXQJ, GLH ,QWHUSUHWDWLRQ XQG 9HUVWH- KHQ PHQVFKOLFKHU ([LV WHQ] KHUYRUKHEW;
4. )RUVFKXQJVORJLN XQG ±SUR]HV V VLQG RIIH Q, IOH[LEHO, RSSRUWXQLVW LVFK XQG Y HU- ODQJHQ HLQH GDXHUQGH 1HXGHILQLWLRQ GHV 3UREOHPV DXI GHU %DVLV YRQ )DNWHQ
>«@;
5. HLQ LQ GLH 7LHIH JHKHQGHU, TXDOLWDWLYHU, IDOORULHQWLHUWHU =XJDQJ >«@;
6. GLH $XVI KUXQJ HLQHU RGHU YHUVFKLHGH QHU 7HLOQHKPHUUROOHQ, GL H GLH +HUVWHO- OXQJ XQG $XIUHFKWHUKDOWXQJ YRQ %H]LHK XQJHQ P LW GHQ 0LWJOLHGHU Q LP )HOG EHLQKDOWHQ;
7. GLH 9HUZHQGXQJ Y RQ GLUHNWHU %HREDFKWXQJ ]XVDPPHQ PLW DQGHUHQ 0HWKR- GHQ GHU ,QIRUPDWLRQVJHZLQQXQJ.³ [101]
Bei dieser Untersuchung übernahm ich als Lehrperson auf der einen Seite die Rolle des teilnehmenden Beobachters, da ich während des Unterrichts anwe- send war, die Klasse beobachtet und zudem selbst unterrichtet habe. Auf der anderen Seite war ich als Forscher tätig, da die Untersuchung von mir selbst durchgeführt wurde. Auf diese Weise war ich komplett in die Unterrichtssituation eingebunden.
2.5.3 Aufnahme und Dokumentation der Daten
Meine bereits im vergangenen Abschnitt erwähnte „Doppelrolle“ als Lehrperson machte es nötig, die Untersuchungsdaten auf verschiedenen Wegen, welche nun dargestellt werden, aufzunehmen und zu dokumentieren.
2.5.3.1 Videoaufnahme und Fotografie
Vor allem während des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts war es nötig einzelne Situationen auf Band oder Foto aufzunehmen, da hier die Schüler weitgehend selbständig arbeiteten und ich somit nicht alle Aktionen der Schüler zu jeder Zeit im Blick haben konnte.
Fotografien wurden während des analytischen Unterrichts hauptsächlich von Tafelbildern gemacht, die aber von mir in Grafiken dargestellt werden. Das Fil- men und Fotografieren übernahm eine meiner Kommilitoninnen. Einerseits dienten die Aufnahmen zur Aufzeichnung von Handlungen und Gesprächen unter den Schülern und andererseits als Darstellungshilfen für die anschließen- de Interpretation.
2.5.3.2 Schülerarbeiten
Abgesehen von oben genanntem Bild- und Tonmaterial dienten die zahlreichen Schülerarbeiten, wie ausgefüllte Arbeitsblätter, hergestellte Collagen und Mär- chenbücher, als Daten für die Auswertung des Unterrichtsgeschehens.
Hierbei waren vor allem Unterschiede in der Bewertung des analytisch- orientierten im Gegensatz zum handlungs- und produktionsorientierten Unter- richt zu berücksichtigen, welche im weiteren Verlauf dieser Arbeit genauer be- schrieben werden.
2.5.3.3 Test als Lernerfolgskontrolle
Im Gegensatz zu den bisher genannten Methoden zur Datenaufnahme und – dokumentation, welche allesamt der qualitativen Forschung zuzuordnen sind, stellt der Test ein Messinstrument der quantitativen Forschung dar. Laut Gud- jons gilt ein Test
ÄDOV ZLVV HQVFKDIWOLFKHV 5RXWLQHYHUIDKUHQ, PLW GHP HPSLULVF K DE- JUHQ]EDUH 3HUV|QOLFKNHLWV PH UNPDOH XQWHUVXFKW ZHUGHQ P LW GH P
=LHO HLQHU P|JOLFKVW TXDQWLWDWLYHQ $XVVDJH EHU GHQ *UDG GHU LQGL- YLGXHOOHQ 0HUNPDOVDXVSUlJXQJ.³ [102]
Bei der vorliegenden Untersuchung wurde der kriteriumorientierte Test durchge- führt. Ziel ist es hier die Leistungsfähigkeit der Schüler zu vorher exakt formu- lierten Lerninhalten in Bezug zu setzen.[103] Es kann, unabhängig von Leistungen anderer, überprüft werden, ob ein Schüler ein bestimmtes Lernziel erreicht hat oder nicht.[104] Die Fragen, welche der Test beinhaltet, müssen so formuliert sein, dass sie die Lerninhalte abdecken, um feststellen zu können, inwieweit der Schüler das Lernziel erreicht hat.[105]
Der Test (siehe MB, S. 72 – 76, M 23a - b), welcher bei dieser Untersuchung angewandt wurde, besteht aus drei Fragenkomplexen:
1. zur Intention des Textes (durch Ankreuzen),
2. zum Inhalt des Textes (durch Unterstreichen),
3. zur Rekonstruktion des Inhalts (durch selber Schreiben).
Zur Bearbeitung des Tests hatten die Schüler 45 Minuten Zeit. Er diente mir als zusätzliche Hilfe bei der Datenauswertung. Um die Schülerarbeiten genauer interpretieren zu können, wollte ich Kenntnis darüber erlangen, ob der Text ver- standen wurde. Somit war es mir möglich, die Arbeitsergebnisse der Kinder ge- nauer nachzuvollziehen.
2.5.4 Aufbereitung der Daten
Ein spezielles Anliegen der qualitativen Forschung ist die genaue Beschreibung des zu untersuchenden Gegenstandes. Deshalb kommt der Aufbereitung der Daten, die einen wichtigen Schritt zwischen Datenaufnahme und –interpretation darstellt, große Bedeutung zu. In der quantitativen Forschung wird dieser Schritt weitgehend vernachlässigt.[106]Hier dominiert die graphische Darstellung der Daten in Form von Diagrammen, welche ich, neben meinem Hauptdarstel- lungsmittel, dem Text, ebenfalls verwendet habe. Durch das visuelle Medium
der Fotografie werden diese Mittel, die allesamt zur Veranschaulichung sowie zum besseren Verständnis der Daten dienen sollen, ergänzt.
2.5.4.1 Transkription
Bevor die Videoaufnahmen interpretiert werden konnten, war deren Verschriftli- chung nötig. Dies geschah mit Hilfe von kommentierten Transkriptionen. Im Gegensatz zur wörtlichen Transkription, bei der nur das Gesagte schriftlich festgehalten wird, berücksichtigt die kommentierte Transkription auch Auffällig- keiten oder Handlungen, wie Lachen, Betonungen oder Pausen. Der Nachteil hierbei ist, dass solche Texte durch diese weiteren Informationen schwer zu lesen sind.[107]Da bei der vorliegenden Untersuchung jedoch auch Handlungen der Schüler relevant für die anschließende Interpretation waren, wurde die kommentierte Transkription, in Anlehnung an das Basistranskript des Ge- sprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT) nach M. Selting verwendet. Es enthält Regeln (siehe MB, S. 59) für „die Wiedergabe des Wortlautes der Sprecherbeiträge, […] die Notation von
- Überlappungen,
- Schnellen Anschlüssen,
- Pausen,
- Dehnungen,
- Abbrüchen,
- para - verbalen und non – verbalen Aktivitäten und Ereignissen […]“[108].
2.5.4.2 Konstruktion deskriptiver Systeme
Diese Form der Datenaufbereitung stellt einen fließenden Übergang zu deren Auswertung dar. Laut Mayring soll durch diese Technik „das Material durch zu Kategoriesystemen zusammengestellte Überbegriffe geordnet werden“[109]. Es ist darauf zu achten, dass die Kategorien einen höheren Grad an Abstraktheit auf- weisen als das Material, denn es soll eine Ordnung dessen stattfinden.[110] Bei der vorliegenden Untersuchung bildete ich Kategorien für die Ergebnisse der Schülerarbeiten, die als Grundlage der Kategorienbildung für den späteren Ver- gleich und die Interpretation dienen sollten.
2.5.5 Auswertung der Daten
Wie bereits oben erwähnt dient eine Fallanalyse als umfassende Dokumentati- on, Beschreibung und Interpretation der Wirklichkeit, hier der Unterrichtswirk- lichkeit. Erst- und Zweitgenanntes werden im weiteren Verlauf ausführlich mit obigen Mitteln dargestellt. Zur Auswertung der Daten bediente ich mich der Interpretation, die sich auf zuvor beschriebene Kategorienbildung stützte. Sie bildet den Kern meiner Untersuchung, der die Erhebung aller Daten mit ein- schließt und nach Flick gleichbedeutend mit einer „Theorieentwicklung“[111]sei.
Speziell für die Auswertung des Tests entwarf ich eine Bewertungstabelle mit Notenverteilung (siehe S. 71). Sie sollte jedoch lediglich für meine Interpretation zur Verfügung stehen und nicht für die Schüler zugänglich sein.
2.5.6 Gütekriterien
Meine Untersuchung kann nicht mit den herkömmlichen Gütekriterien der quali- tativen oder quantitativen Forschung, wie Validität, Objektivität und Reliabilität bewertet werden. Lincoln und Guba entwickelten laut Flick „alternative Kriterien für die Beurteilung qualitativer Forschung“[112]. Die Glaubwürdigkeit stellt bei ih-
nen das zentrale Kriterium dar. Diese kann beispielsweise durch die Triangula- tion verschiedener Methoden oder Daten gewährleistet werden.[113] Da ich eine solche Triangulation zur Erkenntnisgewinnung angewandt habe, ist meine Un- tersuchung glaubwürdig und somit nachvollziehbar.
Für den durchgeführten Test hingegen gelten die oben erwähnten Gütekriterien der Validität, Objektivität und Reliabilität. Erstgenanntes meint die Gültigkeit des Tests, d. h. wird auch das gemessen, was gemessen werden soll? Der vorlie- gende Test diente der Überprüfung, ob Lerninhalte verstanden wurden. Diese Tatsache kann ich bestätigen. Mit der Objektivität ist die Unabhängigkeit der Ergebnisse von bestimmten Rahmenbedingungen gemeint. Ein Test sollte im- mer zu exakt denselben Ergebnissen führen, egal wo und von wem er durchge- führt wurde. Auch dies trifft für diese Untersuchung zu. Über das letzte Krite- rium, die Reliabilität, können keine Aussagen gemacht werden. Es bezeichnet die Zuverlässigkeit eines Tests, was bedeutet, dass er unter denselben Bedin- gungen an denselben Gegenständen durchgeführt werden und zu denselben Ergebnissen führen muss.[114]Die Reliabilität hätte durch einen weiteren Test sichergestellt werden können, welcher jedoch nicht durchgeführt wurde.
3 Planung und Durchführung zweier Fallanalysen im Literaturunterricht der zweiten Klasse zum Grimm’schen Märchen „Die Bienenkönigin“
3.1 Märchen in der Grundschule
Im Folgenden wird auf die Bedeutung der Märchen in der Grundschule einge- gangen. Zuvor bedarf es jedoch noch der Klärung des Namens und Begriffes
„Märchen“ im Allgemeinen. Außerdem erfolgt eine kurze Abgrenzung des Volksmärchens zum Kunstmärchen. In Bezug auf die vorliegende Untersu- chung wird speziell auf das „Dummlingsmärchen“ eingegangen.
3.1.1 Zum Märchenbegriff
Ursprünglich war mit dem Begriff „Märchen“ eine kurze Erzählung gemeint. Das deutsche Wort „Märchen“ stellt eine Verkleinerungsform zu „Mär“ (mhd. maere
= „Erzählung, Kunde, Bericht, Gerücht“[115]) dar. Dieses Diminutivum führte zu einer Verschlechterung der Bedeutung und wurde auf unwahre und erfundene Geschichten angewandt.[116] Bereits im 19. Jahrhundert jedoch erlangten Mär- chen, unter anderem durch die Erfolge der Volksmärchensammlungen der Ge- brüder Grimm, Prestige. Heute sind die Begriffe „Volksmärchen“ und „Kunst- märchen“ eine wertungsfreie Bezeichnung für eine literarische Gattung, mit der nach Lüthi im Allgemeinen Zauberei, Übernatürliches oder Wunder verbunden werden.[117]Er zitiert in diesem Zusammenhang Bolte und Polivka, die einen Defi- nitionsversuch des Märchenbegriffs anstellten:
Ķ8QWHU HLQHP 0lUFKHQ YHUVWHKHQ ZLU >«@ HLQH PLW GLFKWHULVFKHU 3KDQWDVLH HQWZRUIHQH (U]lKOXQJ EHVRQGHUV DXV GHU = DXEHUZHOW, HLQH QLFKW DQ GLH %HGLQJXQJHQ GHV ZLUNOLF KHQ /HEHQV JHNQSIWH
ZXQGHUEDUH *HVFKLFKWH, GLH KRF K XQG QLHGULJ P LW 9HUJQJHQ DQ- K|UHQ, DXFK ZHQQ VLH GLHVH XQJODXEOLFK ILQGHQ.¶³ [118]
Durch die Phantasie in den Erzählungen besteht zwar eine Verbindung zwi- schen Volks- und Kunstmärchen, jedoch kann eine klare Grenze zwischen bei- den gezogen werden. Erstgenanntes basiert auf mündlicher Überlieferung und wurde über Generationen hinweg tradiert und somit auch geformt. Es kann deshalb kein Urheber festgestellt werden, was bei Kunstmärchen durchaus der Fall ist. Sie zählen zur Individualliteratur und wurden von Dichtern geschaffen und entweder durch Auswendiglernen oder schriftliche Fixierung überliefert. Jedoch bleibt es dem Dichter überlassen, ob er sich an das Muster des Volks- märchens hält oder gänzlich frei erfundene Erzählungen ausphantasiert.[119]
Das Volksmärchen weist einen klaren Bau auf und ist durch künstlich-fiktive Elemente charakterisiert. Durch die leichte und spielerische Art erhalten beleh- rende Elemente hier eine untergeordnete Rolle. Außerdem sind Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit miteinander verbunden, wodurch eine Übertragung auf das reale Leben stattfinden kann.[120]
Ansehen erlangten die Volksmärchen, wie bereits oben erwähnt, durch die Ge- brüder Grimm. Diese fassten erstmals im Jahre 1812 zahlreiche Volksmärchen in ihrem Buch „Kinder- und Hausmärchen“ zusammen. Die Nummer 64 erhielt damals die Überschrift „’Von dem Dummling’“[121]. Darunter waren vier Märchen, unter anderem „Die Bienenkönigin“, worauf im weiteren Verlauf näher einge- gangen wird, aufgeführt.[122]Bei all diesen Märchen steht ein männlicher Held, welcher „Dummling“ genannt wird, im Mittelpunkt. In diesen so genannten
„Dummlingsmärchen“ stellt der Held nicht „den Dummen“ als bestimmte Person dar, sondern spielt vielmehr eine typische Rolle im Märchen. Der dritte und jüngste Sohn wird meist, im Gegensatz zu seinen älteren schlaueren Brüdern, für dumm gehalten.[123] Er gilt als der „unterschätzte Held“[124], der im Verlauf des Märchens aus seiner Rolle ausbricht und zum gefeierten Helden avanciert.
3.1.2 Die Wichtigkeit der Märchen im Grundschulalter
Welche Bedeutung Märchen in der Grundschule haben und wie wichtig ihre Rezeption für Kinder diesen Alters sind, macht folgende Antwort von Christa Wolf auf die Frage was ihr fehle, wenn sie alle Bücher, die sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr gelesen habe, aus ihrem Gedächtnis löschen würde,[125]deutlich:
Ķ $UP, DXVJHSOQGHUW, HQWEO|‰W XQG XQJHIHLW WUHWH LFK LQ PHLQ ]HKQ- WHV -DKU. >«@ GHU +H[H LP 0lUFKHQEXFK ZXUGHQ QLF KW GLH $XJHQ
]HUNUDW]W, >«@ GLH 5HW WXQJ HLQHV +HOGHQ KDEH LFK QLFKW NHQQHQ JH- OHUQW, QLH ELQ LFK ]X IDQWDVWLVFKHQ 7UlXP HQ DQJHUHJW ZRUGHQ >«@ .
,FK ZHL‰ QLFKW, GDVV 9|ONHU XQWHUVFKLHGOLFK XQG GRFK HLQDQGHU lKQ- OLFK >VLQG@. 0HLQH 0RU DO LVW QLF KW HQWZLFNHOW, >«@ P HLQH )DQWDVLH LVW YHUNPP HUW. 9HUJOHLF KHQ, 8UWHLO HQ IlOOW PLU VFKZHU. 6FK|Q XQG KlVVOLF K, JXW XQG E|V H VLQG VF KZDQNHQGH XQG XQV LFKHUH %HJULIIH. (V VWHKW VFKOHFKW XP PLFK«(LQH :HOW, GLH QLFKW ]XU UHFKWHQ =HLW YHU]DXEHUW XQG GXQN HO ZDU, ZLU G, ZHQQ GDV :LVVHQ ZlFKVW, QLFKW NODU, VRQGHUQ GUU.¶³ [126]
In diesem Alter liegt im kindlichen Denken ein animistisches Weltbild vor. Auch Gegenstände oder die Natur sind belebt und beseelt. Für Kinder dieses Alters ist es selbstverständlich, dass beispielsweise Bäume sprechen können. Auch formal entsprechen Märchen genau dem Entwicklungsstand der Kinder. Hand- lungen sind nicht bis ins kleinste Detail beschrieben, sondern es erfolgt eine rasche Abfolge dieser. Dadurch werden Vorstellungsmechanismen im Geiste der Kinder aktiviert, die es ihnen ermöglichen, sich in die Situation hineinzuden- ken und ihre Gefühle in Bilder zu fassen.[127]Außerdem ist die Tatsache, dass nur wenige Personen vorkommen, oft aber in Verbindung mit Fabelwesen, für junge Leser sehr ansprechend. Das Wunderbare ist für Kinder nichts Unge-
wöhnliches. Im Gegenteil: Es entspricht oft ihren geheimen Träumen und Wün- schen.[128]
Der Gegensatz von „Gut“ und „Böse“ im Märchen spiegelt das Empfinden für Gerechtigkeit der Leser in diesem Alter wieder und verstärkt dies noch durch die Bedingung, dass stets das Gute siegt.[129]Durch die symbolische Verschlüs- selung der Konflikte zwischen diesen Gegenpolen eignet sich das Märchen da- zu, in das Unterbewusstsein der Kinder einzudringen und ihnen eine Hilfe zu sein, selbständig zu werden und in das Erwachsenenleben einzutreten.[130]
3.2 Das Märchen „Die Bienenkönigin“ der Gebrüder Grimm
Es handelt sich hierbei um ein relativ unbekanntes Dummlingsmärchen der Ge- brüder Grimm. Im Folgenden werden inhaltliche und strukturelle Aspekte sowie die Intention des Märchens dargestellt.
3.2.1 Inhalt
Zwei Königssöhne verlassen ihre Heimat, um auf Abenteuerreise zu gehen. Der jüngste, genannt „der Dummling“, reist seinen verschollenen Brüdern nach, um sie zu suchen. Als er die Älteren findet, geht er mit ihnen gemeinsam auf die Reise. Er beschützt insgesamt drei verschiedene Tierarten vor der Zerstö- rungswut seiner Brüder. Zuerst hilft er den Ameisen, danach den Enten und zu guter Letzt der Bienenkönigin und ihrem Volk.
Schließlich gelangen sie an ein Schloss. Dort bekommen die Brüder drei Auf- gaben gestellt, die sie erfüllen müssen, um die darin lebende Prinzessin und ihre Schwestern von einem Fluch zu erlösen. Die beiden älteren Brüder schaf- fen dies nicht und werden daraufhin versteinert. Dem Dummling jedoch kom- men die Tiere, denen er das Leben gerettet hat, zu Hilfe. Die Prinzessin wird erlöst, der Dummling wird König und heiratet die jüngste und liebste Prinzessin. Die älteren Brüder erhalten die beiden anderen Schwestern zur Frau.[131]
3.2.2 Struktureller Aufbau
Die beiden älteren Brüder lösen die Ausgangslage des Märchens als „’Mangel- situation’“[132]aus. Sie sind auf Abwege geraten, nachdem sie das Königshaus verlassen haben. Der Dummling, der jüngste Bruder, entschließt sich dazu, die Älteren zu suchen[133], welche das Böse in diesem Märchen, durch ihre „zerstö- rerischen und herzlosen Absichten“[134]gegenüber den Tieren, verkörpern. Sie haben die Funktion des Gegenspielerpaares zum jüngeren Bruder, der den
Helden im Märchen darstellt. Er findet seine Brüder und reist mit ihnen weiter. Durch ihre Bösartigkeit entwickeln sie sich zum Störungsfaktor auf der sonst friedlichen Reise und rufen den Konflikt in diesem Märchen hervor. Dadurch wird der Dummling als Held zur Gegenhandlung herausgefordert. Lediglich sei- ne Sprache dient hier als Zaubermittel. Mit den Worten „’Laßt die Tiere in Frie- den, ich leid’s nicht, daß ihr sie stört’“ (siehe Anhang, S. 91) besiegt er dreimal die Bösartigkeit der Brüder und rettet den Tieren somit das Leben. In der nach- folgenden Situation stehen der Held und seine Gegenspieler vor der Lösung dreier schwerer Aufgaben. Bei Nichterfüllung droht Versteinerung. Diese Auf- gabe stellt die Prüfung des Märchens dar, die nur der Dummling mit Hilfe der Tiere, denen er zuvor das Leben gerettet hat, bestehen kann. Hierdurch löst er die „Mangelsituation“ zu Beginn des Märchens auf und wird König. Seine Brü- der werden einerseits durch die Versteinerung bestraft und andererseits nach ihrer Erlösung mit den hübschen Prinzessinnen belohnt.[135]
Das ganze Geschehen vollzieht sich in nur einer „fortlaufenden Sequenz“[136]. Es handelt sich um ein eingliedriges Märchen: der Protagonist führt wenige Hand- lungen aus, welche eine lineare Anordnung aufweisen und durch keinerlei ver- wirrende Nebenhandlungen durchbrochen werden.[137]
3.2.3 Intention
Ein Junge, der von seinen Brüdern nur als „Dummling“ bezeichnet wird, zieht hinaus in die Welt, um die beiden zu suchen. Als er sie schließlich findet, gehen sie zusammen weiter, obwohl sie ihm nichts zutrauen und ihn bislang nur ver- spottet haben. Scheinbar besitzt der Dummling mehr Kräfte als seine Brüder annahmen, denn sie schließen sich ihm an und geben ihre Leben dafür auf.[138] Die übermütigen und egoistischen Gemüter der Brüder sind jedoch nicht im Sinne des Dummlings. Der Held des Märchens beweist Mut, als er sich gegen
die Bösartigkeit seiner Brüder stellt und die Tiere vor deren Zerstörungswut ret- tet. Seine Worte „’Lasst die Tiere in Frieden, ich leid’s nicht, daß ihr sie stört.’“ sind beschwörend und haben magische Kräfte auf die Älteren, die daraufhin von den Tieren Abstand nehmen und ihnen ihr Leben lassen. Hier zeigt der Dummling Verantwortlichkeit in zweierlei Hinsicht: zum einen für die Tiere und
zum anderen für seine Brüder, die er davon abhält sich schuldig am Tod der Tiere zu machen.[139]
Seine Barmherzigkeit und sein altruistisches Handeln ermöglichen es dem Dummling später, die drei Aufgaben, die im Schloss zu lösen sind, zu erfüllen. Alle drei Brüder werden herausgefordert, den Fluch der Versteinerung aufzuhe- ben. Den Älteren misslingt dies aufgrund ihrer Selbstüberschätzung und sie verfallen somit ebenfalls dem Fluch. Bis zu diesem Zeitpunkt besaßen sie nur ein von Bösartigkeit erfülltes Herz aus Stein. Der Dummling ahnt ebenfalls nicht wie schwer die Aufgaben zu lösen sind, jedoch besitzt er ein mitleidsfähiges, mit Liebe erfülltes Herz, das ihm die Hilfe der Tiere zukommen lässt. Diese set- zen „die Vollkommenheit ihres Tierseins in ihrem begrenzten Lebensbereich ein“[140]und helfen somit dem Dummling mit ihren jeweiligen besonderen Fähig- keiten, die Verwünschung aufzuheben. Sein Mitgefühl gegenüber den Tieren war sein Prüfstein.
Der Märchenheld benötigt keine hochgradige Intelligenz oder abstraktes Denk- vermögen, um die Aufgaben zu erfüllen. Allein sein reines Herz, sein selbstlo-
ses Handeln und seine Liebe gegenüber seinen Mitmenschen und der Natur sind hier die Voraussetzungen für die Erlösung.[141]
3.3 Handlungs- und produktionsorientierter Umgang mit der „Bienenkönigin“
3.3.1 Die Lerngruppe
Die Klasse 2c besteht aus 27 Schülern. Hiervon sind neun Jungen und 18 Mäd- chen. Am Tage meiner Untersuchung waren jedoch zwei Kinder krank, so dass die Durchführung mit 25 Schülern stattfand. In dieser Klasse sind drei ausländi- sche Kinder, die aber keine Probleme mit der deutschen Sprache haben. Somit sind keine Probleme auf Grund ihres Migrationshintergrunds zu erwarten.
Die Klasse zeigt insgesamt ein gutes Sozialverhalten. Mädchen und Jungen harmonieren gut. Leider besteht ein gewisser Konkurrenzkampf zwischen den Jungen, welcher aber größtenteils nur in der Pause ausgetragen wird. Für den Unterricht sind diesbezüglich keine Schwierigkeiten zu erwarten. Insgesamt handelt es sich bei der 2c um eine sehr motivierte und wissbegierige Klasse, die jederzeit offen ist für Neues und auch mit sehr viel Engagement arbeitet.
Die Methode der Stationenarbeit ist den Kindern bereits bekannt. Ich selbst führte eine solche während meines Blockpraktikums dort erfolgreich durch. Es sind jedoch Ruhestörungen oder Ablenkungen vom Lerngeschehen beim Wechsel der Stationen zu erwarten, die es zu unterbinden gilt. Die Tische im Klassenzimmer sind hufeisenförmig angeordnet, so dass die Sitzordnung für die Stationenarbeit aufgelöst werden muss.
Zum Thema Märchen sind nur wenige Vorerfahrungen zu erwarten. Die Klas- senlehrerin führte noch keine Unterrichtseinheit hierzu durch. Ich gehe jedoch davon aus, dass die meisten Kinder schon einmal ein Märchen gesehen oder vorgelesen bekommen haben. Das Märchen „Die Bienenkönigin“ dürfte den Schülern nicht bekannt sein.
3.3.2 Intentionen und Ziele des Unterrichts
Die Schüler sollen den Inhalt des Märchens erfassen, verstehen und wiederge- ben können. Durch das handlungs- und produktionsorientierte Arbeiten in An- lehnung an Haas und Spinner erlangen sie einen tiefen Einblick in den Inhalt und sollen auf diese Weise dazu angeregt werden, über diesen nachzudenken. Durch das Herausarbeiten der Eigenschaften der drei Brüder werden die Schü- ler dazu aufgefordert, sich intensiv mit den Personen auseinanderzusetzen. Sie sollen lernen, dass Hilfsbereitschaft gegenüber anderen wichtig ist. Im Gegen- satz hierzu werden sie dazu veranlasst herausarbeiten, was die älteren Brüder falsch machen. Der Dummling soll als „der Gute“ und die älteren Brüder als „die Bösen“ des Märchens verstanden werden.
3.3.3 Methodische Vorgehensweise
3.3.3.1 Tag 1
Zu Beginn begrüße ich die Klasse mit dem gewohnten Morgengruß. Außerdem stelle ich die Kamerafrau vor und erkläre den Kindern, dass der heutige Schul- vormittag auf Band aufgenommen würde, sie sich aber davon nicht stören las- sen sollten. Auf diese Weise versuche ich den Schülern die Angst vor der Ka- mera zu nehmen. Anschließend werden die Schüler aufgefordert leise zu sein, während ich mit einem Stoffsäckchen herumgehe, indem Kärtchen mit ver- schiedenen Märchenbildern (siehe MB, S. 3, M 1) enthalten sind. Alle Kinder fassen nacheinander in das Säckchen, holen eine Karte heraus und schauen diese an. Nachdem jeder Schüler ein Kärtchen bekommen hat, äußern sie sich darüber, was es mit diesen Bildern auf sich haben könnte. Die Schüler sollen auf diesem Wege herausfinden, dass sie sich heute mit dem Thema „Märchen“ beschäftigen. Es folgt ein kurzes Gespräch darüber, was ein Märchen ist und welche Märchen die Kinder kennen. Anschließend erkläre ich, dass die einzel- nen Bilder die „Schlüssel“ zur Märchenwelt seien, welche sie gleich gemeinsam betreten und zwar indem sie durch einen großen Bilderrahmen - der das Tor zur Märchenwelt symbolisiert – steigen würden. Nachdem alle Kinder die Mär- chenwelt betreten haben, wird der Raum abgedunkelt. Die imaginäre Märchen- welt ist mit Decken in Halbkreisform vor der Tafel ausgelegt, in der Mitte befin- det sich eine Kerze, die nun angezündet wird. Die Schüler setzen sich auf die
Decken. Vor sich finden sie fünf Bilder (siehe MB, S. 4 – 8, M 2), die zur Hin- führung zum Märchen „Die Bienenkönigin“ dienen, auf denen Folgendes zu sehen ist:
1. Bild: drei Königssöhne,
2. Bild: Enten,
3. Bild: Bienen,
4. Bild: Ameisen,
5. Bild: ein Ameisenhaufen.
Dieser stumme Impuls soll die Kinder dazu anregen, sich zu den Bildern zu äu- ßern und über deren Zusammenhang bezüglich des heutigen Themas zu spe- kulieren. Schon hier müssen die Schüler ihre Vorstellungskraft einsetzen, um einen möglichen Zusammenhang der Bilder zu erschließen.
Nachdem die Schüler Vermutungen über mögliche Verknüpfungen der Abbil- dungen angestellt haben, beende ich das Unterrichtsgespräch mit den Worten:
„So, jetzt wollen wir mal hören was in unserem Märchen wirklich passiert“, und erkläre, dass das heute behandelte Märchen von den Gebrüder Grimm stammt. Anschließend erzähle ich es mit Betonung wichtiger Sequenzen. Die Schüler hören mir zu.
Danach äußern sie erste Eindrücke, Wertungen und Meinungen dazu. Wird von den Kindern nicht speziell auf das Böse, das Gute und die Bewertungen der einzelnen Handlungen der Figuren im Märchen eingegangen, stelle ich hierzu gezielt Fragen.
In der nun folgenden Erarbeitungsphase haben die Kinder die Aufgabe mit verschiedenen Utensilien, wie beispielsweise Stoffen in verschiedenen Farben, Playmobilfiguren, Stoffblumen, Styropor und Ostergras eine Märchenerzähl- landschaft zu bauen und den Inhalt genau wieder zu geben. Dies läuft folgen- dermaßen ab: Jeweils ein Kind erzählt einen Teil aus dem Märchen und stellt diesen mit den genannten Utensilien nach. So entsteht im Laufe des Erzählens eine Landschaft, auf der man das Märchen nachvollziehen kann. Weiß ein Kind nicht mehr weiter, so kann ihm ein anderes zu Hilfe kommen.
Diese Methode der plastischen Darstellung der einzelnen Stationen ermöglicht den Schülern eine Orientierung im Märchen und hilft ihnen einerseits es zu strukturieren und andererseits den Inhalt durch Handeln zu verinnerlichen.
Nachdem die Märchenlandschaft fertig gestellt ist, werden die Schüler in die große Pause entlassen. Ich gebe die Anweisung, dass sich die Schüler danach wieder nach vorne auf die Decken setzen sollen. Während der Pause werden die einzelnen Stationen für die folgende Anwendungsphase aufgebaut. Hierzu wird die gewohnte Sitzordnung aufgelöst. Die Stationenarbeit erfolgt an Grup- pentischen.
Nach der Pause erfolgt die erste Textbegegnung. Jeder Schüler erhält von mir ein Blatt mit dem Märchentext (siehe Anhang, S. 91 – 93). Dieser wird ab- schnittsweise zusammen gelesen. Nach jedem Abschnitt zeigt der Schüler, welcher mit Lesen an der Reihe war, die jeweilige Station in der Märchenland- schaft. Nachdem der Text vollständig gelesen wurde, erkläre ich den Kindern, dass die Märchenlandschaft ihnen in der folgenden Anwendungsphase noch hilfreich sein kann. Ich leite über, indem ich erläutere, dass die Landschaft den ganzen Morgen vor der Tafel aufgebaut bleibe, damit die Kinder sie während der nun folgenden Stationenarbeit immer wieder bei Unsicherheiten bezüglich des Inhalts aufsuchen könnten. Damit sie wissen, an welcher Station sie begin- nen sollen, gehe ich wieder mit dem Stoffsäckchen reihum. Diesmal sind Kärt- chen mit Symbolen für die einzelnen Stationen enthalten. Nachdem alle Schüler ein Kärtchen bekommen haben, werden sie aufgefordert sich an den Gruppen- tischen zu verteilen. Wenn jeder Schüler seinen Platz gefunden hat, erkläre ich kurz die einzelnen Stationen. Außerdem werden folgende Regeln festgelegt:
1. Der Arbeitsauftrag muss gelesen werden, bevor die Aufgabe erledigt wird.
2. Wenn ein Kind nicht weiß, was zu tun ist, so soll es zuerst den Arbeits- auftrag nochmals durchlesen. Weiß es dann immer noch nicht weiter, kann es zwei Schüler um Hilfe bitten. Erst wenn es nun immer noch Schwierigkeiten hat, soll es die Lehrerin aufsuchen.
3. Wenn ein Kind mit einer Station fertig ist, wechselt es selbständig zur nächsten.
4. Es dürfen nur so viele Kinder an einer Station sein, wie auch Stühle vor- handen sind.
5. Die Stationenarbeit wird mit dem Triangel beendet.
Anschließend erhält jedes Kind eine Märchenmappe, in der es seine erledigten Aufgaben aufbewahren soll. Auf der Rückseite ist der Laufzettel mit den einzel- nen Stationen aufgedruckt (siehe MB, S. 9 f., M 3 und M 4). Um den Kindern die Orientierung zu erleichtern sind an jeder Station Klebemarken mit den zu- gehörigen Symbolen ausgelegt. Diese sollen von den Schülern ausgeschnitten und auf dem Laufzettel in ein entsprechendes Kästchen geklebt werden. Somit behalten die Kinder den Überblick darüber, welche Stationen sie schon durch- laufen haben.
Die einzelnen Stationen der Anwendungsphase sind wie folgt aufgebaut:
6WDWLRQ: 0lUFKHQGRPLQR (VLHKH 0%, 6. 11 - 14, 0 5D ± G)
An dieser Station erhalten die Schüler ein Dominospiel. Auf dem ersten Ar- beitsblatt sind die Dominokarten abgebildet, die von den Schülern ausgeschnit- ten werden sollen. Auf den einzelnen Karten sind Gegensatzpaare abgebildet. Es liegt ein weiteres Blatt bereit, auf das die Karten in der richtigen Reihenfolge aufgeklebt werden sollen.
Hier lernen die Kinder das Märchenmerkmal der Gegensätzlichkeit kennen. Ab- gesehen vom handelnden Umgang mit dem Text ist es hier wichtig, dass sich die Kinder in den Text hineinversetzen, was ihnen eine Hilfe bei der richtigen Anordnung der Dominokarten sein kann.
6WDWLRQ: 0lUFKHQEXFK (VLHKH 0%, 6. 15 - 18, 0 6D ± F)
Die Schüler haben hier die Aufgabe ihr eigenes Märchenbuch zu erstellen. Auf dem Arbeitsblatt sind einerseits Bilder und andererseits Textpassagen aus dem Märchen abgedruckt. Die Kinder sollen einen eigenen Text zu den Bildern schreiben, außerdem passende Bilder zu den einzelnen Passagen malen. Am Ende wird das Buch nach einer Anleitung, welche ebenfalls auf dem Tisch be- reit liegt, gefaltet.
Hier setzen die Kinder ihre Vorstellungen bildlich um. Sinnerfassendes Lesen ist dazu erforderlich.
6WDWLRQ: 0lUFKHQ HU]lKOHQ (VLHKH 0%, 6. 19 - 21, 0 7D ± F)
Diese Station soll die Kinder auffordern, das Märchen in ihren eigenen Worten zu erzählen. Es liegen zwei Märchenwürfel bereit, auf denen Fragen zum Inhalt und zu den Charakteren des Märchens abgedruckt sind. Die Schüler würfeln und beantworten die Fragen auf dem Würfel, welche so gestellt sind, dass zur Beantwortung immer einzelne Textpassagen erzählt werden müssen.
Hierbei wiederholen und festigen die Kinder den Inhalt und bewerten einzelne Verhaltensweisen der Märchenfiguren.
6WDWLRQ: 'LH GUHL %UGHU (VLHKH 0%, 6. 22 - 25, 0 8D ± G)
An dieser Station haben die Schüler die Aufgabe den Brüdern im Märchen Ei- genschaften zuzuordnen. Dazu liegen Bilder der Brüder und ein Blatt mit ver- schiedenen Eigenschaften bereit. Diese sollen jeweils ausgeschnitten und den Bildern passend zugeordnet werden. Am Ende entsteht eine Collage auf einem weißen DIN A 3-Blatt mit Bildern der Brüder, um welche die Kärtchen mit Ei- genschaften geklebt sind.
An dieser Station sollen sich die Schüler die Verschiedenheit der Eigenschaften der Brüder bewusst machen.
6WDWLRQ: %ULHI DQ HLQH 0lUFKHQILJXU (VLHKH 0%, 6. 26 I., 0 9D ±E)
Hier haben die Schüler die Aufgabe, an eine beliebige Figur aus dem Märchen einen Brief zu schreiben. Sie erhalten hierzu einen Briefbogen, auf dem sie, ggf. mit Hilfe der auf dem Arbeitsblatt abgedruckten Leitfragen, einen Brief verfas- sen. Am Ende des Schulvormittags werden einige Exemplare der restlichen Klasse vorgetragen.
Bei dieser produktiven Methode kann erfahren werden, wie die einzelnen Schü- ler das Märchen erfasst und welche Sympathien sie für die einzelnen Figuren entwickelt haben.
6WDWLRQ: 0lUFKHQILJXUHQ EHIUDJHQ (VLHKH 0%, 6. 28, 0 10)
[...]
[1] In dieser Arbeit wird immer nur der Sammelbegriff für die Mitglieder einer bestimmten Gruppe verwendet. Diese Bezeichnung schließt alle männlichen und weiblichen Mitglieder ein.
[2] Bei einem Verweis auf den Materialband wird stets das Kürzel „MB“ verwendet.
[3] vgl. Paefgen 1999, S. 26-43
[4] vgl. ebd., S. 134 ff.
[5] vgl. ebd., S. 134
[6] vgl. ebd., S. 135
[7] Kügler 1989, S. 4
[8] ebd, S. 5
[9] ebd., S. 5 f.
[10] vgl. ebd., S. 6
[11] ebd., S. 9
[12] Kügler 1989, S. 6
[13] ebd.
[14] ebd.
[15] ebd.
[16] Haas 2000, S. 36
[17] vgl. ebd.
[18] ebd.
[19] vgl. Paefgen 1999, S. 136
[20] Spinner 1989, S. 19
[21] vgl. ebd.
[22] ebd.
[23] vgl. ebd.
[24] ebd.
[25] vgl. ebd.
[26] ebd., S. 22
[27] vgl. Kügler 1975, S. 84
[28] vgl. Kügler 1975, S. 95
[29] ebd., S. 91
[30] ebd., S. 95
[31] ebd.
[32] ebd.
[33] vgl. ebd., S. 125
[34] ebd.
[35] vgl. Paefgen 1999, S. 28
[36] vgl. Kügler 1975, S. 144 f.
[37] vgl. ebd., S. 193
[38] vgl. Kügler 1975, S. 191 f.
[39] vgl. ebd., S. 193
[40] vgl. Paefgen 1999, S. 126
[41] vgl. Haas u. a. 1994, S. 18
[42] ebd.
[43] ebd.
[44] vgl. ebd.
[45] Haas u. a. 1994, S. 18.
[46] vgl. ebd.
[47] ebd., S. 25
[48] vgl. ebd.
[49] vgl. Haas 2005, S. 46
[50] ebd.
[51] ebd.
[52] Haas 2005, S. 46
[53] ebd., S. 47
[54] vgl. ebd.
[55] ebd., S. 35
[56] vgl. ebd., S. 36
[57] vgl. ebd.
[58] ebd., S. 7
[59] vgl. ebd., S. 34 f.
[60] ebd., S. 83
[61] vgl. Haas 2005, S. 15
[62] vgl. ebd., S. 48
[63] vgl. Spinner 1993, S. 96
[64] ebd., S. 97
[65] ebd.
[66] vgl. ebd., S. 98
[67] vgl. ebd., S. 101
[68] vgl. ebd., S. 102
[69] ebd., S. 103
[70] Spinner 1993, S. 103
[71] ebd.
[72] Spinner 1987, S. 17
[73] ebd.
[74] vgl. ebd.
[75] vgl. Spinner 1986, S. 48 f.
[76] ebd., S. 55
[77] ebd.
[78] vgl. Flick 2007, S. 123
[79] ebd., S. 123
[80] vgl. ebd.
[81] Flick 2007, S. 123
[82] vgl. ebd.
[83] vgl. ebd., S. 122 f.
[84] ebd., S. 122
[85] ebd., S. 124
[86] ebd.
[87] vgl. ebd.
[88] ebd.
[89] vgl. Flick 2007, S. 124
[90] vgl. ebd., S. 122 f.
[91] ebd., S. 520
[92] vgl. ebd.
[93] ebd., S. 49
[94] ebd., S. 519
[95] vgl. Schreier 2006, S. 356
[96] vgl. ebd.
[97] Mayring 1999, S. 29
[98] vgl. Flick 2007, S. 177
[99] vgl. Flick 2007, S. 178
[100] vgl. ebd., S. 287
[101] Flick 2007, S. 287
[102] Gudjons 2006, S. 64
[103] vgl. Schreier / Lietz 2006, S. 368
[104] vgl. Gudjons 2006, S. 64
[105] vgl. Schreier / Lietz 2006, S. 368
[106] vgl. Mayring 1999, S. 65
[107] vgl. ebd., S. 71
[108] Selting u. a. 1989, S. 7
[109] Mayring 1999, S. 79
[110] vgl. ebd.
[111] Flick 2007, S. 368
[112] Flick 2007., S. 500
[113] vgl. ebd.
[114] vgl. ebd., S. 489 - 500
[115] Lüthi 2004, S. 1
[116] vgl. ebd.
[117] vgl. ebd, S. 2f
[118] Lüthi 2004, S. 3
[119] vgl. ebd., S. 5
[120] vgl. ebd., S. 3
[121] Diederichs 2006, S. 85
[122] vgl. ebd.
[123] vgl. Diederichs 2006, S. 84
[124] ebd.
[125] vgl. Schulz 2005, S. 20
[126] ebd.
[127] vgl. ebd., S. 19
[128] vgl. Schulz 2005, S. 19 f.
[129] vgl. ebd., S. 20
[130] vgl. Bartoniþek 2000, S. 10
[131] vgl. Online: http://gutenberg.spiegel.de/?id=12&xid=969&kapitel=32&cHash=b2042df08b2
[132] Bergmann 1994, S. 218
[133] vgl. ebd.
[134] ebd.
[135] vgl. ebd. S. 219
[136] ebd.
[137] vgl. Bergmann 1994, S. 219
[138] vgl. ebd., S. 221
[139] vgl. ebd.
[140] ebd.
[141] vgl. Bergmann 1994, S. 221
- Quote paper
- Cindy Munz (Author), 2008, Produktive und analytische Verfahren im Literaturunterricht der zweiten Klasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120683
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