Als Transmissionsmechanismus wird in der Geldtheorie der Prozess bezeichnet, durch
den geldpolitische Entscheidungen der Zentralbank (ZB) auf realwirtschaftliche Größen
wie das Wirtschaftswachstum (BIP) und Preise (Inflationsrate) wirken. Den Weg, den
ein solcher Impuls beschreitet, wird als Transmissionskanal bezeichnet. Ein
Transmissionskanal versucht also die Kausalitätsbeziehungen zwischen den betroffenen
volkswirtschaftlichen Größen (z. B. Zinssätze, Güterpreise, Wechselkurse) von einem
monetären Impuls bis hin zum geldpolitischen Endziel (z.B. Preisniveaustabilität)
darzustellen.
Welchen praktischen Nutzen hat nun das Wissen über den Transmissionsprozess in der
Geldpolitik? Das Wissen über welche Wege sich ein monetärer Impuls auf die
Realwirtschaft überträgt ist unerlässlich um richtige geldpolitische Entscheidungen zu
treffen. Sowohl das Operating Target als auch das Zwischenziel und die zu erwartenden
Verzögerungen sind davon abhängig welche volkswirtschaftlichen Größen von einem
monetären Impuls tangiert werden. Das Thema ist also von außerordentlicher
praktischer Relevanz und daher auch ein zentraler Bestandteil geldtheoretischer
Forschung. Die Forschung könnte hier einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer
besseren Zentralbankpolitik liefern. Trotz aller theoretischen und empirischen
Anstrengungen auf diesem Gebiet konnten die Abläufe zwischen monetärem Impuls
und realwirtschaftlichem Endziel noch nicht befriedigend geklärt werden; sondern sind
vielmehr Gegenstand heftiger Kontroversen.
In dieser Arbeit sollen die wichtigsten Transmissionskanäle dargestellt und voneinander
abgegrenzt werden. Da der Kreditkanal in den meisten Lehrbüchern nur stiefmütterlich
behandelt wird, soll der Schwerpunkt dieser Arbeit auf seiner ausführlicher Darstellung
liegen. Im ersten Abschnitt werden der traditionelle Zinskanal, der Wechselkurskanal
und die Vermögenskanäle theoretisch kurz dargestellt. Im zweiten Teil dieser Arbeit
werden die beiden Ausprägungen des Kreditkanals, der Bankreditkanal (Bank-Lending
Channel) und der Bilanzkanal (Balance-Sheet Channel) sowohl in theoretischer als auch
empirischer Hinsicht ausführlich besprochen. In den Schlussbetrachtungen soll die
Verbindung zwischen dem Kreditkanal und der aktuellen Hypothekenkrise in den USA
diskutiert werden.
[...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Arten von Transmissionskanälen
2.1 Der Zinskanal
2.2 Der Wechselkurskanal
2.3 Die Vermögenskanäle
2.3.1 Der Bestandspreiskanal (Tobin’s q)
2.3.2 Der Transmissionskanal der relativen Preise (Monetaristische Sicht)
2.4 Der Kreditkanal
2.4.1 Der Bankkreditkanal (Bank-Lending Channel)
2.4.1.1 Theorie
2.4.1.2 Modell
2.4.1.3 Empirie
2.4.2 Der Bilanzkanal (Balance-Sheet Channel)
2.4.2.1 Theorie
2.4.2.2 Modell
2.4.2.3 Empirie.
2.4.3 Kreditrationierung
3. Schlussbetrachtungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das CC/LM-Modell
Abbildung 2: Die External Finance Premium
Abbildung 3 Der bankoptimale Zins.
1. Einleitung
Als Transmissionsmechanismus wird in der Geldtheorie der Prozess bezeichnet, durch den geldpolitische Entscheidungen der Zentralbank (ZB) auf realwirtschaftliche Größen wie das Wirtschaftswachstum (BIP) und Preise (Inflationsrate) wirken.1 Den Weg, den ein solcher Impuls beschreitet, wird als Transmissionskanal bezeichnet. Ein Transmissionskanal versucht also die Kausalitätsbeziehungen zwischen den betroffenen volkswirtschaftlichen Größen (z. B. Zinssätze, Güterpreise, Wechselkurse) von einem monetären Impuls bis hin zum geldpolitischen Endziel (z.B. Preisniveaustabilität) darzustellen.2
Welchen praktischen Nutzen hat nun das Wissen über den Transmissionsprozess in der Geldpolitik? Das Wissen über welche Wege sich ein monetärer Impuls auf die Realwirtschaft überträgt ist unerlässlich um richtige geldpolitische Entscheidungen zu treffen. Sowohl das Operating Target als auch das Zwischenziel und die zu erwartenden Verzögerungen sind davon abhängig welche volkswirtschaftlichen Größen von einem monetären Impuls tangiert werden. Das Thema ist also von außerordentlicher praktischer Relevanz und daher auch ein zentraler Bestandteil geldtheoretischer Forschung. Die Forschung könnte hier einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer besseren Zentralbankpolitik liefern. Trotz aller theoretischen und empirischen Anstrengungen auf diesem Gebiet konnten die Abläufe zwischen monetärem Impuls und realwirtschaftlichem Endziel noch nicht befriedigend geklärt werden; sondern sind vielmehr Gegenstand heftiger Kontroversen.3
In dieser Arbeit sollen die wichtigsten Transmissionskanäle dargestellt und voneinander abgegrenzt werden. Da der Kreditkanal in den meisten Lehrbüchern nur stiefmütterlich behandelt wird, soll der Schwerpunkt dieser Arbeit auf seiner ausführlicher Darstellung liegen. Im ersten Abschnitt werden der traditionelle Zinskanal, der Wechselkurskanal und die Vermögenskanäle theoretisch kurz dargestellt. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die beiden Ausprägungen des Kreditkanals, der Bankreditkanal (Bank-Lending Channel) und der Bilanzkanal (Balance-Sheet Channel) sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht ausführlich besprochen. In den Schlussbetrachtungen soll die Verbindung zwischen dem Kreditkanal und der aktuellen Hypothekenkrise in den USA diskutiert werden.
2. Arten von Transmissionskanälen
In der Literatur lassen sich unzählige Arten von Transmissionskanälen ausmachen, was dem ungeübten Leser sehr widersprüchlich und verwirrend erscheinen mag. Häufig sind bei einzelnen Elementen Überschneidungen zu finden. Einige wesentliche Kanäle lassen sich jedoch herausfiltern was nicht bedeutet, dass eine trennscharfe Abgrenzung der einzelnen Kanäle voneinander möglich wäre. Vielmehr schließen sich die Kanäle nicht gegenseitig aus, sondern existieren nebeneinander bzw. ergänzen und verstärken sich gegenseitig. Die Abgrenzungen in dieser Arbeit orientieren sich weitestgehend an denen von Borchert (2003) und Mishkin (1996).4
2.1 Der Zinskanal
Dieser Transmissionskanal basiert auf dem traditionellen keynesianischen ISLM Modell. Hier fungiert der Zins als das zentrale Bindeglied zwischen dem monetären und realen Bereich. Da dieses Modell allgemein bekannt ist, soll es nur kursorisch besprochen werden. In der einfachen Version des Zinskanals führt eine steigende Geldmenge aufgrund einer expansiven Geldpolitik zu einem sinkenden kurzfristigen Nominalzins. Aufgrund von Preisrigiditäten sinkt ebenfalls der kurzfristige Realzins. Der darauf folgende Rückgang des langfristigen Realzinses lässt sich mit der Erwartungshypothese der Zinsstruktur erklären.5 Die gesunkenen kurzfristigen, jedoch hauptsächlich die langfristigen Realzinsen führen zu einer gesteigerten Investitionsnachfrage sowohl bei Haushalten (Immobilien, langlebige Konsumgüter) als auch bei Unternehmen (Erweiterungs- und Vorratsinvestitionen). Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt also und damit auch das Volkseinkommen als reale Größe. Die erweiterte Version des Zinskanals integriert die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte in den Transmissionsmechanismus. Danach führt eine steigende Geldmenge zu steigenden Preiserwartungen und somit zu einer höheren erwarteten Inflationsrate. Bei einem konstanten Nominalzins sinkt in der Folge der Realzins, die Investitionen steigen und schließlich das Realeinkommen. Dieser Kanal war von großer Bedeutung in deflationären Phasen mit einem Nominalzins nahe bei Null wie z. B. in den USA während der Großen Depression oder in Japan in den 90er Jahren.6
Der Wechselkurskanal bzw. Exportkanal ist im Grunde ein um eine außenwirtschaft- liche Komponente erweiterter Zinskanal. Eine Erhöhung der Geldmenge durch die ZB führt zu einem sinkenden kurzfristigen Realzins im Inland. Gemäß der Zinsparitätentheorie müssen sich jedoch Renditen im In- und Ausland angleichen.7 Dies ist bei einem niedrigeren Zinsniveau im Inland nur durch eine Aufwertung der ausländischen Währung möglich was die höhere Verzinsung der Auslandsinvestitionen kompensiert. Aufgrund der Aufwertung der ausländischen Währung werden inländische Waren billiger für Ausländer und umgekehrt die Importe teurer für Inländer. Ein höheres Exportvolumen und ein geringeres Importvolumen sind die Folge. Die Unternehmen reagieren auf die gestiegene Auslandsnachfrage mit höheren Investitionen was schließlich zu einem höheren Volkseinkommen führt. Aktuell besitzt der Exportkanal besondere Relevanz in den Entscheidungskalül der EZB. Sollte nämlich in der jetzigen Situation die Geldmenge reduziert werden, um Inflationsgefahren vorzubeugen, so würde sich der ohnehin schon sehr teure Euro weiter verteuern mit fatalen Folgen für die Exportwirtschaft und das Volkseinkommen.
Eine Voraussetzung für einen funktionierenden Exportkanal sind Preisrigiditäten im Inland. Würde die Preise sofort auf eine Geldmengenerhöhung reagieren, dann könnten sie den Wechselkursvorteil wieder kompensieren.8
2.3 Die Vermögenskanäle
Die bisher beschriebenen Transmissionskanäle legen den Fokus auf den Zinssatz als den Schlüssel zur Übertragung monetärer Impulse. Bei den beiden folgenden Theorien gelangt der monetäre Impuls über veränderte Preisrelationen in die Realwirtschaft.
Der Schwerpunkt liegt also auf den Preisen von Investitionsgütern.
2.3.1 Der Bestandspreiskanal (Tobin’s q):
Ein sehr interessanter Transmissionskanal wird durch die von dem britischen Ökonom James Tobin 1969 entwickelte Variable q beschrieben.9 Q bezeichnet das Verhältnis vom Marktwert des vorhandenen Sachkapitals zu seinen Wiederbeschaffungskosten. Der Marktwert des vorhandenen Sachkapitals lässt sich als die aktuellen Aktienkurse interpretieren und dessen Wiederbeschaffungswert als Neuinvestitionen. Liegt der Marktwert eines Unternehmens über dessen Wiederbeschaffungswert, so werden die Unternehmen Neuinvestitionen dem Kauf eines bestehenden Unternehmens vorziehen, da diese rentabler sind. Liegt der Marktwert der Unternehmen hingegen unter deren Wiederbeschaffungswert, so ist es günstiger für einen Unternehmer bereits bestehende Unternehmen zu kaufen anstatt neu zu investieren. Wenn der Quotient q einen Wert > 1 annimmt, so steigen die Investitionen; bei einem Wert < 1 sinken diese.
Welche Rolle spielt nun das q bei der Transmission monetärer Impulse? Durch eine steigende Geldmenge steigt aus monetaristischer Sicht der Kassenhaltungkoeffizient der Haushalte. Um diesen Koeffizienten konstant zu halten investieren die Haushalte ihre Überschussliquidität was höhere Aktienkurse zur Folge hat. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man auch mit Keynes bei dem durch eine Zinssenkung eine Investition in Aktien im Vergleich zu Anleihen attraktiver wird. Neuinvestitionen werden nun günstiger im Vergleich zum Kauf bestehender Unternehmen was q > 1 bedeutet. Folglich steigt das Investitionsvolumen was mit einer Steigerung des Volkseinkommens einhergeht. Der Marktwert des Sachkapitals lässt sich jedoch nicht nur als Aktien sondern auch als andere Vermögensgegenstände wie Immobilien und Grundbesitz interpretieren. Dies würde die Transmissionsmechanismen jedoch nicht verändern.10
2.3.2 Der Transmissionskanal der relativen Preise (Monetaristische Sicht)
Die Monetaristische Sicht basiert teilweise auf den Annahmen aus Tobin’s q mit einigen theoretischen Erweiterungen. Die Haushalte halten ein Portfolio welches sie zu optimieren versuchen. Dieses besteht aus drei verschiedenen Vermögenswerten, die untereinander substituierbar, jedoch keine perfekten Substitute sind:
1.Geld bzw. die monetäre Basis als Transaktionsmittel
2.Wertpapiere (Aktien und Anleihen) mit Nominalverzinsung
3.Realkapital (Häuser, langlebige Konsumgüter, Produktivkapital) Realverzinsung
Die Nachfrage nach diesen Vermögenswerten bzw. deren Gewichtung im Portfolio ist von deren Rendite sowie dessen Nutzen für das Individuum abhängig.11 Je höher also der Nutzen oder die Rendite eines Vermögenswertes, desto höher dessen Anteil im Portfolio. Bargeld oder Sichteinlagen zum Beispiel haben zwar keine Rendite, stiften jedoch einen Nutzen als Transaktionsmittel. Ein monetärer Impuls bewirkt eine Veränderung der Preise und Renditen der jeweiligen Vermögensgegenstände im
Portfolio. Die Wirtschaftssubjekte reagieren darauf solange mit Portfolioumschichtungen bis ein neues für sie optimales Gleichgewicht erreicht ist. Es verändern sich also die Preisrelationen der Vermögensgegenstände innerhalb des Portfolios und somit in der gesamten Volkswirtschaft. Während dieses Anpassungsprozesses kommt es zu realen Effekten weil sich die Investitionen schneller anpassen als die Preise. Es müssen also Preisrigiditäten vorliegen. Im Gegensatz zu den anderen Kanälen sind die realen Effekte nur vorübergehend und dauern solange bis die Portfoliogleichgewichte wieder hergestellt sind. Der einzige Unterschied zur Ausgangssituation ist ein höheres Preisniveau.12
2.4 Der Kreditkanal
Der Kreditkanal ist im Vergleich zu den bereits erwähnten Transmissionskanälen ein relativ junges Forschungsfeld. Er wurde Anfang der 80er Jahren formuliert und geht hauptsächlich auf die Arbeiten des jetzigen Chefs der Notenbank der USA Ben Bernanke zurück.
Im Gegensatz zu den bisherigen Theorien zur monetären Transmission basiert der Kreditkanal auf der Annahme von unvollkommenen Kapitalmärkten aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern. Während in früheren Theorien zur Transmission stets die perfekte Substiuierbarkeit von Fremd- und Eigenmitteln gemäß des Irrelevanztheorems von Modigliani-Miller angenommen wurde, integrierte Bernanke erstmals imperfekte Finanzmärkte in seine Modelle.13
[...]
1 Vgl. Taylor, J., Monetary, 1995, S. 11f.
2 Vgl. Borchert, M., Geld, 2003, S. 234f.
3 Vgl. Bofinger, P., Geldpolitik,1996, S.549ff.
4 Vgl. Mishkin F., Channels, 1996; Borchert, M., Geld, 2003, S. 242ff
5 Zur Erwartungshypothese der Zinsstruktur siehe Anderegg R., Grundzüge, 2007, S.129ff.
6 Vgl. Mishkin F., Channels, 1996, S. 2ff.
7 Vgl. Taylor, J., Transmission, 1995, S. 15.
8 Vgl. Bean, Ch., Frictions, 2002, S.13.
9 Vgl. Tobin, J., Equilibrium, 1969.
10 Vgl. Mishkin, F., Channels, 1996, S. 7f.
11 Vgl. Meltzer, A., Transmission, 1995, S. 50ff..
12 Vgl. Cecchetti, S., 1995, S. 3f.
13 Vgl. Bernanke, B., Accelerator, 1998, S.1.
- Quote paper
- Clemens Wörner (Author), 2007, Transmissionskanäle der Geldpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120666
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