Beide Theoretiker, Aristoteles wie Machiavelli, erachteten die politische Partizipation als konstitutiv für das Gemeinwesen – jedoch nicht per se, denn ein durch Erziehung und Gewöhnung angeeignetes tugendhaftes Verhalten war hierfür unabdingbar. Im politischen Denken der Antike wurde dem Einzelnen innerhalb der jeweiligen Polis – einer doch sehr idealisierten Umwelt – eine vergleichsweise aktive Rolle zugewiesen. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit stellte die politische Partizipation ein Konstitutivum im Stadtstaat dar – sei es in Form von Mitwirkung an Gesetzen, Fragen der Ausgestaltung der Verfassung oder Abstimmungen über die Besetzung politischer Ämter. Aristoteles (384-322) charakterisierte dementsprechend den Menschen als ein von Natur aus politisches Wesen, der allerdings im Umkehrschluss über eine relativ begrenzte private Sphäre verfügte – zumal seine individuelle Stellung gegenüber der Gemeinschaft eher schwach war. In der aristotelischen Tradition wurden zwei Formen unterschieden, wie sich der Einzelne – gleichwohl nicht jeder – in „Übereinstimmung mit sich selbst und [seinen] Mitbürgern“ zum Wohle des Gemeinwesens einbringen konnte. Das Betreiben der theoretischen Wissenschaften, bspw. der Philosophie, war allein auf das Erkennen der objektiven Wahrheit ausgelegt, wobei der menschliche Geist hier keinerlei Schranken unterworfen war. Dies stellte das konstitutive Element für das Ausüben der praktischen Disziplinen Politik und Ethik dar, dessen Ergebnis in rechtmäßigem wie ethisch-moralischem Handeln zum Nutzen der anderen – und somit des Gemeinwesens – bestand. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Konstruktive Selbstreflexion oder destruktive Abstinenz
- vita contemplativa bei Aristoteles und Machiavelli sowie ihre Relevanz für das politische Gemeinwesen
- Das politische Denken der Antike
- Die Rolle des Einzelnen in der Polis
- Aristoteles: vita contemplativa und vita activa
- Der materielle Aspekt im Denken des Aristoteles
- Die Renaissance und die Debatte um vita activa und vita contemplativa
- Humanistische Denker und ihre Positionen
- Der Einfluss von Fortuna
- Das aufstrebende Bürgertum
- Machiavelli und der Niedergang von Florenz
- Ökonomisches Kalkül und politische Entscheidungen
- Dekadenz und Selbsterhaltung des Staates
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konzepte der vita contemplativa und vita activa bei Aristoteles und Machiavelli und deren Relevanz für das politische Gemeinwesen. Sie analysiert den Wandel des Verhältnisses zwischen individueller und politischer Partizipation im Kontext der antiken Polis und der Renaissance, beleuchtet den Einfluss ökonomischer Faktoren und den Aufstieg des Bürgertums, sowie den damit verbundenen Mentalitätswandel.
- Das Verhältnis von vita contemplativa und vita activa in der Antike und Renaissance
- Der Einfluss von Reichtum und ökonomischen Faktoren auf das politische Engagement
- Der Wandel des politischen Denkens vom antiken Ideal hin zu Machiavelli's Realpolitik
- Der Einfluss von Fortuna auf politische Entscheidungen
- Die Rolle des Bürgertums in der Entwicklung des politischen Denkens
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit dem antiken politischen Denken, insbesondere mit der Rolle des Individuums in der Polis und Aristoteles' Unterscheidung zwischen vita contemplativa und vita activa. Es wird der Zusammenhang zwischen politischer Partizipation und dem Streben nach dem höchsten Gut beleuchtet. Der zweite Teil analysiert die Renaissance-Debatte um diese Konzepte. Der Einfluss von Fortuna und das Aufkommen eines neuen, anthropozentrischen Weltbildes werden diskutiert. Schließlich wird der Einfluss des wachsenden Bürgertums auf die politische Landschaft dargestellt.
Der dritte Teil untersucht Machiavellis Sicht auf den Niedergang von Florenz. Der Text zeigt auf, wie ökonomisches Kalkül die politischen Entscheidungen beeinflusste, und beschreibt die zunehmende Korruption und gesellschaftliche Depravation als Ursache für den Verlust der politischen Aktivität.
Schlüsselwörter
vita contemplativa, vita activa, Aristoteles, Machiavelli, Politische Partizipation, Renaissance, Bürgertum, Fortuna, Ökonomische Faktoren, Dekadenz, Polis, Gemeinwesen, Realpolitik.
- Quote paper
- Norbert Hanisch (Author), 2006, Konstruktive Selbstreflexion oder destruktive Abstinenz - vita contemplativa bei Aristoteles und Machiavelli sowie ihre Relevanz für das politische Gemeinwesen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120641