Die massive Zunahme des Anteils der Windenergie an der Stromerzeugung stellt die Frage nach den Auswirkungen der Integration großer Windstrommengen in das Stromversorgungssystem in Deutschland. Infolge der fluktuierenden und mit
Prognosefehlern behafteten Windstromeinspeisung (WSE) kann die installierte Windkapazität nicht konventionelle Kraftwerkskapazität ersetzen. Dennoch ist zu bedenken, dass jede kWh Windstrom, konventionell erzeugten Strom ersetzt und damit fossiler oder nuklearer Brennstoff eingespart wird. Doch ein nicht ständig verfügbares Windangebot und die teilweise starke Überlastung von Stromnetzen stehen den Schadstoffminderungen entgegen. Elektrizität lässt sich nur bedingt speichern. Es ist somit Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Nachfrage herzustellen. Da Windenergie eine fluktuierende Energiequelle ist, muss sie durch Leistungsreserven ausgeglichen werden. Hier ist ein Neuer Markt, der Handel mit
Minutenreserven entstanden. Anfang 2005 erschien mit der Dena-Studie eine große
wissenschaftliche Untersuchung zum Thema „Energiewirtschaftliche Planung für die
Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr
2020“ diese analysiert die Auswirkungen des Windenergieausbaus auf das
Elektrizitätssystem bezüglich der langfristigen energiewirtschaftlichen Planbarkeit und
behandelt unter anderem das Thema der Regel- und Reserveenergie zum Ausgleich der
Windenergie. In diesem Kapitel der Dena-Studie wird ein
mathematisch-statistisches Verfahren zur Bestimmung der insgesamt erforderlichen
Regel- und Reserveleistung beschrieben, welches auch Grundlage der Regelenergie-
Berechnungen dieser Studienarbeit ist.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungs und Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Ausgangssituation und Grundlagen
2.1 Der Strommarkt
2.2 Bilanzkreise
2.3 Regelenergie
2.3.1 Primärregelleistung
2.3.2 Sekundärregelleistung
2.3.3 Minutenreserven
2.3.4 Zusammenfassung
2.4 Integration von Windenergie in das deutsche Stromnetz
2.4.1 Windfluktuation
2.4.2 Windenergieprognoseverfahren
2.4.3 Probleme bei sehr hoher Windstromeinspeisung
2.5 Regelenergiemarkt
2.6 Last
2.6.1 Lastgang
2.6.2 Lastprognose
3 Regel und Reserveenergie heute
3.1 Methodisches Vorgehen
3.2 Ungeplante, nicht disponible Kraftwerksausfälle
3.3 Lastprognosefehler
3.4 Windprognosefehler
3.5 Berechnung
3.6 Kosten der Regelenergievorhaltung
4 Regel und Reserveenergie 2020
4.1 Szenariodefinitionen
4.2 Lastprognosefehler 2020
4.3 Windprognosefehler 2020
4.4 Szenarioberechnung für das Jahr 2020
4.5 Kosten der Regelenergievorhaltung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abkürzungs und Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Ausbau regenerativer Energien in Deutschland bis 2030 aus der BMU Leitstudie (2007) und der denaNetzstudie
Abbildung 2 zukünftiger Regelenergiebedarf
Abbildung 3 Entwicklung der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs seit 1997
Abbildung 4 Bilanzkreis
Abbildung 5 Ausschreibungen der Regelenergie auf www.regelleistung.net
Abbildung 6 Kostenaufteilung der Regelenergie
Abbildung 7 Primärregelleistung der Regelzonen (Ausschreibungen für das erste Halbjahr 2008)
Abbildung 8 Sekundärreservearten der Übertragungsnetzbetreiber (Ausschreibungen für das erste Halbjahr 2008)
Abbildung 9 Minutenreservearten
Abbildung 10 Zeitlicher Einsatzablauf der Regelenergie
Abbildung 11 Installierte Windkraftleistung in Deutschland
Abbildung 12 EEGWindenergieEinspeisung in Deutschland im April 2008, Tagesminima und Tagesmaxima der 1/4StundenLeistungsprofile
Abbildung 13 Lastgang im RWE Netz vom 2.8.Juni 2008 /eigene Darstellung /Daten von rwe
Abbildung 14 Last in den Regelzonen Prognose und tatsächliche Verteilung
Abbildung 15 Netzlast in Deutschland
Abbildung 16 Häufigkeitsverteilung der Leistungsabgabe
Abbildung 17 Kraftwerksausfallwahrscheinlichkeit
Abbildung 18 Lastprognosefehler 2007 ( Höchstlast 77.800 MW )
Abbildung 19 Häufigkeitsverteilung der Windprognosefehler
Abbildung 20 gemeinsame Wahrscheinlichkeit für Leistungsdefizite bzw. Überschüsse .
Abbildung 21 Lastprognosefehler für das Jahr
Abbildung 22 Windprognosefehler im Jahr 2007 und 2020
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Mittlere Tagesleistungspreise pro MW Minutenreserve im Jahr 2006
Tabelle 2 Mittlere Tagesleistungspreise pro MW Minutenreserve im Jahr 2007
Tabelle 3 Abgerufene Minutenreserven
Tabelle 4 Jahreshöchstlast in Deutschland ( eigene Darstellung, Daten von www.vdn berlin.de )
Tabelle 5 Mittlerer NettoBruttoFaktor
Tabelle 6 Nicht disponible, stochastische NichtVerfügbarkeiten von Kraftwerken
Tabelle 7 Kraftwerksvektor "h_pp"
Tabelle 8 Defizitwahrscheinlichkeiten
Tabelle 9 Regelenergie 2007
Tabelle 10 Regelenergiekosten für WEA bei einer Defizitwahrscheinlichkeit von 1 %
Tabelle 11 Regelenergiekosten für WEA bei einer Defizitwahrscheinlichkeit von 0,1 %
Tabelle 12 Regelenergiekosten für WEA bei einer Defizitwahrscheinlichkeit von 2 %
Tabelle 13 Prognose der Jahreshöchstlast
Tabelle 14 Szenario A zusätzliche Regelenergie 2020
Tabelle 15 Szenario B Atomausstieg bei gleichzeitigem Ausbau der Windenergie auf 50 GW
Tabelle 16 Regelenergievorhaltung Szenario B
Tabelle 17 Regelenergievorhaltung Szenario C
Tabelle 18 Kosten Szenario A
Tabelle 19 Kosten Szenario B
Tabelle 20 Kosten Szenario C
1 Einleitung
1.1 Motivation
„Windenergie weltweit erstmals über 100 000 Megawatt“
So lautete am 15. Mai 2008 eine Meldung des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster[1]. Der Anteil regenerativer Energien an der Bruttostromversorgung steigt dank Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in Deutschland seit Jahren rasant an. Der Anteil Erneuerbarer Energien am gesamten Bruttostrom verbrauch hat sich seit dem Jahr 2000 von 6,3 % auf rund 11,6 % im Jahr 2006 fast verdoppelt. Für das vergangene Jahr 2007 wird erwartet, dass der Anteil weiter auf über 13 % ansteigt. Das Ausbauziel des EEG, Anteil der Regenerativen Energien bis 2010 über 12,5%, wäre somit bereits 2007 überschritten.[2] Der steigende Anteil der regenerativen Energien wird an folgendem Schaubild noch verdeutlicht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Ausbau regenerativer Energien in Deutschland bis 2030 aus der BMULeitstudie (2007) und der denaNetzstudie.[3]
Die massive Zunahme des Anteils der Windenergie an der Stromerzeugung stellt die Frage nach den Auswirkungen der Integration großer Windstrommengen in das Stromversorgungssystem in Deutschland. Infolge der fluktuierenden und mit Prognosefehlern behafteten Windstromeinspeisung (WSE) kann die installierte Windkapazität nicht konventionelle Kraftwerkskapazität ersetzen. Dennoch ist zu bedenken, dass jede kWh Windstrom, konventionell erzeugten Strom ersetzt und damit fossiler oder nuklearer Brennstoff eingespart wird. Doch ein nicht ständig verfügbares Windangebot und die teilweise starke Überlastung von Stromnetzen stehen den Schadstoffminderungen entgegen. Elektrizität lässt sich nur bedingt speichern. Es ist somit Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Nachfrage herzustellen. Da Windenergie eine fluktuierende Energiequelle ist, muss sie durch Leistungsreserven ausgeglichen werden. Hier ist ein Neuer Markt, der Handel mit Minutenreserven entstanden. Anfang 2005 erschien mit der DenaStudie eine große wissenschaftliche Untersuchung zum Thema „Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020“ diese analysiert die Auswirkungen des Windenergieausbaus auf das Elektrizitätssystem bezüglich der langfristigen energiewirtschaftlichen Planbarkeit und behandelt unter anderem das Thema der Regel und Reserveenergie zum Ausgleich der Windenergie (vgl. Kap. 13 der DenaStudie[4]). In diesem Kapitel der DenaStudie wird ein mathematischstatistisches Verfahren zur Bestimmung der insgesamt erforderlichen Regel und Reserveleistung beschrieben, welches auch Grundlage der Regelenergie Berechnungen dieser Studienarbeit ist.
1.2 Ziel der Arbeit
Die fluktuierende Energiequelle Wind lässt sich mit verschiedenen Prognoseverfahren für den Folgetag voraussagen. Weicht der tatsächlich eingespeiste Wert von diesem prognostizierten Wert ab, so ist Regelenergie einzusetzen um die Differenz auszugleichen. Regelenergie ist auch für den konventionellen Kraftwerkspark nötig um Nicht Verfügbarkeiten von Kraftwerken auszugleichen. Die Last lässt sich auch nur mit einer bestimmten Fehlerwahrscheinlichkeit prognostizieren, wofür hier auch Regelenergie notwendig ist. Somit ergeben sich Regelenergievorhaltungen für einen Kraftwerkspark ohne Windenergieeinspeisung und mit Windenergieeinspeisung. Ziel dieser Studienarbeit ist es zu bestimmen wie viel Regelenergie zum Ausgleich der Windenergie vorgehalten werden muss und wie hoch die Kosten hierfür ausfallen. Anschließend wird eine Szenario Analyse für die Windenergieeinspeisung des Jahres 2020 durchgeführt um den zukünftigen Regelenergiebedarf und die damit verbundenen Kosten festzustellen (Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 zukünftiger Regelenergiebedarf.
1.3 Aufbau der Arbeit
In Kapitel 2 werden zunächst die Grundlagen und verwendeten Rahmenbedingungen der Studienarbeit dargestellt. Von zentraler edeutung ist für die Studienarbeit die Regelenergievorhaltung und ihr Unterteilung in Primär, Sekundär und Minutenreserveregelung. Desweitern geht das Kapitel 2.4 auf die Besonderheiten der Windstromeinspeisung in Bezug auf Regelenergie ein. In Kapitel 3 wird nun die heutige vorzuhaltende Regelenergie berechnet und Kosten werden abgeschätzt. In Kapitel 4 folgt eine Prognose über die zukünftigen Bedarf und Kosten der Regelenergie bei verschiedenen Ausbauszenarios. Kapitel 5 gibt ein kurzes Fazit zu den gewonnenen Erkenntnissen.
2 Ausgangssituation und Grundlagen
Für ein grundlegendes Verständnis der Regelenergie und ihrer Bedeutung im Strommarkt möchte ich auf ein paar grundlegende Sachverhalte genauer eingehen. Der Energiemarkt wurde in den letzten Jahren zahlreichen Veränderungen unterzogen. Die meisten Veränderungen ergaben sich aus europapolitischen Vorgaben oder zur Förderung und Forderung eines unverfälschten und wirksamen Wettbewerbs. Die umfangreichen neuen Gesetze, Gesetzesänderungen und Verordnungen der letzten 10 Jahre sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Entwicklung der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs seit 1997.[5]
Von besonderer Bedeutung für die jetzige und auch zukünftige Netzregulierung ist das im Juli 2005 novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). So möchte ich zunächst auf die Struktur und die Entwicklung des deutschen Strommarktes eingehen (Abschnitt 2.1). Die marktbeherrschende Stellung der Energieversorgungsunternehmen wurde in den letzten Jahren immer weiter gedämpft und durch viele Gesetze und Verordnungen verringert. Kapitel 2.2 gibt einen kurzen Überblick über das Thema Bilanzkreise, ihren Sinn und Zweck. Danach möchte ich mich mit den Begriffen Regelenergie und Ausgleichsenergie beschäftigen (Abschnitt 2.3). Diese spielen im weitern Arbeitsverlauf eine dominierende Rolle und sollten daher explizit voneinander abgegrenzt werden. Der letzte Abschnitt dieses Grundlagenkapitels beschäftigt sich mit der Windenergie als aufstrebende Energieform auf dem deutschen Strommarkt und ihre Integration in das bestehende Stromnetz. Die in der Einleitung dargestellte Statistik (Abb. 1) belegt den ruhmreichen Siegeszug der Windenergieanlagen in Deutschland, hier möchte ich weiter auf die Daten eingehen (Abschnitt 2.4). Kapitel 2.5 behandelt die Beschaffungsmärkte für Regelenergie. Diese sind wichtig um die Preise für Regelenergie abschätzen zu können (Abschnitt 2.5). Der zeitliche Verlauf der abgenommenen Leistung ist für Energieversorgungsunternehmen (EVU) von fundamentaler Bedeutung, ihre Kosten lassen sich nur mit einer annähernd genauen Lastprognose minimieren (Abschnitt 2.6)
2.1 Der Strommarkt
Noch vor wenigen Jahren wurden die Stromnachfrager ausschließlich von Gebietsmonopolisten versorgt. Eine erste Fassung des EnWG gab es bereits 1935, hier wurde die Elektrizitätsbranche mit Einführung des Energiewirtschaftsgesetzes ab 1935 der staatlichen Regulierung unterworfen. Das Ziel dieser staatlichen Regulierung kann man in der Präambel ablesen:
„Um (…) im Interesse des Gemeinwohls die Energiearten wirtschaftlich einzusetzen, den notwendigen öffentlichen Einfluss in allen Angelegenheiten der Energieversorgung zu sichern, volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern, einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern und durch all dies die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen,(…)“[6].
Hier wird deutlich eine staatlich kontrollierte Energiewirtschaft ohne den für schädlichen empfundenen Wettbewerb gefordert. Diese monopolistische Versorgungsstruktur änderte sich erst 1998, als im Zuge der Umsetzung der EUBinnenmarktrichtlinie Elektrizität von 1996 das deutsche Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erarbeitet wurde[7]. Seit dem Jahr 1998 hat sich die Struktur der Energieversorgungsunternehmen (EVU) grundlegend geändert.
Ziel dieses, damals neuen Gesetzes, war es den Wettbewerb zwischen den EVU zu fördern und dadurch die Kosten der Endkunden für elektrische Energie zu senken.
Laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) müssen seit 1999 die Stromerzeugung und der Netzbetrieb voneinander getrennt werden. Diese wird auch als Entflechtung oder Unbundling bezeichnet[8]. Ausgenommen sind lediglich die kleineren Verteilnetzbetreiber mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden. So hat der Übertragungsnetzbetreiber mit der Herstellung des Stroms eigentlich nichts zu tun. Der vom EnWG gewünschte Kostendruck führte zum Zusammenschluss der ehemals 9 Übertragungsnetzbetreiber auf nunmehr vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland:
- EnBW Transportnetze AG
- E.ON Netz GmbH
- RWE Transportnetz Strom GmbH
Vattenfall Europe Transmission Ihre wesentlichen Aufgaben sind[9]:
- die Instandhaltung und ggf. der Ausbau seiner Netze,
- das Messen von Stromeinspeisung und Stromentnahme (wer, wann, wie viel?),
- die Aufrechterhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Norm für die Spannung und Frequenz
Es haben sich jedoch Holdinggesellschafften gebildet unter deren Dach Erzeuger, Lieferanten, Übertragungsnetzbetreiber miteinander verbunden sind. Der E.ON Konzern beschreibt seine eigene Konzernstruktur so:
„Unser Geschäft erstreckt sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Strom und Gasbereich und ist gemäß der Struktur unserer Zielmärkte geografisch oder funktional in Market Units (MU) gegliedert.[10]“
Zur Entflechtung gehört auch, dass die Lieferanten bzw. Stromhändler Energie überall in Deutschland und im Europäischen Ausland einkaufen können und an Netzkunden weiterverkaufen dürfen, sofern der Betroffene im Handelsregister eingetragen ist und einem Bilanzkreis in der Regelzone des Netzkunden angehört. Mit der Einführung des freien Wettbewerbs steht jedem Kunden das Recht auf freie Wahl des Energielieferanten zu. Hier kann der Kunde seine persönlichen ökonomischen oder auch ökologischen Interessen verfolgen und somit auch indirekt den Anteil der jeweiligen Energieform am Strommarkt bedingt steuern. Die Wahl des Netzbetreibers ist hingegen nicht frei. Dies wäre jedoch auch volkswirtschaftlich völlig ineffizient. Die Kosten für die Anschlussverbindung des jeweiligen Kunden zum Lieferanten wären von den wenigsten Haushalten finanzierbar. Die Netze bilden daher ein natürliches Monopol. Durch das „Unbundling“ der einzelnen Aktivitäten der früheren monopolistischen Stromversorger wurde der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt gestartet. Auf Bilanzkreise wird im folgenden Kapitel 2.2 noch eingegangen.
Mit der zweiten Reform des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) 2005 setzt die Bundesregierung das EUGemeinschaftsrecht für die leitungsgebundene Energieversorgung in nationales Recht um. Zweck des EnWG ist die "möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche, leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas" (§ 1 Abs. 1 EnWG).[11] Ferner dient die Regulierung der Elektrizitäts und Gasversorgungsnetze den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs [...] und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen. (§ 1 Abs. 2 EnWG).[12]
Das erstes Energiewirtschaftsgesetz wurde bereits 1935 formuliert. Dieses war eine Reaktion auf wirtschaftliche Fehlentwicklung am Ende der Weimarer Republik und beinhaltete eine ausgesprochen restriktive Haltung gegenüber Wettbewerb und Konkurrenz und führte somit zum Gebietsmonopol im Versorgungs und Netzbereich.[13] Das Ziel, eine kostengünstige Energieversorgung, hat sich seit 1935 nicht geändert, sondern nur der Weg! Das zentrale Anliegen des neuen Gesetzes wird durch zwei Verordnungen über den Netzzugang (StromNZV[14]) und über die Netzentgelte (StromNEV[15]) in der Stromwirtschaft unterstützt.
2.2 Bilanzkreise
Zur Förderung des Wettbewerbes am Strommarkt wurde mit der Verbändevereinbarung II im Jahr 1999/2000 die Bildung von Bilanzkreisen eingeführt.[16]
In dieser Verbändevereinbarung wurden Bilanzkreise als virtuelle Gebilde definiert, für die ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme gegenüber dem jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber durchzuführen ist.[17] In der Stromnetzzugangsverordnung wird geschrieben, dass die Lieferung elektrischer Energie an die Kunden im Rahmen von Bilanzkreisen erfolgt.[18]
Im EnWG wird der Begriff Bilanzkreis wie folgt definiert:
„Bilanzkreis […bedeutet…]: im Elektrizitätsbereich innerhalb einer Regelzone die Zusammenfassung von Einspeise– und Entnahmestellen, die dem Zweck dient, Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen durch ihre Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Handelstransaktionen zu ermöglichen“ (§ 3 Nr. 10a EnWG).
In der StromNZV ist weiterhin geregelt, dass ein jeder Verteilnetzbetreiber 3 Bilanzkreise führen muss:
- Bilanzkreis für Verlustenergie (§10 Abs. 2 NZV),
- Bilanzkreis für Energien nach dem EEG (§11 NZV),
- Differenzbilanzkreis (§12 Abs. 3 NZV).
Ein Bilanzkreis besteht aus Entnahmen und/oder Einspeisungen. In einem Bilanzkreis fasst also z. B. ein Händler seine sämtlichen Kraftwerke und Verbraucher zusammen. Es ist die Aufgabe der Bilanzkreisverantwortlichen, in jeder ¼hAbrechnungsperiode für eine ausgeglichene Bilanz zwischen Erzeugung und Verbrauch zu sorgen. Unvermeidbare Abweichungen werden vom ÜNB bereitgestellt. Man macht nun also eine Abrechnung der über alle Kunden innerhalb eines Bilanzkreises saldierten Abweichung. Auf Grund der Durchmischung der Kunden kompensieren sich die Einzelabweichungen dabei zu einem nicht unerheblichen Teil. Der Bilanzkreis unterscheidet sich von einem klassischen Stromversorger dadurch, dass seine Kunden nicht alle Verbraucher eines abgeschlossenen Netzgebietes sind, sondern beliebige Kunden innerhalb einer Regelzone, die mit Hilfe der registrierenden Messung in der Abrechnung zusammengeführt werden. Ein Bilanzkreis hat somit folgendes prinzipielles Aussehen (Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Bilanzkreis.
Wie oben erwähnt muss auch ein Bilanzkreis für alle EEGEinspeisungen gebildet werden. Dier Verteilnetzbetreiber sind durch das EEG Gesetz dazu verpflichtet jeden EEGStrom abzunehmen und laut EEG zu vergüten.[19] Die EEG Strommenge wird sofort weiter umgewälzt an den EEG Bilanzkreis des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers, dieser ist dann auch Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) des EEGBilanzkreises. Die 4 deutschen Übertragungsnetzbetreiber führen nun einen horizontalen Belastungsausgleich durch.[20] Die eingespeisten EEGMengen werden physisch zwischen den ÜNB verschoben und finanziell hinsichtlich der gezahlten Einspeisevergütung ausgeglichen. Hier werden Abgaberegelzonen (E.ON und Vattenfall Europe) und Aufnahme Regelzonen (EnBW und RWE) unterschieden[21]. Die AbgabeRegelzone gibt dabei täglich gleichmäßige Bandlieferungen an die AufnahmeRegelzonen ab. Der BKV des EEG Bilanzkreises einer Abgaberegelzone muss die EEG Windeinspeisung glätten indem er Geschäfte am Regelenergiemarkt tätigt (EEX Strombörse, OverTheCounter Geschäfte, usw.). Die nun geglättete Einspeiseprognose stimmt jedoch meist nicht mit der tatsächlichen Einspeisung überein, hierfür wird nun Ausgleichsenergie eingesetzt. Der NichtWindStrom des Bilanzkreises EEG wird in einer Monatsbandlieferung ebenso „veredelt“[22]. Nun wird der Bilanzkreis EEG mit den Bilanzabweichungen der Bilanzkreise der anderen Regelzonen saldiert und der letztendliche Saldo muss durch Regelenergie ausgeglichen werden[23]. In der Studie „Wälzungsmechanismus des EEG“ wird dieser Umwälzungsprozess ausführlich beschrieben, hier wird jedoch auch dargestellt, dass die tatsächlichen technischen Abläufe der Übertragungsnetzbetreiber unbekannt sind[24].
2.3 Regelenergie
Regelenergie wird in der Stromversorgung benötigt, um im Zeitbereich bis zu einer Stunde nicht vorhersehbare Lastschwankungen und Kraftwerksausfälle auszugleichen. Damit die Energie sofort im erforderlichen Umfang geliefert werden kann, wird dazu Leistung in gut regelbaren Kraftwerken vorgehalten. An thermischen Kraftwerken sind zum Beispiel Kohlekraftwerke im Teillastbetrieb besonders gut geeignet für die Bereitstellung von Primär und Sekundärreserven. Gaskraftwerke sind wegen ihrer kurzen Anfahrzeit und guten Leistungsänderungsverhalten relativ gut geeignet für die Bereitstellung von Minutenreserven. Diese Vorhaltung und bei Bedarf Abruf der Leistung, erzeugt entsprechende zusätzliche Kosten. Laut Bundesverband Windenergie e.V. verursachte die Windenergie 2003 bei einer installierten WEALeistung von rund 15.000 MW im Mittel rund 750 MW Extrabedarf an Regelenergie, also etwa fünf Prozent der installierten Leistung.[25] Die DENANetzstudie berechnete einen Bedarf von 840 MW an zusätzlicher positiver Minutenreserve für das Jahr 2003 und geht davon aus, dass im Jahr 2015 im Mittel 3.240 MW an zusätzlicher Minutenreserve gedeckt werden müssen.[26] Dies würde bedeuten, dass rund acht bis neun Prozent der installierten Windleistung als positive Minuten und Stundenreserve vorgehalten werden müssen. Ansonsten liegen keine unabhängig ermittelten Zahlen zum Regelenergiebedarf der Windenergie vor.
Die Beschaffung von Regelenergie erfolgt erst seit Intervention des Bundeskartellamts über einen für technisch geeignete Anbieter geöffneten Markt. Seit Dezember 2006 beschaffen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber ihren Bedarf an Primärregelleistung, Sekundärregelleistung sowie der Minutenreserveleistung auf einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Markt für Regelleistung im Internet. Über die gemeinsame Internetplattform www.regelleistung.net decken die vier Übertragungsnetzbetreiber im Zuge einer gemeinsamen Ausschreibung ihren Bedarf an Regelleistung. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in ihrer jeweiligen Regelzone einen technisch notwendigen Anteil an Regelenergie in ihrer Regelzone (sog. Kernanteil) auszuschreiben.[27] Die Ausschreibung der Minutenreserve erfolgt als
Tagesausschreibung, die der Primär und Sekundärregelleistung erfolgt als Monatsausschreibung. Einen Überblick über die Ausschreibungen gibt Abbildung 5.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Ausschreibungen der Regelenergie auf www.regelleistung.net[28] .
Die Kosten für die Regelreserven stehen erst seit dem 1.12.2007 auf der Internetpräsenz www.regelleistung.net, so dass sich die Regelleistungskosten aus den Daten für das erste Halbjahr 2008 zusammensetzen und dann identisch auf das zweite Halbjahr 2008 abgebildet werden um eine Gesamtübersicht der Kosten für die Vorhalten von Regelenergie zu erhalten. Bei den Kosten ist zwischen positiver / negativer Reserve und Leistungs / Arbeitspreis zu unterscheiden:
- Positive Sekundärreserve/Minutenreserve = Bieter liefert Regelenergie an den ÜNB
- Negative Sekundärreserve/Minutenreserve = Bieter bezieht Regelenergie vom ÜNB
- Positiver Arbeitspreis = Zahlung erfolgt vom ÜNB an den Bieter.
- Negativer Arbeitspreis = Zahlung erfolgt vom Bieter an den ÜNB
Die Kosten für die Vorhaltung von Regelenergie werden über die Netznutzungsentgelte abgerechnet (vgl. Abbildung 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Kostenaufteilung der Regelenergie[29] .
2.3.1 Primärregelleistung
Aufgabe der Primärregelung ist die Stabilisierung von Abweichungen der Netzfrequenz vom Sollwert bei Leistungsungleichgewichten zwischen Stromeinspeisungen und – entnahmen im UCTENetz.[30] Zu diesem Zweck werden im UCTE Verbundsnetz insgesamt ca. 3.000 MW an Primärregelleistung vorgehalten. Diese vorzuhaltende Leistung wird auf die verschiedenen UCTE Regelzonen nach ihrem Anteil an der jährlichen Stromerzeugung aufgeteilt.[31] Somit ergeben sich für die deutschen vier Regelzonen folgende vorzuhaltende Primärregelreserven (Abbildung 7):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 Primärregelleistung der Regelzonen (Ausschreibungen für das erste Halbjahr 2008).[32]
Die Beschaffung dieser Primärregelleistung ist Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber. Sie wurde bis zum Dezember 2007 noch von jedem Übertragungsnetzbetreiber getrennt ausgeschrieben und wird seit dem ersten Dezember 2007 auf der gemeinsamen Regelenergieausschreibungsplattform www.regelleistung.net ausgeschrieben.[33] Die Primärregelung erfolgt durch Einsatz der Drehzahlregler der Turbinen von den Kraftwerksblöcken, die auf Abweichungen der Drehzahl reagieren. Es ist unerheblich, in welchem Bereich des UCTE Netzes eine Schwankung auftritt, da die momentane Netzfrequenz sich im gesamten Netzbereich aufgrund von Lastschwankungen ständig verändert. Auf der Internetpräsenz der UCTE (www.ucte.org) wird die momentane Netzfrequenz ständig aktualisiert veröffentlicht.[34] Kommt es zu einer Abweichung, so wird Primärregelleistung in jedem beteiligten Kraftwerk aktiviert und die Frequenzabnahme so gestützt (bei Lastzunahme) bzw. eine weitere Frequenzsteigerung (bei Lastabnahme) verhindert. Laut DENAStudie stellt eine Steigerung der Windstromeinspeisung für die Primärregelleistungsvorhaltung keine Veränderung dar. Lediglich für große geplante offshoreWindparks könnte die AusfallLeistung in Folge eines Einfachfehlers den Ausfall eines großen thermischen Kraftwerkes gleichkommen.
[...]
[1] (IWR, 2008)
[2] (BMU, 2007) S. 9
[3] (DENA, 2008)
[4] (DENA, 2005) Kapitel 13
[5] (vdnberlin, 2007)
[6] (EnWG, 1935)
[7] Vgl. (Kreikenbaum, 2008)
[8] Vgl. (Heuck, 2007) S. 486ff
[9] Vgl. (Heuck, 2007) S. 488
[10] (EON, E.ON Strom und Gas Konzernstruktur, 2008)
[11] Vgl. (EnWG, Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, 2005)
[12] Vgl. (EnWG, Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, 2005)
[13] Vgl. (EnWG, 1978)
[14] (StromNZV, 2005)
[15] (StromNEV, 2005)
[16] Vgl. (Verbändevereinbarung II, 1999) S. 9.
[17] Vgl. (Bilanzausgleich zur Verbändevereinbarung II, 1999).
[18] Vgl. (StromNZV, 2005) §4.
[19] Vgl. (EEG, 2004) §4, gegenwärtig ist eine Novellierung des EEG 2004 in Bearbeitung ist tritt voraussichtlich 2009 in Kraft
[20] Vgl. (EEG, 2004) §14 Abs.1 EEG
[21] (BET, ISET, 2004) S.20.
[22] Vgl. (BET, ISET, 2004) S.21.
[23] Vgl. (BET, ISET, 2004) S.22.
[24] Vgl. (BET, ISET, 2004) S.20.
[25] Vgl. (Bundesverband Windenergie e.V., 2005) S. 4.
[26] Vgl. (DENA, 2005) S. 268.
[27] Vgl. §6 Abs. 2.StromNZV.
[28] (regelleistung.net, 2008) Ausschreibungen.
[29] (BET, 2003) S. 17.
[30] Vgl. (UCTE, Load Frequency Control and Performance, 2004) S. 2.
[31] Vgl. (DENA, 2005) S. 252.
[32] Vgl. (regelleistung.net, 2008) Ausschreibungen
[33] Vgl. (regelleistung.net, 2008)
[34] (UCTE, www.ucte.org, 2008)
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