Jenseits der einzigen offiziellen Interessenvertretung für Frauen, dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD), entstanden in den 1980er Jahren informelle Frauengruppen in verschiedenen Städten und Regionen der DDR. Sie begannen die Stellung von Frau und Mann in der DDR-Gesellschaft zu hinterfragen und die eigene Lebensweise zu reflektieren. Als Gruppen, die sich eigenständig außerhalb des Organisationsmonopols der SED zusammenfanden, bewegten sich die Frauengruppen in einem Konglomerat von Gruppierungen, die Themen aufgriffen, welche im offiziellen Diskurs nicht erwünscht waren.
Informelle Gruppierungen in der DDR sind besonders seit 1990 in den Fokus der historischen Forschung gerückt. Das zentrale Erkenntnisinteresse liegt dabei auf Fragen nach dem Oppositions- und Widerstandspotential dieser Gruppen. Die Existenz separater Frauengruppen findet gleichwohl kaum Erwähnung. Auch Studien, welche sich in den vergangenen Jahren ausführlicher mit Frauengruppen in der DDR befasst haben, setzen ihren Schwerpunkt oft nur bei den Gruppen mit dem Namen „Frauen für den Frieden“, die in verschiedenen Städten der DDR aktiv waren. Anders als die Gesamtdarstellungen zur DDR-Opposition und Bürgerbewegung werfen diese Untersuchungen aber die Frage auf, ob die Frauengruppen der DDR eine Frauenbewegung gebildet haben.
Die Autorin erörtert in ihrer Arbeit zunächst die mit dieser Fragestellung verbundenen theoretischen und methodologischen Probleme – etwa in Hinsicht auf die Anwendung der Begriffe „Neue Soziale Bewegung“ und „Frauenbewegung“ auf AkteurInnen und Prozesse in einer staatssozialistischen Gesellschaft.
Anschließend werden mittels Archivquellen und Zeitzeuginneninterviews fünf Dresdner Frauengruppen, die in den 1980er Jahren aktiv waren, untersucht. Die Untersuchung der Gruppen erfolgt im Hinblick auf deren Entstehung, Gründungsmotive, Aktions- und Kommunikationsformen sowie den Verbleib der Gruppen. Zwei Aspekte werden dabei besonders berücksichtigt. Erkenntnis- und Entwicklungsprozesse der Gruppen beziehungsweise einzelner Frauen in den Gruppen werden beobachtet, um mögliche DDR-spezifische Auffassungen von Geschlechterverhältnissen zu ermitteln. Im Hinblick auf die Beantwortung der Frage nach einer Frauenbewegung in der DDR wird außerdem untersucht, ob und wie Vernetzung sowie Schaffung einer (Gegen-)Öffentlichkeit unter den spezifischen Bedingungen einer Diktatur auch über Dresden hinaus statt gefunden haben.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 DDR-Frauengruppen als soziale Bewegung? – Forschungsansätze
1.2 Soziale Bewegung in der Diktatur? – Übertragungsprobleme
1.3 DDR-Frauengruppen in bisherigen Untersuchungen
1.4 Problemstellung und Quellenbasis
2 Historische Kontextualisierung
2.1 Frauen und Frauenpolitik in der DDR
2.2 Die DDR in den 1980er Jahren
3 Autonome Frauengruppen in Dresden
3.1 Frauen für den Frieden Dresden
3.1.1 Entstehung, Struktur und Arbeitsweise
3.1.2 Arbeitsfelder
3.1.2.1 Friedensarbeit
3.1.2.2 Geschlechterverhältnisse
3.1.2.3 Politischer Protest
3.1.3 Entwicklung der Gruppe ab 1989
3.2 Kirchlicher Arbeitskreis Homosexualität Dresden / Frauengruppe im Kirchlichen Arbeitskreis Homosexualität Dresden
3.2.1 Entstehung, Struktur und Arbeitsweise
3.2.2 Die Frauengruppe im Kirchlichen Arbeitskreis Homosexualität
3.2.2.1 Erkenntnisprozesse
3.2.2.2 Dresdner Frauenfeste
3.2.2.3 Räume für lesbische Frauen
3.2.3 Arbeitskreis und Frauengruppe in der Wende
3.3 Frauen für Frauen
3.4 Künstlerinnengruppe / Dresdner Sezession ’89
3.5 Arbeitskreis Feministische Theologie
4 Über Dresden hinaus
5 Zusammenfassung und Ausblick
6 Quellenverzeichnis
7 Literaturverzeichnis
„Es ist in der Tat eine der größten Errungenschaften des Sozialismus, die Gleichberechtigung der Frau in unserem Staat sowohl gesetzlich als auch im Leben weitgehend verwirklicht zu haben.“1
- Erich Honecker (1971) -
„Durch Kontakte mit Frauen aus der westlichen Welt wissen wir, daß es bei uns in der DDR für die Frauen eine Reihe wirklicher Errungenschaften gibt. […] Was uns aber noch Probleme macht[,] ist die Diskrepanz zwischen dem gesetzlich verbrieften Recht auf gleiche Rechte und Möglichkeiten und der alltäglichen Praxis.“2
- Karin Dauenheimer (1987) -
1 Einführung
Diesen beiden Aussagen wohnt ein Widerspruch inne. Die Feststellung Honeckers drückt die offizielle Lesart der Frauenpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aus. Es hat den Anschein, als seien alle Wünsche und Forderungen der alten Frauenbewegung – und auch die der sich in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gerade formierenden neuen Frauenbewegung – nach der Gleichberechtigung von Frau und Mann im sozialistischen Teil Deutschlands bereits Anfang der 1970er Jahre erfüllt gewesen. Dennoch sieht eine in der DDR lebende Frau trotz aller „Errungenschaften“ eine Diskrepanz zwischen normativer und praktischer Ebene.
Zweifel an der verwirklichten Gleichberechtigung im SED-Staat artikulierten sich in den 1980er Jahren nicht nur über die Aussagen einzelner Frauen. Jenseits der einzigen offiziellen Interessenvertretung für Frauen, dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) entstanden informelle Frauengruppen in verschiedenen Städten und Regionen der DDR. Sie begannen die Stellung von Frau und Mann in der DDR- Gesellschaft zu hinterfragen und die eigene Lebensweise zu reflektieren.
Als Gruppen, die sich eigenständig außerhalb des Organisationsmonopols der SED zusammenfanden, bewegten sich die Frauengruppen in einem Konglomerat von Gruppierungen, die Themen aufgriffen, welche im offiziellen Diskurs nicht erwünscht waren. Der Überwachung und Repression des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) ausgesetzt, stellten informelle Gruppen, die meist unter dem Dach der evangelischen Kirche agierten, den Versuch dar, in der DDR zivilgesellschaftliches Engagement zu etablieren.
Die Entstehung, die Zusammensetzung, der Charakter sowie die Wirkungen dieser Gruppen sind seit dem Zusammenbruch der DDR unter vielfältigen Fragestellungen untersucht worden. Im Vordergrund stehen dabei Fragen nach dem Oppositionsund Widerstandspotential dieser Gruppen.3 Reine Frauengruppen finden in Darstellungen zum Thema oft nur marginale Erwähnung. Ehrhart Neubert fasst in seiner Darstellung der Opposition in der DDR die Selbstorganisation von Frauen als Emanzipationsbewegung auf und erkennt, dass auch innerhalb der Oppositionsbewegung männliche Dominanzen vorherrschten, die zu separaten Gruppengründungen durch Frauen führten.4 Ausführlicher stellt Neubert allerdings nur die in verschiedenen Städten agierenden Gruppen Frauen für den Frieden vor.5 Karin Urich belässt es in ihrer lokalen Untersuchung von Opposition und Bürgerbewegung in Dresden bei einer bloßen Nennung der Frauen für ]den Frieden.6 Auch Sung-Wan Choi greift in ihrer Studie einzig die Frauen für den Frieden kurz auf.7
Studien, welche sich in den vergangenen Jahren ausführlicher mit Frauengruppen in der DDR befasst haben, setzen ihren Schwerpunkt ebenfalls bei den Frauen für den Frieden.8 Dort, wo die Frauengruppenlandschaft differenzierter beleuchtet wird, findet sie als Vorgeschichte des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) Eingang, der wesentlich ausführlicher dargestellt wird.9 Eva Sänger stellt beispielsweise Kontinuitäten zwischen den informellen Frauengruppen der 1980er Jahre und dem im Herbst 1989 entstandenen UFV her. Im DDR-Kontext betrachtet Sänger den UFV „als Teil eines kollektiven, ‚bewegten‘ Handlungszusammenhangs […], dessen Wurzeln bis zu den informellen Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre reichen. Informelle Frauengruppen kritisierten die Friedenspolitik der DDR, hinterfragten patriarchale Strukturen in der evangelischen Kirche und die offizielle Definition von Fraueninteressen. Sie stellten eine entscheidende Mobilisierungsressource für die Gründung des Unabhängigen Frauenverbandes dar.“10
Einzig Samirah Kenawi ist es aber bisher gelungen, einen umfassenden Überblick über die Frauengruppen in der DDR zu geben. Ihre Dokumentation beschränkt sich zwar auf eine knappe Vorstellung der Gruppen, die Kenawi mit Dokumenten anreichert.11 Kenawi nimmt aber auch eine Typologisierung der von ihr vorgestellten Gruppen vor. Sie unterscheidet zwischen drei Strömungen. Erstens fasst sie die Gruppen Frauen für den Frieden sowie nichtkirchliche Frauengruppen innerhalb und außerhalb der Kirche zusammen. Die zweite Strömung stellen die kirchlichen Frauengruppen dar. Als dritte Form identifiziert Kenawi Lesbengruppen.12 Abgesehen von diesem und anderen einzelnen Ansätzen13 der Untersuchung und Typologisierung fehlt nach wie vor eine Gesamtdarstellung der autonomen Frauengruppen in der DDR der 1980er Jahre, die zugleich die Einbindung in den historischen Kontext berücksichtigt.
1.1 DDR-Frauengruppen als soziale Bewegung? – Forschungsansätze
In den vorhandenen Untersuchungen zu unabhängigen Frauengruppen in der DDR galt das zentrale Erkenntnisinteresse der Beantwortung der Frage, ob es in der DDR eine Frauenbewegung gegeben hat.14 In allgemeinen Darstellungen zur DDR-Geschichte oder zur Geschichte der Opposition in der DDR taucht diese Frage kaum auf.15 Die Dominanz männlicher Wissenschaftler und die Tatsache, dass verhältnismäßig mehr Männer als Frauen zu Zeitzeugenund Zeitzeuginnengesprächen herangezogen werden, mögen eine Ursache hierfür sein.16 Aber auch sofern die Frage nach einer DDR-Frauenbewegung gestellt wird, stehen Forscherinnen und Forscher definitorischen Unsicherheiten und unzureichend hinterfragten Vorannahmen gegenüber, die den Blick auf eine Spezifik der DDR-Frauengruppen zu verstellen scheinen. Ein Perspektivenwechsel ist erforderlich und inzwischen auch mehrfach angeregt worden.
Ingrid Miethe weist ausdrücklich darauf hin, dass bei der Klärung der Frage, ob es in der DDR eine Frauenbewegung gegeben habe, differenziert werden müsse. Es könne nicht unter Verweis auf die große Zahl der Frauen, die die offizielle Gleichstellungspolitik nicht in Frage stellten, darauf geschlossen werden, dass es in der DDR keine Frauenbewegung gegeben hätte. Vielmehr müsse sich der Blick auf diejenigen Frauen richten, die sich selbst als „frauenbewegt“ verstanden hätten.17 Somit kann das Sample, das es auch in dieser Arbeit einzugrenzen gilt, deutlicher festgelegt werden.
Inwieweit es gerechtfertigt ist, beim vorliegenden Untersuchungsgegenstand von einer Bewegung zu sprechen, das heißt die sozialwissenschaftlichen Kriterien einer sozialen Bewegung anzuwenden, muss laut Miethe bei der definitorischen Klärung ebenfalls Berücksichtigung finden.18 Eine soziale Bewegung kann verstanden werden als „ein mobilisierende[r] kollektive[r] Akteur, der mit einer gewissen Kontinuität auf der Grundlage hoher symbolischer Integration und geringer Rollenspezifikation mittels variabler Organisationsund Aktionsformen das Ziel verfolgt, grundlegenden sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen.“19 Angesichts dieser Definition und der Entwicklungsphasen, die eine soziale Bewegung durchläuft – Konstituierung, Mobilisierung und Auflösung, Transformation oder Institutionalisierung – kann Miethe zufolge der Begriff soziale Bewegung auch für die Frauenbewegung der DDR gelten.20 Die Mobilisierungsphase wird hier in der Entstehung und Existenz von Frauengruppen besonders unter dem Dach der evangelischen Kirche verstanden. Auf dieser Basis sei dann im Herbst 1989 die massenhafte Mobilisierung von Frauen unter dem Dach des UFV erfolgt. Zunächst habe die Herbeiführung sozialen Wandels das Ziel der Bewegung gebildet. Angesichts der Dynamik der Zeitereignisse und des drohenden Verlusts von frauenpolitischen Vorteilen sei aber schnell der Wunsch aufgekommen, sozialen Wandel aufzuhalten beziehungsweise rückgängig zu machen.21 Die Auflösung und Transformation der Frauenbewegung der DDR habe sodann im Verlauf des Jahres 1990 begonnen.22
1.2 Soziale Bewegung in der Diktatur? – Übertragungsprobleme
Den Fokus auf „frauenbewegte“ Frauen – Frauen also, die nicht auf der Welle der staatlichen Frauenpolitik mitschwammen – zu legen, erscheint angesichts der oben dargestellten Argumente sinnvoll. Auch die Verortung der DDR-Frauengruppen als Teil einer sozialen Bewegung – einer Frauenbewegung – scheint auf der Basis der von Miethe angeführten Gesichtspunkte schlüssig. Freilich bleiben zwei Probleme virulent. Zunächst fehlen bisher quellengestützte Untersuchungen zu DDR- Frauengruppen, die Inhalte, Methoden, regionale Unterschiede und besondere regionale Bedingungen entschlüsseln. Erst damit kann die Einbindung der Frauengruppen in theoretische Zusammenhänge gelingen.
Dies gilt insbesondere für den zweiten Problemkreis, vor dem die Untersuchung steht. Inwieweit können westlich geprägte Forschungsprä- missen einem Gegenstand gerecht werden, der sich unter völlig anderen Bedingungen, als sie diesen Prämissen zugrunde liegen, entwickelt hat? Insbesondere der Anwendung der Theorien Neuer Sozialer Bewegungen (NSB) auf gesellschaftliche Phänomene in der DDR, die Hubertus Knabe bereits Ende der 1980er Jahre angeregt hat23, ist nicht ohne Weiteres zuzustimmen.24 Mehrfach ist darauf verwiesen worden, dass die Grundannahmen und Definitionen solcher Konzepte vor dem Hintergrund westlicher pluralistischer Demokratien entstanden sind. Die Existenz einer Zivilgesellschaft sowie die Absicherung demokratischer Grundrechte hätten dort immer als Voraussetzung für die Entstehung und Existenz sozialer Bewegungen gegolten.25 Diese Basis musste „in staatssozialistischen Gesellschaften erst geschaffen werden […] und die sozialen Bewegungen der DDR klagten in erster Linie gerade die Schaffung dieser Grundrechte ein.“26 Insofern erscheint es wenig hilfreich, das Erreichen breiter öffentlicher Resonanz und das Ziel der zahlenmäßigen Vergrößerung der Bewegung als Maßstab für die Bewertung von Bewegungen in Osteuropa anzusetzen, waren diese doch darauf bedacht, so zu agieren, dass sie von staatlicher Kontrolle und Repression nicht erfasst werden konnten. Deshalb stellt die Einbeziehung staatlicher Verfolgung von sozialen Bewegungen und deren Umgang damit ein zentrales Kriterium für deren Untersuchung dar.27
Auch gilt es zu beachten, dass Begriffe mit ihren spezifischen Vorprä- gungen, ihrer Definitionsmacht und ihren impliziten Maßstäben nicht ohne Weiteres auf Gesellschaften übertragen werden können, „für die diese Begriffe nicht in dem unterstellten Maße oder mit einer anderen inhaltlichen Besetzung von Relevanz sind.“28 Der Feminismus-Begriff im Westen ist mit Themen und Inhalten besetzt, die bei „bewegten“ Frauen in der DDR nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Die Ablehnung des Begriffs durch osteuropäische Frauen selbst sieht Miethe in der mangelnden inhaltlichen Deckungsgleichheit des westlichen Begriffs mit deren eigenen weiblichen Selbstentwurf begründet. Werden nun also westliche Maßstäbe des Feminismus auf die DDR angewandt, erscheint die Aktivität der ostdeutschen Frauen vielfach als nicht feministisch.29 Insofern gilt es zu erfragen, welche zentralen Motivationen und Fragestellungen in DDR-Frauengruppen bestanden haben, ohne sie am westlichen Maßstab auszurichten, was sie automatisch defizitär erscheinen ließe. Ein defizitäres Erscheinungsbild der ostdeutschen Frauenbewegung ließe sich auch vermeiden, wenn nicht schon zu Beginn der Vergleich mit Westdeutschland gezogen würde. Eher bietet sich ein Vergleich mit anderen osteuropäischen Ländern an – eine Gegenüberstellung, welche die ostdeutsche Frauenbewegung geradezu avantgardistisch erscheinen ließe: „Die DDR war das einzige Land im ehemaligen Ostblock, in dem sich überhaupt eine Frauenbewegung entwickelt hat. Die Frage ist in dieser Vergleichsperspektive nun nicht mehr, warum diese so klein, spät und unbedeutend war, sondern wie es dazu kommen konnte, dass es sie überhaupt gab.“30
1.3 DDR-Frauengruppen in bisherigen Untersuchungen
Die eingangs bemängelten Unsicherheiten in der Anwendung von Begriffen und Vorannahmen in bereits vorhandenen Untersuchungen zu Frauengruppen in der DDR können vor dem Hintergrund der dargestellten Perspektiven nun deutlich skizziert werden. Die Verwendung des Begriffs Frauenbewegung und die Anwendung der NSB-Theorien stellen hier einen Problemkreis dar.
Daphne Hornig diskutiert zwar die Relevanz der NSB-Ansätze für die Frauenbewegung im Allgemeinen.31 Die Anwendung des Begriffs Frauenbewegung auf die DDR hält sie allerdings nicht für angebracht, da dort feministische Anliegen fehlten. Arbeitsteilung und Patriarchatskritik seien in DDR-Frauengruppen nicht Teil der Debatte gewesen, vielmehr seien die aufgegriffenen Themen als „Gesellschaftskritik“ begriffen worden. Hornig schlägt zur Bezeichnung des Phänomens der DDR- Frauengruppen die Wendung „soziale Bewegung der Frauen“ vor.32 Damit erliegt Hornig den inhaltlichen Vorprägungen des westlichen Feminismusbegriffs und bewertet die Frauengruppen der DDR im Vergleich zu Westdeutschland als defizitär. Die Ersetzung des Begriffes Frauenbewegung mit der zitierten Wortgruppe ist wenig aussagekräftig.
Karin Zimmermann hingegen stellt den Begriff Frauenbewegung für die DDR nicht in Frage. Sie schränkt allerdings ein, dass die gesellschaftstheoretischen Prämissen im Rahmen der bundesrepublikanischen Frauenforschung bei der Untersuchung der DDR-Situation kritisch anzuwenden seien.33 Damit spricht Zimmermann die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Systembedingungen an, auf die auch Miethe verwiesen hat.
Jeannette Madarász verwendet den Begriff der staatsunabhängigen Frauenbewegung und begreift diese als kleine Gruppe mit einer geringen Anzahl aktiv Beteiligter, die einen signifikanten Einfluss auf Entwicklungen in der DDR der 1980er Jahre gehabt habe. Allerdings sei diese Frauenbewegung nur im weitesten Sinne eine alternative Bewegung gewesen, „da es bis in die späten Achtzigerjahre nur wenige gemeinsame Aktivitäten der unterschiedlichen Gruppen gab und auch keine verbindende Struktur existierte.“34 Madarász sieht lediglich in der Überwachung durch die DDR-Staatssicherheit eine übergreifende Klammer, die unterschiedlichste Frauengruppen unter die Rubrik einer alternativen Frauenbewegung summiert habe.35
Hampele verwendet den Begriff Bewegung „im übergreifenden Sinne“36 trotz der geringen Ausprägung von Öffentlichkeit und Vernetzung.37 Den Gruppen sei es gelungen, „über den Kreis der ‚sozialisierenden Gruppen‘ hinaus eine partielle Sensibilisierung für die Lage der Frauen zu erreichen“38.
Wenn Madarász eine fehlende verbindende Struktur der Frauengruppen in der DDR beschreibt und Hampele ebenfalls auf geringe Vernetzung und zudem auf mangelnde Öffentlichkeit verweist, so berücksichtigen beide die begrenzten Möglichkeiten in der DDR nicht ausreichend. Auch fehlen hier ausreichende quellenbasierte Untersuchungen.
In den vorliegenden Forschungen sind allerdings auch hilfreiche Überlegungen angestellt worden, die bisher in der Bewegungsforschung zu wenig Beachtung gefunden haben. Gerade in der Beschreibung und Bewertung von Frauenbewegungen müssen die Prozesse, die nicht nur in Richtung Gesellschaft zielen, sondern auch nach innen wirken, berücksichtigt werden.39 Samirah Kenawi betrachtet die Frauenbewegung daher auch als „Auseinandersetzung mit sich selbst und mit dem persönlichen Umfeld. Diesen Diskussion nach ‚innen‘, als Spezifikum der Arbeit von Frauengruppen, ist oft Ursache für ihre geringe Sichtbarkeit und ‚Effektivität‘. Individuelle Bewußtseinsänderung ist ein langsamer Prozeß und keine messbare Größe, die Änderung privater Lebensentwürfe als Folge von Gruppenaktivitäten ist schwer nachzuzeichnen und nie eindeutig zurückzuführen, hier liegt jedoch ein Schwerpunkt von Frauenbewegung in der DDR. Dies bleibt in den theoretischen Bewertungskriterien ausgeklammert und in der empirischen Beurteilung unberücksichtigt. Ohne diese nach ‚innen‘, also auf die Veränderung der persönlichen Verhältnisse gerichteten Aktivitäten von Frauen und Frauengruppen als Teil der Bewegung, ja mitunter als ihr wesentlichstes Ergebnis, zu sehen, bleibt Frauenbewegung unverstanden, marginal und politisch uninteressant.“40 Kenawi verweist auf die Notwendigkeit lebensgeschichtlicher Interviews, die derartige Veränderungen sichtbar machen können.41
Aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive muss an dieser Stelle auch auf Diemers Charakterisierung der DDR als einen patriarchalen Staat verwiesen werden. Diemer versteht unter Patriarchat die personale Herrschaft von Männern über Frauen und weist dem Patriarchalismus-Konzept die Frage „nach den mittelund unmittelbaren Mechanismen der Geschlechterhierarchisierung und –polarisierung und deren individueller Verarbeitung sowie kultureller Vermittlung“42 zu. Dieses Konzept kann der Visualisierung von Geschlechterungleichheiten in der DDR-Gesellschaft, die ob der offiziellen Gleichberechtigungspolitik des Staates nicht unmittelbar erkennbar waren und sind, dienen. Geschlecht wird hier als soziale Strukturkategorie verstanden und umfasst neben der Organisation der Geschlechterverhältnisse auch deren gesellschaftliche Funktionalität, kulturelle Vermittlungsformen sowie subjektive Wahrnehmungsund Verarbeitungsformen dieser Herrschaftsstruktur.43
Auch Ingrid Miethe hat in ihrer Untersuchung einer Frauenfriedensgruppe die Erfassung sozio-psychologischer Dimensionen auf der Akteursebene geprüft.44 Die vorhandenen Ansätze der Bewegungsforschung vernachlässigten demnach die individuelle Erfahrung und Motivation der Akteure. Miethe verweist darauf, dass die Aktivität in einer sozialen Bewegung die Akteure selbst verändere: „Sie verändern auch ihre Deutung der Situation, und letztlich wird auch die Gesellschaft selbst durch die Bewegungsaktivität verändert.“45
1.4 Problemstellung und Quellenbasis
Die vorliegende Arbeit steht damit vor mehreren Herausforderungen. Es gilt, die Entstehung, die Aktivitäten und die Motive der zu untersuchenden Frauengruppen herauszuarbeiten und vor dem Hintergrund einer staatssozialistischen Gesellschaftsordnung zu reflektieren, in der die „Frauenfrage“ offiziell als gelöst galt und die Existenz einer unabhängigen Frauenbewegung obsolet war. Dabei darf die Folie des westlichen Feminismusbegriffs nicht ohne Fragezeichen auf die DDR- Frauengruppen übertragen werden. Die spezifischen Motivationen sind vor dem Hintergrund der Lebensrealität der Beteiligten zu ergründen, weshalb zunächst die Beleuchtung der historischen Grundsituation unerlässlich ist.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf autonome Frauengruppen in der Stadt Dresden.46 Für diesen lokalen Bezug spricht neben der bisher weitgehend fehlenden Berücksichtigung von Frauengruppen in auf diesen Ort bezogenen Forschungen die Tatsache, dass heute bestehende Frauenprojekte in Dresden ihre Ursprünge auf autonome Frauengruppen der 1980er Jahre zurückführen.47 Gleichsam können lokale Untersuchungen ein Ausgangspunkt für eine umfassende und differenzierte Gesamtuntersuchung von Frauengruppen und Frauenbewegung in der DDR sein, insbesondere wenn die Frauengruppen der 1980er Jahre als Konstituierungsbasis einer Frauenbewegung betrachtet werden.
Insofern versteht sich die vorliegende Arbeit als Grundlagenforschung, auf deren Basis erst weitergehende Forschungsfragen formuliert werden können. Dazu werden in Dresden existierende Frauengruppen einzeln vorgestellt. Die Untersuchung erfolgt im Hinblick auf deren Entstehung, Gründungsmotive, Aktionsund Kommunikationsformen und Verbleib.48 Zwei Aspekte sollen dabei besonders berücksichtigt werden. Erkenntnisund Entwicklungsprozesse der Gruppen beziehungsweise einzelner Frauen in den Gruppen sollen beobachtet werden, um mögliche DDR-spezifische Auffassungen von Geschlechterverhältnissen zu erkennen. Außerdem soll im Hinblick auf die Beantwortung der Frage nach einer Frauenbewegung in der DDR untersucht werden, ob und wie Vernetzung sowie Schaffung und Erreichen einer (Gegen-)Öffentlichkeit unter den spezifischen Bedingungen einer Diktatur auch über Dresden hinaus statt gefunden haben.49
Die Basis der Studie bilden dabei Quellen, die im – unter dem Dach der Robert-Havemann-Gesellschaft e. V. in Berlin – angesiedelten Archiv Grauzone seit dem Ende der DDR zusammengetragen worden sind. Das Material besteht aus Samisdat-Zeitschriften, Briefen, Programmen, Einladungen, Selbstdarstellungen, Eingaben, Protokollen, Notizen und Chroniken. Obwohl der Bestand des Archivs Grauzone umfangreich ist, gestaltete sich die Recherche auf Grund des unterschiedlichen Erschließungsgrades der Dokumente schwierig.50 Weitere bisher nicht eingesehene Dokumente, die keinen direkten Bezug zu Dresden aufweisen, enthalten wahrscheinlich weitere Informationen zu Frauengruppen in Dresden. Darauf deuten die ebenfalls genutzten Dokumente in der die gesamte DDR umfassenden Dokumentation von Samirah Kenawi hin.51 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Vorstellung von fünf Gruppen, da bisher nur für diese Quellenmaterial vorliegt.52 Die Quellen zu den einzelnen Gruppen unterscheiden sich vor allem im Umfang. Während zu zwei Gruppen auf sehr umfangreiches Material zurückgegriffen werden kann, bleibt bei anderen Gruppen die Quellenbasis gering. Zusätzlich zu den Archivmaterialien wurde daher auf weitere Quellen zurückgegriffen. Dazu gehören in der DDR erschienene Tagesund Wochenzeitungen sowie von der Autorin durchgeführte Zeitzeuginneninterviews. Die Interviews sind im Zeitraum von November 2007 bis Februar 2008 geführt worden und dauerten jeweils zwischen fünfundvierzig Minuten und zwei Stunden, in denen die Frauen zu ihren Aktivitäten in Dresdner Frauengruppen der 1980er Jahre befragt wurden, wobei die Befragten selbst ihre eigene damalige Lebenssituation mit einbezogen.53 Die Gespräche bilden in dieser Arbeit eine Ergänzung zu den Schriftquellen.
2 Historische Kontextualisierung
2.1 Frauen und Frauenpolitik in der DDR
Die Frauenpolitik der DDR unterlag – wie andere Politikfelder auch – dem Monopol der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED ), die die politischen Führungskräfte der DDR stellte und die Gesellschaft mittels Massenorganisationen durchdrang.
Im Wesentlichen durchlief die Frauenpolitik der SED drei Phasen. Bis Mitte der 1960er Jahre standen die Integration von Frauen in die Arbeitswelt und der Schutz der Mütter im Mittelpunkt. Die darauf folgende Phase beinhaltete die Weiterbildung und berufliche Qualifizierung von Frauen. Mit Beginn der Amtszeit Erich Honeckers als Generalsekretär des Zentralkomitees der SED 1971 verlagerte sich der Schwerpunkt der Frauenpolitik auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.54
Rechtliche Grundlage der Frauenpolitik bildeten dabei die Artikel 7 und 30 der DDR-Verfassung von 1949. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann wurde darin ohne Abstriche garantiert.55 Die weltanschauliche Basis der SED-Frauenpolitik lag in der sozialistischen Losung, wonach die Gleichberechtigung der Frau mit der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und der Eingliederung der Frau in den Arbeitsprozess erreicht werde.56 Somit war die angestrebte Eingliederung möglichst vieler Frauen in den Arbeitsprozess ideologisch untermauert. Freilich unterlag diese Zielstellung der Staatsund Parteiführung auch den schlichten Tatsachen von erhöhtem Arbeitskräftebedarf und gleichzeitigem Frauenüberschuss in der Nachkriegszeit sowie den strategischen Überlegungen der SED, sich das politische Vertrauen der Frauen zu sichern.57 Alle Bestrebungen von Seiten des Staates per Gesetz Arbeits-, Familienund Frauenleben zu regeln58, stießen jedoch sowohl bei Frauen als auch bei Männern nicht vorbehaltlos auf Zustimmung. Angestammte Rollenbilder blieben hier wie da weitgehend präsent.59
Die einzige Interessenorganisation für Frauen in der DDR war der bereits 1947 gegründete Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD).60 In den ersten Jahren seines Bestehens hatte der Verband noch Möglichkeiten zur Einflussnahme auf frauenpolitische Maßnahmen. Das Gesetz über Mutterund Kinderschutz und die Rechte der Frauen von 1950, das Unterstützungsleistungen für Mütter und kinderreiche Familien sowie die Einrichtung von Kindertagesstätten ebenso vorsah wie das Recht der Ehefrau auf Berufstätigkeit und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen61, entstand unter Mitarbeit des DFD. Auch in Betrieben konnte der DFD über die seit 1952 eingesetzten Betriebsfrauenausschüsse Einfluss geltend machen. Dabei wurde versucht, Vorurteile gegen Frauenarbeit abzubauen.62 Gleichzeitig oblag es dem DFD mittels Hausfrauenbrigaden auch jene Frauen für die Erwerbsarbeit zu mobilisieren, welche bis dahin nicht berufstätig gewesen waren. Allerdings bildeten auch hier neben der ideologischen Komponente personelle Engpässe in der Wirtschaft den Grund für die Maßnahme.63
[...]
1 Aus dem Bericht des Zentralkomitees an den VIII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Berichterstatter: Erich Honecker. 15. Juni 1971, in: Protokoll der Verhandlungen des VIII. Parteitages der der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 15.-19. Juni 1971, Bd. 1, Berlin 1971, S. 82. Honecker (1912- 1994) war ab 1971 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und ab 1976 Staatsratsvorsitzender. Am 18.10. 1989 trat er von allen Ämtern zurück.
2 Brief von Karin Dauenheimer an Chris Weedon, 30.11.1987, Grauzone A1/2776, Bl. 48. Karin Dauenheimer ist Theologin und Journalistin und lebte in den 1980er Jahren in Dresden.
3 So zahlreich wie die Veröffentlichungen mittlerweile sind, so unterschiedlich werden die Begriffe Opposition und Widerstand in ihnen verwendet. Einen kritischen Überblick liefert Eckert, Rainer: Widerstand und Opposition: Umstrittene Begriffe der deutschen Diktaturgeschichte, in: Neubert, Ehrhart / Eisenfeld, Bernd (Hg.): Macht – Ohnmacht – Gegenmacht. Grundfragen zur politischen Gegnerschaft in der DDR, Bremen 2001, S. 27-36. Wenn hier nachfolgend die Begriffe von Opposition o. ä. verwendet werden, schließe ich mich Eckerts Vorschlag an: „Widerstand bezeichnet in diesem Raster den prinzipiellen Kampf gegen die Herrschaft der SED mit dem Ziel ihrer Beseitigung, Opposition die relativ offene, zumindest zeitweilig und teilweise legale Ablehnung des Realsozialismus bzw. die Absicht zu seiner Reform und schließlich Resistenz ein nicht der Norm entsprechendes Verhalten im Alltag, passiven Widerstand, Selbstbehauptung einzelner Personen und die Abweichung von der offiziellen Ideologie. Alle diese Formen sind allerdings nicht ‚rein‘ anzutreffen, sondern überlappen sich vielfältig.“ Eckert, Begriffe, S. 35- 36. Die Einordnung des Gegenstands dieser Arbeit in diesen Kontext spielt hier allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Schritt erfordert erst eine quellengesättigte Erforschung des Gegenstands, der m. E. noch nicht geleistet wurde – vgl. dazu die folgenden Ausführungen.
4 Vgl. Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Bonn 1997, S. 458-459.
5 Vgl. Neubert, Opposition, S. 459ff und S. 579ff. Insgesamt umfasst die Darstellung der Frauenselbstorganisation in Neuberts fast 1000-seitigem Werk knapp 7 Seiten. Hinzu kommen vereinzelte Verweise auf Emanzipationsgedanken in Kunst und Literatur sowie auf Frauenaktivitäten im Herbst 1989.
6 Vgl. Urich, Karin: Die Bürgerbewegung in Dresden 1989/90, Köln; Weimar; Wien 2001, S. 61 und 67. Kurz erwähnt Urich auch denUnabhängigen Frauenverband (UFV), der 1989 entstand; vgl. ebd., S. 381.
7 Vgl. Choi, Sung-Wan: Von der Dissidenz zur Opposition. Die politisch alternativen Gruppen in der DDR von 1978 bis 1989, Köln 1999, S. 45f. Ähnlich verfahren weitere Autoren und Autorinnen – vgl. u. a. Joppke, Christian: East German Dissidents and the Revolution of 1989. Social Movement in a Leninist Regime, Houndsmill; Basingstoke; Hampshire u. a. 1995. Vgl. auch Pollack, Detlef: Politischer Protest. Politisch alternative Gruppen in der DDR, Opladen 2000.
8 Vgl. Miethe, Ingrid: Frauen in der DDR-Opposition. Lebensund kollektivgeschichtliche Verläufe in einer Frauenfriedensgruppe, Opladen 1999. Vgl. auch Kukutz, I- rena: Die Bewegung „Frauen für den Frieden“ als Teil der unabhängigen Friedensbewegung der DDR, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), hrsg. vom Deutschen Bundestag, 1995, Bd. VII, S. 1285-1408. Vgl. zudem Kukutz, Irena: „Nicht Rädchen, sondern Sand im Getriebe, den Kreis der Gewalt zu durchbrechen“. Frauenwiderstand in den achtziger Jahren, in: Poppe, Ulrike / Eckert, Rainer / Kowalczuk, Ilko-Sascha (Hg.): Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung: Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR, Berlin 1995, S. 273-283.
9 Vgl. Hampele Ulrich, Anne: Der Unabhängige Frauenverband: ein frauenpolitisches Experiment im deutschen Vereinigungsprozeß, Berlin 2000, S. 54. Vgl. auch Sänger, Eva: Begrenzte Teilhabe. Ostdeutsche Frauenbewegung und Zentraler Runder Tisch in der DDR, Frankfurt/Main; New York 2005.
10 Sänger, Teilhabe, S. 12.
11 Vgl. Kenawi, Samirah: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Eine Dokumentation, Berlin 1995. Kenawi ist zudem mit einigen Aufsätzen zum Thema in Erscheinung getreten. Vgl. Kenawi, Samirah: Caféhaustratsch und Flüsterpropaganda. Informationsstrukturen der Frauenbewegung in der DDR, in: Beuth, Kirsten / Plötz, Kirsten (Hg.): Was soll ich euch denn noch erzählen? Ein Austausch über Frauengeschichte(n) in zwei deutschen Staaten, Gelnhausen 1998, S. 190-197. Vgl. Kenawi, Samirah: Zwischenzeiten. Frauengruppen in der DDR zwischen östlicher Bürgerund westlicher Frauenbewegung, in: Gehrke, Bernd / Rüddenklau, Wolfgang (Hg.): Auf der Suche nach einem dritten Weg. Das politische Selbstverständnis der DDR-Opposition in den 80er Jahren, Berlin 1999, S. 154-167. Vgl. Kenawi, Samirah: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Thesen für eine nichtstaatliche Frauenbewegung, in: Timmermann, Heiner (Hg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre, Berlin 2001, S. 495-512. Diese Aufsätze wie auch der Dokumentationsband weisen allerdings, wie im Verlauf dieser Arbeit noch zu zeigen sein wird, Ungenauigkeiten und Fehler auf. Diese Feststellung soll aber die Leistung Kenawis, die mit der Dokumentation einen umfangreichen Überblick gibt, nicht schmälern. Ihre Vorarbeit kann der Ausgangspunkt für eine detaillierte und quellengesättigte Aufarbeitung weiblichen Engagements in der DDR der 1980er Jahre sein.
12 Vgl. Kenawi, Frauengruppen, S. 21.
13 Karin Zimmermanns Typologie für Berlin umfasst die Frauen für den Frieden, Frauengruppen mit frauenspezifischen Themen im engeren Sinne, Lesbengruppen und Frauenforscherinnen – vgl. Zimmermann, Karin: Die neue Frauenbewegung in der DDR: zur Analyse von Chancen und Möglichkeiten einer sozialen Bewegung (Diplomarbeit), Berlin: FU, FB Pol. Wiss. 1991, S. 27. Daphne Hornig unterscheidet Lesbengruppen, Frauen für den Frieden, feministische Theologinnen und aus kirchlichen Gemeindefrauen entstandene Gruppen sowie aus privater Bekanntschaft entstandene kleine Freundinnennetzwerke – vgl. Hornig, Daphne: Der Organisations- und Formierungsprozeß von Frauen in der DDR: die Institutionalisierung und weitere Gestaltung des frauenpolitischen Spektrums im Verlauf des gesellschaftlichen Transformationsprozesses; eine Analyse unter dem Aspekt sozialer Bewegungen (Diplomarbeit), Berlin: HU, FB Sozialwiss. 1993, S. 59. Inzwischen ist auch Jeannette Madarász mit Untersuchungen zu DDR-Frauengruppen in Erscheinung getreten – vgl. Madarász, Jeannette: Andersdenkende Frauen in der Ära Honecker, in: Barker, Peter / Ohse, Marc-Dietrich / Tate, Dennis (Hg.): Views from Abroad. Die DDR aus britischer Perspektive, Bielefeld 2007.
14 Vgl. Kenawi, Thesen, S. 496.
15 Vgl. Neubert, Opposition; vgl. Urich, Bürgerbewegung; vgl. Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR, München 1998.
16 Vgl. Miethe, Frauen, S. 38f.
17 Vgl. Miethe, Ingrid: Eine Frage der Perspektive. Ostdeutsche Frauenbewegung in den Theorien sozialer Bewegungen, in: Weckwert, Anja / Wischermann, Ulla (Hg.): Das Jahrhundert des Feminismus. Streifzüge durch nationale und internationale Bewegungen und Theorien. Königsstein 2006, S. 62. Miethe verweist in ihrem Aufsatz darauf, dass die Existenz einer Frauenbewegung in DDR nach wie vor auch bestritten oder dieselbe als defizitär dargestellt werde. Als Beleg hierfür verweist Miete auf Rosemarie Nave-Herz, vgl. ebd., S. 61. Nave-Herz stellt zwar für die Anfangszeit der DDR fest, dass es dort keine „Neue Frauenbewegung“ gegeben habe, sie greift aber die Frauengruppen der 1980er Jahre (auf die Miethe ja ausdrücklich Bezug nimmt) auf und überschreibt dieses Kapitel mit „Die Anfänge einer Neuen Frauenbewegung in der DDR“. Nave-Herz bezieht sich dabei auf Untersuchungen zum Thema. Zwar fasst sie sich angesichts der Kompaktheit ihrer überblicksartigen Darstellung recht kurz. Sie stellt eine ostdeutsche Frauenbewegung in den 1980er Jahren aber weder in Frage, noch lässt sie sie defizitär erscheinen – vgl. Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, Bonn 1997, S. 88ff.
18 Vgl. Miethe, Perspektive, S. 63.
19 Raschke, Joachim: Zum Begriff der sozialen Bewegung, in: Roth, Roland / Rucht, Dieter (Hg.): Neue Soziale Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1991, S. 32.
20 Vgl. Miethe, Perpektive, S. 63f. Vgl. auch Ferree, Myra Marx: „The Time of Chaos was the Best“. Feminist Mobilization and Demobilization in East Germany, in: Gender and Society, 8 (1994) 4, S. 597-623. Vgl. Baldez, Lisa: Women’s Movements and Democratic Transition in Chile, Brazil, East Germany, and Poland, in: Comparative Politics, 35 (2003) 3, S. 253-273.
21 Vgl. Miethe, Perspektive, S. 64.
22 Vgl. ebd., S. 64. Zum Marginalisierungsund Auflösungsprozess des UFV vgl. Hampele Ulrich, Frauenverband, S. 282ff und 291ff.
23 Vgl. Knabe, Hubertus: Neue Soziale Bewegungen im Sozialismus. Zur Genesis alternativer politischer Orientierungen in der DDR, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 49 (1988) 3, S. 551-569.
24 Gleiches gilt laut Miethe für theoretische Konzepte aus dem US-amerikanischen Raum; vgl. Miethe, Perspektive, S. 65 und ausführlich Miethe, Frauen, S. 41ff.
25 Vgl. Miethe, Perspektive, S. 65.
26 Ebd., S. 65f.
27 Vgl. ebd., S. 66. Sofern nach Erreichung öffentlicher Resonanz gefragt wird, gilt es, den Begriff Öffentlichkeit unter den spezifischen Bedingungen einer Diktatur zu betrachten. Zu unterscheiden wäre dabei zwischen von oben gesteuerter Öffentlichkeit und wenig oder gar nicht von oben oder außen gesteuerter Öffentlichkeit. Letzteres bezeichnet Adelheid von Saldern als informelle Öffentlichkeiten, die unter anderem mit subkulturellen Gruppenbildungen verbunden seien – vgl. Saldern, Adelheid von: Öffentlichkeiten in Diktaturen. Zu den Herrschaftspraktiken im Deutschland des 20. Jahrhunderts, in: Heydemann, Günther / Oberreuter, Heinrich (Hg.): Diktaturen in Deutschland – Vergleichsaspekte. Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen, Bonn 2003, S. 451.
28 Miethe, Perspektive, S. 68.
29 Vgl. Miethe, Perspektive, S. 67f.
30 Ebd., S. 69. Miethe erläutert an dieser Stelle auch die hilfreiche Möglichkeit eines Vergleiches in europäischer und globaler Dimension; vgl. ebd., S. 70. Hinsichtlich der fehlenden Frauenbewegungen in anderen osteuropäischen Ländern in den 1980er Jahren bleibt zu ergänzen, dass es in Leningrad zwischen 1979-1982 durchaus eine solche Bewegung gegeben hat – vgl. hierzu Stephan, Anke: Zwischen Ost und West. Die unabhängige Frauenbewegung in Leningrad 1979-1982, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 407-425.
31 Grundsätzlich ist auch die Einordnung von Frauenbewegungen, insbesondere die der BRD, in die Neuen Sozialen Bewegungen nicht unwidersprochen geblieben. So werde verkannt, dass die neue Frauenbewegung nicht nur neue soziale Probleme aufgreift, sondern ihre Themen grundsätzlich entlang der Dimension patriarchaler Herrschaft ausrichtet. Die feministische Kritik an der Einbeziehung der Frauenbewegung in die Neuen Sozialen Bewegungen zielt darauf, dass die Frauenbewegung nicht als „neu“ zu klassifizieren sei, da sie eine sehr lange Tradition habe. Der fehlende Patriarchatsbegriff sowie die nicht hinterfragte Unterteilung der Gesellschaft in die Sphären öffentlich und privat in den NSB erschwere es, die Politik der Frauenbewegung zu erfassen. Vgl. ausführlich Kontos, Silvia: Modernisierung der Subsumtionspolitik. Die Frauenbewegung in den Theorien neuer sozialer Bewegungen, in: Feministische Studien 5 (1986) 2, S. 34-49.
32 Vgl. Hornig, Formierungsprozeß, S. 32.
33 Vgl. Zimmermann, Frauenbewegung, S. 3.
34 Madarász, Andersdenkende, S. 119. Die „wenige[n] gemeinsame[n] Aktivitäten“ scheinen m. E. nicht ausreichend empirisch belegt zu sein.
35 Vgl. ebd.
36 Hampele, Anne: Der Unabhängige Frauenverband. Neue Frauenbewegung im letzten Jahr der DDR, in: Müller-Enbergs, Helmut / Schulz, Marianne / Wieglohs, Jan (Hg.): Von der Illegalität ins Parlament. Werdegang und Konzepte der neuen Bürgerbewegungen, Berlin 1992, S. 222.
37 Hier ist der Grad von Öffentlichkeit und Vernetzung ähnlich wie bei anderen AutorInnen noch nicht hinreichend empirisch belegt. Zu bedenken gilt bei der Frage, wie viel Öffentlichkeit erreicht worden sei, dass die Meinungsund Pressefreiheit in der DDR Einschränkungen unterlag; vgl. Schroeder, SED-Staat, S. 565.
38 Hampele, Neue Frauenbewegung, S. 222.
39 Grundsätzlich ist die definitorische Offenheit des Begriffes Frauenbewegung angebracht. Ilse Lenz versteht Frauenbewegungen als „mobilisierende kollektive AkteurInnen, die sich in verschiedenen sozialhistorischen Milieus entwickeln. In ihnen setzen sichPersonenunter maßgeblicher Beteiligung vonFrauenfür einen grundlegenden Wandel der Geschlechterverhältnisse und damit verbundener gesellschaftlicher Ungleichheit und Abwertung ein. Sie kritisieren die herrschenden geschlechtlichen Leitbilder, Normen und Diskurse und entwerfen Alternativen, die zu neuen Normierungen führen können. Frauenbewegungen artikulieren sich in und zu Modernisierungsprozessen und tragen auf vielfältige Weise zu ihnen bei – indem sie sie fördern, beeinflussen oder auch hemmen und kanalisieren.“ Lenz, Ilse: Frauenbewegungen: Zu den Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewegungen als sozialen Bewegungen, in: Becker, Ruth / Budrich, Barbara (Hg.): Handbuch Frauenund Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, Wiesbaden 2004, S. 666.
40 Kenawi, Frauengruppen, S. 9.
41 Vgl. ebd.
42 Diemer, Susanne: Patriarchalismus in der DDR. Strukturelle, kulturelle und subjektive Dimensionen der Geschlechterpolarisierung, Opladen 1994, S. 15.
43 Vgl. Diemer, Patriarchalismus, S. 42.
44 Vgl. Miethe, Frauen, S. 41ff.
45 Ebd., S. 44.
46 Hornig und Hampele Ulrich zählen die Stadt zu Schwerpunkten von Frauengruppenaktivitäten – vgl. Hornig, Formierungsprozeß, S. 160; vgl. Hampele Ulrich, Frauenverband, S. 54.
47 Dazu gehören das Frauenbildungszentrum Dresden sowie das Frauenzentrum Sowieso. Diese Verbindung kann für die Erforschung der geschlechterpolitischen Dimension von Transformationsprozessen von Interesse sein, wenn nach den Motiven für gesellschaftliches und politisches Engagement von Teilen der weiblichen Bevölkerung über das Jahr 1990 hinaus gefragt wird – vgl. Lemke, Christiane; Penrose, Virginia; Ruppert, Uta (Hg.): Frauenbewegung und Frauenpolitik in Osteuropa, Frankfurt/Main; New York 1996.
48 Die ursprüngliche Intention, detailliert die Altersund Sozialstruktur der Gruppen zu untersuchen, konnte auf Grund fehlender Informationen in den Quellen zunächst nicht durchgeführt werden. Sofern aber allgemeine Aussagen hierzu gemacht werden können, finden sie Aufnahme in die Ausführungen.
49 Zum Begriff der Öffentlichkeit in der DDR vgl. Anm. 27.
50 Die Anfänge des Archivs reichen bis 1988 zurück und basieren im Wesentlichen auf ehrenamtlicher Arbeit, die zeitweise durch öffentliche Gelder unterstützt worden ist.
51 Vgl. Kenawi, Frauengruppen.
52 Kenawi verzeichnet in ihrer Dokumentation zehn Gruppen. Einige davon stellt sie selbst nur sehr knapp vor und verweist auf ihre kurze Bestandszeit – vgl. ebd., S. 102ff. Die Archivdokumente werden mit ihrer Originalrechtschreibung und - grammatik zitiert. Lediglich verdrehte Buchstaben o. ä. werden zur besseren Lesbarkeit angepasst.
57 Vgl. Penrose, SED-Frauenpolitik, S. 64.
58 In den 50er und 60er Jahren fielen hierunter insbesondere Gesetze zum Mutterschutz und zum Arbeitsleben von Frauen. Als Beispiel sollen hier das Gesetz über Mutterund Kinderschutz und die Rechte der Frauen von 1950 und das Gesetzbuch der Arbeit der DDR von 1961 mit seinen Bestimmungen zu Hausarbeitstag und der Einführung von Frauenförderplänen u. a. genügen; vgl. ebd., S. 65f.
59 Vgl. Obertreis, Gesine: Familienpolitik in der DDR 1945-1980, Opladen 1986, S. 150.
60 Der DFD wurde am 8. März 1947 auf dem Deutschen Frauenkongress für den Frieden in Berlin als überparteiliche, überkonfessionelle und demokratische Frauenorganisation gegründet. Nach dem Prinzip des demokratischen Sozialismus bestand der DFD aus dem Bundesvorstand, den Bezirksund Kreisvorständen sowie den Stadtbezirksund Ortsleitungen. Zu Aufbau und Entwicklung des DFD vgl. ausführlich Bühler, Grit: Mythos Gleichberechtigung in der DDR. Politische Partizipation von Frauen am Beispiel des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, Frankfurt/Main; New York 1997.
61 Zu diesen und weiteren gesetzlichen Maßnahmen für Frauen vgl. ausführlich O- bertreis, Familienpolitik.
62 Vgl. Gerhard, Ute: Die staatlich institutionalisierte „Lösung“ der Frauenfrage. Zur Geschichte der Geschlechterverhältnisse in der DDR, in: Kaelble, Hartmut (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 388f.
63 Vgl. Helwig, Gisela: Hinter den Kulissen. Zu einigen Aspekten der Frauenund Familienpolitik in der DDR, in: DA, 35 (2002) 6, S. 956.
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- Ramona Bechler (Author), 2008, Aufbruch und Bewegung? Autonome Frauengruppen in Dresden 1980-1989/90, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120194
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