Der Name Johannes Calvin ist maßgeblich mit der Lehre von der Prädestination
verbunden. Doch deren Gestalt und Stellenwert in Calvins Theologie war nicht von
Anfang an deutlich ausgeprägt, sondern hat sich im Laufe der Zeit verändert. In dieser
Arbeit möchte ich daher die Entwicklung der Prädestinationslehre in der Theologie
Calvins untersuchen. Ausgangspunkt wird dabei die „Institutio christianae religionis“
von 1536 mit Calvins erster dogmatischer Äußerung zu diesem Thema sein. In einem
ersten Arbeitsschritt werde ich die ICR’36 also auf ihre Ausprägung der PL
untersuchen.
Als Hauptgrundlage der Arbeit werde ich danach die 1551 im Rahmen des
Gerichtsprozesses gegen Hieronymus Bolsec entstandene Predigt Calvins – die
„Congrégation“ – zur Prädestination behandeln. Anhand dieser möchte ich deutlich
machen, dass die theologischen Äußerungen Calvins zunehmend von dessen
Lebenssituation und biographischer Entwicklung geprägt sind. Daher ist diesem
Arbeitsschritt ein Abriss von Calvins Leben zwischen 1535 und 1551 vorangestellt. Da
Calvins Predigt situationsbedingt in starker Abgrenzung zu den theologischen
Argumenten Bolsecs entstand, werde ich diesen und seine theologischen Argumente
ebenfalls vorstellen. Mit der Beschreibung des Prozessverlaufs beschreibe ich die Folie,
auf der Calvin seine PL weiter ausbaute und solider fundierte. Aus der Predigt, die
Calvin im Pfarrkonvent in Genf gehalten hat, werde ich die theologischen Argumente
für seine Prädestinationslehre im Vergleich zur ICR’36 herausarbeiten.
Nach einer knappen Charakterisierung der Folgezeit des Prozesses bis 1559
behandle ich als dritten Punkt die ICR’59, die als letzte große dogmatische Äußerung –
auch zur Prädestination – gilt und somit die Endgestalt der Lehre darstellt. In einer
vergleichenden Darstellung mit den vorangegangenen Textgrundlagen werde ich die
zentralen, 1559 neu hinzugekommenen Aspekte beleuchten und abschließend einer
kritischen Würdigung unterziehen.
Durch die Bearbeitung der PL möchte ich zeigen, dass sie sich von einem
Randaspekt der Theologie Calvins zu einem zentralen und gut fundierten Lehrstück
entwickelt hat. Die zentralen Punkte sind jedoch bereits 1536 angelegt und es geschieht
inhaltlich hauptsächlich eine Akzentverschiebung, während die PL im Wesentlichen
konstant bleibt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Prädestinationslehre in der ersten Ausgabe der ICR von 1536
- Gott ist nicht Urheber der Sünde
- Die Beständigkeit der Vorsehung Gottes zum Heil
- Die Kirche als Versammlung der Erwählten
- Zusammenfassung: Die Prädestinationslehre in der ICR von 1536
- Calvin und die zeitgeschichtlichen Ereignisse von 1535 bis 1551
- Von der Verfassung der ersten ICR bis zur Vertreibung aus Genf 1535-1538
- Die Straßburger Zeit 1538-1541
- Die zweite Genfer Phase ab 1541
- Die Rückkehr nach Genf und die Einführung der Kirchenordnung
- Verschiedene Streitigkeiten
- Die Situation in Genf
- Die Situation Genfs bis 1550
- Die Situation Genfs im zeitlichen Umfeld der Auseinandersetzung mit Bolsec
- Die Auseinandersetzung mit Hieronymus Bolsec 1551 und 1552
- Hieronymus Bolsecs Hintergrund
- Der Auslöser für Bolsecs Verhaftung
- Die theologische Kritik Bolsecs an Calvins Prädestinationslehre
- Falschliches Heranziehen von Bibelstellen und Augustin
- Die Prädestinationslehre macht Gott zum Tyrannen
- Gott wird zum Urheber der Sünde
- Heilsuniversalismus: Calvin beschneidet die Liebe Gottes
- Der Prozessverlauf
- Die ersten Befragungen Bolsecs (16. bis 24. Oktober)
- Zunehmende Politisierung des Prozesses (25. Oktober bis 11. November)
- Rundbriefe an die Schweizer evangelischen Kirchen (12. November bis 26. November)
- Antworten aus den Schweizer evangelischen Kirchen (27. November bis 21. Dezember)
- Verurteilung und Verbannung Bolsecs (22. Dezember bis 23. Dezember)
- Die Folgezeit des Bolsec-Prozesses bis 1559
- Die Prädestinationslehre in der „Congrégation sur l'élection éternelle“
- Die Gliederung der Schrift
- Die theologischen Argumente Calvins
- Die Schriftgemäßheit der Prädestinationslehre
- Die Unbegreiflichkeit Gottes gegen den Tyrannen-Vorwurf
- Gott nicht als Urheber der Sünde, Schuld der Menschen
- Heilspartikularismus mit 1.Tim 2,4
- Zusammenfassung: Die Prädestinationslehre in der „Congrégation“
- Die Endgestalt der Prädestinationslehre in der ICR von 1559
- Neue Aspekte der Prädestinationslehre
- Verwerfung des Einwands, Prädestination mache Ermahnung nutzlos
- Der Stellenwert der Berufung
- Zusammenfassung: Prädestinationslehre in der ICR 1559
- Neue Aspekte der Prädestinationslehre
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung von Calvins Prädestinationslehre. Der Fokus liegt auf der Veränderung der Lehre von der ersten Ausgabe der Institutio christianae religionis (1536) bis zur letzten Ausgabe (1559), unter Berücksichtigung der „Congrégation sur l'élection éternelle“ (1551) und dem Prozess gegen Hieronymus Bolsec.
- Entwicklung der Prädestinationslehre in Calvins Theologie
- Der Einfluss zeitgeschichtlicher Ereignisse auf Calvins theologische Position
- Die Auseinandersetzung mit Kritik an der Prädestinationslehre (Bolsec)
- Vergleich der verschiedenen Fassungen der Institutio bezüglich der Prädestinationslehre
- Stellenwert der Prädestinationslehre in Calvins Gesamtwerk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt die Zielsetzung der Arbeit und skizziert den methodischen Ansatz. Kapitel 2 analysiert die Prädestinationslehre in der ersten Ausgabe der Institutio (1536), wobei die Relativierung der Schuld Gottes und die Bedeutung der Vorsehung im Kontext der Ekklesiologie behandelt werden. Kapitel 3 beleuchtet Calvins Leben zwischen 1535 und 1551, um den Kontext für die Entwicklung seiner Lehre aufzuzeigen. Kapitel 4 beschreibt die Auseinandersetzung mit Hieronymus Bolsec und dessen Kritik an Calvins Prädestinationslehre. Die „Congrégation sur l'élection éternelle“ wird in Kapitel 5 behandelt. Die Arbeit endet (ohne Zusammenfassung dieses Kapitels) mit einem Ausblick auf die Endgestalt der Prädestinationslehre in der Institutio von 1559.
Schlüsselwörter
Johannes Calvin, Prädestinationslehre, Institutio christianae religionis, Hieronymus Bolsec, „Congrégation sur l'élection éternelle“, Ekklesiologie, Vorsehung Gottes, Heilsuniversalismus, Heilspartikularismus.
- Quote paper
- Eric Weidner (Author), 2006, Calvins Prädestinationslehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119686