Im 21. Jahrhundert erscheint das Mittelalter als eine weit entfernte, fremde Epoche. Dennoch stößt
man auf Urlaubsreisen oder Städtetouren sehr häufig auf die architektonischen Spuren einer Zeit,
die auf die meisten Menschen der Gegenwart grausam, unkultiviert und dunkel wirkt.
Ganz im Gegensatz dazu würdigten die Romantiker des 19. Jahrhunderts mittelalterliche
Burgruinen als Symbole einer verwunschenen, idealen Vergangenheit, bestaunt täglich eine Vielzahl
von Touristen die gewaltigen Dome in Mainz, Köln oder Speyer. Insbesondere die Sakralbauten
beeindrucken den Betrachter als Denkmäler mittelalterlicher Baukunst und Prachtempfindung.
Obgleich die Bauwerke in späteren Jahrhunderten meist umgebaut oder restauriert worden sind,
bildet das Baumaterial den uneingeschränkten Garant für deren Langlebigkeit. Stein erwies sich als
überaus haltbar und witterungsbeständig und ermöglichte damit eine intensive Erforschung der
Gebäude durch Architekten, Archäologen und Kunsthistorikern.
Lange Zeit jedoch vernachlässigte man darüber hinaus einen Bereich der Kirchenbauforschung, der
in Mittel- und Nordeuropa das sakrale Bauwesen des Frühmittelalters wesentlich bestimmte: Die
Holzkirchen wurden -nach bescheidenen Anfängen in Skandinavien- erst im vorigen Jahrhundert in
die historische und archäologische Betrachtung miteinbezogen. Durch intensive Grabungen ist
diesem Manko abgeholfen worden. Obwohl selten ein mittelalterlicher Holzkirchenbau die Zeiten
überdauert hat und die Fundlage oft nur Vermutungen zu lässt, ist der Forschung die Bedeutung und
der Erkenntnisgehalt solcher Bauwerke bewusst geworden.
Die vorliegende Arbeit rückt die archäologische Betrachtung der Holzkirchenbauten in den
Vordergrund. Basierend auf dem umfangreichen Werk Claus Ahrens’ Die frühen Holzkirchen
Europas soll versucht werden, einen kurzen Abriss zu wesentlichen Forschungsbereichen zu geben.
Den Schwerpunkt bildet hierbei zum einen die allgemeine Charakteristik der Bautypen, zum
anderen der archäologische Umgang mit den Befunden und die Deutung der selben.
Die zu behandelnden Beispiele stammen meist aus England, Skandinavien und Nord- und
Süddeutschland. Eine geographische Einschränkung auf die oben genannten Regionen erwies sich
als unabdingbar, da die Ausführungen den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit von acht Seiten
zweifellos gesprengt hätten.
Inhaltsverzeichnis
l. Vorwort
2. Die Missionen des frühen Mittelalters als Bedingung für den Holzkirchenbau in Mittel- und Nordeuropa
3. Die mittelalterliche Holzkirche als Gegenstand der archäologischen Untersuchung
3.l. Forschungsgeschichte
3.2. Grabungsbefunde als archäologische Quelle
3.3. Typische Bauarten mittelalterlicher Holzkirchen
3.4. Die Funktion der frühmittelalterlichen Holzkirchen
4. Aus Holz wird Stein – Die Holzkirche im hohen und späten Mittelalter
5. Nachwort
6. Literaturverzeichnis
l. Vorwort
Im 2l. Jahrhundert erscheint das Mittelalter als eine weit entfernte, fremde Epoche. Dennoch stößt man auf Urlaubsreisen oder Städtetouren sehr häufig auf die architektonischen Spuren einer Zeit, die auf die meisten Menschen der Gegenwart grausam, unkultiviert und dunkel wirkt.
Ganz im Gegensatz dazu würdigten die Romantiker des l9. Jahrhunderts mittelalterliche Burgruinen als Symbole einer verwunschenen, idealen Vergangenheit, bestaunt täglich eine Vielzahl von Touristen die gewaltigen Dome in Mainz, Köln oder Speyer. Insbesondere die Sakralbauten beeindrucken den Betrachter als Denkmäler mittelalterlicher Baukunst und Prachtempfindung. Obgleich die Bauwerke in späteren Jahrhunderten meist umgebaut oder restauriert worden sind, bildet das Baumaterial den uneingeschränkten Garant für deren Langlebigkeit. Stein erwies sich als überaus haltbar und witterungsbeständig und ermöglichte damit eine intensive Erforschung der Gebäude durch Architekten, Archäologen und Kunsthistorikern.
Lange Zeit jedoch vernachlässigte man darüber hinaus einen Bereich der Kirchenbauforschung, der in Mittel- und Nordeuropa das sakrale Bauwesen des Frühmittelalters wesentlich bestimmte: Die Holzkirchen wurden -nach bescheidenen Anfängen in Skandinavien- erst im vorigen Jahrhundert in die historische und archäologische Betrachtung miteinbezogen. Durch intensive Grabungen ist diesem Manko abgeholfen worden. Obwohl selten ein mittelalterlicher Holzkirchenbau die Zeiten überdauert hat und die Fundlage oft nur Vermutungen zu lässt, ist der Forschung die Bedeutung und der Erkenntnisgehalt solcher Bauwerke bewusst geworden.
Die vorliegende Arbeit rückt die archäologische Betrachtung der Holzkirchenbauten in den Vordergrund. Basierend auf dem umfangreichen Werk Claus Ahrens’ Die frühen Holzkirchen Europas soll versucht werden, einen kurzen Abriss zu wesentlichen Forschungsbereichen zu geben. Den Schwerpunkt bildet hierbei zum einen die allgemeine Charakteristik der Bautypen, zum anderen der archäologische Umgang mit den Befunden und die Deutung der selben.
Die zu behandelnden Beispiele stammen meist aus England, Skandinavien und Nord- und Süddeutschland. Eine geographische Einschränkung auf die oben genannten Regionen erwies sich als unabdingbar, da die Ausführungen den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit von acht Seiten zweifellos gesprengt hätten.
2. Die Missionen des frühen Mittelalters als Bedingung für den Holzkirchenbau in Mittel- und Nordeuropa
Der Holzkirchenbau ist eng mit der Verbreitung des Christentums verknüpft. Die Christianisierung nördlich der Alpen am Beginn des Mittelalters muss als Wegbereiter konstatiert werden.
Nachdem der Merowinger Chlodwig I.l im Jahre 486, mit einem Sieg über den römischen Dux Syagrius, die letzten Reste des weströmischen Reiches beseitigt hatte, begann er, seine Herrschaft nach Osten zu erweitern. Ein Jahrzehnt nach dem Sturz Syagrius’ drang Chlodwig in das Gebiet der Alamannen ein und eroberte es fast vollständig. Diesem Triumph folgte im sechsten Jahrhundert die Unterwerfung der Baiern und Thüringer. In der Folge suchte Chlodwig, die fränkische Herrschaft in den gewonnenen Gebieten zu etablieren.
Des Königs Gemahlin hatte ihren heidnischen Ehemann noch vor dem Ende des fünften Jahrhunderts zur Taufe bewegen können2 und gab ihm damit ein wirksames Mittel an die Hand, um die neuen Gegenden in das Frankenreich einzugliedern: Der Aufbau einer funktionierenden Kirchenstruktur sollte die Verschmelzung der neuen Untertanen mit den fränkischen Herren vollziehen und somit -mittels eines einheitlichen religiösen Bekenntnisses- eine Sympathieebene zwischen den verschiedenen (Volks-)Stämmen schaffen. Hier nun hat eine erste Welle von Holzkirchenbauten seinen Ursprung. Um eine weitgreifende Mission verwirklichen zu können, trieb Chlodwig den raschen Aufbau einer Vielzahl von Sakralbauten, die als Bekehrungsstützpunkte dienen sollten. Kapellen, Kirchen und Klöster aus Holz zu errichten, drängte sich in dieser Situa]tion regelrecht auf. Nicht nur, dass mit diesem leicht zu verarbeitenden Baumaterial Gebäude in kurzer Zeit hochgezogen werden konnten, die hiesigen Wälder verfügten auch über ausreichend Bauholz. Die fränkischen Missionare vermochten aber zumeist nur die einheimische Oberschicht zur Taufe zu animieren und erreichten hier lediglich die äußere, scheinbare Bekehrung.
Erst im Laufe des sechsten und siebenten Jahrhundert war irofränkischen Missionaren ein größerer Erfolg beschieden. Von den Britischen Inseln ausgehend, durchzogen irische Mönche –als namenhafte Vertreter seien Columban, Gallus und die in Bayern wirkenden Eustasius und Emmeran genannt- das Frankenreich. Zahlreiche Kirchen- und Klostergründungen initialisierten einen regelrechten Holzbauboom. In diesem Sinne charakterisiert die Vita des Heiligen Kentigern aus dem sechsten Jahrhundert die Kirche in Glasgow als more Britanorum 3. Die Bezeichnung ist auf die Holzbautradition der Briten zu beziehen und steht im Gegensatz zu den more romano 4 erbauten Steinkirchen Italiens.
Seit der Karolingerzeit wird der Holzkirchenbau mit der Missionierung Dänemarks, später auch Schwedens und Norwegens, nach Skandinavien exportiert. Die dichten Nadelbäume boten günstiges Bauholz. Zudem waren die Steinvorkommen in den nordeuropäischen Regionen so selten, dass sich Holz den Baumeistern und Zimmerleuten als Baumaterial für die Sakralbauten regelrecht aufgedrängt hat. Gerade bei den Holzkirchen Skandinaviens, die zu einem erheblichen Teil noch heute bestehen, kann man den Eingang örtlicher Bautraditionen in die neu errichteten Kirchen deutlich erkennen.
3. Die mittelalterliche Holzkirche als Gegenstand der archäologischen Untersuchung
3.l. Forschungsgeschichte
Ein Blick auf die Forschungsgeschichte zeigt, dass der Holzkirchenbau erst sehr spät in das Beschäftigungsfeld der Kirchenarchäologie Eingang gefunden hat.
Zwar hatte man bereits l883 im schwedischen Lund erste Holzkirchenspuren erfasst, diese dann aber nicht richtig zu deuten gewusst. Erst achtzig Jahre später identifizierte die Thulegesellschaft den Befund als den Überrest einer Holzkirche5.
Der eigentliche Beginn der Holzkirchenarchäologie muss an den Anfang des 20. Jahrhunderts gesetzt werden. Ausschlaggebend für das gesteigerte Interesse war ein Fund von Georg Karlin. In den Jahren l9ll/l9l2 förderte er bei Grabungen -ebenfalls in Lund- unter einer Steinkirche die Reste sechzig bis siebzig Zentimeter hoher Palisaden zu Tage. Aufgrund ihrer Lage ordnete man sie einem hölzernen Vorgänger des bestehenden Steinbaus zu.
Nach diesen zaghaften Anfängen bedeutete der Zweite Weltkrieg eine Zäsur. Durch die verheerenden Zerstörungen kam eine Vielzahl von Spuren und Überbleibseln mittelalterlicher Holzkirchen zum Vorschein. Diese zahlreichen Zufallsfunde regten eine Reihe von Grabungen, besonders im deutschen Raum, an. l948 wurde man in Bonn, Breberen, Palenberg (alle Nordrhein- Westfalen) und anderen Orten fündig6.
Der Wohlstand der l960er/70er Jahre gab der Holzkirchenarchäologie in der Bundesrepublik, in den Niederlanden, in Schweden und Norwegen einen erneuten Auftrieb. Viele der bestehenden Kirchen wurden in jenen Jahren restauriert oder bekamen Heizsysteme eingebaut. Während dieser Baumaßnahmen, bei denen die Kirchenböden ausgehoben werden mussten, entdeckte man nicht selten Spuren und Reste hölzerner Vorgängerbauten. Im Zuge dieser Funde erschien das erste deutsche Standardwerk zur Befundsammlung von Holzkirchen. Es war dies Walther Zimmermanns l958 erschienenes Buch Ecclesia lignea und ligneis tabulis fabricata 7.
3.2. Grabungsbefunde als archäologische Quellen
Erkenntnisse über die mittelalterlichen Holzkirchen beruhen im Wesentlichen auf drei Quellenarten: Die schriftliche Erwähnung von Holzkirchen, vollständig oder teilweise erhaltene Bauten und schließlich die archäologischen Grabungsbefunde.
Die Schriftquellen sind selten und geben meist nur spärliche Informationen über den Holzkirchenbau preis. In der Regel beschränkt sich der Informationsgehalt auf die bloße Erwähnung eines Bauwerks. Aussehen oder Konstruktionsweise bleiben unerwähnt, können im Besonderen aber auf Illuminationen alter Handschriften angedeutet sein. So zeigt das berühmte Book of Kells8, ein reich ausgeschmücktes irisches Evangeliar, die Abbildung eines verzierten Beils, auf dem eine Säulenstabkirche erkennbar ist9. Es sei aus diesem Grund geraten, vorhandene Illustrationen früher mittelalterlicher Handschriften auf solche Abbildungen zu überprüfen.
Auf erhaltene Holzkirchen stößt man ebenfalls nur sehr selten. Dies ist dem Baumaterial geschuldet. Im Gegensatz zu Stein, ist Holz sehr anfällig für Feuer und Nässe. Holzkirchen, die sich in kriegerischen Gebieten befanden, wurden häufig Opfer von Verheerung und Bränden. So bestätigten Keramikfunde aus dem l2. Jahrhundert eine hochmittelalterliche Chronik aus dem norddeutschen Jever, nach der -während einer Fehde- die Rüstringer10 die Dörfer Etzel und Horsten mit deren Holzkirchen niedergebrannt haben sollenll.
[...]
1 Fränkischer König 482-5ll.
2 Weihnachten 497 oder 498 in Reims.
3 Ahrens, Claus: Die frühen Holzkirchen Europas, S. l7.
4 Fehring, Günther: Einführung in die Archäologie des Mittelalters, S. 87.
5 Grabung von l96l; vgl. Ahrens, Claus: Die frühen Holzkirchen Europas, S. 27.
6 Vgl. Ahrens, Claus: Die frühen Holzkirchen Europas, S. 28f.
7 Zimmermann, Walther: Ecclesia lignea und ligneis tabulis fabricata. In: Bonner Jahrbücher des rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande l58, l958.
8 Vermutlich im 7. Jh. im Kloster Iona begonnen, 802/805 im Kloster Kells beendet. Vgl. Walther, Karl K. (Hrsg.): Lexikon der Buchkunst und der Bibliophilie, Hamburg 2006, S. ll4.
9 Vgl. Ahrens, Claus: Die frühen Holzkirchen Europas, S. 49.
10 Gau in Ostfriesland, später ein Teil der Grafschaft Jever.
11 So geschehen ll79 nach einer Fehde mit den Östringern. Vgl. Haiduck, Hermann: Beginn und Entwicklung des Kirchenbaus, S. 26.
- Quote paper
- Janis Witowski (Author), 2008, Der frühmittelalterliche Holzkirchenbau und seine archäologische Erforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119684
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