Das europäische System und seine orientalische Wendemarke

Eine kritische, kulturhistorische Untersuchung über die Gestaltung des Europäischen Konzerts im Rahmen der Orientalischen Frage und des Krimkrieges


Thesis (M.A.), 2006

135 Pages, Grade: 2,6


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tour d`horizon – Die Großmächte und das Osmanische Reich (1774-1798)
2.1. Vom Abwehrkampf zum Eroberungsfeldzug
2.2. Napoleon in Ägypten

3. Europäisches Konzert und Orientalisches Gleichgewicht
3.1. Die Neuordnung der Staatenwelt nach 1815
3.2. Die Orientalische Frage
3.2.1. Rückzug, Verfall und Reformen
3.2.2. Explosiver Balkan-Nationalismus
3.2.3. Das Eingreifen der Großmächte
3.3. Die doppelte Nahostkrise (1831-1841)

4. Der Krimkrieg (1853-1856) – Die Wasserscheide des Konzerts
4.1. Diplomatischer Auftakt 1841-1853
4.1.1. Kranker Mann am Bosporus
4.1.2. Leiningen- und Menshikov-Mission
4.1.3. Die Wiener Note vom Juli 1853
4.2. Diplomatie und Krieg
4.2.1. Vom russisch-osmanischen Krieg…
4.2.2. …zum Krimkrieg
4.3. Kriegsziele und Frieden
4.3.1. Wiener Konferenz 1855
4.3.2. Der Pariser Frieden 1856

5. Schluss

6. Literatur / Quellen

1. Einleitung

Es war ein denkwürdiger Versuch, dass die Großmächte England, Russland, Österreich und Preußen, diese aus der Koalition gegen Napoleon hervorgegangene Allianz, schließlich auch den Verlierer Frankreich beitreten ließen. Dieses seit 1814/15 Gestalt annehmende System, das als „concert européene“ in die Geschichte einging, sollte im Sinne des „principiis obsta“ dazu beitragen, Streitigkeiten so früh wie möglich zu schlichten und Kriege, wenn sie denn ausbrechen sollten, noch im Keim zu ersticken, um so auf das Ökonomischste dem Frieden und Wohlstand zu dienen.

Unter Historikern wie Paul W. Schroeder gilt das Wiener System als ein Meilenstein auf dem Weg zu geregelten internationalen Beziehungen, weshalb in diesem Zusammenhang auch gerne von einer Transformation europäischer Politik resp. einer Weiterentwicklung der politischen Praxis des 18. Jahrhunderts zu neuen Formen der Konfliktbewältigung gesprochen wird. Rückblickend kann gewiss einiges als gelungen angesehen werden, doch die politische Ordnung, die im Jahre 1815 der gesellschaftlichen Realität nur noch leidlich adäquat war, büßte aufgrund der unaufhaltsamen Veränderungen in den Gesellschaften ihre Nützlichkeit immer mehr ein. M.a.W.: Das System verlor zusehends an Wirkkraft.

Doch waren es dabei nicht nur gesellschaftliche, innenpolitische Veränderungen, die auf die Beziehungen der Großmächte und ihr fragiles politisches Gleichgewicht einwirkten. Betrachtet man die in der Zeit zwischen 1830 und 1878 abgehaltenen Konferenzen[1], kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die komplizierte und verworrene Orientalische Frage resp. der osmanische Rückzug aus den eroberten Gebieten und der damit einhergehende Verfall des Osmanischen Reiches die europäische Staatenwelt außerordentlich häufig beschäftigt hat. Ja, sie lag offenbar geradezu im Mittelpunkt der Bemühungen des „Europäischen Konzerts“, den Frieden in Krisen internationalen Ausmaßes zu bewahren. Dabei standen wohl nicht zuletzt Verachtung, Hass und Furcht vor dem Osmanischen Reich hinter dem unwiderstehlichen Drang, sich auf Kosten des osmanischen Staates, der im 19. Jahrhundert zusehends schwächer wurde, zu bereichern.

Dass die nach 1815 währende Friedenszeit durch den Krimkrieg beendet wurde, der als russisch-osmanischer Krieg begann, scheint demnach kein Zufall gewesen zu sein. Als Höhepunkt der Orientalischen Frage weist der Krimkrieg als der erste bewaffnete Konflikt im 19. Jahrhundert mit sich anbahnender Weltkriegs-Dimension darauf hin, dass das politische Gleichgewicht Europas mit dem Orient als vermeintliches Gegengewicht unlängst verknüpft war und dass darüber die augenscheinlich schweren Spannungen aufgrund der unterschwellig von imperialistischen Eroberungswünschen bestimmten europäischen Großmächtebeziehungen vor der Entladung standen.

Dementsprechend soll in den folgenden Kapiteln die Entwicklung und Arbeitsweise des Europäischen Konzerts im Rahmen der Orientalischen Frage nachgezeichnet werden, wobei es die Frage zu beantworten gilt, inwiefern der Krimkrieg eine Wendemarke für das europäische System darstellte. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich jedoch nicht nur zu beantworten, ob das Konzert der europäischen Mächte über diesen „sonderbarsten aller Kriege“ (Golo Mann) dann endgültig zerstört worden ist, sondern vor allem auch, ob es als ein von seinen Anhängern verstandenes „système des contre-poids“ der Komplexität und Vielschichtigkeit der internationalen Politik überhaupt gerecht werden konnte.

In diesem Sinne soll zunächst unter Punkt 2 ein einleitender Überblick über die Beziehungen der Großmächte zum Osmanischen Reich in das Thema einstimmen und zugleich einen kurzen Einblick in die politische Praxis des 18. Jahrhunderts erbringen. Danach wird in Punkt 3 die Entwicklung des Europäischen Konzerts nachgezeichnet, die Orientalische Frage in ihren nach Winfried Baumgart ausgeführten drei Stufen erläutert und schließlich über die doppelte Nahostkrise von 1831-41 die Regulationsfunktion der Orientalischen Frage und des orientalischen Gleichgewichts herausgearbeitet, damit letztendlich in Punkt 4 der Krimkrieg zum Gegenstand der Betrachtungen werden kann. Dabei soll versucht werden, über den diplomatischen Auftakt, die Kriegsziele und den Friedensschluss ein Bild von der Wirkung des Krieges auf das europäische System zu zeichnen.

2. Tour d`horizon – Die Großmächte und das Osmanische Reich (1774-1798)

2.1. Vom Abwehrkampf zum Eroberungsfeldzug

Nichts Ungewöhnliches war die diplomatische Krise, die sich im 18. Jahrhundert in Hinblick auf das Osmanische Reich zuspitzte: es schien endgültig reif zur Auflösung. Seit dem Frieden von Karlowitz 1699 wurden osmanische Gebiete ungeniert zum „Spekulationsobjekt“[2] der beiden östlichen Großmächte Österreich und Russland, die als Hauptakteure im Kampf um dessen Erbe agierten. Das Ergebnis der Ausweitung ihrer kriegerischen Aktionen mit den Mitteln der Unruhestiftung und Aufhetzung der nichtmuslimischen Untertanen des Sultans war ein 41 Jahre andauernder Kriegszustand in der Zeit von 1688 bis zum Frieden von Jassy 1792 die Folge.[3]

Aufgrund der als Wirtschaftsförderung erkannten Wirkung des Krieges stiegen Österreich und Russland schnell zu Großmächten auf. Gleichzeitig löste sich infolge der Kriegsgewinne das nach europäischer Hegemonie trachtende und über die erste polnische Teilung geographisch unanfechtbar gewordene Zarenreich aus der Rolle des österreichischen Juniorpartners und strebte nun entschieden nach Höherem.[4]

Über den Ausgang des in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden russisch-türkischen Krieges von 1768-1774, dessen historischer Markstein der am 21. Juli 1774 geschlossene Vertrag von Küçük Kainardşe war[5], schuf St. Petersburg unversehens eine strategische Bedrohungslage für das fragile politische Gleichgewicht Europas. Wegen der darin liegenden historischen Machtverschiebung nimmt dieser Kontrakt darum eine besondere Stellung in den internationalen Beziehungen des 18. Jahrhunderts ein – und das nicht nur, weil in ihm die Russen, ähnlich wie bei der ersten polnischen Teilung, ihr Unverständnis vom europäischen Gleichgewicht nicht nur auf noch drastischere, gefährlichere Weise dokumentierten, sondern auch wegen der Widersprüche in den russischen und osmanischen Originalfassungen über deren genauen Inhalt dazu beitrugen, dass seither eine große Verwirrung herrschte, die durch die spätere Übersetzung in die französische Diplomatensprache noch wesentlich verstärkt wurde und bis weit in das 19. Jahrhundert nachwirkte.[6]

Dem Artikel XI fehlte es zwar nicht an Klarheit, der die Freiheit des Schiffsverkehrs durch die Meerengen sowie die Freiheit des Handels in den europäisch wie asiatischen Provinzen des Osmanischen Reiches betonte und mit dem es Zarin Katharina II. gelungen war, den russischen Einfluss im Schwarzen Meer enorm auszubauen.[7] Und nicht minder deutlich war Artikel III, der eben diese Position untermauerte, indem er der Babiâli, der Hohen Pforte, die Anerkennung der Unabhängigkeit des Krimkhanats abrang, dessen Schicksal, trotz der am 21. März 1779 geschlossenen Konvention von Ainali Kavak[8], lange Zeit im Ungewissen geblieben war.

Als unklar, um nicht zu sagen: zwei- und mehrdeutig, sind hingegen die Artikel VII und XIV des Vertrages anzusehen. In ihnen spiegelten sich ebenso religiöse wie auch politische Belange eines russischen Selbstverständnisses, dem die Vorstellung vom „Dritten Rom“ die nötige Rechtfertigung verschaffen sollte. Dies hatte zur Folge, dass acht Monate nach Vertragsunterzeichnung die Zarin die griechisch-orthodoxe Kirche samt aller Gläubigen im Osmanischen Reich als unter russischer Obhut stehend erklärte. Dies aber war eine „sorgfältige Falschdeutung“[9] des Artikels VII, der die Verpflichtung auf Schutz des christlichen Glaubens allein dem Sultan auferlegte.[10] Der ursprüngliche Bezugspunkt dieser Verpflichtung war Artikel XIV, der nur den Bau und die russische Interessenvertretung einer öffentlich zugänglichen russisch-orthodoxen Kirche in Konstantinopel erlaubte.

Angesichts dieses russischen Hegemonialstrebens im allgemeinen und der Unterzeichnung des Kontrakts von Küçük Kainardşe im besonderen wurde sich Österreich langsam der Gefahr bewusst, die aus dem Schacher um osmanische Territorien mit dem ehemaligen Partner und neuen Rivalen resultieren könnte.[11] Aus Angst, infolge der russischen Expansion die eigene Unabhängigkeit als Großmacht zu verlieren, suchte Joseph II. dennoch die Allianz mit der Zarin. Er unterstützte das „Griechische Projekt“ Katharinas II., während er gleichzeitig die Franzosen ermutigte, den Osmanen beizustehen.[12]

Welche Gefahren eine hervorgehobene russische Position für das europäische Gleichgewicht bedeutete, erkannte man auch in Frankreich, das seit dem 16. Jahrhundert ein Verbündeter der Sultane und seit 1756 ein Alliierter Österreichs war. Letztlich fürchtete Frankreich im Gegensatz zu Österreich weniger die politische Isolation, als vielmehr die wirtschaftlichen Einbußen in der Levante.[13]

Was man in Paris jedoch nicht erkannte, war die Gefahr, die in der österreichisch-französischen Allianz von 1763 bis 1790 selber lag, dieser „pact for management and mutual restrain“[14], der das Anwachsen Russlands zu einem hegemonialen Bedrohungspotential begünstigte, und dass es Choiseul höchst selbst gewesen ist, der 1768 Sultan Mustafa III. zum Krieg gegen Russland überredet hatte. Nun beklagte die französische Regierung dessen Folgen und empfand den daraus resultierenden Friedensvertrag von Küçük Kainardşe als Schock.[15]

Die Weltmacht England, geographisch wie ökonomisch ungleich besser gestellt als Österreich und Frankreich, sah in der aufsteigenden Macht Russlands keine Bedrohung. Beide Länder waren wirtschaftlich miteinander verknüpft, hatten keine wesentlichen Zielkonflikte, dafür aber in Frankreich einen gemeinsamen Feind, weshalb England das Erscheinen der russischen Marine im Mittelmeer als Gegengewicht zu Frankreich letztlich wohlwollend begrüßte.[16]

Wirtschaftliches oder politisches Interesse am Nahen Osten zeigte London bis in die späten 1780er Jahre kaum. Aber obwohl sich London als „natürlicher Verbündeter“ St. Petersburgs empfand, wie auch vice versa[17], blieb die Beziehung beider Länder nicht ohne Krise und höchst problematisch war die Möglichkeit einer englisch-russischen hegemonialen Allianz schon aufgrund schwer lösbarer grundsätzlicher Fragen, wie etwa die Übernahme der Führung oder die Teilung der Kosten.[18]

Um 1781/82 korrespondierte Katharina unter dem Einfluss Potemkins und dem Eindruck eines baldigen Zerfalls des osmanischen Staates mit dem österreichischen Kaiser und bot ihm ein Bündnis an. Als dann die aus der Aufteilungseuphorie geborene Selbstsicherheit Katharinas II. ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, schritt die Zarin zur unlängst vorbereiteten Tat und annektierte 1783 die Krim, was von England wortlos hingenommen, von Frankreich und Österreich – wenn auch missbilligend – erwartet wurde. Der erste Schritt zur Realisierung des „Griechischen Projektes“, schien damit getan. Doch die Hohe Pforte, ebenso isoliert wie schwach, fühlte sich herausgefordert und befreite sich im August des Jahres 1787 mit der Erklärung des fünften und letzten der Türkenkriege von den aufgestauten Aggressionen.[19]

Halb aus Angst, der Allianz mit Russland verlustig zu gehen, halb aus Gier auf osmanische Territorien willigte der todkranke Kaiser Joseph II. in das russische Beistandsgesuch ein, obwohl die Beziehungen zwischen Wien und Konstantinopel ungetrübt und die Wiener Staatskassen leer waren. Die nicht unbegründete Gefahr, dass sich Wien über diesen Krieg als Monarchie ruinieren könnte, schwebte drohend über dem gekrönten Haupt Josephs, der ohnehin kein geeigneter Heerführer war, so dass die Österreicher schon bald nach der Schlacht von Mehadia den Frieden suchen mussten.[20]

Der Nachfolger Josephs, Leopold II. (1790-1792), schloss mit der Pforte am 4. August 1791 den Frieden von Sistowa, während die Zarin noch ein Jahr weiterkämpfen ließ und sich England und Preußen, unter anderem aufgrund der russischen Eroberung der Festung Ochakow, plötzlich in einer neuen, gegen das Zarenreich gerichteten und dabei äußerst labilen Konstellation formierten.[21]

Die vom englischen Premier William Pitt initiierte Konfrontation um Ochakow im Jahre 1791 war nur eine Folge der Ausdehnung englischer wie russischer Einflusssphären und stellte, was Pitt anging, den Versuch dar, Katharina II. gegenüber die englischen Bedingungen einer möglichen hegemonialen Partnerschaft zur Führung Europas zu diktieren.[22] Freilich spielten neben den rein politischen Argumenten auch ökonomische eine wesentliche Rolle, denn die Fortifikation gefährdete den polnischen Handel an den Flüssen Bug und Dnjestr und erlaubte darüber hinaus den verhassten Franzosen, gemäß dem russisch-französischen Abkommen von 1787, vom russischen Handel wirtschaftlich zu profitieren.[23]

Der Forderung Englands und Preußens nach einer Übergabe Ochakows zum Zweck der Wiederherstellung der Vorkriegssituation im Zuge eines baldigen Friedens, widersetzte sich die Zarin vehement. Zwar war sie mit einem Frieden auf Basis des Status quo limite einverstanden, wollte aber die Festung als Kompensation für die russischen Verluste während des Krieges behalten, woraufhin sowohl William Pitt als auch König Friedrich Wilhelm II. einen englisch-preußischen Kriegsgang gegen Russland nicht mehr ausschlossen. Doch Pitt hatte die öffentliche Meinung der englischen Bevölkerung weit unterschätzt, die keineswegs um einer entfernten Festung willen in den Krieg zu ziehen bereit war.[24] Und so wurde allenthalben der Annexion der Küstenlinie zwischen Bug und Dnjestr wie auch der Vereinbarung zwischen Russland und dem Osmanischen Reich dann doch zugestimmt, dass von nun an der Fluss Dnjestr die Grenze beider Staaten markieren solle, und nach längeren Verhandlungen kam es am 9. Januar 1792 zum Frieden von Jassy, der nicht nur alle bisherigen russisch-osmanischen Abmachungen bestätigte, sondern auch Ochakow als Kompensation vollends den Russen überantwortete.[25]

Zusammenfassend ist zu sagen, dass im späten 18. Jahrhundert eine strukturelle Sicherheitskrise innerhalb Europas zutage trat, die sich, wie Paul W. Schroeder konstatiert, durch das Entstehen dominanter Flanken, eines gefährdeten europäischen Zentrums wie bedrohter Randstaaten auszeichne- te[26] und deren Anfangsgründe wohl nicht zuletzt in den kompetitiven Indemnitäts- und Kompensationspraktiken der internationalen Politik des 18. Jahrhunderts sowie in der leichtfertig zu nennenden Handhabung des kommunikativen Prozesses u.a. im Rahmen des Vertrages von Küçük Kainardşe lagen. Insbesondere diese Verfahrensweise und dieser Kontrakt sollten, wie noch zu zeigen sein wird, weit über das 18. Jahrhundert hinaus negative Auswirkungen auf die internationale Politik haben.

Was Russland anbelangt, so trug es selbst zu dieser Krise bei, da es zu einem Bedrohungsfaktor des europäischen Gleichgewichts im allgemeinen und gegenüber der Hohen Pforte im besonderen wurde und entscheidende, die Machtbalancen verschiebende Siege errang. Frankreich indes verlor seine seit dem 16. Jahrhundert ausgebaute Position im Orient und Österreich misslang es, die seit dem Frieden von Passarowitz im Jahre 1718 erlangten Grenzen auf dem Balkan zurückzugewinnen, da es sich dort der Einflusssphäre seines ehemaligen Juniorpartners ausgesetzt sah.

Das Anwachsen der russischen Macht ließ zudem in der Ochakow-Krise die wohl deutlichste Konfrontation mit der Weltmacht England seit 1720 aufkommen und obwohl die englisch-preußische Opposition kurzlebig war, markierte diese Episode den Beginn eines langsam wachsenden britischen Misstrauens angesichts der orientalischen Interessen der Russen sowie ein bis in das 19. Jahrhundert hinübergeretteter Zynismus gegenüber dem Osmanischen Reich und seinem Überlebensanspruch. Beides sollte später die öffentliche Meinung in England angesichts der Orientalischen Frage wesentlich beeinflussen.[27]

In dieser gefährlichen Atmosphäre rücksichtsloser Machtpolitik entwickelte sich aufgrund des russischen Bestrebens, in die Konkursmasse des Osmanischen Reiches wirtschaftlich einzudringen, die nächste große Gefahr für Europa und das Osmanische Reich. Denn im mittlerweile über die Osmanen enttäuschten Frankreich[28] wurde nun das Verlangen geweckt, mittels der dreisten Forderung nach einer Öffnung des Schwarzen Meeres für französische Handelschiffe die eigene wirtschaftliche Situation im Orient aufzubessern.[29]

Doch das Vorhaben stieß bei der Pforte, wenn auch nur vorübergehend[30], auf Ablehnung, verschlechterte aber die Beziehungen beider Länder, woraufhin in Paris Stimmen laut wurden, die bei einer Partition des Türkenreiches Ägypten als Kompensation einforderten und damit eine Idee anregten, die nicht mehr aus den Köpfen gehen sollte.

2.2. Napoleon in Ägypten

Der Kollaps der französischen Monarchie und die Kalamitäten mit den anderen europäischen Großmächten aufgrund des Kriegsausbruchs 1792/93 ließen das Osmanische Reich in den Augen französischer Politiker plötzlich wieder als einen wichtigen Staat erscheinen. Aber obwohl sich die französisch-osmanischen Beziehungen nach der Französischen Revolution erneut äußerst freundlich ausnahmen, versuchte im Jahre 1795 der Agent Dubois-Thainville, wie schon vor ihm um 1777 der französische Generalinspekteur Baron de Tott[31], hinter dem Rücken des Sultans Pläne zur Eroberung des Landes vor Ort zu studieren und ein Übereinkommen mit ägyptischen Notabeln zu vereinbaren, das, wäre es zustande gekommen, Frankreich die Möglichkeit einer schnellen Intervention in Indien, dem „Kronjuwel“ Englands, gegeben hätte.[32]

Da aber beide Versuche fehlschlugen, wurde das Vorhaben einer Eroberung Ägyptens aufgrund näher liegender Probleme aufgeschoben. Erst das Erscheinen eines „mémoire“ des ebenso erfolgreichen wie jungen Generals Napoleon Bonaparte am 23. Februar 1798 ließ in Anbetracht einer notwendigen Alternative zur undurchführbaren Invasion Englands diese alte Idee wieder lebendig werden, der das Direktorium schließlich nach einigem Zögern zustimmte.[33] Als dann am 1. Juli 1798 Napoleon mit seiner Armée de l`Orient, der neben Soldaten auch Wissenschaftler angehörten, ägyptischen statt englischen Boden betrat, ahnte noch niemand, welche Tragweite diese Unternehmung haben sollte.

Gleich nach der Ankunft in Alexandria verkündete der General ein Dekret, dem die bedachten Worten „Bismillah rahmani rahim! – Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Gnädigen!“[34] vorausgingen und das ihn als einen Bewunderer des Islam, Freund des Sultans und „Befreier“ vom mameluckischen Joch auswies.[35] Aber obwohl „Ali Bounaberdis“, wie man Napoleon am Nil nannte, in der Folgezeit des Juli 1799 die Sympathien der ägyptischen Oberschicht gewann und sich in den ersten Schlachten mit seiner Artillerie glänzend behaupten konnte, blieb ihm die Eroberung des gesamten Landes versagt, denn die Mischung aus napoleonischer Großmachtpolitik und revolutionärem Sendungsbewusstsein stieß auf wenig Gegenliebe.

Insbesondere Sultan Selim III. traf der französische Einbruch in Ägypten schwer. Und das nicht nur, weil Frankreich vom 16. Jahrhundert an sich als ein Freund der Hohen Pforte ausnahm und ihr den osmanischen Staat zu modernisieren half, sondern auch weil seit der Eroberung durch Sultan Selim I. Ägypten ein Gebiet osmanischer Suzeränität mit dem Namen Misr entstanden war, verwaltet von den Mamelucken, den ehemaligen kaukasischen Leibeigenen des Sultans, die das Land mit harter Hand kontrollierten. Und da Selim III. einem seit Küçük Kainardşe im Zerfall begriffenen Reiche vorstand, hatte er keinerlei Interesse, die militärische und wirtschaftliche Macht in Ägypten den Franzosen zu übergeben: hätte er doch damit gänzlich die Kontrolle über die Hauptquelle für die Nahrungsmittellieferungen verloren.[36]

Angesichts des Vorgehens von Napoleon und dem Widerstand Selims wurden die Briten von der Aussicht einer französischen Operationsbasis für die Eroberung des Orients bis weit in den indischen Wirtschaftsraum hinein alarmiert und zwang sie zum Eingreifen. Nach der viel versprechenden Demonstration englischer Stärke durch Lord Nelsons Geschwader in der Bucht von Abukir, die mit der schicksalsträchtigen Explosion des napoleonischen Flaggschiffs „Orient“ den Beginn englischer Seeherrschaft im Mittelmeer markierte, verbündete sich hoffnungsvoll der Sultan mit ihnen, womit zum ersten Mal Osmanen und Franzosen erklärte Feinde waren.

Gleichzeitig schloss Russland, das eine französische Intervention auf dem Balkan fürchtete, 1799 einen Allianzvertrag mit der Pforte, der die osmanische Integrität sichern sollte, was dann auch dem Sultan half, die von Napoleonischen Truppen besetzten Ionischen Inseln zurückzuerobern.[37]

Als sich in Europa schließlich der Krieg ausweitete und das Direktorium in Paris zu den Waffen rief, beschloss Napoleon nach der erfolglosen Belagerung Akkons[38] und einem letzten „gesichtswahrenden“ Sieg über die osmanischen Truppen den Rückzug in der Gewissheit, dass nur die Pest den vollständigen Sieg der französischen Orientarmee vereitelt habe.

Heimlich, still und leise verließ der Korse mitten in der Nacht am 24. August 1799 den Hafen von Alexandria in Richtung Frankreich, um in der bedrohten französischen Heimat als „Retter der Nation“ – quasi aus dem Nichts – zu erscheinen. Im Orient dagegen konnte seine zurückgelassene Armee mit General Jean-Baptiste Kléber an der Spitze nicht verhindern, dass bereits zwei Jahre später Ägypten von anglo-osmanischen Streitkräften zurückerobert wurde. Es blieb lediglich der geordnete Rückzug, abgesichert durch die Konvention von El-Arish am 24. Januar 1800.[39]

Kurz nach dem Frieden von Amiens suchte der frankophil erzogene Sultan Selim III. wieder die Freundschaft der Franzosen, die ihm der listenreiche General Horace-François Sébastiani schmeichlerisch offerierte. Doch Napoleons Strategie einer französisch-osmanisch-persischen Allianz, die Sébastiani bei der Pforte durchsetzen sollte, hatte nicht nur eine erneute osmanisch-russische Gegenbewegung zur Folge, sie brachte auch die Bedeutung der Dardanellen und des Bosporus wieder in das politische Bewusstsein der Großmächte.[40]

Rückblickend war Napoleons Ägyptenexpedition nicht mehr als ein Abenteuer und das dortige französische Regime, dieser Versuch einer indirekten Herrschaft über die Ulema resp. die islamischen Rechtsgelehrten, blieb lediglich ein Experiment.[41] Und doch hatte dieses Unternehmen wichtige Folgen im östlichen Mittelmeerraum, da sich fortan ein radikaler Wandel abzuzeichnen begann, verursacht durch die Französische Revolution in Gestalt der französischen Truppen und, weitaus gefährlicher, der durch sie verbreiteten französischen Ideen.[42]

Dass mit den Truppen Napoleons zum ersten Mal eines der islamischen Kernländer unter die Herrschaft einer westlichen Macht geriet, die dort nicht nur tun und lassen konnte, was sie wollte, sondern alsbald noch durch eine andere westliche Macht vertrieben werden konnte, war hinsichtlich der internationalen Politik ein gravierendes Faktum, da es den Großmächten ostentativ die levantinische Fäulnis und darüber hinaus die strategischen Bedeutung Ägyptens vor Augen führte.[43]

Von noch ausschlaggebender Wirkung aber war der französische Eingriff in das gesellschaftliche Kräftegleichgewicht Ägyptens, der aufgrund des Autoritätsverlusts der Mamelucken zu einem Machtvakuum[44] führte, das erst einer der eifrigen Helfer bei der anglo-osmanischen Rückeroberung Ägyptens, der albanische Tabakhändler Muhammed Ali (1769-1849), auffüllte. Doch indem er eine Herrscherdynastie etablierte, deren Macht im 19. Jahrhundert mit französischer Hilfe kontinuierlich ausgebaut wurde, bescherte er, wie sich zeigen sollte, dem Sultan die größten Probleme.[45]

Der „Weltgeist zu Pferde“ hinterließ letztlich nicht minder prägende Spuren auch in Europa, wo der kriminelle Charakter der napoleonischen Außenpolitik in fünfzehn Jahren französischer Eroberungen, französischer Herrschaft und französischer Ausbeutung einen enormen Einfluss auf die Konzeption eines europäischen Staatensystems hatte[46], zumal es gerade an letzterem mangelte.

Von 1787 bis 1801 blieb die leise Hoffnung vieler Staatsmänner, vielleicht doch das alte vorherrschende Regelsystem internationaler Politik beibehalten zu können, wenn nur die Französische Revolution in die Knie gezwungen werde. Doch niemand anders als Napoleon selbst führte diese Erwartung ad absurdum, so dass kurz nach dem Sieg über den französischen Kaiser von eben diesen Staatsmännern eine Alternative zur Methode des 18. Jahrhunderts gefunden werden musste: ein neues System internationaler Politik, gebunden an Gesetz und Recht wie der Maßgabe des politischen Gleichgewichts.[47]

3. Europäisches Konzert und Orientalisches Gleichgewicht

3.1. Die Neuordnung der Staatenwelt nach 1815

Nach der Überwindung der Vorherrschaft Frankreichs unter Napoleon I. stand das daraufhin entwickelte Wiener Friedenswerk von 1814/15 im Zeichen eines Gleichgewichtsverständnisses, dem fortan nicht mehr, wie während des 18. Jahrhunderts, das machiavellistische Konvenienz- und Kompensationsprinzip resp. das Verständnis des Krieges als dem probaten Mittel zur Schaffung einer politischen Balance zugrunde lag.[48]

Vielmehr verkündeten die Formeln der Allianz- und Friedensverträge ein neues staatsmännisches Denken, in dem in letzter Konsequenz auch Kriege nicht mehr normaler Bestandteil internationaler Beziehungen sein konnten, weil sie aufgrund der Möglichkeit von Revolutionen wie Aufständen etwas überaus gefährlich Destruktives für die monarchisch-dynastische Staatenwelt bereithielten.[49] Nach über zwei Jahrzehnten Krieg wurde demzufolge politisches Gleichgewicht jetzt als grundlegendes Ruhebedürfnis verstanden, das zudem vorausschauend, vorbeugend und gemeinsam zu organisieren sei. Allein, der hierbei immer wieder fallende Begriff des Gleichgewichts ist vielschichtig und analytisch schwer zu fassen. Immerhin: eine Definition für die politische Balancestruktur im frühen 19. Jahrhundert gab der Metternich-Vertraute Friedrich von Gentz um 1806. Nach ihm ist es „diejenige Verfassung neben einander bestehender und mehr oder weniger mit einander verbundner Staaten, vermöge deren keiner unter ihnen die Unabhängigkeit oder die wesentlichen Rechte eines andern, ohne wirksamen Widerstand von irgendeiner Seite, und folglich ohne Gefahr für sich selbst, beschädigen kann.“[50]

Dementsprechend sah Gentz eng verknüpft eine „wohlverstandene Theorie eines Gleichgewichts in der politischen Welt“[51] mit einem an Maximen gebundenen staatlichen Gemeinwesen, dessen höchstes Resultat „nicht sowohl ein vollkommenes Gleichgewicht, als eine beständige wechselseitige Schwankung“[52], oder anders ausgedrückt, ein labiler Zustand der Einfluss- ausübung in einem herzustellenden „système des contre-poids“ ist.[53]

Als erster Schritt auf dem Weg zu einem derartigen System gestaltete sich der Vertrag von Chaumont, der von den Siegern der Völkerschlacht bei Leipzig am 1. März 1814 im Hinblick auf die künftige Führung der Befreiungskriege geschlossen wurde. Dieser Kontrakt war ein Bündnis gegen Frankreich, dem ein von Zar Alexander I. und William Pitt um 1804 entwickeltes Konzept einer Staatsordnung unter Garantie der Großmächte zugrunde lag und dessen Ziel ein „rétablissement d`un juste équilibre des puissances“[54] war.

Für die Realisierung dieser Nachkriegsordnung setzte sich vor allem der eigentümliche, menschenscheue englische Premier Lord Henri Robert Castlereagh (1769-1822) ein, durch den die englische Außenpolitik eine neue Richtung bekam.[55] Er versuchte aus der momentanen Koalition der Großmächte unter Einbindung Englands eine verbindliche Allianz zu formen, deren Grundlage das jahrhundertealte Gleichgewichtsprinzip sein sollte. Auf die Wahrung dieses Prinzips achtete Castlereagh vor allem bei dem mit dem Bourbonen Louis XVIII. am 30. Mai 1814 geschlossenen Ersten Frieden von Paris – sollte doch dieser Vertrag durch eine gerechte Verteilung der Kräfte den Frieden dauerhaft sichern. Castlereaghs Leitgedanken, nämlich die Erhaltung des politischen Gleichgewichts durch milde Behandlung des besiegten Frankreichs[56], folgte denn auch der österreichische Staatskanzler Clemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich (1773-1859).

Für den aristokratisch erzogenen, französisch gebildeten und europäisch orientierten Metternich wiederum bedeutete Gleichgewichtspolitik die kluge Führung des fortwährenden Kampfes der antinomisch wirkenden Erhaltungs- und Zersetzungskräfte der Gesellschaften und Staaten mit dem Ziel, Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Zeichen der Legitimität des monarchischen Prinzips zu garantieren.[57]

Metternichs sozialkonservative Auffassung wirkte entsprechend auch und gerade auf sein außenpolitisches Verständnis ein, was ihn die europäische Staatenwelt als solidarische Gemeinschaft verstehen ließ, deren „Generalinteressen“ wichtiger seien als die „Sonderinteressen“.[58] Seiner Ansicht nach offenbart die moderne Geschichte „uns die Anwendung des Princips der Solidarität und des Gleichgewichts zwischen den Staaten und bietet uns das Schauspiel der vereinten Anstrengung mehrerer Staaten gegen die jeweilige Übermacht eines Einzelnen, um die Ausbreitung seines Einflusses zu hemmen und ihn zur Rückkehr in das gemeine Recht zu zwingen.“[59]

Diese Auffassung führte dazu, dass auf dem am 8. Oktober 1814 eröffneten Wiener Kongress das zuvor destruktiv gehandhabte politische Gleichgewicht in der Spannung zwischen Revolution und Restauration eine ungeahnte Weiterentwicklung erfuhr, weil es nun nicht mehr nur „auf die Außenpolitik der Staaten, sondern auch auf ihre Innenpolitik und ihre Sozialverfassung“[60] zielte, wobei das in den drei Zusatzartikeln des Chaumont-Vertrages dargelegte Grundkonzept der territorialen Regelungen in bindendes Vertragsrecht transformiert wurde.

Mit der Übernahme der Wiener Kongressordnung vom 9. Juni 1815 als politisches wie völkerrechtliches Grundgesetz akzeptierten die Großmächte schließlich eine auf Grenzverläufe basierende Balance, wodurch jeder Versuch einer Aneignung fremden Territoriums oder das Führen eines Krieges unter Interventionsandrohung der Unterzeichnerstaaten stehen sollte. Da jedoch auf dem Kongress die orientalischen Probleme zwischen England und Russland ausgeklammert wurden, war eine Garantie der Friedensordnung durch die Großmächte vorerst kaum zu erreichen, hätten sie doch im Sinne Castlereaghs und Metternichs ihre jeweiligen Rechte und Besitzungen festlegen und anerkennen sowie sich zum gegenseitigen Schutz der Vereinbarung verpflichten müssen.[61]

Somit blieb von diesem Plan unter den Großmächten lediglich die Absichtserklärung, nicht aber die rechtliche Garantie, so dass im Laufe der Verhandlungen aufgrund der Interessengegensätze unter den Großmächten, die über die sächsisch-polnische Frage sich fast zu einem Krieg auszuwachsen drohten, sowohl Zar Alexander I. als auch Lord Castlereagh Alternativlösungen zu entwickeln begannen. Aus christlichem Pflichtverständnis heraus formierten sich am 26. Oktober 1815 auf Anregung des Zaren Alexander I. die drei „Nordischen Höfe“, Russland, Österreich und Preußen in der „Heiligen Allianz“ zur gemeinsamen Verteidigung von Ordnung und Frieden gegen revolutionäre Tendenzen der Zeit.[62]

Einen Monat später regte Castlereagh seinerseits die Bildung einer Quadrupelallianz – bestehend aus Russland, England, Österreich und Preußen – als Teil des Observationsmechanismus gegenüber Frankreich an, die zugleich die Absicht erkennen ließ, Frankreich in das Mächtesystem wieder zu integrieren. Aber anders als die Heilige Allianz konzentrierte sich die Quadrupelallianz auf die zwischenstaatlichen Beziehungen und hatte über die Mitwirkung Englands weitreichende Bedeutung, zumal Artikel VI ein Novum in der europäischen Politik einführte: die Verpflichtung der Mächte zu regelmäßigen Konferenzen.[63]

Infolgedessen war Russland als der weltpolitische Konkurrent Englands in ein gesamteuropäisches Kontraktsystem eingebunden, das die politische Solidarität der Großmächte sichern sollte. Zudem spiegelten beide Bündnisse zugleich unterschiedliche Ordnungsvorstellungen wider, wobei zwischen den Großmächten lediglich in dem Punkt der Bewahrung des hart erfochtenen Friedens Einigkeit herrschte. Über die Frage, wie Ruhe und Frieden durchgesetzt werden sollten, gingen die Meinungen jedoch weit auseinander.

Neben Metternich waren auch Alexander I. und der preußische König der Auffassung, dass sowohl zwischenstaatliche Konflikte als auch liberale und konstitutionelle Bewegungen im Sinne solidarischer Kooperation bekämpft und unterdrückt werden müssten. Auf der Troppauer Konferenz im Oktober 1820 stimmten alle Teilnehmer bis auf Castlereagh einer Denkschrift Metternichs zu, worin dieser das „Prinzip der Nichtanerkennung revolutionsbedingter Veränderungen und das Interventionsrecht (...) zur Unterdrückung derartiger Veränderungen darlegte“[64]. Wie sehr die englische Ansicht den Vorstellungen Metternichs und des Zaren widersprach, es jedem Staate selbst zu überlassen, wie er mit revolutionären Kräften umzugehen habe, zeigte sich bereits angesichts der ausbrechenden Rebellionen in Spanien. So stellte der Zar den Antrag, dass bei einem revolutionsbedingten Regierungswechsel zur Aufrechterhaltung des Status quo die Intervention der Allianz in innenpolitische Angelegenheiten zulässig sein sollte. Castlereagh lehnte dieses Gesuch strikt ab. In seinem Memorandum vom 5. Mai 1820 erläuterte er den Verbündeten, dass beim Erreichen der Zielsetzung ihrer Allianz England stets bereit sei, nach Kräften mitzuwirken. Er unterstrich aber, dass England sich auf keinen Fall in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen oder ein Eingreifen anderer Mächte gleichgültig mitansehen werde.

Im Verlaufe des Wiener Kongresses hatte Frankreich über Napoleons Rückkehr und seine Herrschaft der „Hundert Tage“ viel von dem Vertrauen eingebüßt, das Charles Maurice de Talleyrand ebenso mühevoll wie geschickt aufgebaut hatte. Und obgleich ein Großteil der Staatsmänner für eine Verkleinerung des französischen Staatsgebietes plädierte, konnte sich Castlereagh mit dem Argument durchsetzen, dass eine solche Handlung nur den militärischen Eifer Frankreichs reizen und zu neuen Kriegen führen würde.

Er glaubte, die Siegermächte sollten – anstatt zu triumphieren – für einen sicheren, gerechten Frieden Sorge tragen, dem Gebietsverluste und Reparationsforderungen nicht dienlich wären.[65] Auch dürfe König Louis XVIII. nicht an Ansehen einbüßen, da es daraufhin wieder zu einer Revolution kommen könnte. Zwar einigten sich die Signatarstaaten darauf, Frankreich auf die Grenzen von 1790 zu beschränken, aber der Verlust der damit zusammenhängenden Gebiete war „eher von strategischer als von wirtschaftlicher oder symbolischer Bedeutung“[66]. Trotz der territorialen Verluste Frankreichs, der zu duldenden Besatzungsarmee und der zu leistenden Entschädigungen ermöglichte der zweite Pariser Frieden Frankreich eine souveräne Koexistenz mit den Mächten der Quadrupelallianz.

Drei Jahre nach dem Zweiten Frieden von Paris, der nicht nur Napoleons Thronverzicht und den seiner Familie sondern auch die Wiener Kongressakte bestätigte, wurde Frankreich auf dem Aachener Kongress, der vom 30. September bis zum 15. November 1818 tagte, wieder in den Kreis der Großmächte aufgenommen, was die Quadrupelallianz zur neuartigen „Pentarchie“ der Großmächte erweiterte. Für die folgenden sechzig Jahre waren europäische und außereuropäische Politik voneinander getrennt, Rivalitäten über Europa hinaus tangierten dabei – abgesehen vom Nahen Osten – lediglich die Weltmächte England und Russland.[67] Und dafür, dass es bis zum Krimkrieg nicht zu einem großen europäischen Konflikt kam, zeichnete das „ins Leben gerufene europäische Gleichgewichtssystem, das europäische Konzert“ verantwortlich, „das es den Großmächten ermöglichte, nichtkriegerische Lösungen für internationale Streitfälle zu finden.“[68]

Mit dem „parfait concert“ der Mächte im Sinne eines allgemeinen Friedens wurde bereits im Vertrag von Chaumont das politische Organisationsprinzip des neuen Koordinatensystems internationaler Beziehungen angedeutet, das später in der zeitgenössischen Sprache in eben jenen Worten des „concert européene“ seinen Ausdruck fand[69] und nach Winfried Baumgart als „die Art und Weise der Konsultation und Kooperation der europäischen Großmächte zur Beilegung oder Bekämpfung von internationalen Krisen und zur Beendigung oder Verhütung von Kriegen“[70] mit Mitteln der Diplomatie zu verstehen ist.

Als Hauptergebnisse des Wiener Kongresses gelten neben der territorialen Neugestaltung Europas die Pentarchie der Großmächte, die „Heilige Allianz“, die Deutsche Bundesakte und die Schweizer Neutralität. Darüber hinaus beendete der Wiener Kongress nicht nur den englisch-französischen Kampf um die Vorherrschaft in Europa und brachte Louis XVIII. und Talleyrand dazu, über eine Entente mit England nachzudenken[71], sondern er schuf zudem eine durchstrukturierte, rationale Ordnung. Diese Ordnung belebte die alte Idee einer Schaffung von geographischen Pufferzonen, arbeitete Direktiven[72] der Staatenkooperation aus, band den Staat im Ganzen über Verträge an Verpflichtungen und konzentrierte sich hauptsächlich auf diplomatische Fragen europäischer Natur.[73] Des weiteren entwickelten sich infolge des Wiener Systems auch Mittel der Abschreckung, die davon kündeten, „that reckless or unlawful behavoir would cost the offending state its status and voice within the system, leading to its isolation from it and the attendant loss of systemic rewards and benefits.”[74]

Nicht zuletzt konstituierte sich im Rahmen des europäischen Friedenswerkes von 1814/15 auch ein Kongresssystem, errichtet auf dem Grundsatz der Hegemonie der Großmächte, womit die allgemeine Verwendung des Großmachtbegriffs einherging. Dabei waren nicht allen europäischen Mächten die zum Großmachtstatus nötigen und zugleich unschätzbaren Vorteile gegeben, also geographische Lage, Machtpotential in Form von militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen sowie Raum und Bevölkerung,[75] was ursprünglich zu diesem Begriff zählte und zu seiner exponierten Position wie dem elitären Selbstbild eines Staates im politischen Gefüge unverzichtbar gehörte.[76]

Gerade weil nun dieses Kongresssystem vom Ansatz einer überstaatlichen Organisation und damit in gewisser Weise von einem Wandel im politischen Bewusstsein kündete, sollte es ein Fehler der Großmächte bleiben, dessen Einrichtung als periodisch geführte Institution ab 1822 nicht weiter verfolgt zu haben. Denn letztendlich beruhte ja der nicht unerhebliche anfängliche Erfolg des Wiener Kongresses auf eben dieser wie auch der kommissionalen Auseinandersetzung mit den strukturellen Problemen Europas, die zum Fortschritt in der internationalen Politik im allgemeinen und zu mancher praktischen Lösung[77] im besonderen führte.

Viel wichtiger und entscheidender hinsichtlich der internationalen Politik scheint aber die allgemeine Vorstellung von einem geschlossenen System gewesen zu sein, dem, wenn man Friedrich von Gentz folgt, ein über allem stehendes politisches Prinzip der Gegengewichte mechanistisch zugrunde lag, das die Dinge zum Wohle aller, in diesem Falle aller legitimen europäischen Staaten, regeln werde. Eben darin verdeutlicht sich eine materialistische Vorstellung vom Glück als tatsächlich greifbarem Anspruch, was wiederum zu dem Gedanken führt, dass das „Gute“ (hier: ein von den konservativen europäischen Mächten gelenktes Europa) automatisch erreichbar ist, wenn man das „Böse“ (Revolutionen, ungerechtfertigte Expansionen einer Macht etc.) nur abschaffe.[78] Diese Auffassung einer gezielten Steuerung zum „Guten“ hin, wie sie etwa von Metternichs Konzept der antinomisch wirkenden Kräfte oder von der Gentzsche Idee eines „système des contre-poids“ vertreten wurde, setzt ein mechanisches Weltbild voraus, in dem die Zustands- und Veränderungsgesetze eindeutig beschreibbar sind und sich die Systemelemente in fast schon mathematischer Weise zueinander verhalten.[79]

Während sich nun also im frühen 19. Jahrhundert die „großen Fünf“ - Russland, England, Frankreich, Österreich und Preußen - als führende europäische Staaten etablierten und unter dem Gedanken des Allgemeinwohls ein internationales Regelsystem schufen, dem der Historiker Schroeder nachträglich „revolutionären“ Charakter zuspricht[80], konnte das auf sich allein gestellte Osmanische Reich seine dominante Rolle in Ost- und Südosteuropa nur „mit Müh und Not“ aufrechterhalten.

Seit Peter I. war Russland, das seine Konflikte mit den Osmanen im förmlich konjunkturellen Zyklus von Krieg und Frieden austrug, stets und hartnäckig bemüht, den nur über osmanisches Staatsgebiet führenden Zugang zu einem „warmen“ Meer zu erreichen. M.a.W.: Erst die Dardanellen und der Bosporus versprachen den Russen jene Beute, die ihre Suche abgeschlossen hätte. In England hingegen, das die Osmanen immer mehr als Handelspartner schätzen lernte und in ihrer Schwäche keine Bedrohung englischer Handelswege empfand, betrachtete man den zunehmenden russischen Einfluss mit misstrauischem Blick. Angesichts der Gefahr für ihre wirtschaftlichen Ambitionen in der Levante wuchs in London schon bald das Interesse, dem wachsenden russischen Einfluss durch das Erhalten des orientalischen Reiches Einhalt zu gebieten.[81]

Die Franzosen wiederum kühlten ihre Kontakte zur Pforte merklich ab. Schon Napoleon dachte kurzzeitig daran, den osmanischen Staat in Allianz mit dem Zaren aufzuteilen, und in der Folgezeit brachte sich Paris denn auch durch seine kolonialen Interessen in Nordafrika in eine osmanenfeindliche Position, woraufhin sie genauso wie St. Petersburg daran gingen, die Beziehungen zwischen Wien und Konstantinopel zu untergraben. Denn seit dem Frieden von Sistowa pflegten die Österreicher ein Freundschaftsverhältnis mit den Osmanen, die sich allenthalben auf dem Wiener Kongress von Metternich vertrauensvoll vertreten ließen. So etwa konnte Metternich die Angst Sultan Mahmuts II. vor einem christlichen Kreuzzug Alexanders I. gegen die „Ungläubigen“ mit der Versicherung nehmen, dass die christliche „Heilige Allianz“ kein gegen das islamische Türkenreich gerichtetes Bündnis sei.[82]

Nur Preußen hatte als einzige europäische Macht keinerlei Interesse im Orient und leistete sich nicht nur ein Freundschaftsverhältnis zu St. Petersburg, sondern leitete daraus auch eine Vermittlerrolle[83] ab.

Kurzum, das Eingreifen der Großmächte in den osmanischen Zerfallsprozess wirkte, wie bereits im 18. Jahrhundert, auf ihre eigenen Beziehungen zurück und, obgleich man dem europäischen politischen Balancesystem ein hohes Maß an Elastizität zusprach, blieb dies eine politische Herausforderung – und das nicht nur, weil die damit zusammenhängenden Probleme ursprünglich aus den Wiener Verhandlungen ausgeklammert worden waren. Nein, dies blieb es auch, weil sich das einstmals so gefürchtete und verhasste osmanische Imperium aufgrund seiner zunehmenden Schwäche zur verachteten und zugleich zur äußerst begehrten Konkursmasse entwickelt hatte, durch die sich der internationalen Diplomatie des 19. Jahrhunderts die „merkwürdigste, langwierigste und folgenreichste“[84] Frage stellte.

Auf das Staatensystem Europas hatte diese sich ab den 1820er Jahren herausbildende „question d`Orient“ eine nicht zu unterschätzende Wirkung, deren Anfangsgründe, wie gesehen, im Zerfall und Rückzug des osmanischen Staates, dem Vertrag von Küçük Kainardşe und in der französischen Ägyptenexpedition zu finden sind. Dementsprechend fiel die schwerste Prüfung des europäischen Systems mit dem Höhepunkt der orientalischen Krise zusammen und führte, um es vorweg zu nehmen, zum wohl eigentümlichsten aller Kriege des 19. Jahrhunderts, dem Krimkrieg. Doch bevor dieser „verkappte Weltkrieg“ Gegenstand der Betrachtung werden kann, müssen zum näheren Verständnis zunächst die Grundtatsachen der Orientalischen Frage und ihre Internationalisierung umrissen werden.

3.2. Die Orientalische Frage

3.2.1. Rückzug, Verfall und Reformen

Im 16. und 17. Jahrhundert verfielen viele Europäer angesichts der enormen osmanischen Gebietsgewinne vom Indischen Ozean bis zu den Toren Wiens in Pessimismus. So etwa schrieb um 1555 der kaiserliche Gesandte am Hofe Sultan Süleymans des Prächtigen Ogier Ghiselin de Busbecq nach Wien mehrere von Hoffnungslosigkeit gezeichnete Briefe, in denen er die mangelhaften Abwehrchancen gegenüber weiteren europäischen Eroberungen des Sultans unterstrich.

Diese Furcht vor den Osmanen war weit verbreitet und durchaus berechtigt, weil sich die meisten der europäischen Händler, Gesandten und Beobachter aus Gewohnheit von der enormen Schlagkraft des Heeres der Osmanen einschüchtern, ja faszinieren ließen im Sinne einer Identifikation mit dem seit der Eroberung Konstantinopels bis vor die Tore Wiens gestoßenen Aggressors. Nur sehr wenige von ihnen erkannten daher die zunehmende innere Schwäche des Osmanischen Reiches, das seinen Höhepunkt an Blüte und Macht mit Sultan Süleyman erklommen hatte, der aber des Kämpfens müde die Staatsgeschäfte seinem Großwesir Damad Ibrahim Paşa übertragen hatte.

Auf lange Sicht bedeutete die Lockerung der im Harem symbolisierten Einheit und damit des zentralen Regierungssystems die Trennung von majestätischer Würde und Amt.[85] Das wiederum hatte zwangsläufig den Zusammenbruch des fiskalisch wichtigen timar- und militärisch wie verwaltungstechnisch unabdingbaren devşhirme-Systems zur Folge, was zu willkürlichen Steuererhebungen, Korruption und verringerter Heeresstärke führte.[86] Schließlich ging auch noch die Monopolisierung eines Großteils der Staatsämter durch die ayans verloren, die Köpfe der osmanischen Landaristokratie, die durch das Horten von Macht und Geld allmählich die Wirtschaftskraft zersetzten und dann auch die Zentralgewalt schwächten.[87] Das spürbare Fehlen finanzieller Mittel aber machte die Regierung immer maß- und kopfloser und trieb sie dazu, ihre ohnehin schon geschwächte Autorität noch weiter zu unterminieren, indem sie außerordentliche Steuern eintrieb, die nicht einmal die Einkünfte der religiösen Stiftungen schonte.

Alles in allem verminderten diese Umstände die Fähigkeit der osmanischen Regierung, erfolgreich auf die sich verändernden wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Probleme einzuwirken.[88] Und aufgrund der allgemeinen Verfallserscheinungen war die Hohe Pforte in den folgenden Jahrhunderten erst recht nicht mehr in der Lage, ihre frühere gezielte Expansion fortzusetzen, auf die ihr Staatssystem in höchstem Maße angewiesen war.[89] Aber trotz vieler Rückschläge, wie etwa der Fehlschlag bei der Belagerung Wiens 1529 oder der Verlust der grundlegenden Kontrolle über die nordafrikanische Küste, blieb die Lebensfähigkeit des riesenhaften Osmanischen Reiches dennoch über lange Zeit stark genug, um sich gegenüber den Herausforderungen der europäischen Mächte zu behaupten.

Als jedoch der zweiten Versuch einer Einnahme Wiens am 12. September 1683 scheiterte, wurde diese Niederlage zu einem entscheidenden Wendepunkt, da im Laufe der Belagerung wie auch in den späteren Kämpfen gegen die „Heilige Liga“ unübersehbar wurde, dass die osmanischen Heere disziplinarisch, waffentechnisch und strategisch immer weiter hinter die Armeen Europas zurückfielen.

Mit dem Frieden von Karlowitz am 26. Januar 1699, für die Osmanen der erste Vertrag, den sie als Besiegte unterzeichneten, hatte der Sultan nicht nur die Siege der „Heiligen Liga“ anzuerkennen, sondern er musste auch einen grundsätzlichen Machtverlust des Islam in Europa hinnehmen.[90] Mit einer Einbuße von vierhunderttausend Quadratkilometern und einer nicht unerheblichen fiskalischen Negativbilanz konnte das Osmanische Reich seinen Status als Imperium auf Dauer nicht mehr behaupten.[91]

Die immerhin bestehende Möglichkeit, von den stetig mächtiger werdenden Europäern zu lernen, blieb durch das tief verinnerlichte, vom Stolz geprägte Selbstbild der Osmanen jedoch ungenutzt. Als Anhänger einer dem Christentum überlegenen Religion glaubten sie lange Zeit, dass der Westen für sie nichts Vorbildliches bereithielte.[92] Dass willige Reformer wie Köprülü Paşa schon früh die Probleme des Reiches erkannten, änderte nichts daran, dass ihre Initiativen entweder im Sande verliefen, oder nur zeitweise die Umstände milderten, zumal ihre Handlungsweisen in erster Linie darauf gerichtet waren, traditionelle Institutionen und Verhaltensweisen wiederzubeleben, statt sie den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Erst im 18. Jahrhundert reagierte die Pforte auf die veränderten Umstände mit einem nur kurze Zeit währenden Durchbrechen der Isolation und das auch nur für einige wenige Osmanen. Immerhin führte dies zu einer wenn auch sehr begrenzten „Bewußtheit von Europa“, dessen Auswirkungen während der lâle devri, der Tulpenzeit, im Osmanischen Reich zum Tragen kamen. Die Reformen Sultan Ahmets III. während seiner Regierungszeit von 1703-1730[93] stellten erstmals das Eingeständnis der eigenen Rückständigkeit dar, die nur aufzuhalten sei, wenn man in Zukunft Europas Technik als Vorbild akzeptiere.[94]

Französische Offiziere wie Claude Alexandre Graf Bonneval (1675-1747) alias Ahmet Paşa versprachen daraufhin dem Nachfolger Ahmets III., Sultan Mahmut I. (Reg. 1730-1754), in erster Linie Hilfe bei der Reorganisation des osmanischen Heeres und der Marine, um das Reich in die Lage zu versetzen, Russland effektiver Widerstand leisten zu können.[95] Langfristig wurde allerdings die Möglichkeit der Rückeroberung verlorener Gebiete und damit der Ausgleich der schlechten Staatskassenbilanz durch die Kostspieligkeit der Kriege vereitelt. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die orientalische Heeresmaschinerie trotz der Reformen waffentechnisch den Westen nicht mehr einholen, geschweige denn überholen konnte.[96] Und obwohl die Diplomatie in den zwischenstaat-lichen Beziehungen jetzt eine zunehmend größere Rolle zu spielen begann, blieb das Verhältnis zu den europäischen Mächten, die schon mit dem Aufkommen des Merkantilismus und dem Erschließen der Atlantikroute gegenüber den Osmanen auch wirtschaftlich an Boden gewannen, von Misstrauen und Skepsis geprägt.

Zu einer „entscheidenden Veränderung der Machtverhältnisse nicht nur zwischen den beiden Reichen, sondern auch zwischen den beiden Zivilisationen“[97] trug der Vertrag von Küçük Kainardşe bei, der mit dem Verlust des osmanischen Schwarzmeer-Monopols endgültig den Verfall des Reiches einleitete und für Sultan Abdülhamit I. (Reg.1774-1788) eine demütigende Anerkennung der neuen Position Russlands war.[98]

Ein „bitterer Schlag für den muslimischen Stolz“[99] war Artikel III des Kontraktes, der die Krim, ursprünglich das Gebiet sultanischer Suzeränität und von alters her der Sitz eines Tataren-Khans, für unabhängig erklärte und damit der effektiven Kontrolle der Pforte entzog. Damit musste zum ersten Mal ein überwiegend von Muslimen bewohntes Gebiet abgetreten werden, was zudem Streitfragen unter den islamischen Rechtsgelehrten nach sich zog. Von noch größerer Tragweite war allerdings der mit dem Verlust der Krim zu leistende Verzicht auf die Krimtataren als sultantreue Kämpfer, die zur Effektivität der osmanischen Heere in früherer Zeit nicht unwesentlich beigetragen hatten.

Insgesamt betrachtet hatten die Osmanen in Küçük Kainardşe den Russen weniger zugestanden, als Zarin Katharina später behaupten sollte, gleichwohl haben sie die politischen Praktiken der Russen sträflich unterschätzt und somit war das 18. Jahrhundert, ungeachtet einiger weniger Erfolge, keine wirklich gute Zeit für die stolzen, aber frustrierten Osmanen. Sie hatten sich in der Zeit zwischen dem Tode Süleymans 1566 und dem demütigenden Vertrag von Küçük Kainardşe 1774 immer weiter von jenem Geist der Ghazi entfernt, der einst Herrscher vom Schlage Osmans I. oder Sultan Fatih Mehmets beseelte.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts stellte sich darum die schwierige Aufgabe, das Reich an europäische, moderne Verhältnisse heranzuführen. In diesem Sinne begann in Konstantinopel ein Zeitalter der Reformen von oben, die sowohl Modernisierungen auf militärischem Gebiet als auch „grundlegende Veränderungen der Gesellschaft“[100] erreichen sollten. Doch das Prinzip der Europäisierung blieb vielen Osmanen weiterhin fremd, so dass „Reform und Reaktion einander die Waage hielten“[101]. Insbesondere die Verschränkung des Schicksals der nizam-ι cedid, der 6.500 Mann zählenden „neuen Truppe“, mit dem Schicksal ihres frankophilen Begründers Selims III. (1789-1807)[102] zeigt, wie groß und einflussreich die gesellschaftlichen Widerstandskräfte der Ulema und Janitscharen gewesen sind.[103]

Selims Nachfolger, Sultan Mahmut II. (Reg.1808-1839) stand letztlich vor dem Problem, einerseits seine Stellung zu sichern, ohne die konservativen Kräfte zu verärgern, und andererseits die europäischen Staaten von der Handlungs- fähigkeit seines Reiches zu überzeugen.[104] Bei seinen Maßnahmen war er sich stets bewusst, dass einer Modernisierung die Destruktion der Machtbasis des Janitscharen-Korps vorausgehen musste. Und um nicht das Schicksal seines Vorgängers zu erleiden, ließ Mahmut sich zunächst die Unumgänglichkeit einer Armeereform von den Ulema bestätigen und zog erst danach gegen die ehemalige Leibwache zu Felde, deren Ausrottung und Abschaffung am 17. Mai 1826 den Weg für jene Reformen in Verwaltung, Regierung und Gesellschaft frei machte, die Mahmut seit seiner Inthronisation anstrebte.[105]

[...]


[1] Bei Baumgart, W., Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878, in: Handbuch der Geschichte internationaler Beziehungen, Bd. 6, Paderborn 1999, S.155.

[2] Buchmann, B. M., Österreich und das Osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, Wien 1999, S.156.

[3] Grunebaum, G. E. von, Der Islam II. Die islamischen Reiche nach dem Fall von Konstantinopel, Frankfurt/Main 1970, S.108.

[4] Schroeder, P. W., The Transformation of European Politics, Oxford 1994, S.20ff.

[5] Ebd., S.25.

[6] Davison, R. H., Essays on Ottoman and Turkish History, 1774-1923. The Impact of the West, Texas 1990, S.33, 37.

[7] Die Russen übernahmen die Festungen Jenikale und Kertsch, womit sie in der Lage waren, die Verbindung zwischen dem Asowschen Meer und dem Schwarzen Meer zu kontrollieren. Des weiteren erhielten sie Sonderrechte in den Donaufürstentümern, obwohl diese weiterhin Bestandteil des Osmanischen Reiches waren, und es war ihnen gestattet, eine ständige Botschaft in Konstantinopel zu errichten.

[8] Infolge dieser Konvention akzeptierte Russland die religiösen Bande zwischen den Krimtataren und dem Sultan unter der Auflage einer Bestätigung der Unabhängigkeit. Siehe Anderson, M.S., The Eastern Question 1774-1923. A Study in International Relations, New York/London 1966, S.7.

[9] Lewis, B., Kaiser und Kalifen. Christentum und Islam im Ringen um Macht und Vorherrschaft, München 1996, S.46.

[10] Palmer, A., Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches, München 1992, S.78.

[11] Die gute russische Ausgangsposition im Schwarzen Meer ließ einen Angriff auf Konstanti- nopel, eventuell sogar eine Erhebung christlicher Untertanen, wahrscheinlicher denn je erscheinen. Macfie, A.L., The Eastern Question 1774-1923, London/New York 1996, S.7.

[12] Schroeder, The Transformation, S.26. Dieses gefährliche Spiel, dessen Regeln Wien nur zum Nachteil gereichen konnten, waren Joseph und sein Kanzler Prinz von Kaunitz offensichtlich gezwungen zu spielen, wollten sie nicht dem kräftezehrenden russischen Expansionismus erliegen.

[13] Lewis, B., Der Untergang des Morgenlandes, Bonn 2002, S.34.; Anderson, M. S., The Eastern Question 1774–1923, S.2.

[14] Schroeder, The Transformation, S.42.

[15] Ebd., S.35.

[16] Schroeder, The Transformation, S.21.

[17] Schroeder, Paul W., Did the Vienna Settlement rest on a Balance of Power?, in: Schroeder, P.W. (Hrsg.), Systems, Stability and Statescraft: Essays on the International History of Modern Europe, New York 2004, S.43.

[18] Schroeder, The Transformation, S.45.

[19] Mit dem Rücken zur Wand stehend und aus der pessimistischen Einsicht, dass die russische Annexion nur weiteren Druck auf osmanische zur Folge habe, erklärte die Hohe Pforte Russland den Krieg.

[20] Schroeder, The Transformation, S.58

[21] Macfie, The Eastern Question, S.8.

[22] Schroeder, Did the Vienna Settlement rest...?, S.43.

[23] Anderson, The Eastern Question, S.18.

[24] Ebd., S.19.

[25] Anderson, The Eastern Question, S.20.

[26] Schroeder, The Transformation, S.46ff.

[27] Anderson, The Eastern Question, S.21.

[28] Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Umformung des Reiches in einen modernen Staat.

[29] Anderson, The Eastern Question, S.5.

[30] Ebd., S.12.

[31] Im Gegensatz zur sechs Monate (!) dauernden Route um das Kap Horn hätten die Franzosen mittels dieser Vereinbarung binnen sechzig Tagen in Indien aufschlagen können. Siehe Macfie, The Eastern Question, S. 10.

[32] Ebd., S. 10.

[33] Anderson, The Eastern Question, S.24ff.

[34] Mit diesen Worten beginnen fast alle Suren des Koran.

[35] Gust, W., Das Imperium der Sultane. Eine Geschichte des Osmanischen Reiches, München/Wien 1995, S. 266ff.

[36] In dieser Zeit verdoppelten sich in Konstantinopel die Preise für Grundnahrungsmittel wie Kaffee oder Reis. Siehe Anderson, The Eastern Question, S.27.

[37] Macfie, The Eastern Question, S.11.

[38] Das von Ahmed Gazzar nicht ohne die englische Hilfe hätte gehalten werden können.

[39] Macfie, The Eastern Question, S.11.

[40] Palmer, Untergang und Verfall, S.103ff.,117.

[41] Grunebaum, Der Islam II, S.331ff.

[42] Der Sultan war sich der Wirkung dieser Ideen durchaus bewusst und ließ eine Proklamation in arabischer und türkischer Sprache entgegenhalten. Lewis, Kaiser und Kalifen, S.189.

[43] Lewis, B., Der Untergang des Morgenlandes, S.49,

[44] Grunebaum, Der Islam II, S.332.

[45] Gust, Das Imperium der Sultane, S.268ff. Napoleon selbst, der sich den Mitteln der Propaganda bewusst war, hatte als erster Europäer einen arabischen Patriotismus proklamiert, mit dem die Ägypter allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nichts anzufangen wussten, denn sie bezeichneten sich selbst als „misirli“. Das Wort Araber wurde von ihnen - hauptsächlich in negativer Konnotation - auf die Nomaden angewandt und erst Muhammed Ali sollte es propagandistisch nutzen.

[46] Schroeder, P. W., Napoleon`s Foreign Policy: A Criminal Enterprise, in: ders., Systems, Stability and Statescraft, S.32f.

[47] Ebd.

[48] Baumgart, W., Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.151ff.

[49] Ebd., S.152; Schroeder, Did the Vienna Settlement…?, S.52.

[50] Gentz, Friedrich von, Fragmente aus der neusten Geschichte des politischen Gleichgewichts in Europa, Osnabrück 1967, S.1

[51] Ebd., S.7f.

[52] Ebd., S.8.

[53] Winfried Baumgart folgt offensichtlich dem Gentzschen „système des contre-poids“, wenn er von einem „Teilgleichgewichtesystem“ ausgeht, dessen diverse Subsysteme sich über die allgemeinste Balanceform hinaus aus dem Gleichgewicht England-Frankreich, einer Balance Preußen-Österreich, dem Gleichgewicht der „Heiligen Allianz“ und schließlich dem alle Großmächte betreffenden Orientalischen Gleichgewicht zusammensetzten. Siehe Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.150. Dem Begriff des politischen Gleichgewichts weitaus kritischer steht Paul W. Schroeder gegenüber: Jede Interpretation des Wiener Systems auf Grundlage des Gleichgewichts gilt für ihn als irreführend und reduktionistisch. Er sieht ein wesentliches Element der Transformation der Politik des 18. Jahrhunderts nicht in der Ausbalancierung von Machtbeziehungen, sondern in der hegemonialen Aufteilung von Macht. Den Begriff der „balance of power“ möchte er verbannt sehen. Siehe Schroeder, Systems, Stability and Statescraft, S.37-57.

[54] Nürnberger, R., Das Zeitalter der französischen Revolution und Napoleons, in: Mann, G. (Hrsg.), Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte, Bd. 8, Berlin/ Frankfurt/Wien 1960, S.183.

[55] Nach Castlereagh waren damit „alle Zweifel darüber beseitigt, dass auch wir [England] eine Stimme in Dingen des europäischen Festlandes haben“. Vgl. Kissinger, H. A., Das Gleichgewicht der Großmächte. Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812-1822, Zürich 1962, S.249.

[56] Craig, G. A., Geschichte Europas 1815-1980. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart, München 1982, S.31.

[57] Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.226f.

[58] Freilich handelte Metternich selbst nach österreichischen Sonderinteressen, wenn er sein Ziel verfolgte, eines von Österreich geführten Mitteleuropas als Gegengewicht zu Frankreich und Russland zu schaffen. Mit den anderen Mächten war es freilich nicht anders: Russlands Ziel war es, den größten Teil Polens zu gewinnen, um es zu einem konstitutionellen Staat zu machen; England war bestrebt, der russische Expansion Einhalt zu gebieten; Frankreich versuchte sich wieder in den Klub der Großmächte, möglichst ohne Verluste, zu reintegrieren und Preußens Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben, seine Position durch eine Zusammenführung Deutschlands auf Kosten der kleineren Staaten und Österreichs zu stärken.

[59] Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.227ff.

[60] Ebd., S.146.

[61] Schroeder, The Transformation, S.573ff.

[62] Metternich versachlichte das vom Zaren aufgesetzte theokratische Konzept, das die christlichen Gebote als Richtschnur des Handelns hatte, und machte aus der brüderlich geeinten christlichen Union einen Bund christlicher Fürsten zur Absicherung der politischen Zustände. Schroeder, The Transformation, S.559; Rönnefahrt, H.K.G. (Hrsg.), Konferenzen und Verträge, Bd. 3, Neuere Zeit 1492-1914, Würzburg 1958, S.261ff.

[63] Schroeder, The Transformation, S.556f. Diese Periodizität der Zusammenkünfte ist allerdings nicht zustande gekommen.

[64] Craig, Geschichte Europas 1815-1980, S.28.

[65] Kissinger, Das Gleichgewicht der Großmächte, S.349-352.

[66] Ebd., S.353.

[67] Schroeder, The Transformation, S.575.

[68] Hieraus resultiert das ungeschriebene Gesetz, dass bedeutungsvolle territoriale Umgestaltungen ohne die Übereinstimmung aller Großmächte nicht durchgesetzt werden können, womit Konfliktsituationen, die durch die Demütigung einer Großmacht oder die Bedrohung ihrer vitalen Interessen entstehen, vermieden werden sollten. Müller, H., Der Wiener Kongress und das concert européen, in: Fesser, G./ Jonscher, R. (Hrsg.), Jenaer Studien. Umbruch im Schatten Napoleons, Jena 1998, S.126.

[69] Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.153.

[70] Baumgart, W., Vom Europäischen Konzert zum Völkerbund. Friedensschlüsse und Friedenssicherung von Wien bis Versailles, Darmstadt 1974, S.1.

[71] Schroeder, The Transformation,S. 523.

[72] Allgemeine Richtlinien außenpolitischen Verhaltens, die auf internationalen Konferenzen Anwendung finden sollten, waren: Die Solidarität und die Vertragstreue, oder anders ausgedrückt, das Gefühl gemeinsamer Verantwortung hinsichtlich der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und die gemeinsame Überzeugung, die Wiener Kongressakte als völkerrechtliches Grundgesetz anzuerkennen, sowie der Kooperationsgeist als eine von europäischem Bewusstsein getragene allgemeine Verantwortung für Ruhe und Frieden und zu guter Letzt die machtpolitische Zurückhaltung. Siehe Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.154.

[73] Schroeder, The Transformation, S.579.

[74] So etwa hielten diese Mittel Russland 1821-23 von einem Feldzug gegen den Sultan, Österreich von einem Zusammenprall mit Italien und Frankreich 1840 vom Weg in den Krieg ab. Siehe Schroeder, Did the Vienna Settlement…?, S.51.

[75] Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.147ff.

[76] Dafür begannen Handel und ökonomische Aktivität nun die dem Großmachtstatus abträglichen offensichtlichen Nachteile auszugleichen, indem wirtschaftliche und technische Entwicklung, natürliche Ressourcen und politische Stabilität die alten Standards von Staatsmacht ergänzten. Ausschlaggebend für die anerkannte Selbstbezeichnung aber war das mit der Wiener Kongressordnung unter den fünf Mächten verbreitete „ungeschriebene Gesetz“, dass „jede von ihnen zum Führungskreis in den europäischen Angelegenheiten gehört“. Gemäß dieser stillschweigenden Übereinkunft konnte jede der fünf Großmächte sich das Recht nehmen, bei territorialen Veränderungen mitzuentscheiden, unabhängig davon, ob sie in die Geschehnisse auch tatsächlich involviert war oder nicht. Vgl. Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung, S.148.

[77] Zum Beispiel bei der polnisch-sächsischen Frage: Alexander I. zügelte seine Ambitionen und schlug eine Teilung Sachsens vor, was de facto eine diplomatische Niederlage für Preußen war. Überwunden wurde der Konflikt schließlich auf einem Ministerratstreffen der Großmächte samt Frankreich am 7. Januar 1815, woraufhin Sachsen zwei Drittel seines Staatsgebietes und 40% seiner Einwohner verlor.

[78] Siehe Berk, H.-J., Zum Erwachen der Psychoanalyse. Der Zweite Weg der Aufklärung, Bonn/Remagen 2007, S.119.

[79] Es wird zu zeigen sein, ob ein solches System und ein solches Denkmuster den unaufhalt- samen, stetigen Veränderungen in der internationalen Politik Rechnung tragen konnte.

[80] Eine Behauptung Schroeders, die, wie im Laufe der Arbeit gezeigt werden soll, durchaus in Zweifel zu ziehen ist. Vgl. Schroeder, The Transformation, S.579ff.

[81] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.186.

[82] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.187.

[83] Im Frieden von Adrianopel 1829 und auf dem Berliner Kongreß 1878.

[84] Baumgart, Vom Europäischen Konzert zum Völkerbund, S.20.

[85] Grunebaum, Der Islam II, S.100.

[86] Ein starkes Anwachsen der Bevölkerung, eine steigende Inflation und bewaffnete Banden verschlimmerten die ohnehin wenig aussichtsreiche Situation im Innern derart, dass dem englischen Botschafter das Osmanische Reich bereits im Jahre 1607 „in great decline, almost ruined“ erschien. Siehe Macfie, The Eastern Question 1774-1923, S.6 sowie Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.164.

[87] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.165.

[88] Das Verschränken innerer und äußerer Probleme charakterisiert den unaufhaltsam voran- schreitenden osmanischen Niedergang seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

[89] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.105.

[90] Brown, C. L., International Politics and the Middle East. Old Rules, Dangerous Game, Princeton 1984, S.22.; Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.156.

[91] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.156.

[92] Gestützt wurde diese Einsicht einerseits durch die Bewunderung der guten alten Zeit auf Kosten der Gegenwart und andererseits durch die im Grunde erst seit den Kreuzzügen bestehende heilige Pflicht, das Dar ul harb, das Haus des Krieges (der Westen, heute „al gharb“ genannt), in das Dar ul islam, das Haus des Islam, zu verwandeln, um die Ungläubigen an der letzten Offenbarung Gottes teilhaftig werden zu lassen. Lewis, Kaiser und Kalifen, S.87. Genaueres bei: Aslan, Kein Gott außer Gott, S. 96-127.

[93] Fortan als Reg. gekennzeichnet.

[94] In diesem Zuge wurden auch Militärschulen gegründet, wo die französische Botschaft militärische Schriften über Festungsbau und Navigation verteilen ließ. Dazu Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.166.; Anderson, The Eastern Question, S.22.

[95] Das Wirken Ahmet Paşas zielte darauf ab, dem Osmanischen Reich wieder einen Groß- machtsstatus zu ermöglichen.

[96] Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.166.

[97] Der Vertrag von Küçük Kainardse ist damit als erster wichtiger Eckpfeiler in der Entwicklung der Orientalischen Frage zu sehen. Siehe Lewis, Kaiser und Kalifen, S.44.

[98] Nichtsdestotrotz gab der Vertrag dem Sultan auch größere persönliche Verantwortung und stärkte seine Position im zerfallenden Reich, indem seine universelle islamische Führungsposition Anerkennung erfuhr. Palmer, Verfall und Untergang, S.76.

[99] Lewis, Kaiser und Kalifen, S.45

[100] Etwa die Gleichberechtigung der Frau. Siehe Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.185.

[101] Ebd., S.184.

[102] Sultan Selim III. wurde von konservativen Fanatikern um 1807 ermordet.

[103] Beide waren konservative Elemente der osmanischen Gesellschaft, besonders die Janitscharen. Als leidenschaftliche Soldaten waren sie seit dem 14. Jahrhundert zentrales Herzstück der osmanischen Armee und zeichneten sich durch eine Verbindung von Reformfeindlichkeit und religiösen Fanatismus aus, der wichtige waffentechnische wie taktische Neuerungen verhinderte, was letztlich den Verlust ihrer Schlagkraft nach sich zog, so dass sie vom Schrecken des Abendlandes zur Plage des Reiches wurden. Palmer, Verfall und Untergang, S.137.

[104] Palmer, Verfall und Untergang, S.121.

[105] Unter Mahmuts Herrschaft wurde eine Volksschule nach dem Vorbild des britischen Pädagogen Joseph Lancaster gegründet, Ressorts für Justiz, Handel, Finanzen usw. eingerichtet und es erschienen die erste türkische Zeitungen („Le Moniteur Ottoman“). Siehe Buchmann, Österreich und das Osmanische Reich, S.187f. sowie Palmer, Verfall und Untergang, S.142.

Excerpt out of 135 pages

Details

Title
Das europäische System und seine orientalische Wendemarke
Subtitle
Eine kritische, kulturhistorische Untersuchung über die Gestaltung des Europäischen Konzerts im Rahmen der Orientalischen Frage und des Krimkrieges
College
University of Augsburg
Grade
2,6
Author
Year
2006
Pages
135
Catalog Number
V119598
ISBN (eBook)
9783640229444
ISBN (Book)
9783640230952
File size
951 KB
Language
German
Keywords
System, Wendemarke
Quote paper
Magister Artium Björn Rosenstiel (Author), 2006, Das europäische System und seine orientalische Wendemarke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119598

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