In dieser Masterarbeit wird dezidiert die Sichtweise der Endverbrauchenden der DACH-Region gegenüber Chatbots als Hilfsmittel für die Produktsuche erforscht. Ziel der Arbeit ist die Beantwortung der Forschungsfrage "Wie ist die Einstellung von Kundinnen und Kunden hinsichtlich der Nutzung von Chatbots zur Produktsuche im Onlinehandel?"
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde eine quantitative Studie in Form einer Onlineumfrage mit Endverbrauchenden aus der DACH-Region durchgeführt. Hierfür testeten die Umfrageteilnehmer/innen zunächst nach Vorgabe einen auf Produktsuche spezialisierten Chatbot und beantworteten im Anschluss einen Fragebogen. Die Fragestellung in der Erhebung basiert auf dem erweiterten Modell der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT 2) nach Venkatesh et al. (2012), das eine Analyse der Nutzungsakzeptanz ermöglicht.
Die Verbreitung der Chatbot-Technologie hat insbesondere binnen der letzten fünf Jahre stark zugenommen. In Onlineshops der DACH-Region werden Chatbots derzeit überwiegend im First-Level-Support eingesetzt, um beispielsweise Antworten auf häufig gestellte Fragen zu geben. Sogenannte Shopping Bots, die auf Produktsuche, -beratung oder Verkaufsunterstützung spezialisiert sind, sind bislang erst wenig verbreitet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfrage & Forschungsziel
1.3 Forschungsmethode
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen zu Chatbots
2.1 Definition: Conversational Interface, Chatbot, Voicebot
2.2 Kategorisierung von Chatbots
2.2.1 Regelbasierte Chatbots vs. KI-basierte Chatbots
2.2.2 Kategorisierung von Chatbots nach Interaktionskomplexität
2.3 Chatbots im Onlinehandel
2.3.1 Chatbots ermöglichen Conversational Commerce
2.3.2 Einsatzmöglichkeiten für Chatbots
2.3.3 Integrationsmöglichkeiten von Chatbots
2.3.4 Nutzungsakzeptanz von Chatbots
2.4 Key-Faktoren in der Konzeption von Chatbots
2.5 Status Quo: Shopping Bots im DACH-Raum
2.6 Usecases für Shopping Bots
2.6.1 Chatbots als Produktfinder
2.6.2 Chatbots als Produktberater
2.6.3 Shopping Bots als Bestandteil von Marketingkampagnen
2.6.4 Chatbots als ergänzende Komponente im Live Chat
2.7 Aktueller Forschungsstand zu Shopping Bots im DACH-Raum
3 Umfrage zu Einstellungen von Kundinnen und Kunden bzgl. Produktsuche via Chatbot
3.1 Methodische Konzeption
3.1.1 Erläuterungen zur methodischen Vorgehensweise
3.1.2 Basis für die Entwicklung des Fragebogens: das UTAUT 2 Modell
3.1.3 Adaption des UTAUT 2 Modells
3.1.4 Fragebogen und Hypothesen zum adaptierten UTAUT 2 Modell
3.1.5 Ergänzende qualitative Forschungsfragen
3.2 Prüfung der statistischen Signifikanz
3.2.1 Prüfung auf Multikollinearität
3.2.2 Prüfung auf Heteroskedastizität
3.2.3 Prüfung der Skalenreliabilität
4 Ergebnisse der Umfrage
4.1 Deskriptive Analyse der Stichprobe
4.1.1 Beschreibung der Stichprobe
4.1.2 Demographische Daten
4.1.3 Chatbot-Kenntnisse der Teilnehmenden
4.2 Analyse des adaptierten UTAUT 2 Modells
4.1.1 Zusammenhang von Leistungserwartung und Nutzungsabsicht
4.1.2 Zusammenhang von Aufwandserwartung und Nutzungsabsicht
4.1.3 Zusammenhang von hedonistischer Motivation und Nutzungsabsicht
4.1.4 Analyseergebnis des UTAUT 2 Modells im Überblick
4.3 Deskriptive Analyse der ergänzenden Fragen
4.3.1 Positives und negatives Feedback zum getesteten Chatbot
4.3.2 Einfluss von Screengröße und Sortimentsumfang
4.3.3 Bewertung der Hilfsmittel zur Produktsuche in Onlineshops
5 Zusammenfassung und Fazit
5.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
5.2 Limitationen
5.3 Beantwortung der Forschungsfrage und Fazit
6 Literaturverzeichnis
Anhang
Kurzfassung
Die Verbreitung der Chatbot-Technologie hat insbesondere binnen der letzten fünf Jahre stark zugenommen. In Onlineshops der DACH-Region werden Chatbots derzeit überwiegend im First-Level-Support eingesetzt, um beispielsweise Antworten auf häufig gestellte Fragen zu geben. Sogenannte Shopping Bots, die auf Produktsuche, -beratung oder Verkaufsunterstützung spezialisiert sind, sind bislang erst wenig verbreitet.
In vorliegender Masterarbeit wird dezidiert die Sichtweise der Endverbrauchenden der DACH-Region gegenüber Chatbots als Hilfsmittel für die Produktsuche erforscht. Ziel der Arbeit ist die Beantwortung der Forschungsfrage „Wie ist die Einstellung von Kundinnen und Kunden hinsichtlich der Nutzung von Chatbots zur Produktsuche im Onlinehandel?“
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde eine quantitative Studie in Form einer Onlineumfrage mit Endverbrauchenden aus der DACH-Region durchgeführt. Hierfür tes¬teten die Umfrageteilnehmer/innen zunächst nach Vorgabe einen auf Produktsuche spezialisierten Chatbot und beantworteten im Anschluss einen Fragebogen. Die Frage-stellung in der Erhebung basiert auf dem erweiterten Modell der Unified Theory of Ac-ceptance and Use of Technology (UTAUT 2) nach Venkatesh et al. (2012), dass eine Ana-lyse der Nutzungsakzeptanz ermöglicht.
Im Ergebnis zeigt sich, dass insgesamt betrachtet die Einstellung, wie auch die Nutzungs¬bereitschaft von Kundinnen und Kunden gegenüber Chatbots als Hilfsmittel für die Pro¬duktsuche tendenziell positiv ist. Endverbraucher/innen empfinden die Interaktion mit dem Chatbot sehr unterhaltsam und angenehm, bei geringem Aufwand und relativ ho¬her Effizienz. Dennoch bevorzugen Endverbrauchende tendenziell „klassische“ Hilfsmit¬tel zur Produktsuche, wie die Suchfunktion oder die Navigation über das Shop-Menü.
Abstract
The spread of the chatbot technology has increased significantly, especially over the last five years. In Germany, Austria and Switzerland, online shops currently use chatbots pri¬marily for first-level-support in, for example to provide answers to frequently asked questions. The so-called shopping bots, which specialize in product searches, product advice or sales support, have not been widespread to date.
In this master's thesis, the perspective of customers in Germany, Austria and Switzer-land towards chatbots as a tool for product searches is researched. The aim of the work is to answer the research question "What is the attitude of customers regarding the use of chatbots for product searches in online retail?"
In order to answer the research question, a quantitative study was carried out in the form of an online survey with end users from Germany, Austria and Switzerland. For this purpose, the survey participants first tested a chatbot specialized in product searches according to specifications and then answered a questionnaire. The questioning in the survey was based on the extended model of the Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT 2) according to Venkatesh et al. (2012), that allows an analysis of user acceptance.
The result shows that, overall, customer attitudes and willingness to use chatbots as a product search tool tend to be positive. End users find the interaction with the chatbot very entertaining and pleasant, with little effort and high efficiency. Nevertheless, end consumers tend to prefer "classic" tools for product searches, such as the search func-tion or navigation via the shop menu.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gartner Hype Cycle for Artificial Intelligence 2020 (Gartner, 2020)
Abbildung 2: Regelwerk zur Spracherkennung bei Keyword-Bots (Kohne et al, 2020, S. 43) ___ 9 Abbildung 3: Funktionsweise der Natural Language Komponente eines KI-basierten Chatbots (Kohne et al, 2020, S. 44)
Abbildung 4: Umfrageergebnis zur Relevanz von Kommunikationskanälen im Kundenservice, Angaben in Prozent (Basiert auf: USU, 2020, S. 22f)
Abbildung 5: Entwicklungsstufen im E-Commerce (diva-e, 2017)
Abbildung 6: Die beliebtesten Messenger 2020 in Deutschland, bezogen auf die Anzahl täglich Nutzender in Mio. (Mehner & Kremming, 2021b, S. 12)
Abbildung 7: Anteil an Personen, die im vergangenen Jahr mit einem Chatbot kommuniziert haben, Basis: 5.006 Befragte aus DE, UK, FRAU, USA, JPN, AUS (LivePerson, 2020)
Abbildung 8: Positive Nutzungserfahrungen mit Chatbots (Pidas, 2018, S. 19)
Abbildung 9: Negative Nutzungserfahrungen mit Chatbots (Pidas, 2018, S. 19)
Abbildung 10: Chatbot-Menü von Rosebikes.de (eigene Aufnahme)
Abbildung 11: Funktionsumfang von WeChat (Fink, 2020, S. 32)
Abbildung 12: Chatbot eedi von Geschenkidee.ch (eigene Aufnahme)
Abbildung 13: Chatbot von kiehls.de (eigene Aufnahme)
Abbildung 14: Chatbot von wish.com/de (Mehner, 2020)
Abbildung 15: Chatbot von Lego (Stewart, 2017)
Abbildung 16: Die Chatbot-Persona Don Regalo (www.geschenkidee.ch)
Abbildung 17: Das UTAUT 2 Modell im Überblick (Venkatesh et al., 2012, S. 160)
Abbildung 18: Das für diese Arbeit verwendete adaptierte UTAUT 2 Modell (eigene Darstellung) 45 Abbildung 19: Streudiagramm zur Prüfung der Heteroskedastizität mit Behavioral Intention als abhängige Variable (eigene Darstellung)
Abbildung 20: Gruppierung der Umfrageteilnehmenden nach Alter und Geschlecht in % (eigene Darstellung)
Abbildung 21: Chatbot-Kenntnisse der Befragungsteilnehmenden in % (eigene Darstellung) _ 56 Abbildung 22: Lineare Regressionsanalyse: Effekt von Performance Expectancy (Leistungserwartung) auf Behavioral Intention (Nutzungsabsicht) (eigene Darstellung)
Abbildung 23: Lineare Regressionsanalyse: Effekt von Effort Expectancy (Aufwandserwartung) auf Behavioral Intention (Nutzungsabsicht) (eigene Darstellung)
Abbildung 24: Lineare Regressionsanalyse: Effekt von Hedonic Motivation (hedonistische Motivation) auf Behavioral Intention (Nutzungsabsicht) (eigene Darstellung)
Abbildung 25: Multiple Regressionsanalyse: Effekt von Performance Expectancy (PE), Effort Expectancy (EE) und Hedonic Motivation (HE) auf Behavioral Intention (eigene Darstellung)
Abbildung 26: Positive Aspekte des getesteten Chatbots, Häufigkeit der Nennung in % (eigene Darstellung)
Abbildung 27: Negative Aspekte des getesteten Chatbots, Häufigkeit der Nennungen in % (eigene Darstellung)
Abbildung 28: Einfluss der Screengröße auf den Nutzen von Chatbots (eigene Darstellung) _
Abbildung 29: Einfluss des Sortimentsumfangs auf den Nutzen von Chatbots (eigene Darstellung)
Abbildung 30: Bewertung der Effektivität der in Onlineshops eingesetzten Hilfsmittel zur Produktsuche (eigene Darstellung)
Abbildung 31: Bewertung des Zeitaufwands und der Kompliziertheit der in Onlineshops eingesetzten Hilfsmittel zur Produktsuche (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung der unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Kernbereiche von Conversational Interfaces (nach Stanoevska-Slabeva, 2018, S. 30)
Tabelle 2: Fragebogenitems nach dem adaptierten UTAUT 2 Modell (eigene Darstellung) __
Tabelle 3: Die in der Onlineumfrage verwendeten ergänzenden Fragen (eigene Darstellung)
Tabelle 4: Prüfung des Pearson-Korrelationskoeffizienten mit PE = Performance Expectancy, EE = Effort Expectancy, HM = Hedonic Motivation (eigene Darstellung)
Tabelle 5: Interpretation der Cronbachs Alpha Koeffizienten
Tabelle 6: Ermittelter Cronbachs Alpha der unabhängigen Variablen (eigene Darstellung) __ 53 Tabelle 7: Mittelwerte und Standardabweichungen der zugehörigen Items von Performance Expectancy (eigene Darstellung)
Tabelle 8: Beantwortung der Hypothesen 1, 1a und 1b (eigene Darstellung)
Tabelle 9: Mittelwerte und Standardabweichungen der zugehörigen Items von Effort Expectancy (eigene Darstellung)
Tabelle 10: Beantwortung der Hypothesen 2 und 2a bis 2c (eigene Darstellung)
Tabelle 11: Mittelwerte und Standardabweichungen der zugehörigen Items von Hedonic Motivation (eigene Darstellung)
Tabelle 12: Beantwortung der Hypothesen 3 und 3a bis 3c (eigene Darstellung)
Tabelle 13: Mittelwerte und Standardabweichungen der zugehörigen Items von Behavioral Intention (eigene Darstellung)
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Erwartungshaltung von Kundinnen und Kunden im Onlinehandel ist binnen der letz¬ten Jahre gestiegen, auch bedingt durch die zunehmende Verbreitung von mobilen End-geräten und dem damit verbundenen Trend zum mobilen Einkaufen. Nutzende sind es gewohnt, schnell und flexibel die gewünschten Informationen zu Produkten abrufen zu können - unabhängig davon, wie spät es ist und an welchem Ort sie sich gerade aufhal¬ten. Pretz (2020) bezeichnet diese sich verändernde Grundhaltung der Nutzerinnen und Nutzer als „digitale Ungeduld“. Die Geschwindigkeit, aber auch die Einfachheit, mit der Onlineshops Informationen und Services zugänglich machen, wird mehr und mehr zum Wettbewerbsvorteil (Pretz, 2020).
Chatbots stellen eine mögliche Lösung dar, um den zunehmenden Service-Erwartungen der Kundschaft zu begegnen. Sie sind permanent erreichbar, können auch eine Vielzahl an Anfragen gleichzeitig und in Echtzeit beantworten und bieten dadurch im Onlinehan¬del einen Mehrwert für Kundinnen und Kunden, der bis dato aufgrund Wirtschaftlich- keits- und Effizienzhindernissen nicht möglich war (Lehmann, 2021).
Chatbots sind keine Erfindung der Neuzeit. Bereits 1966 wurde der erste Chatbot „ELIZA“ von Joseph Weizenbaum entwickelt (Kohne et al., 2020). Dennoch war dieser Ansatz der automatisierten Kommunikation bis etwa 2016 kaum verbreitet. Erst infolge der technologischen Weiterentwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) und den damit verbundenen Möglichkeiten KI-basierte Chatbots zu erstellen, erlebten Chatbots eine rasche Verbreitung. Ab 2016 zeichnete sich eine regelrechte Aufbruchsstimmung hinsichtlich der Implementierung KI-basierter Chatbots ab, die jedoch 2017 und 2018 zunächst wieder abflaute (Hundertmark, 2021).
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, befinden sich Chatbots derzeit im Gartner Hype Cycle in der Phase nach dem „Gipfel der überhöhten Erwartungen“, der Chatbots noch im Jahr 2019 zugeordnet waren. Der Analyse von Gartner zufolge wird prognostiziert, dass Chat-bots binnen eines Zeithorizonts von zwei bis fünf Jahren das „Plateau der Produktivi¬tät“ erreichen und somit im Markt etabliert werden können (Gartner, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In wie vielen Unternehmen im DACH-Raum derzeit Chatbots eingesetzt werden, lässt sich nicht verlässlich beantworten. Eine Umfrage von Pidas (2020) konstatiert eine bis¬lang „zögerliche Verbreitung von Chatbots“ - nur 9 % der Unternehmen im DACH Raum setzen der Studie zufolge aktuell einen Chatbot ein (Pidas, 2020, S. 4). Eine Erhebung unter Onlineshops in der Schweiz und Österreich aus dem Jahr 2021 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: in nur 8 % der befragten Unternehmen wird ein Chatbot auf der Un¬ternehmenswebseite angeboten (Zumstein et al., 2021). Eine Studie von Bitkom hinge¬gen konstatiert, dass derzeit bereits 27 % aller Unternehmen in Deutschland Chatbots nutzen (Suhr, 2020).
Aus Sicht der Nutzenden besteht grundsätzlich durchaus eine hohe Bereitschaft mit Chatbots zu kommunizieren. Umfragen von idealo (2020) sowie Die Produktmacher und Elaboratum (2019) haben übereinstimmend festgestellt, dass 60 % aller Endverbrau- cher/innen sich vorstellen können, im Zuge eines Online Einkaufes einen Chatbot zu nut¬zen. Allerdings brachte die Studie von Die Produktmacher und Elaboratum (2019) auch zutage, dass mehr als zwei Drittel der Befragten, die schon einmal einen Chatbot ver¬wendet hatten, mit dem Nutzungserlebnis nicht zufrieden waren.
Im Onlinehandel sind die meisten derzeit implementierten Chatbots im Bereich Service angesiedelt, überwiegend um einfache wiederkehrende Fragen zu beantworten und die Service-Mitarbeiter/innen dadurch zu entlasten. Aus Sicht der Nutzenden liegt jedoch speziell im Onlinehandel das größte Potenzial für Chatbots in der Unterstützung des Be¬stellprozesses und der Produktsuche, wie die Studie von Die Produktmacher und Elabo- ratum (2019) feststellte.
Im Rahmen dieser Masterarbeit soll das Thema Produktsuche via Chatbot, auch Shop¬ping Bot, Suggestion Bot oder Recommender Bot genannt, genauer untersucht werden. Derzeit liegen keine konkreten Studien dazu vor, welcher Anteil der Onlineshops aktuell Chatbots für diese Anwendungsfälle einsetzt - eigenen Recherchen zufolge hat es jedoch den Anschein, dass insbesondere im Bereich Produktsuche der Einsatz von Chatbots bis¬lang noch wenig verbreitet ist.
1.2 Forschungsfrage & Forschungsziel
Thema dieser Masterarbeit ist die Untersuchung der Einstellung von Endverbrauchen¬den gegenüber der Produktsuche via Chatbot im Onlinehandel der DACH Region.
Derzeit liegen im DACH Raum kaum Forschungsergebnisse vor, die dezidiert das Thema Chatbots zur Unterstützung der Produktsuche aufgreifen. Ziel dieser Masterarbeit ist es diese Forschungslücke zu schließen und folgende Forschungsfrage zu beantworten:
Wie ist die Einstellung von Kundinnen und Kunden hinsichtlich der Nutzung von Chat¬bots zur Produktsuche im Onlinehandel?
1.3 Forschungsmethode
Der empirische Teil der Arbeit wurde mittels der Methodik der qualitativen Forschung erarbeitet. Hierfür wurde eine Onlineumfrage durchgeführt, um die Einstellungen von Endverbrauchenden gegenüber der Produktsuche via Chatbot im Onlinehandel zu erhe¬ben.
Die primäre Zielsetzung der Befragung ist die Evaluierung der Akzeptanz von Chatbots als Hilfsmittel für die Produktsuche. Basis für die Untersuchung der Nutzungsakzeptanz ist die erweiterte Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (Venkatesh et al., 2012), die im Sinne dieser Arbeit adaptiert wurde.
Darüber hinaus wurden im Fragebogen weitere Items ergänzt, um zusätzliche, für diese Arbeit relevante Erkenntnisse zu gewinnen.
Die Auswertung der auf der erweiterten Unified Theory of Acceptance and Use of Tech¬nology basierenden Items des Fragebogens erfolgte mittels linearer und multipler Re-gressionsanalyse. Die ergänzenden Fragestellungen wurden deskriptiv analysiert.
1.4 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel aufgeteilt. Unter Gliederungspunkt eins wird die Problemstellung erörtert sowie die Forschungsfrage und -methodik vorgestellt.
In Kapitel zwei erfolgt zunächst eine Erläuterung der theoretischen Grundlagen von Chat¬bots. Neben Begriffsdefinitionen werden in diesem Teil die unterschiedlichen Chatbot Typen und Kategorisierungen aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt eine Erörterung unter¬schiedlicher Aspekte zum Thema Chatbots im Onlinehandel. Hierbei werden die Bedeu¬tung von Chatbots für Conversational Commerce vorgestellt, Einsatz- und Integrations¬möglichkeiten für Chatbots erläutert und Aspekte der Nutzungsakzeptanz präsentiert. Nach Aufzeigen der Key-Faktoren in der Konzeption von Chatbots wird der Status Quo von Shopping Bots im DACH-Raum erörtert und unterschiedliche Anwendungsfälle für Shopping Bots vorgestellt. Abschließend zu diesem Kapitel wird der aktuelle Forschungs¬stand hinsichtlich Shopping Bots im DACH-Raum zusammengefasst.
Unter Gliederungspunkt drei wird die im Rahmen dieser Masterarbeit durchgeführte On-lineumfrage vorgestellt. Hierbei werden die Konzeption der Studie, der verwendete Fra-gebogen sowie das zugrundeliegende Akzeptanzmodell erläutert. Im Anschluss erfolgt die Prüfung der statistischen Signifikanz der Befragungsergebnisse hinsichtlich des Ak-zeptanzmodells.
Kapitel vier stellt die Ergebnisse der empirischen Forschung vor. Neben der regressiven Analyse der Nutzungsakzeptanz wird in Form von deskriptiven Analysen auf die Stich¬probe sowie auf die das Akzeptanzmodell ergänzenden Fragen eingegangen.
Das letzte Kapitel fasst die Erkenntnisse der Arbeit zusammen, zeigt Limitationen auf und zieht Fazit.
2 Theoretische Grundlagen zu Chatbots
2.1 Definition: Conversational Interface, Chatbot, Voicebot
Conversational Interfaces sind Benutzerschnittstellen, die eine Mensch-Maschine-Inter¬aktion mittels natürlicher Sprache ermöglichen. Je nach der gewählten Softwarelösung können dabei textbasierte und/oder gesprochene Eingaben des/der Nutzenden verar¬beitet werden (Brachten et al., 2020). Im Allgemeinen werden rein textbasierte Conver¬sational Interfaces als Chatbot bezeichnet, sprachbasierte Interfaces als Voicebot oder Sprachassistent (Stanoevska-Slabeva, 2018). Allerdings wird der Begriff Chatbot in der Literatur nicht einheitlich verwendet und häufig auch als Überbegriff für sowohl text- als auch sprachbasierte Conversational Interfaces genutzt (Bendel, 2020). Um die Begriff- lichkeiten klarer abzugrenzen, werden rein textbasierte Chatbots oft auch als „Text- bot“ bezeichnet (Ellermann, 2020). Im Rahmen dieser Arbeit soll der Begriff Chatbot in seiner engeren Auslegung definiert werden und sich ausschließlich die Mensch-Ma¬schine-Interaktion auf Basis von Textein- und -ausgabe beziehen.
Conversational Interfaces erlauben eine automatisierte Form der Kommunikation zwi¬schen Anwendenden und einem Computer. Der Chatbot oder Voicebot kann Text- und Spracheingaben des/der Nutzenden erfassen und antwortet daraufhin ebenfalls in na¬türlicher Sprache via Text- oder Sprachausgabe. Anwendende können auf diese Weise mit Chatbots kommunizieren wie mit einem realen Menschen, um so beispielsweise Ant¬worten auf Fragen zu erhalten, aber auch um Prozesse und Aktionen auszulösen (Hun¬dertmark, 2021). Chatbots und Voicebots können somit im Unternehmenskontext an Stelle eines menschlichen Mitarbeitenden die Kommunikation mit Kundinnen und Kun¬den automatisiert übernehmen. Insbesondere aufgrund der Weiterentwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) können Conversational Interfaces mittlerweile hierbei auch für komplexe Aufgaben eingesetzt werden, wie beispielsweise für individuelle Be¬ratung, unter Berücksichtigung des bisherigen Chat- und Kaufverhaltens (Kohne et al., 2020).
Diese Art der Mensch-Maschine-Interaktion erlaubt dem/der Anwendenden eine sehr intuitive, natürliche Form der Nutzung und erfordert im Vergleich zu anderen User Inter¬face Lösungen deutlich weniger technische Kenntnisse (Hundertmark, 2021).
Conversational Interfaces werden in zwei Kernbereiche unterteilt, die sich nach der je¬weiligen Aufgabe und dem Funktionsumfang richten (vgl. Tabelle 1). Zum einen sind das spezialisierte Chat- oder Voicebots, die auf klar definierte Anwendungsfälle ausgerichtet sind, wie beispielsweise die Beantwortung von Fragen der Kundschaft auf Unterneh¬menswebseiten. Zum anderen zählen auch als „persönliche Assistenten“ oder „virtual Agents“ bezeichnete Softwarelösungen wie Microsofts Cortana und Amazons Alexa zu den Conversational Interfaces. Letztgenannte bieten ein sehr breites Spektrum an Funk¬tionalitäten und können beispielsweise selbstständig Antworten auf Fragen im Internet recherchieren, Bestellungen und Buchungen durchführen oder auch etwa auf die Musik¬Playlist des/der Nutzenden zugreifen und diese abspielen (Kohne et al., 2020).
In der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich spezialisierte Chatbot-Lösungen the¬matisiert.
Tabelle 1: Gegenüberstellung der unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Kernbereiche von Conversational Interfaces (nach Stanoevska-Slabeva, 2018, S. 30)
Vergleichsdimension Spezialisierte Chat- und Voicebots Persönliche Assistenten
Genutzte Sprachform Vorwiegend Text, ggf. zusätzlich Audio Audio
Dialogform Chat, welcher auch komplexere Abfolgen von zusammenhängenden Fragen und Antworten ermöglicht Einzelne Sprachbefehle; Verkettung von einzelnen, zusammenhängenden Anfra¬gen möglich (zwei bis drei Fragen)
Ausgabegerät Bestehende Touchpoints, insbesondere das Smartphone, aber auch andere gän¬gige Endgeräte (z.B. Computer) Neuer Touchpoint in Form des smarten Lautsprechers (z.B. Amazon Echo oder Google Assistant)
Ort der Nutzung Integriert in bestehende Touchpoints der Unternehmenspräsenzen auf Plattformen wie z.B. Webseite, Facebook Messenger oder WhatsApp Wohnzimmer, Büro, Auto, d. h. Orte, die ruhig sind und wo eine für viele Sprach-anfragen notwendige Privacy gewährleis¬tet werden kann
Unternehmensspezifi¬sches Branding Möglich in Form von Avataren und In-tegration in eigene Präsenz auf der Platt-form Nur bedingt möglich durch eigene Appli-kation, im Vordergrund steht die platt-formspezifische Persönlichkeit (z.B. Alexa von Amazon)
2.2 Kategorisierung von Chatbots
2.2.1 Regelbasierte Chatbots vs. KI-basierte Chatbots
Hinsichtlich der verwendeten Technologie werden grundsätzlich zwei verschiedene Ty¬pen von Chatbots unterschieden: regelbasierte Chatbots und KI-basierte Chatbots. Bei Erstgenanntem sind die möglichen Fragen der Nutzerinnen und Nutzer, ebenso wie die Antworten des Chatbots im Vorfeld genau zu definieren. Der Chatbot kann daher nur auf vorher festgelegte Fragen antworten, bei allen anderen Anfragen kann der Chatbot nicht weiterhelfen. KI-basierte Chatbots dagegen verfügen über die Möglichkeit selbstständig auf Basis der durchgeführten Chats mit Nutzerinnen und Nutzern zu lernen und die Qua¬lität der Antworten fortlaufend zu verbessern (Kamps & Schetter, 2020)
Die einfachste Form eines regelbasierten Chatbots erlaubt keine Texteingabe, sondern bietet dem/der Nutzenden mögliche Fragestellungen, die über einen Button angeklickt werden können. Gemäß der gewählten Antwort liefert der Chatbot daraufhin die ge¬wünschte Information entweder direkt aus oder stellt erneut eine oder mehrere Fragen, um so das Anliegen der Nutzerinnen und Nutzer zu konkretisieren und die gewünschte Information bereit zu stellen (Hundertmark, 2021). Dieser Prozess läuft dabei strikt nach dem zuvor in der Chatbot-Software definierten Entscheidungsbaum ab. Der Vorteil die¬ses sehr einfachen Chatbot Typs ist seine hohe Antwortgeschwindigkeit. Chatbots ohne Texteingabefunktion werden oft auch Scripted Bot genannt (Rainsberger, 2021).
Bei einer weiteren, etwas komplexer arbeitenden Variante des regelbasierten Chatbots sind auch Texteingaben seitens des/der Nutzenden möglich. Der Chatbot durchsucht den übermittelten Text des/der Anwendenden dabei nach bestimmten Schlüsselwörtern oder Kombinationen aus Wörtern, die zuvor in der Chatbot Software hinterlegt wurden und spielt die vordefinierte Antwort aus (Rainsberger, 2021). Dieser Chatbot Typ wird häufig auch als Keyword Bot bezeichnet (Prothmann & Cologne Business School, 2018 & Rainsberger, 2021). Die Spracherkennung dieses Chatbot Typs ist jedoch strikt regelba¬siert, der Chatbot verfügt nicht über die Fähigkeit Texteingaben, die zuvor nicht in der Software festgelegt wurden, zu verstehen und zu beantworten (Kohne et al., 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 veranschaulicht die Methodik, wie Keyword Bots Texteingaben seitens des/der Nutzenden verarbeiten.
KI-basierte Chatbots sind in der Lage natürliche Sprache zu verstehen. Das heißt die Texteingabe des/der Nutzenden wird nicht lediglich nach vordefinierten Begriffen durch¬sucht, sondern der Chatbot hat die Fähigkeit die Bedeutung und Absicht einer Frage zu erfassen und eine passende Antwort zu geben. Diese Art von Chatbot verfügt über eine Natural Language Komponente und nutzt dafür Künstliche Intelligenz (Fink, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 zeigt den technischen Prozess, wie ein KI-basierter Chatbot eine eingehende Anfrage verarbeitet.
Im ersten Schritt erfasst der Chatbot mittels Natural Language Understanding die Frage der Nutzerinnen und Nutzer und versucht die Absicht und den Kontext der Frage zu in-terpretieren. Im zweiten Schritt wird die passende Antwort aus dem Backend des Chatbots, das mit Datenbanken verknüpft ist, abgerufen und dann durch Natural Langu-age Generation an den/die Nutzende/n ausgespielt.
Verfügt der Chatbot zusätzlich über Machine Learning oder Deep Learning Komponen-ten, so können zudem Muster und Gesetzmäßigkeiten bzgl. Absicht und Kontext der ge-stellten Fragen erkannt, gespeichert und für die nächsten Anfragen genutzt werden. So-mit kann der Chatbot auf Basis der vorhandenen Daten selbständig lernen und sich dadurch neues „künstliches“ Wissen aneignen (Hundertmark, 2021).
KI-basierte Chatbots können bis zu einem gewissen Grad völlig selbstständig mit dem/der Anwendenden kommunizieren und in Verbindung mit Machine Learning diese Fähigkeiten selbstständig verbessern. Dennoch sind die aktuell auf dem Markt verfügba-ren künstlich intelligenten Chatbots den Kommunikationsfähigkeiten eines „ech¬ten“ Menschen im Moment noch unterlegen. Lehmann (2021) konstatiert, dass bei den meisten der derzeit aktiven Chatbots das Sprachverständnis noch Schwächen aufweist. Darüber hinaus sind auch die empathischen Fähigkeiten KI-basierter Chatbots aktuell noch limitiert und reichen nicht an menschliches Einfühlungsvermögen heran (Rainsber-ger, 2021 & Mariacher et al., 2021).
Gemäß einer Umfrage von Pidas (2020) sind 42 % der derzeit von Unternehmen aus dem DACH-Raum eingesetzten Chatbots regelbasiert, während 27 % KI-basierte Chatbots nut¬zen.
2.2.2 Kategorisierung von Chatbots nach Interaktionskomplexität
Ein sehr wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur Abgrenzung unterschiedlicher Chat-bot Typen liegt darin, welche Kompetenzen ein Chatbot hat und die damit verbundenen Interaktionsmöglichkeiten, die dieser bietet. Nachfolgend eine Übersicht über die unter-schiedlichen Chatbot Kategorien, sortiert nach zunehmender Interaktionskomplexität.
Chatbots, die Informationen bereitstellen Der hinsichtlich Interaktivität am wenigsten komplexe Chatbot stellt ausschließlich Infor¬mationen bereit, verfügt aber nicht über die Fähigkeit Prozesse auszuführen, wie etwa das Aufnehmen einer Bestellung. Dieser Chatbot Typ wird häufig für den FAQ-Bereich von Unternehmens-Webseiten eingesetzt, um auf wiederkehrende Fragen, wie bei¬spielsweise zu Zahlungsmöglichkeiten und Versand zu antworten. Hierfür werden meist regelbasierte Chatbots eingesetzt (Hundertmark, 2021).
Die Informationen, die über den Chatbot präsentiert werden können, sind dabei nicht auf Textinhalte begrenzt. Die meisten aktuellen Chatbots bieten auch die Möglichkeit Multimedia-Dateien wie Fotos, Videos oder Emojis auszuspielen. Je nach technischer Ausstattung der Chatbot-Software besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit einen Chat an eine/n menschliche/n Mitarbeiter/in zu übergeben, wenn der Chatbot auf eine bestimmte Frage keine Antwort weiß (Kohne et al., 2020).
Chatbots, die Prozesse ausführen
Dieser Chatbot Typ bietet dem/der Nutzenden deutlich mehr Interaktionsmöglichkeiten. Durch die Anbindung an Datenbanken und Systeme im Hintergrund kann dieser Chatbot Daten der Kundinnen und Kunden erfassen, Bestellungen entgegennehmen und somit selbstständig Aktionen und Prozesse auslösen (Hundertmark, 2021).
Darüber hinaus verfügt diese Chatbot Variante auch über die Fähigkeit auf Informatio-nen über die Nutzerinnen und Nutzer zuzugreifen und im Sinne einer besseren Service-leistung in den Chat mit einfließen zu lassen. Dies könnten beispielsweise die zuletzt auf¬gerufenen Seiten sein, die Hinweise liefern, welche Themen für den/die Nutzende/n von Interesse sind. Auch das Auslesen der Standortdaten ist möglich, um beispielsweise re¬gional bezogene Informationen auszuspielen (Fink, 2020).
Auch bei diesem Chatbot Typ ist eine Schnittstelle zum Live-Chat mit „echten“ Mitarbei-tenden möglich. Durch die Fähigkeit des Chatbots Daten der Kundinnen und Kunden zu erfassen und in Hintergrundsystemen zu speichern, ist es beispielsweise auch möglich diesen Chatbot standardmäßig in Beratungsprozesse mit einzubinden indem der Chat-bot zunächst die Daten der Kundschaft erfasst und ermittelt, zu welchem Thema eine Beratung gewünscht ist, um dann den Chat an den/die Mitarbeiter/in des benötigten Fachbereichs zu übergeben (Hundertmark, 2021).
Auch für diese Chatbot Kategorie werden meist regelbasierte Chatbots eingesetzt. Je nach Anforderung können aber auch zusätzliche KI-Komponenten - insbesondere Natu¬ral Language Funktionen - erforderlich sein (Stephan, 2018).
Chatbots mit Sprachverständnis und Kontextgedächtnis
Dieser Chatbot Typ verfügt über umfassende KI-basierte Natural Language Komponen-ten und kann dadurch den Kontext der gestellten Frage erfassen, die dahinterliegende Absicht erkennen und darauf eingehen (Fink, 2020).
Darüber hinaus kann auch die Stimmung des/der Anwendenden durch den Chatbot er-kannt werden (Lehmann, 2021). So ist es beispielsweise möglich einen Chat mit verär-gerten Kundinnen und Kunden automatisch an das menschliche Service-Team zu über-geben. Wie in 2.2.1 beschrieben wurde, reichen die emphatischen Fähigkeiten eines Chatbots derzeit noch nicht an die eines Menschen heran, daher kann sich diese auto-matisierte Allokation von potenziell schwierigen Gesprächen positiv auf die Zufrieden-heit der Kundinnen und Kunden auswirken und dabei zugleich das Service-Team entlas-ten (Stephan, 2018).
Zudem hat dieser Chatbot-Typ Zugriff auf die gesamte Historie der Kundinnen und Kun-den sowie die Chat-Daten der Vergangenheit und weiß daher, welche Produkte gekauft wurden, zu welchen Themen es Anfragen gab, oder ob Beschwerden eingingen. Durch diese Fülle an verfügbaren Informationen ist ein Nachfragen seitens des Chatbots nur dann erforderlich, wenn bestimmte Informationen fehlen, um eine geeignete Antwort zu geben oder einen gewünschten Prozess auszulösen (Fink, 2020).
Chatbots mit flexiblen Dialogstrukturen und perfektem Kontextgedächtnis
Die hinsichtlich Interaktion komplexesten Chatbots sind die in 2.1 beschriebenen Per-sönlichen Assistenten, wie beispielsweise Alexa von Amazon oder Siri von Apple. Sie er-möglichen eine noch flexiblere Kommunikation, die auch mehrere thematisch unter-schiedliche Anfragen gleichzeitig erfassen und separat verarbeiten und beantworten kann. Der/die Nutzende kann dadurch beispielsweise eine Fahrkarte buchen, während des Buchungsvorgangs spontan nach dem Wetterbericht für den kommenden Tag fragen und anschließend mit dem Buchungsprozess fortfahren (Stephan, 2018).
Persönliche Assistenten können auf eine Vielzahl externer Quellen zugreifen, um Fragen zu beantworten und stellen sich zudem mit fortschreitender Nutzungsdauer und -inten-sität immer mehr auf die Person und die Bedürfnisse des/der Anwendenden ein (Fink, 2020).
2.3 Chatbots im Onlinehandel
2.3.1 Chatbots ermöglichen Conversational Commerce
Die zunehmende Verbreitung von Smartphones, die Digitalisierung und das Internet ha-ben die Art und Weise der Kommunikation in der Bevölkerung nachhaltig verändert und Messaging Dienste populär gemacht (van Euwen, 2017). So nutzten in Deutschland in 2021 laut einer Studie der ARD/ZDF-Forschungskommission (2021) 83 % der Gesamtbe-völkerung mindestens einmal wöchentlich die Messenger Plattform Whats App.
Auch immer mehr Unternehmen bieten Live-Chat und/oder Messenger als zusätzlichen Kanal an, um so auf die veränderten Kommunikationsbedürfnisse der Kundschaft einzu-gehen. Der ergänzende Einsatz text- oder sprachbasierter Chatbots ermöglicht es dabei die Fragen der Nutzerinnen und Nutzer vollständig oder teilweise automatisiert zu be-antworten (Lehmann, 2021).
Laut einem Umfrageergebnis von USU (2020) wird für die kommenden ein bis drei Jahre ein deutlicher Rückgang von Telefon und Email als Kommunikationskanal im Service prognostiziert. Schon jetzt lässt sich der Trend feststellen, dass insbesondere jüngere Zielgruppen es bevorzugen Anfragen via Live-Chat zu stellen, statt über Telefon oder Email (Fink, 2020). Und auch Messenger und Chatbots gewinnen stark an Bedeutung (vgl. Abbildung 4).
Insbesondere die Automatisierungsmöglichkeiten mittels Chat- und Voicebots sind es, die das Fundament bereiten für eine neue Entwicklungsstufe im E-Commerce. Die Rede ist von Conversational Commerce, dass - nach Multi-Channel und Omni-Channel Com-merce - als der nächste Reifegrad im E-Commerce gilt. Das Credo im Conversational Com¬merce lautet Kundinnen und Kunden kommunikationsbasiert durch den Kaufprozess zu leiten, einschließlich Beratung und Bezahlvorgang (Gentsch, 2019).
Chatbots spielen in dieser Evolution des E-Commerce eine Schlüsselrolle. Erst durch Chatbots wird es möglich individuelle Kommunikation in Echtzeit ganz oder teilweise zu automatisieren. Dadurch wird Echtzeit-Kommunikation im Onlinehandel skalierbar, auch ohne das menschliche Service-Team zu erweitern (diva-e, 2017).
Branchenexpertinnen und -experten prognostizieren, dass Chatbots und digitale Assis-tenten die meisten Unternehmenswebseiten ergänzen, bzw. diese vollständig ersetzen werden (Lehmann, 2021 & Fink, 2020). In China, mit der dort weitverbreiteten Plattform WeChat ist die Entwicklung in Richtung Conversational Commerce aktuell bereits deut¬lich weiter fortgeschritten als im DACH-Raum (vgl. Punkt 2.5). Doch auch hierzulande wird ein Wandel im Onlinehandel hin zu Conversational Commerce prognostiziert (Hei¬nemann, 2018 & Graf, 2021).
Treiber für diese Entwicklung sind neben technischen Innovationen insbesondere auch die Verbraucher/innen, die schnelle und bequeme Lösungen im E-Commerce erwarten und dabei im Kaufprozess nicht zwischen unterschiedlichen Plattformen (wie etwa Un-ternehmenswebseite, Messenger/Email, Bezahldienstleister) wechseln möchten.
Zielsetzung im Conversational Commerce ist die Integration unterschiedlicher Services und Plattformen in einer Anwendung, in der intelligente Bots und digitale Assistenten direkt miteinander interagieren (Gentsch, 2019 & Fink, 2020).
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Abbildung 5 veranschaulicht die Entwicklungsstufen im Onlinehandel sowie die jeweili-gen Merkmale und Kennzeichen der einzelnen Stufen.
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Abbildung 5: Entwicklungsstufen im E-Commerce (diva-e, 2017)
2.3.2 Einsatzmöglichkeiten für Chatbots
Das Spektrum der Anwendungsfälle, in denen Chatbots eingesetzt werden können, ist enorm vielfältig. Gemäß Umfragen von Pidas (2018) und Hundertmark (2020) bietet je-doch insbesondere der Onlinehandel aus Sicht der Nutzenden das meiste Potenzial für Chatbots.
Heinemann sieht in Chatbots die „neue Evolutionsstufe im Digital Commerce“, da diese eine geeignete Antwort darstellen auf die in 2.3.1 aufgeführten, sich verändernden Kom¬munikationsgewohnheiten der Endverbraucher/innen (Heinemann, 2018, S. 169f).
Nachfolgend eine Übersicht über typische Einsatzmöglichkeiten für Chatbots im E-Com-merce:
- Beantworten von sich wiederholenden Fragen: Häufig im FAQ-Bereich angesie-delt ermöglichen Chatbots schnelles und einfaches Auffinden der benötigten In-formation.
- Automatische Informationsübermittlung: Bereitstellung von Informationen über Produkte, Services, Lieferdaten sowie Informationen, die die Historie der Kundinnen und Kunden betreffen.
- Produktberatung: Chatbots unterstützen den Suchprozess und geben Pro-duktempfehlungen. Es ist darüber hinaus auch möglich den anschließenden Kauf im Chatbot abzuwickeln.
- Lead-Generierung und Vorqualifizierung: Abfrage von Kontaktdaten via Chatbot und automatisiertes Weiterleiten des Leads an den/die passende/n Service-Mit- arbeiter/in.
- Marketing-Kampagnen: Einsatz von Chatbots als innovatives Medium für Sto- rytelling-Kampagnen im Marketing, um Nutzende persönlich und emotional an-zusprechen (Hundertmark, 2021 & Kohne et al., 2020).
Bis dato ist die Nutzung von Chatbots zur Beantwortung sich wiederholender Fragen der wohl häufigste Anwendungsfall. Dies hängt auch damit zusammen, dass dieser Usecase relativ einfach über regelbasierte Chatbots darstellbar ist und dieser Typ Bot deutlich einfacher und kostengünstiger erstellt werden kann, als KI-basierte Chatbots (Hundert-mark, 2021).
Die meisten Chatbots sind derzeit auf nur einen spezifischen Anwendungsfall ausgerich-tet. Es gibt jedoch bereits Ansätze einiger größerer Unternehmen umfassendere Chat- bot-Lösungen zu entwickeln, die für mehrere unterschiedliche Usecases gleichermaßen eingesetzt werden können (Lehmann, 2021).
2.3.3 Integrationsmöglichkeiten von Chatbots
Chatbots können auf unterschiedlichen Plattformen implementiert werden und so ganz spezifisch den jeweiligen Anwendungsfall bedienen. Typische Integrationsmöglichkeiten sind dabei die Webseite oder die App eines Onlineshops, aber auch Messenger Plattfor-men wie Whats App oder der Facebook Messenger (Fink, 2020).
Die Einbindung in die Unternehmenswebseite ist der bis dato häufigste Usecase im DACH-Raum. Dabei ist es auch möglich den Chatbot nur auf bestimmten Unterseiten zu implementieren oder ihn erst nach Eintreten eines bestimmten Nutzungsverhaltens zu aktivieren. Beispielsweise könnte ein Chatbot zur Produktberatung so eingestellt wer-den, dass er erst nach einigen Minuten der Inaktivität seitens des/der Nutzenden in Er-scheinung tritt und Hilfestellung bei der Produktberatung anbietet (Hundertmark, 2021).
Die Integrationsmöglichkeiten in Messenger Diensten bieten darüber hinaus den Vorteil Chatbots genau dort zu platzieren, wo sich die Zielgruppe aufhält (Fink, 2020). Dabei ist es wichtig auch die Nutzungszahlen des jeweiligen Messengers zu berücksichtigen, um gewährleisten zu können mit dem Chatbot auch tatsächlich auf eine relevante Zielgruppe zu treffen. Der meistgenutzte Messenger im gesamten DACH-Raum ist Whats App (Meh¬ner & Kremming, 2021a). Aber auch der Facebook Messenger ist sehr beliebt, wie ein Vergleich der meist genutzten Messenger Plattformen Deutschlands in 2020 zeigt (sh. Abbildung 6).
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Abbildung 6: Die beliebtesten Messenger 2020 in Deutschland, bezogen auf die Anzahl täglich Nutzender in Mio. (Mehner & Kremming, 2021b, S. 12)
2.3.4 Nutzungsakzeptanz von Chatbots
Voraussetzungfür den erfolgreichen Einsatz von Chatbots ist die Nutzungsakzeptanz der Zielgruppe und deren Bereitschaft Chatbots aktiv zu verwenden. Hierbei ist zunächst ein gewisser Bekanntheitsgrad der neuen Technologie Chatbot erforderlich, in Verbindung mit einem Bewusstsein für die Vorteile und Fähigkeiten von Bots (Prothmann & Cologne Business School, 2018).
Eine Umfrage von Statista (2020) zeigt, dass im Jahr 2019 der Großteil der Deutschen mit den Bezeichnungen „Bot“, „Chatbot“ oder „Social Bot“ nicht vertraut war. Nur 22 % der Befragten waren diese Begriffe bekannt. In einer Umfrage aus 2020, durchgeführt von der Hochschule Aalen, gaben dagegen 47 % der Teilnehmenden an, über Nutzungserfah¬rung mit Chatbots zu verfügen (Gentsch & Sinner, 2020). Demnach lässt sich eine Ten¬denz feststellen, dass die Chatbot Technologie zunehmende Bekanntheit erlangt.
Eine umfangreiche internationale Studie von LivePerson (2020), bei der mehr als 5.000 Endverbraucher/innen aus mehreren Ländern befragt wurden, bestätigt diesen Trend. Wie in Abbildung 7 ersichtlich, stieg der Anteil der Befragten mit Erfahrung in der Nut-zung von Chatbots in den Jahren 2018 bis 2020 deutlich an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A bbil d u n g 7 : An t ei l a n Personen, die im vergangenen Jahr mit einem Chatbot kommuniziert haben, Basis: 5.006 Befragte aus DE, UK, FRAU, USA, JPN, AUS (LivePerson, 2020)
Neben dem Bekanntheitsgrad ist ein weiteres entscheidendes Kriterium für die Nut-zungsakzeptanz von Chatbots, dass die Konzeption und der Usecase des Chatbot-Einsat- zes von den Nutzerinnen und Nutzern als einfach in der Bedienung und nützlich in der Anwendung empfunden wird (Pütz et al., 2021). Der Aspekt der einfachen Bedienbarkeit wurde von Prothmann in Zusammenarbeit mit der Cologne Business School (2018) durch Evaluierung einer Vielzahl verschiedener Chatbots untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass die meisten getesteten Chatbots leicht bedienbar sind und nur geringe Anforderun¬gen an das technische Verständnis des/der Nutzenden stellen (Prothmann & Cologne Business School, 2018).
Auch der Aspekt, der durch die Anwendenden empfundenen Nützlichkeit, wurde bereits in einigen Studien thematisiert, führte jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. So ergab die Umfrage von Die Produktmacher und Elaboratum (2019), dass die meisten An- wender/innen mit dem Nutzen von Chatbots nicht zufrieden sind. 72 % der Befragten gaben an, der Chatbot habe ihre Erwartungen nicht erfüllt.
In der Umfrage von Pidas (2018) bewerteten dagegen 79 % der Befragten die Interaktion mit einem Chatbot als positiv. Die Abbildung 8 und 9 zeigen, welche Aspekte im Einzel¬nen von den Umfrageteilnehmenden positiv und welche negativ gesehen wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Positive Nutzungserfahrungen mit Chatbots (Pidas, 2018, S. 19)
Negative Nutzererfahrungen
Den größten Vorteil von Chatbots sahen die Nutzerinnen und Nutzer in der Kommunika-tionsgeschwindigkeit. Als meistgenannter Negativaspekt von Chatbots wurde genannt, dass die Frage nicht verstanden wurde (Pidas, 2018). Die Studien von Die Produktmacher und Elaboratum (2019) und Prothmann et al. (2018) kamen bezüglich negativer Nut¬zungserfahrungen zu einem ähnlichen Ergebnis. In beiden Studien wurden häufig auf¬tretende Verständnisprobleme festgestellt.
Die Evaluierung von Prothmann et al. (2018) ergab, dass die derzeit eingesetzten Chat-bots noch Schwächen im Sprachverständnis aufweisen. Den Chatbots mangelt es an der Flexibilität auch alternative Formulierungen zu verstehen. Umgangssprache oder gram-matikalische Fehler führen zudem aktuell meist dazu, dass Chatbots keine Antwort ge-ben können.
Hundertmark (2021) vertritt diesbezüglich die These, dass sowohl die Anwendenden, als auch die Unternehmen derzeit generell zu hohe oder falsche Erwartungen an die Fähig-keiten von Chatbots haben. Die negativen Nutzungserfahrungen sind aus ihrer Sicht in erster Linie damit begründet, dass der Usecase für den Einsatz eines Chatbots nicht ge-eignet oder nicht klar genug definiert ist und die Chatbot-Konzeption nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Zielgruppe eingeht, so dass letztlich nicht erfüllbare Erwartungen der Zielgruppe geweckt werden.
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- Quote paper
- Martina Bald (Author), 2022, Produktsuche via Chatbot im Onlinehandel? Eine Analyse der Einstellungen von Kundinnen und Kunden in der DACH-Region, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1195533
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