Die Anhänger der schnellen Massenprivatisierung der staatseigenen Betriebe hofften Anfang der neunziger Jahre, dass der Profitansporn der neuen Inhaber die Wirtschaft der osteuropäischen Länder nach der politischen und ökonomischen Wende stabilisieren würde und sich bald in eine leistungsfähige Gesellschaft etablieren würde. Ihre Erwartungen wurden nur teilweise bestätigt. Besonders in Russland brachten die Privatisierungsbemühungen nicht die erwarteten Erfolge.
Diese Arbeit analysiert, wie sich im Wege der Privatisierung die Corporate Governance entwickelt haben. Russland verkaufte die meisten staatseigenen Unternehmen in Gutscheinauktionen, die selten ehrlich abgelaufen sind. Durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle war es für die Manager ein Leichtes die Unternehmen auszuplündern, was als Insichgeschäfte definiert wird (Verhandlungen zwischen Insidern und der Firma, in denen die Eingeweihten an den Unternehmensunkosten profitieren). In späteren Privatisierungsauktionen wurden die erfolgreichsten russischen Großunternehmen zu Vorzugspreisen an eine Gruppe von Unternehmern verschenkt, die in der russischen Presse als Kleptomanen tituliert werden. Die aktuelle russische Wirtschaftssituation ist desolat. Der Rubel ist entwertet, die meisten Banken sind bankrott, die Korruption bestimmt das schlechte Geschäftsklima, Kapitalflucht ist dominierend und Neuinvestitionen rar. Diese Arbeit soll anhand der Corporate Governance erklären, was bei den russischen Privatisierungsbemühungen falsch gelaufen ist.
Zunächst wird die Geschichte der russischen Privatisierung dargestellt. Als zweiter Schritt werden die Grundkonzepte des Corporate Governance erklärt. Danach folgt die Hauptaufgabe der Arbeit, die Entwicklung der Corporate Governance in Russland und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Diese Arbeit basiert auf dem publizierten Artikel in 52 Stanford Law Review 2000 „Russian Privatization and Corporate Governance: What Went Wrong?“ von Bernard Blank, Reinier Kraakman und Anna Tarassova.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Die russische Privatisierungsgeschichte
1. Massenprivatisierung 1992-1994
2. Darlehen für Anteile und andere Auktionen: 1995 bis 2000
3. Das Resultat: Kleptomanie
III. Corporate Governance
1. Corporate Governance in Russland
IV. Verbesserungsvorschläge
1. Allgemeine Verbesserungsvorschläge
2. Selektive Verstaatlichung und Wiederprivatisierung
V. Russlands wirtschaftliche Zukunft
VI. Zusammenfassung
I. Einführung
Die Anhänger der schnellen Massenprivatisierung der staatseigenen Betriebe hofften Anfang der neunziger Jahre, dass der Profitansporn der neuen Inhaber die Wirtschaft der osteuropäischen Länder nach der politischen und ökonomischen Wende stabilisieren würde und sich bald in eine leistungsfähige Gesellschaft etablieren würde. Ihre Erwartungen wurden nur teilweise bestätigt. Besonders in Russland brachten die Privatisierungsbemühungen nicht die erwarteten Erfolge.
Diese Arbeit analysiert, wie sich im Wege der Privatisierung die Corporate Governance entwickelt haben. Russland verkaufte die meisten staatseigenen Unternehmen in Gutscheinauktionen, die selten ehrlich abgelaufen sind. Durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle war es für die Manager ein Leichtes die Unternehmen auszuplündern, was als Insichgeschäfte definiert wird (Verhandlungen zwischen Insidern und der Firma, in denen die Eingeweihten an den Unternehmensunkosten profitieren). In späteren Privatisierungsauktionen wurden die erfolgreichsten russischen Großunternehmen zu Vorzugspreisen an eine Gruppe von Unternehmern verschenkt, die in der russischen Presse als Kleptomanen tituliert werden. Die aktuelle russische Wirtschaftssituation ist desolat. Der Rubel ist entwertet, die meisten Banken sind bankrott, die Korruption bestimmt das schlechte Geschäftsklima, Kapitalflucht ist dominierend und Neuinvestitionen rar. Diese Arbeit soll anhand der Corporate Governance erklären, was bei den russischen Privatisierungsbemühungen falsch gelaufen ist.
Zunächst wird die Geschichte der russischen Privatisierung dargestellt. Als zweiter Schritt werden die Grundkonzepte des Corporate Governance erklärt. Danach folgt die Hauptaufgabe der Arbeit, die Entwicklung der Corporate Governance in Russland und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Diese Arbeit basiert auf dem publizierten Artikel in 52 Stanford Law Review 2000 „Russian Privatization and Corporate Governance: What Went Wrong?“ von Bernard Blank, Reinier Kraakman und Anna Tarassova.
II. Die russische Privatisierungsgeschichte
Dieser Teil bietet einen Überblick über Russlands Privatisierungsgeschichte. Russlands Wirtschaftprobleme wurden nicht durch die Privatisierung verursacht. Die Ukraine hat viel größere wirtschaftliche Schwierigkeiten, obwohl sie große Unternehmen nicht privatisiert hat. Die Wirtschaftsgüter der Unternehmen werden gestohlen, egal ob privatisiert oder nicht.
Die westlichen Berater unterstützten den Zar der russischen Privatisierung Anatoli Chubais, da er Privatisierung mit allen vorhandenen Mitteln ausübte. Dieses Vorgehen hat sich im Nachhinein als falsch herausgestellt. Schon in der frühen Phase der Privatisierung stellte sich eine massive Schieflage ein. Die Anhänger der schnellen Massenprivatisierung argumentierten damit, dass jedes privatisierte Unternehmen besser als ein staatliches sei, egal wie verdorben die Durchführung vorangetragen würde.
1. Massenprivatisierung 1992-1994
Die westlichen Berater verlangten von Russland eine Schocktherapie: rapide Aufhebung der Preiskontrolle, Freigabe der Märkte und Privatisierung der Industrie. Dabei war die Geschwindigkeit, in der diese Schritte durchgeführt wurden, ausschlaggebend für den Erfolg, damit die Toleranz der Bevölkerung ausgeschöpft werden konnte, bevor die Schocktherapie zu einer Verschiebung in den sozialen Zuständen führen hätte können.
Russland musste in kurzer Zeit Tausende von Unternehmen privatisieren. Sie folgten dem Weg der Tschechischen Republik, die durch Gutscheinauktionen bereits 1992 frühe Erfolge registrierte. In der Tschechischen Republik wurden die meisten Unternehmensanteile in Gutscheinauktionen verkauft. Lediglich ein geringer Teil wurde für die Manager und für die Belegschaft zurückbehalten. Diese Vorgehensweise sicherte eine starke Diversifikation und viele ausländische Inhaber. Das war der erfolgreiche Schritt, welchen Russland leider nicht ging. In Russland hat die Arbeitergesellschaft eine starke Position. Die Politiker versuchten diesen Anforderungen gerecht zu werden und verteilte einen großen Teil der Gutscheine unter den Belegschaften und Managern aus. Die Manager sollten damit einen Ansporn zur Privatisierung und Restrukturierung erhalten, indem sie mit großen Anteilen an den von ihnen geleitete Unternehmen ausgestattet wurden. Ein typisches Resultat war 60-65% Manager- und Belegschaftsbesitz, 20% Besitz durch Einzelpersonen oder Investmentfonds und 15-20 % wurden weiterhin durch den Staat gehalten. Die Unwissenheit und Untätigkeit der russischen Arbeitnehmer garantierte den Managern die Steuerung der Unternehmen. In Russland sind Gutscheine handelbar. Dieser Umstand ließ Manager Gutscheine kaufen, die sie für Anteile an ihren eigenen Firmen eintauschen konnten. Die Manager überzeugten oder zwangen die Arbeitnehmer ihre Gutscheine für wenig Geld zu verkaufen. Es gab aber noch andere Unregelmäßigkeiten.
Die Auktionen waren so organisiert, dass man mehr Anteile für einen Gutschein erhielt, wenn wenige Gutscheine für ein Unternehmensanteil geboten wurde. Dies gab den Insidern die Motivation so viele Teilnehmer wie möglich von den Auktionen fern zu halten. Die Auktionsorte waren meist schwer zu erreichen, oder wurden in letzter Minute geändert. Telefongespräche wurden gestört, Luftflüge verhindert und des öfteren wurden die Teilnehmer mit bewaffnetem Schutz von den Auktionen ferngehalten. Die größten Unternehmen wurden aus der Bürgschaftsprivatisierung herausgehalten.
In den wichtigsten Industrieteilen kreierte die Regierung Pyramidenstrukturen, indem sie steuernde Anteile der wichtigsten Unternehmen in einigen Holdings einbrachte. Später wurden jene Anteile an diese Holdings verkauft. So entstanden sieben Ölholdings: LUKOil, Sidanko, Sibneft, Rosneft, Tyumen Öl, Yukos und VNK. Pyramidenstrukturen sind eine willkommene Einladung für Mehrheitsaktionäre, die Firmen die sie leiten, auszuplündern. Die Privatisierer ignorierten die speziellen Gefahren, die von Pyramidenstrukturen ausgehen. Für sie waren die schlecht durchgeführten Auktionen ein annehmbarer Preis für die schnelle Privatisierung. Auf die Folgen dieser Pyramidenstrukturen in Bezug auf Corporate Governance wird im späteren Teil der Arbeit näher eingegangen.
2. Darlehen für Anteile und andere Auktionen: 1995 bis 2000
Im Russland der neunziger Jahre gab es eine Handvoll Unternehmer (umgangsprachlich Kleptomanen), die es verstanden in kurzer Zeit sehr viel Geld anzusammeln. Die Art und Weise wie sie dies durchführten war meistens nicht legal, wurde aber trotzdem von der Regierung toleriert. Das beste Beispiel dafür ist der Fall der Oneksimbank, geleitet durch Vladimir Potanin. Die Regierung wies die Bank an $502 Millionen an ihre Kreditoren zu überweisen. Oneksimbank ließ das Geld durch zwei Tochterunternehmen laufen und das Geld verschwand spurlos. Es fand keine Untersuchung statt, was mit dem Geld passiert war und die Regierung machte weiterhin Geschäfte mit dieser Bank. Stattdessen wurde Vladimir Potanin zu Kabinettsmitglied berufen, verantwortlich für ökonomische Verbesserung. Diesen Posten nahm er nur solange wahr, bis er bemerkte, dass man viel mehr Geld verdienen kann wenn man die Regierung ausraubte, anstatt mit ihr zusammen zu arbeiten. Eine andere und viel einfachere Weise schnell viel Geld zu erlangen war, die Finanzen der Regierung zu betreuen. Die Bank Menatep betreute das Kapital, welches Russland 1996 für seine militärischen Aktionen in Tschetschenien benötigte und für den späteren Aufbau des Landes ausgeben wollte. Es wird geschätzt, dass $ 4,4 Milliarden dieses Fonds nie an seinem Ziel ankam. Auf diese und ähnliche Weise erhielten die neuen Banken in Russland viel Kapital um die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu beeinflussen.
„Darlehen für Anteile“ - Auktionen waren ein geeignetes Mittel für die Banken und die Kleptomanen die größten und erfolgreichsten Unternehmen zu erwerben. Zu dem Zeitpunkt als die Regierung dringend finanzielle Mittel benötigte, war es aber politisch nicht durchführbar die Anteile der erfolgreichsten, von der Gutscheinprivatisierung herausgehaltenen, Unternehmen zu verkaufen. Die Banken schlugen vor, Kreditmittel der Regierung für einige Jahre zu gewähren, wenn die Rückzahlung durch die Regierungsanteile an diesen Unternehmen gesichert ist. Jeder wusste, dass die Regierung nicht die Darlehen zurück zahlen würde. So wurde das „Silberbesteck“ Russlands für einen Bruchteil des eigentlichen Wertes verschenkt. In den Aktionen versteigerte die Regierung ihre Anteile an Öl-, Rohstoff- und Telefonunternehmen und gab die Anteile an denjenigen, welcher die größten Darlehen anbot. Die Auktionen wurden von den Banken organisiert und diese verstanden es die Auktionen zu manipulieren. In den meisten Fälle wurde der Gewinner schon vorher bestimmt. Wenn trotzdem jemand mitbot, wurden Vorwände gefunden um ihn von der Auktion zu disqualifizieren. Bei dem Verkauf von Norilski (Nickelunternehmen) durch die Oneksimbank, bot Rossiiski Kredit Bank $ 355 Millionen für ein Unternehmen, das circa $ 400 Millionen Profit im Jahr erwirtschaftet. Oneksimbank gewann die Auktion zu einem Preis von $ 170,1 Millionen, knapp über dem Mindestgebot. Rossiiski Kredit Bank wurde disqualifiziert, da das Angebot den Wert der ausgegebenen Aktien übersteigt. Obwohl die Begründung keine rechtliche Basis hatte, bekam Oneksimbank den Zuschlag. Die manipulierten Auktionen fanden bis in die späten neunziger Jahre unter den Augen der Weltöffentlichkeit statt. Im Jahr 1999 kaufte eine unbekannte ausländische Firma, vermutlich von Lukoil´s Manager gesteuert, 9 % der Anteile an LUKOil von der Regierung zum Preis von $3 pro Aktie, als der Marktpreis $ 8 betrug.
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- Arbeit zitieren
- Hans-Werner Scherer (Autor:in), 2002, Russische Privatisierung und Corporate Governance, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11953
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