Der folgenden Arbeit liegt das Werk »de libero arbitrio« des Kirchenvaters Augustinus zu Grunde. Aufgebaut ist dieses in drei Büchern, welche in chronologischer Reihenfolge an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verfasst wurden. Dadurch lässt sich auch bereits an diesem einen Werk ein Teil der Entwicklung Augustins erkennen. Das gesamte Werk ist in einem Dialog zwischen Augustinus und seinem Gesprächspartner Evodius gehalten. Letzterer ist keine Symbolfigur, sondern tatsächlich ein Zeitgenosse und Freund des Augustinus. Der Ursprung des Dialoges liegt vermutlich in Gesprächen, welche zwischen beiden in Rom stattfanden und dann den Ausgangspunkt des Werkes bildeten.1 Evodius’ Rolle als fragender und hinterfragender Dialogpartner stellt hierbei die Verkörperung des Lesers dar, welcher überzeugt werden soll, während Augustinus die des „Lehrmeisters“ einnimmt, welcher – durchaus auch in Zusammenarbeit mit Evodius –die Fragen beantwortet, Beweise erbringt und eine Argumentation aufbaut. Während der Grundgedanke des Werkes die Frage ist, ob denn Gott als Urheber des Schlechten in der Welt – des malum – gelten kann, soll in der vorliegenden Arbeit darauf eingegangen werden, inwiefern eine Willensfreiheit des Menschen möglich sei, wenn Gott über ein Vorherwissen verfügt. Dazu soll zu Beginn zum besseren Verständnis kurz auf den Autor eingegangen und anschließend sein Werk umrissen werden, indem jeweils jedes einzelne Buch betrachtet wird. Dies kann natürlich aufgrund der Fülle nur in Auswahl geschehen, so dass vorwiegend Aspekte berücksichtigt werden, welche für das Thema der Arbeit von Bedeutung sind. Im Anschluß daran soll auf der Grundlage des Werkes »de libero arbitrio« die oben angesprochene Problematik genauer dargelegt werden, indem zum Einen auf die Frage des freien Willens, zum anderen aber auch auf die Bedingungen und die Qualität von Vorherwissen eingegangen wird, um schließlich auch die von Augustinus erbrachten Lösungsansätze näher zu beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Autor und Werk
2.1 Augustinus
2.2 De libero arbitrio
2.2.1 Von der Bedeutung Böses zu tun
2.2.2 Der Zweck des freien Willens
2.2.3 Sünde, Ordnung und Gerechtigkeit
3 Vorherwissen und freier Wille
3.1 Problemstellung
3.1.1 Bedingungen des freien Willens
3.1.2 Vorherwissen Gottes
3.2 Lösungsansatz
3.3 Gerechtigkeit trotz Vorherwissen (?)
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der folgenden Arbeit liegt das Werk »de libero arbitrio« des Kirchenvaters Augustinus zu Grunde. Aufgebaut ist dieses in drei Büchern, welche in chronologischer Reihenfolge an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verfasst wurden. Dadurch lässt sich auch bereits an diesem einen Werk ein Teil der Entwicklung Augustins erkennen.
Das gesamte Werk ist in einem Dialog zwischen Augustinus und seinem Gesprächs- partner Evodius gehalten. Letzterer ist keine Symbolfigur, sondern tatsächlich ein Zeit- genosse und Freund des Augustinus. Der Ursprung des Dialoges liegt vermutlich in Gesprächen, welche zwischen beiden in Rom stattfanden und dann den Ausgangspunkt des Werkes bildeten.1 Evodius’ Rolle als fragender und hinterfragender Dialogpartner stellt hierbei die Verkörperung des Lesers dar, welcher überzeugt werden soll, während Augustinus die des „Lehrmeisters“ einnimmt, welcher – durchaus auch in Zusammen- arbeit mit Evodius – die Fragen beantwortet, Beweise erbringt und eine Argumentation aufbaut.
Während der Grundgedanke des Werkes die Frage ist, ob denn Gott als Urheber des Schlechten in der Welt – des malum – gelten kann, soll in der vorliegenden Arbeit darauf eingegangen werden, inwiefern eine Willensfreiheit des Menschen möglich sei, wenn Gott über ein Vorherwissen verfügt.
Dazu soll zu Beginn zum besseren Verständnis kurz auf den Autor eingegangen und anschließend sein Werk umrissen werden, indem jeweils jedes einzelne Buch betrachtet wird. Dies kann natürlich aufgrund der Fülle nur in Auswahl geschehen, so dass vorwie- gend Aspekte berücksichtigt werden, welche für das Thema der Arbeit von Bedeutung sind.
Im Anschluß daran soll auf der Grundlage des Werkes »de libero arbitrio« die oben angesprochene Problematik genauer dargelegt werden, indem zum Einen auf die Frage des freien Willens, zum anderen aber auch auf die Bedingungen und die Qualität von Vorherwissen eingegangen wird, um schließlich auch die von Augustinus erbrachten Lösungsansätze näher zu beleuchten.
2 Autor und Werk
2.1 Augustinus
Augustinus lebte von 354 bis 430 n. Chr. Trotz seiner streng (christlich) gläubigen Mut- ter lehnte Augustinus das Christentum zunächst ab, vielmehr identifizierte er sich einst- weilen mit dem dualistischen Weltbild des Manichäismus.1 Er studierte in Karthago das Fach Rhetorik, welches er nur wenige Jahre später selbst lehrte.2 Im Jahre 383 verließ er die Provinz Africa und trat in Rom eine Stelle als Rhetoriklehrer an. Vermutlich auch auf Grund seiner manichäischen Überzeugungen erhielt er bald darauf in Mailand am Hof eine Stelle als kaiserlicher Redner und damit die höchste Anstellung, die für einen Rhetor möglich war.3
Vor Ort machte Augustinus Bekanntschaft mit der philosophischen Schule der Neu- platoniker, denen er sich mehr und mehr zuwendete, während er vom Manichäismus Abstand nahm.4 Der Neuplatonismus, der als Philosophie in der Tradition Plotins un- ter christlichen Vorzeichen gesehen werden kann, sollte Augustinus und sein künftiges Leben prägen.5 Er machte somit in Mailand, welches als ein Zentrum dieser zeitgenös- sischen Bewegung galt,6 erstmals positive Erfahrungen mit christlichen Gedanken im Zusammenhang zur Philosophie.
Im Jahr 386 bekannte sich Augustinus zum Christentum, nachdem er sein Leben schon vorher den Erfordernissen angepasst hatte. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen radikalen Bruch, wie er selbst in den später erschienenen confessiones darstellt, sondern vielmehr um eine langwierige Hinwendung zur christlichen Religion und Philosophie. Kurz darauf, 387, erfolgte seine Taufe. Seine Ämter, auch den Lehrstuhl in Mailand, legte er nieder und kehrte in die Provinz Africa – in etwa das Gebiet des heutigen Al- geriens – zurück. Ab 391 prägte ihn und seine Werke ein intensives Bibelstudium, vor allem befasste er sich mit der Pauluslektüre.7 Die Weihe zum Presbyter (391) gilt als eigentlicher Wendepunkt, sowohl in philosophischer Hinsicht, als auch was sein Le- ben betrifft. Die christliche Botschaft gewinnt seit dieser Zeit zunehmend an Gewicht, während die neuplatonischen Ideen verdrängt werden.8
Als Frühschriften Augustins, zu denen auch »de libero arbitrio« zählt,9 gelten die Wer- ke, welche vor der Priesterweihe begonnen, beziehungsweise kurz darauf beendet wur- den.10 Chronologisch lässt sich dieser Zeitraum etwa von 386 bis 395 umreißen.11
In der Frühzeit liegt Augustins Schwerpunkt bei der Bedeutung des Handelns und des Willens. In seinen späteren Werken jedoch weichen diese Aspekte zu Gunsten der Gnade Gottes, da nur diese für die Erlösung von Belang sei.12 Deutlich wird diese Verschie- bung seiner Ansichten vor allem auch daran, dass Augustinus ab ca. 416 nicht nur allein gegen seinen Widersacher Pelagius, sondern auch gegen seine eigenen Frühwerke, wel- che letzterer heranzog, kämpfte und sie zu widerlegen versuchte.13
2.2 De libero arbitrio
Eine der wesentlichen Leistungen Augustins war die Entwicklung des Begriffs eines
„freien Willens“ der seiner modernen Bedeutung schon sehr nahe kommt.14 Der Unter- schied zur griechisch-römischen Antike, in der ein freier Wille in der Art nicht bekannt war, bestand darin, dass man der Überzeugung war, das Handeln sei von Wissen und Emotionen bestimmt und nicht vom Willen. Gutes, das heißt vernünftiges Handeln, hat demnach seinen Ursprung in Wissen und Vernunft, während schlechtes Handeln aus den Emotionen hervorgeht, welche die Vernunft schwächen oder außer Kraft setzen. Dem- zufolge ist moralisch schlechtes Benehmen auch kein Ausdruck von Bosheit, wie dies für den freien Willen zuträfe, sondern ein Zeichen von Unwissenheit und Unvernunft.15
Demgemäß wäre es auch nicht möglich, bei ungetrübtem Bewusstsein eine schlechte Handlung durchzuführen, mit dem Wissen, dass diese schlecht ist.16 Die Freiheit wurde daher weniger in der Willensfreiheit gesehen, sondern eher im Bezug auf die Erreich- barkeit der beabsichtigten Handlung, also bezogen auf das Fehlen äußerer und innerer Zwänge, welche sich auf die Handlung auswirken könnten.
Die Fokussierung auf die Ursprünge dieser Handlungen – also die Bestrebungen des Willens, die Willensbildung und die möglichen Einflüsse auf diesen menschlichen Wil- len – erfolgte zunächst durch Paulus17 und wurde später durch Augustinus, mit der Ab- sicht einen unabhängigen, indeterminierten freien menschlichen Willen zu demonstrie- ren, herausgearbeitet.18
Das Problem der Freiheit wurde nun dank Augustinus nicht mehr primär im Verhältnis des wollenden Menschen zu seiner Umwelt verortet, sondern schon innerhalb des Men- schen selbst – als Beziehung zwischen seinen Bestrebungen und seinem Willen. Der Wille bestimme demnach selbst, was er wolle und sei damit unabhängig von externen Einflüssen.19 Augustinus beschäftigte sich mit der Frage, ob der Mensch von dem, was er anstrebt, auch wirklich will – und aus eigener Kraft wollen kann – dass er es anstrebt20 um schließlich die Frage beantworten zu können, ob der Mensch für sein Handeln allein verantwortlich gemacht und gegebenenfalls gerecht verurteilt werden kann.
2.2.1 Von der Bedeutung Böses zu tun
Im ersten Buch von »de libero arbitrio« behandelt Augustinus die Frage, was es ei- gentlich bedeute, Böses zu tun. Dafür legt er zunächst die Begierde als Bedingung dar; eine tragende Rolle spiele die schuldhafte Begierde, sie sei die Liebe zu vergänglichen Dingen. Dazu zählen beispielsweise materielle Güter, die eigene Gesundheit wie auch andere Menschen.21 Diese Begierde müsse ferner gegen Gesetze verstoßen, um Böses zu bewirken. Hierzu ist eine Differenzierung nötig, da allein die Sorge um die vergehenden Güter nicht unbedingt gegen weltliche Gesetze verstößt und somit im herkömmlichen Sinn an sich kaum strafbar sein kann. Jedoch gebe es außer den positiven Gesetzen, welche zur Lenkung des Staates vonnöten sind, ferner auch das ewige Gesetz. Dieses habe universelle Geltung und regele den Kosmos. Die Beziehung zwischen diesen Ge- setzesarten besteht unter anderem darin, dass die positiven Gesetze ihre Legitimität vom ewigen Gesetz einerseits herleiten, andererseits aber Handlungen erlauben, welche das ewige Gesetz verbietet. Böses zu tun ist demnach kein Verstoß gegen die zeitlichen Gesetze, sondern gegen das ewige Gesetz, welches das moralische darstellt.22
Ferner wird als Bedingung, dank der es möglich ist Böses zu tun, die Notwendigkeit gesehen, dass die Begierden sich gegen die Vernunft durchsetzen können. Indem Au- gustinus zeigt, dass kein niederes, kein gleiches und erst recht kein höheres Wesen die menschliche Vernunft zwingen könnte, ihre naturgegebene Herrschaft über die Begier- den aufzugeben, lokalisiert er den Ursprung dieser Entwicklung im Willen.23 Da er da- mit äußere Einflüsse ausschließen kann, negiert Augustinus mit dieser Argumentation den manichäischen Dualismus, welcher ein zweites gottähnliches Wesen als Ursprung des Bösen vermutet.24
2.2.2 Der Zweck des freien Willens
Das zweite Buch des Werkes widmet sich überwiegend der Frage, warum es denn nö- tig sei, dass der Mensch einen freien Willen erhalten habe, wenn doch die Möglichkeit des Missbrauchs besteht. Den Großteil des Buches nimmt Augustins Gottesbeweis ein, welcher benötigt wird, um die Frage nach der Herkunft des Willens zu beantworten. Augustinus erbringt diesen Nachweis, indem er zeigt, dass es etwas Höheres als die menschliche Vernunft gibt, was wiederum Gott sein müsse.25 Im Weiteren leitet Augus- tinus den freien Willen von Gott her, da er trotz seiner Missbrauchsmöglichkeit ein von Gott gegebenes Gut sei – schließlich sei alles was ist durch Gott gegeben.26
Damit klärt sich auch die anstehende Frage, ob der Wille so gegeben werden musste, wie Gott ihn gab. Denn ohne die Möglichkeit ihn zu missbrauchen, könnte der Wille nicht als Mittel zum Zweck der Tugendhaftigkeit gebraucht werden.27
[...]
1 Vgl. BRACHTENDORF, Johannes: Einleitung. In: AUGUSTINUS Aurelius: De libero arbitrio – Der freie Wille. Paderborn, München, Wien, Zürich, 2006, (Augustinus Opera – Werke B. Frühe philosophische Schriften, Bd. 9), S. 7.
1 Vgl. POLLMANN, Karla: Art.: Augustinus. In: CANCIK, Hubert (u.a.) (Hrsg.): Der neue Pauly: Enzy- klopädie der Antike. Band 2, Stuttgart / Weimar, 1997, Sp. 294.
2 Vgl. HABERMEHL, Peter: Art.: Augustinus, Aurelius. In: LUTZ, Bernd (Hrsg.): Metzler-Philosophen- Lexikon: von den Vorsokratikern bis zu den Neuen Philosophen. 3. Auflage. Stuttgart / Weimar, 2003, S. 39.
3 Vgl. HABERMEHL (2003), S. 39.
4 Vgl. POLLMANN (1997), Sp. 295.
5 Vgl. FUHRER, Therese: Augustinus. Darmstadt, 2004, S. 10.
6 Vgl. FUHRER (2004), S. 10.
7 Vgl. FLASCH, Kurt: Augustin – Einführung in sein Denken. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage. Stuttgart, 1994, (Reclam Universal Bibliothek 9962), S. 172.
8 Vgl. HABERMEHL (2003), S. 40.
9 Vgl. FUHRER, Therese: Frühschriften. In: DRECOLL, Volker Henning (Hrsg.): Augustin Handbuch. Tübingen, 2007, S. 370. Begonnen wurde das Werk im Jahr 388, das dritte Buch im vermutlich Jahr 395 beendet.
10 Vgl. FUHRER (2007), S. 261.
11 Vgl. HORN, Christoph: Augustinus. München, 1995, (Beck’sche Reihe Denker: 531, hrsg. von Ottfried Höffe), S. 38.
12 Vgl. FLASCH (1994), S. 174.
13 Vgl. FLASCH (1994), S. 176.
14 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 45.
15 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 45.
16 Vgl. HORN, Christoph: Art. Wille. In: RITTER, Joachim, GRÜNDER, Karlfried und GABRIEL, Gottfried (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Völlig neubearbeitete Ausgabe von Rudolf Eisler. Band 12, Basel, 2004, Sp. 763.
17 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 46.
18 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 47 f. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Augustinus die Freiheit des Willens zusätzlich in der postlabsalen Situation einschränkt, was dem heutigen Freiheitsbegriff nicht völlig entspricht. Vgl. S. 54 f.
19 Vgl. Aug. Lib. arb. III 8.33.
20 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 46 f.
21 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 11.
22 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 12.
23 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 13.
24 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 52.
25 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 19.
26 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 20.
27 Vgl. BRACHTENDORF (2006), S. 20.
- Arbeit zitieren
- Lutz Spitzner (Autor:in), 2008, Willensfreiheit und göttliches Vorherwissen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119414
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.