Die Störung Stottern äußert sich in Sprechunflüssigkeiten in Form von Unterbrechungen bzw. Verzögerungen des Redeflusses. Neben diesen hör- und sichtbaren Symptomen können in Abhängigkeit von psychischen und sozialen Einflüssen durch Lernprozesse Veränderungen im kognitiven und emotionalen Bereichen der Persönlichkeit des Betroffenen entstehen. Die Entwicklung und Ausprägung der Art der Stottersymptomatik, das Flucht- und Vermeidungsverhalten des Stotternden, negative Emotionen, Kognitionen und körperliche Reaktionen können während des Entwicklungsprozesses geprägt werden (WEIKERT 1996). Stottern als kommunikationsabhängige Störung kann somit psychosoziale Auswirkungen haben, die sich in Ängsten, Frustrationen, Schamgefühlen und Vermeidungsverhalten äußern können. Eine negative Einstellung zur eigenen Person kann sich im Laufe der Zeit entwickeln.
Möglichkeiten, die individuell mit dem Stottern einhergehenden Probleme zu bewältigen, bieten sich in Therapien und in Selbsthilfegruppen für Stotterer. In den Selbsthilfegruppen für Stotterer steht die Auseinandersetzung mit den persönlichen Konflikten und den seelischen Störungen im Vordergrund. Welche Gründe zum Beitritt einer Stotterer-Selbsthilfegruppe motivieren, welche inhaltliche Arbeiten diese Gruppen leisten und welche Möglichkeiten sich den Betroffenen bieten, soll in dieser Arbeit dargestellt werden. Auch die bestehenden Grenzen der Selbsthilfearbeit sollen diskutiert werden. Die Möglichkeiten und Grenzen von Selbsthilfegruppen für Stotterer sollen im Anschluß kurz mit den Möglichkeiten von professionellen Therapien verglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Stottern - Probleme und Möglichkeiten der Bewältigung
1.1 Probleme und Belastungen beim Stottern
1.2 Möglichkeiten der Bewältigung
2 Die Stotterer-Selbsthilfebewegung
2.1 Gründe für den Beitritt in eine Stotterer-Selbsthilfegruppe
2.2 Inhalte der Arbeit von Stotterer-Selbsthilfegruppen
3 Grenzen der Arbeit von Selbsthilfegruppen für Stotterer
4 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Störung Stottern äußert sich in Sprechunflüssigkeiten in Form von Unterbrechungen bzw. Verzögerungen des Redeflusses. Neben diesen hör- und sichtbaren Symptomen können in Abhängigkeit von psychischen und sozialen Einflüssen durch Lernprozesse Veränderungen im kognitiven und emotionalen Bereichen der Persönlichkeit des Betroffenen entstehen. Die Entwicklung und Ausprägung der Art der Stottersymptomatik, das Flucht- und Vermeidungsverhalten des Stotternden, negative Emotionen, Kognitionen und körperliche Reaktionen können während des Entwicklungsprozesses geprägt werden (WEIKERT 1996). Stottern als kommunikationsabhängige Störung kann somit psychosoziale Auswirkungen haben, die sich in Ängsten, Frustrationen, Schamgefühlen und Vermeidungsverhalten äußern können. Eine negative Einstellung zur eigenen Person kann sich im Laufe der Zeit entwickeln.
Möglichkeiten, die individuell mit dem Stottern einhergehenden Probleme zu bewältigen, bieten sich in Therapien und in Selbsthilfegruppen für Stotterer. In den Selbsthilfegruppen für Stotterer steht die Auseinandersetzung mit den persönlichen Konflikten und den seelischen Störungen im Vordergrund. Welche Gründe zum Beitritt einer Stotterer-Selbsthilfegruppe motivieren, welche inhaltliche Arbeiten diese Gruppen leisten und welche Möglichkeiten sich den Betroffenen bieten, soll in dieser Arbeit dargestellt werden. Auch die bestehenden Grenzen der Selbsthilfearbeit sollen diskutiert werden. Die Möglichkeiten und Grenzen von Selbsthilfegruppen für Stotterer sollen im Anschluß kurz mit den Möglichkeiten von professionellen Therapien verglichen werden.
1 Stottern - Probleme und Möglichkeiten der Bewältigung
1.1 Probleme und Belastungen beim Stottern
"Das Stottern" gibt es nicht; bei jedem Menschen ist es einzigartig ausgeprägt und mit verschiedenen Symptomen verbunden (OERTLE 1998). Stottern steht im Zusammenhang mit situativen und personalen Reizen; es tritt situativ unterschiedlich stark auf und kann durch innere und äußere Reize verstärkt bzw. verringert werden (WEIKERT 1996).
In der Theoriediskussion bezüglich des Stotterns zeichnen sich drei Einflußbereiche ab, die mit dem Stottern in Wechselwirkung stehen (JOHANNSEN/SCHULZE 1993; vgl. auch MOTSCH 1992):
- physiologische und neurophysiologische,
- linguistische,
- psychosoziale Einflußfaktoren.
Physiologische und neurophysiologische Faktoren haben bezüglich der Ätiologie des Stotterns eine gewisse Bedeutung, wobei unklar ist, in welchem Ausmaß (FIEDLER/STANDOP 1994).
Weil linguistische Probleme überproportional häufig bei Stotterern auftreten, wird eine Beziehung zum Stottern vermutet. Für den syntaktischen Bereich weisen verschiedene Untersuchungsergebnisse darauf hin, daß mit steigender Komplexität und/oder steigender Äußerungslänge die Sprechunflüssigkeiten zunehmen. Weiterhin tritt Stottern eher bei betonten als bei unbetonten Silben auf. Vermutet werden außerdem Schwierigkeiten von Stotternden mit der rhythmischen Struktur und der Zeitsynchronisation der Sprache (vgl. WEIKERT1996).
Psychosoziale Faktoren als verursachende Faktoren wurden in der Vergangenheit eher überbewertet (SCHULZE/JOHANNSEN 1986), doch spielen sie bezüglich der Entwicklung, des Ausprägungsgrades und der Aufrechterhaltung des Stotterns eine wesentliche Rolle (WEIKERT 1996). Psychische und soziale Einflüsse scheinen für die Entwicklung und mit dem Stottern verbundenen Lernprozesse eine zentrale Bedeutung zu haben. Durch die andersartige Sprechweise verletzen Stotternde die kommunikativen Interaktionsregeln und beeinflussen den kommunikativen Umgang mit Menschen. Die Lernprozesse, die mit dem Stottern verbunden sind, entwickeln sich aus diesen Person-Umwelt-Interaktionen. Eine besondere Bedeutung weist deshalb das vorherrschende Bild in der Gesellschaft über das Stottern oder Stotternde bzw. die soziokulturellen Einflüsse, denen Stotternde ausgesetzt sind, auf (WEIKERT 1996). Das Bild von Stotterern ist in der Gesellschaft vielfach durch Vorurteile und negative Zuschreibungen geprägt (BENECKEN 1996; HENNEN 1988). Daß eine gesellschaftliche Stigmatisierung auf die Persönlichkeitsentwicklung und das Selbstkonzept Auswirkungen haben kann, ist aus verschiedenen Behinderungs-bereichen bekannt (WEIKERT 1996). Negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes von Stotterern, der sozialen Rolleneinnahme in der Gesellschaft und die Art und Weise, mit dem eigenen Stottern umzugehen wurden von VAN RIPER (1971) schon früh beschrieben.
Die Symptomatik des Stotterns setzt sich aus verschiedenen Dimensionen zusammen, die theoretisch differenziert werden können, wobei die Übergänge praktisch fließend sind. Für die Diagnostik und Therapie wird zwischen offener und verdeckter und zwischen primärer und sekundärer Symptomatik unterschieden (FIEDLER/STANDOP 1994).
Das primäre Stottern zeichnet sich durch Sprechunflüssigkeiten aus, die sich im Sprechablauf kaum als störend bemerkbar machen (STECKER1988). Die offene Dimension charakterisiert die hör- und sichtbaren Stottersymptome. Dies sind überdurchschnittlich häufige Unterbrechungen des Redeflusses eines Sprechers (klonische und tonische Symptome) und den Stottervorgang begleitende sprach- und stimmliche Auffälligkeiten (Flicklaute und -wörter, Starter), Auffälligkeiten in der Atmung, Mitbewegungen der Gesichts- und Halsmuskulatur, der Extremitäten oder auch des ganzen Körpers. Diese Verhaltensweisen zählen gleichzeitig zu den sekundären Symptomen, weil sie reaktiv als Folge auf das primäre Stottern gelernt wurden (WEIKERT 1996). STECKER (1988, 129) bezeichnet dieses komplexe Erscheinungsbild des sekundären Stotterns als "mißlungenen Selbsthilfeversuch" des Stotterers.
Die verdeckte Dimension des Stotterns beinhaltet negative Emotionen (z.B. Angst- und Schamgefühle, Frustration) und Flucht- bzw. Vermeidungsverhalten, das aus Verhaltensweisen besteht, die das Stottern nicht offensichtlich werden lassen sollen (Vermeiden von Wörtern, Lauten, Situationen, Personen). Diese Verhaltensweisen sind ebenfalls reaktiv gelernt (WEIKERT 1996). Solche Vermeidungsstrategien werden immer komplizierter und umfassender und beziehen sich im Laufe der Zeit nicht mehr nur auf das Sprechverhalten, sondern auf das gesamte Verhalten, die Einstellungen und die Sozialisation des Stotterers (STECKER 1988).
Oft wird beim Stottern in seinem Entwicklungsverlauf die ehemals offene Primärsymptomatik durch eine verdeckte Sekundärsymptomatik überlagert (WEIKERT 1996), die dann die eigentliche Störung darstellt, an der der Stotterer leidet (STECKER 1988).
Die gesprochene Sprache ist das zentrale Kommunikationsmittel der zwischenmenschlichen Interaktion. Durch die Einschränkung beim Sprechen, z.B. durch plötzliches Hängenbleiben und motorische Mitbewegungen, verletzt der Stotternde ungewollt die Regeln des Dialogs und zeigt dem Geprächspartner, daß er reden will, aber nicht kann. Oder er nutzt Kaschierungsmethoden bzw. schweigt, um sein Stottern nicht zu zeigen. Da "ein Mensch nicht nicht kommunizieren kann", ändert sich hierdurch sowohl der Inhaltsaspekt (die Information) als auch der Beziehungsaspekt, der den zwischenmenschlichen Kommunikationsprozessen zugrundeliegt (WATZLAWICK et al. 1996, 53), denn der Stotternde drückt auch damit etwas über sich und seine Person aus.
Die vier Bedeutungsebenen (Sach-, Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene) in Kommunikationsprozessen (SCHULZ VON THUN 1998) sind prinzipiell als gleichwertig anzusehen, können aber in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine unterschiedliche Relevanz aufweisen und zum (Nicht-) Gelingen der Kommunikation beitragen. Der Stotternde weiß zwar nicht, was der andere von ihm denkt, geht jedoch davon aus, daß es nicht positiv sein kann (OERTLE 1998). Dieser Aspekt der Selbstoffenbarung in belastenden Kommunikationssituationen scheint beim Stottern eine zentrale Rolle zu spielen (WEIKERT 1996). Die Anerkennung und Bestätigung der sozialen Gemeinschaft, zu der der Stotternde gehören möchte, ist ihm aus seiner Perspektive nicht mehr sicher. Sein Leiden kann durch ein beeinträchtigtes inneres Gleichgewicht und Selbstwertgefühl gekennzeichnet sein und dadurch seine Entfaltungsmöglichkeiten hemmen (OERTLE 1998).
Auch mit den anderen Bedeutungsebenen kann das Stottern in Wechselwirkung stehen und somit die Kommunikation beeinflussen. Hat der Zuhörer Probleme beim Verständnis der Inhalte des Gesagten, ist die Sachebene beeinträchtigt; versteht der Kommunikationspartner zwar die Inhalte, ihn irritiert aber das Stottern, so kann die Beziehungsebene gestört sein.
Das Stottern stellt nicht prinzipiell eine Kommunikationsstörung dar, kann sich aber im Laufe der Zeit zu einer komplexen Kommunikationsstörung entwickeln. Die damit einhergehenden Belastungen können vielfältig sein und sind davon abhängig, wie Sprecher und Hörer das Stottern subjektiv erleben und bewerten. Die Bewertungsprozesse können als permanente Rückmeldeprozesse verstanden werden, die wiederum Einfluß auf die Stottersymptomatik haben können. Diese Auswirkungen können sich langfristig auf den gesamten Lebensverlauf auswirken (WEIKERT 1996).
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- Arbeit zitieren
- Daniela Bröske (Autor:in), 2001, Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit von Selbsthilfegruppen für Stotterer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11935
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