Der Grundbegriff einer humanen Gesellschaft ist Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft, welche auf der Kooperation ihrer Mitglieder zu wechselseitigem Vorteil beruht, bedarf einer von allen anerkannten und als gerecht empfundenen Organisationsstruktur, da sonst im Gegensatz zur Kooperation sich der Kampf aller gegen alle, der bellum omnium contra omnes, durchsetzen würde. Es geht darum, Gerechtigkeit in dem Sinne zu schaffen, dass die Lasten der gemeinsamen Arbeit für den einzelnen gleichmäßig verteilt sind. „Wenn im folgenden von Gerechtigkeit gesprochen wird, ist immer die distributive gemeint.“ Rawls geht davon aus, dass rationale Menschen im sogenannten Urzustand, gerechte Grundsätze für ihr Zusammenleben formulieren, weil sie gleichsam naiv handeln. Dieser Zustand, der später noch genauer erläutert wird, ist laut Rawls bestimmt durch den „Schleier des Nichtwissens“. Rawls stellt die These auf, dass die distributive Gerechtigkeit wesentlich zu zwei Verteilungsprinzipien führt. Zum einen, dass jedes Mitglied der Gesellschaft gerechter Maßen gleichen Zugriff auf Grundfreiheiten haben muss. Zum anderen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten so zu gestalten sind, dass sie jedermanns Vorteil dienen und jedem der Weg offen steht, ein Amt in denjenigen Institutionen zu bekleiden, welche die distributive Gerechtigkeit durchsetzten. Dem ersten Freiheitsprinzip kommt absolute Priorität zu.
Rawls geht davon aus, dass Grundsätze, die von rationalen Akteuren im Urzustand beschlossen werden, welcher vom oben schon erwähnten „Schleier des Nichtwissens“ der Akteure geprägt ist, gerecht seien. Diese Beschlüsse, die in einem verbindlichen Vertrag münden, sind auch schon von den frühen neuzeitlichen Philosophen wie Hobbes oder Locke ähnlich formuliert worden. Rawls erweitert jedoch diesen Kontraktualismus entscheidend, indem die Untersuchung von Gerechtigkeit nicht auf der Ebene von Personen oder Handlungen verweilt, sondern Rawls die sich im Urzustand vollziehende Vernunft untersucht.
In dem Roman „Schwarzenberg“ von Stefan Heym wird eine historische Situation unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg beschrieben, die dem theoretischen Begriff des Urzustands, wie Rawls ihn beschreibt, ähnlich ist. Die im Roman beschriebene Unvoreingenommenheit der Akteure lässt die Vermutung zu, dass es sich hier um eine Situation handelt, die so beschaffen ist, dass sie Gerechtigkeit als das Ergebnis einer rationalen Einigung unter fairen Bedingungen ermöglicht.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Vorstellung John Rawls´ Theorie der Gerechtigkeit
- 3. Der Urzustand
- 3.1. Formale Bedingungen der Gerechtigkeit
- 3.2. Kenntnisse der Akteure im Urzustand
- 3.3. Vernünftigkeit und Motivation der Menschen im Urzustand
- 4. Der Urzustand in Heyms Roman Schwarzenberg
- 5. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht John Rawls' Theorie der Gerechtigkeit und wendet sie auf Stefan Heyms Roman „Schwarzenberg“ an. Ziel ist es, die theoretischen Konzepte Rawls' in einem konkreten historischen Kontext zu veranschaulichen und zu analysieren, ob und wie die im Roman dargestellte Situation einem Rawlsschen Urzustand entspricht.
- Rawls' Theorie der Gerechtigkeit
- Das Konzept des Urzustands
- Die Anwendung des Urzustandsmodells auf den historischen Kontext von Heyms Roman
- Distributive Gerechtigkeit
- Rationale Entscheidungsfindung im Kontext von Unsicherheit
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt den zentralen Begriff der Gerechtigkeit ein und beschreibt den Zusammenhang zwischen Kooperation, gerechter Organisation und dem Vermeiden eines „bellum omnium contra omnes“. Sie stellt Rawls' These vor, dass rationale Menschen im Urzustand, geprägt vom „Schleier des Nichtwissens“, gerechte Grundsätze für ihr Zusammenleben formulieren würden, welche zu zwei Verteilungsprinzipien führen: gleiche Grundfreiheiten und sozial-ökonomische Ungleichheiten zum Vorteil aller. Die Arbeit kündigt die Anwendung von Rawls' Theorie auf Heyms Roman „Schwarzenberg“ an, in dem die unmittelbare Nachkriegszeit einen potentiellen Urzustand darstellen könnte, aufgrund der Unsicherheit und des Zusammenbruchs alter Strukturen.
2. Vorstellung John Rawls' Theorie der Gerechtigkeit: Dieses Kapitel stellt Rawls' Theorie der Gerechtigkeit vor. Rawls untersucht Gerechtigkeit als internes Verteilungsproblem innerhalb eines Kollektivs, das durch gemeinsame Arbeit einen Mehrwert produziert. Er lehnt utilitaristische Ansätze ab, die die Maximierung des Gesamtnutzens priorisieren, auch auf Kosten einzelner Mitglieder. Rawls betont die „richtige Verteilung der Früchte und Lasten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit“ sowie die gerechte Zuweisung von Rechten und Pflichten in den grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen. Eine wohlgeordnete Gesellschaft zeichnet sich durch einen Konsens über Gerechtigkeit aus, der die Koordination von Effizienz und Stabilität gewährleistet. Rawls’ Fokus liegt auf sozialer Gerechtigkeit in der Grundstruktur der Gesellschaft.
Schlüsselwörter
John Rawls, Gerechtigkeitstheorie, Urzustand, Schleier des Nichtwissens, distributive Gerechtigkeit, Stefan Heym, Schwarzenberg, Nachkriegszeit, soziale Gerechtigkeit, Grundfreiheiten, rationale Akteure, Vertragstheorie, gesellschaftliche Grundstruktur.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse von John Rawls' Gerechtigkeitstheorie in Stefan Heyms "Schwarzenberg"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert John Rawls' Theorie der Gerechtigkeit und wendet sie auf Stefan Heyms Roman "Schwarzenberg" an. Der Fokus liegt darauf, die theoretischen Konzepte Rawls' in einem konkreten historischen Kontext (der unmittelbaren Nachkriegszeit) zu veranschaulichen und zu untersuchen, inwiefern die im Roman dargestellte Situation einem Rawlsschen Urzustand entspricht.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Rawls' Theorie der Gerechtigkeit, insbesondere das Konzept des Urzustands mit seinen formalen Bedingungen, den Kenntnissen der Akteure und deren Motivation. Sie untersucht die Anwendung des Urzustandsmodells auf den historischen Kontext von Heyms Roman, Distributive Gerechtigkeit, rationale Entscheidungsfindung unter Unsicherheit und die Frage nach der gerechten Verteilung von Ressourcen und Rechten in einer Gesellschaft.
Was ist der Urzustand nach Rawls, und wie wird er in der Arbeit angewendet?
Der Urzustand bei Rawls ist ein hypothetisches Szenario, in dem rationale Akteure unter einem „Schleier des Nichtwissens“ (ohne Kenntnis ihrer sozialen Position oder ihrer individuellen Fähigkeiten) Prinzipien der Gerechtigkeit für die gesellschaftliche Ordnung vereinbaren. Die Arbeit untersucht, ob die Situation in Heyms "Schwarzenberg" – die unmittelbare Nachkriegszeit mit Unsicherheit und dem Zusammenbruch alter Strukturen – als ein solcher Urzustand interpretiert werden kann und welche gerechten Prinzipien sich daraus ableiten ließen.
Welche Aspekte von Rawls' Theorie werden im Detail erläutert?
Die Arbeit erklärt Rawls' Abkehr von utilitaristischen Ansätzen, seinen Fokus auf die gerechte Verteilung der Früchte und Lasten gesellschaftlicher Zusammenarbeit, die Bedeutung von Grundfreiheiten und die Notwendigkeit eines Konsenses über Gerechtigkeit für eine wohlgeordnete Gesellschaft. Sie beleuchtet Rawls' Konzept der sozialen Gerechtigkeit in der Grundstruktur der Gesellschaft.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert: Einleitung, Vorstellung von Rawls' Theorie, detaillierte Betrachtung des Urzustands (inklusive formaler Bedingungen, Wissen der Akteure und deren Motivation), Anwendung des Urzustandsmodells auf "Schwarzenberg" und Schlussfolgerung. Das Inhaltsverzeichnis bietet einen detaillierten Überblick über die einzelnen Kapitel.
Welche Schlüsselbegriffe sind zentral für die Arbeit?
Schlüsselbegriffe sind: John Rawls, Gerechtigkeitstheorie, Urzustand, Schleier des Nichtwissens, distributive Gerechtigkeit, Stefan Heym, Schwarzenberg, Nachkriegszeit, soziale Gerechtigkeit, Grundfreiheiten, rationale Akteure, Vertragstheorie und gesellschaftliche Grundstruktur.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
(Die konkrete Schlussfolgerung wird im Text nicht explizit in der Zusammenfassung genannt und müsste aus dem vollständigen Text entnommen werden. Die Zusammenfassung deutet jedoch darauf hin, dass die Arbeit untersucht, ob und wie die Situation im Roman "Schwarzenberg" einem Rawlsschen Urzustand entspricht und welche Implikationen sich daraus ergeben.)
- Citar trabajo
- Tilman Graf (Autor), 2007, John Rawls´ Theorie der Gerechtigkeit: Dargestellt und erläutert anhand Stefan Heyms Roman „Schwarzenberg“ , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119200