Das Grün der Blätter. Das bifaziale Blatt, Fotosynthese und die Beziehung zwischen Mensch und Natur


Essay, 2021

4 Seiten


Leseprobe


Das Grün der Blätter

von Rainer Grießbach

1 Diskrepante Überlegungen

Die Pflanzenwelt kann in der Natur auf das energetische Mittelmaß der von Menschen emp­fundenen Farbe Grün weitgehend verzichten. Solch eine Festschreibung löst jedoch schein­bar in unserer Gedankenwelt unüberwindliche Widersprüche aus. Es steht aber fest, die Far­be Grün wird schlicht und einfach bei der Fotosynthese aus dem Spektrum des Sonnenlich­tes reflektiert und die Blätter an den Bäumen erhalten dadurch ihre grüne Farbe. Zur analyti­schen Aufarbeitung dieses zwiespältig anmutenden Erscheinungsbildes müssen wir auf Wis­sensinhalte der Farbenlehre zurückgreifen.

2 Das Sonnenlicht

Das Sonnenlicht besitzt die Spektralfarben Rot, Grün und Blau. Werden diese Primärfarben gemischt, so kann sogar weißes Licht entstehen. Diese Effekte bringt man in den Farbdis­plays elektronischer Geräte zum Einsatz. Die ausgelöste Synthese verändert jedoch nicht die Fülle der einzelnen Farben, beginnend bei Infrarot bis Ultraviolett. Das Erscheinungsbild ent­steht nur in der Sinneswandlung unseres Bewusstseins*. Physikalisch betrachtet ist im Ein­zelnen die abgebildete, additive Farbmischung ein Spektrum elektromagnetischer Wellen mit unterschiedlicher Frequenz beziehungsweise Länge. Dabei steht die Wellenlänge im re­ziproken Verhältnis zur Frequenz. Bild 1 zeigt die grafische Darstellung der Lichtbestandteile.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1: Schematische Darstellung der additiven Farbmischung des Sonnenlichtes

Die Pflanzenwelt nutzt für ihre internen, lebenserhaltenden Prozesse im Rahmen der Foto­synthese hauptsächlich zwei Spektralanteile, das heißt,

- Selektion 1: bis ca. 500 nm (Blau - Ultraviolett - Anteil) und
- Selektion 2: ab ca. 600 nm bis ca. 700 nm (Rot - Infrarot - Anteil).

Die Übergänge der Selektionen 1 und 2 zum Grün-Spektrum erfolgen dabei in der Natur flie­ßend. Die Selektion 2 ist geprägt von seiner spürbaren Wärmestrahlung. Die vorliegende Wärme des langwelligen Sonnenlichtes kann sich in den umgebenden Stoffen, wie zum Beispiel dem Erdreich, dem Gemisch der Luft oder dem Pflanzensubstrat über einen gewissen Zeitraum sogar speichern. Den Rot-Infrarot-Anteil verwendet die Fotosynthese nur bedingt. Sein relativ geringer Energiegehalt dient der Pflanze vorwiegend zur Anregung der Transpira­tion, um die Zuführung der Mengen von Kohlenstoffdioxid und Wasser zu optimieren. Die Selektion 1 ist im Besonderen von den blau-ultravioletten, kurzwelligen Anteilen geprägt und kann bereits der ionisierenden Strahlung zugeordnet werden. Die ultraviolette Strahlung UV-A ist für die Fotosynthese maßgeblich. UV-B und UV-C werden von der Erdatmosphäre stärker absorbiert beziehungsweise reflektiert und sind für die Pflanzen sogar bei zuneh­mender Frequenz zellschädigend. Allgemeingültig betrachtet ist Selektion 1 wesentlich ener­giereicher als Selektion 2, denn mit abnehmender Wellenlänge des Lichtspektrums nimmt mit Bezug auf das Plancksche Wirkungsquantum sein Energiegehalt zu. Die bereitgestellte Strahlungsenergie des Lichtes bezeichnen wir spezifisch als Photonen oder Lichtquanten.

3 Das bifaziale Blatt

Was bewirkt eigentlich das Sonnenlicht in den Blättern? Um diese Frage beantworten zu können, wollen wir die Struktur eines bifazialen Blattes (Blatt mit Ober- und Unterseite, z.B. das Lindenblatt) etwas näher untersuchen. Umhüllt wird das Blatt von einer dünnen, lichtdurchlässigen Wachsschicht (Cuticula). Sie soll den unkontrollierten Wasserverlust weit­gehend ausschließen. Die sich anschließende obere Epidermis (Schirmhaut) macht das Blatt luftundurchlässig und schützt die darunterliegenden inneren pflanzlichen Organe, das Pali­saden- und Schwammgewebe. Das Licht kann bis zu diesem Gewebe vordringen. Hier lagern die Chloroplasten, die für die Fotosynthese von funktioneller Bedeutung sind und das grüne Farbspektrum reflektieren. Außerdem wird das Gewebe noch von Interzellularen (Hohlräu­me) durchzogen. Sie gewährleisten den Stofftransfer bei der Fotosynthese. Die an der unte­ren Blattseite befindlichen Cuticula und Epidermis werden von den Stomata (Spaltöffnun­gen) durchbrochen. In den Öffnungen befinden sich die Schließzellen, in denen ebenfalls Chloroplasten eingelagert sind. Diese Zellen regulieren den Stoffaustausch mit der umgebe­nen Luft. Durch die Öffnungen können Sauerstoff und Wasser entweichen. Der Sauerstoff wird von der Pflanze nicht mehr gebraucht. Das Wasser regelt an dieser Stelle beim Verduns­ten den Temperaturhaushalt. Über den Spalt gelangt das für die Fotosynthese dringend be­nötigte Kohlenstoffdioxid ins Blattinnere. Öffnet das Stoma zu lange, dann kann die Pflanze vertrocknen, ist es geschlossen, steht das Kohlenstoffdioxid der Fotosynthese nicht mehr ausreichend zur Verfügung. Durch diese Maßgaben werden die äußerst sensiblen Regulie­rungen des Stoffwechsels im Blatt deutlich hervorgekehrt (Bild 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2: Abstrakte Darstellung der Schnittfläche eines bifazialen Blattes

4 Die Fotosynthese

Die Basis ist gelegt. Wir können uns nun der Fotosynthese direkt zuwenden. Die dazu erfor­derlichen Bestandteile sind Wasser, Kohlenstoffdioxid, die Chloroplasten und das Lichtspekt­rum der Selektionen 1 und 2. Lässt man Wasser und Kohlenstoffdioxyd ohne der Fotosyn­these reagieren, so entsteht allenfalls als Reaktionsprodukt die leicht flüchtige, anorganische Kohlensäure (H2CO3). Die Erzeugung organischer Stoffe ist dabei nicht zu erwarten. Erst die Fotosynthese leitet den bioenergetisch-synthetischen Prozess ein. Nur durch die Fotosyn­these kann die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in chemisch gebundene Energie umge­wandelt werden. Deshalb jetzt zu den Details: Das notwendige Wasser sowie die darin gelös­ten Nährstoffe nehmen die Wurzeln der Pflanze auf und werden durch Osmose in die Blätter transportiert. Das Kohlenstoffdioxid gelangt über die geöffneten Stomata aus der Luft zu den inneren pflanzlichen Organen. Bei den Pigmenten der Chloroplasten handelt es sich vorwie­gend um Chlorophyll A und Chlorophyll B. Chlorophyll A nimmt über Absorption seine maxi­male Energie in der Selektion 1 bei ca. 430 nm sowie in Selektion 2 bei ca. 670 nm auf und steht für die Methylguppe (-CH3). Die Methylgruppe ist eine einfache Atomanordnung und kann nur Bestandteil eines größeren Moleküls werden. Das Chlorophyll B erhält seine maxi­male Strahlungsenergie in der Sektion 1 bei ca. 460 nm sowie in Sektion 2 bei ca. 640 nm und steht für die Aldehydgruppe (-CHO). Aldehyde sind chemische Verbindungen, die eine eigenständige Carbonylgruppe enthalten. Neben den Pigmenten Chlorophyll A und B gibt es noch weitere Ergänzungspigmente, zum Beispiel die Carotinoide. Sie nutzen auch noch das restliche Grün-Spektrum des Lichtes. Übrigens, ein Magnesium-Ion ist vornehmlich für die stattfindende Reflexion der Farbe Grün beim Blatt zuständig. Es ist im Chlorophyllmolekül direkt eingebunden.

Bei genauer Betrachtung erreicht das selektierte Licht die inneren pflanzlichen Organe und gelangt zu den eingelagerten Chloroplasten. Hierbei wandelt sich die elektromagnetische Energie des Lichtes, der Photonen aus Selektion 2, in chemische Energie um. Das heißt, mit­hilfe des Chlorophylls und der energiereichen Photonen erfolgt die elektrolytische Aufspal­tung des Wassers und es werden Elektronen des Wasserstoffes durch Ionisation freigesetzt. Die nun verfügbaren, freien Elektronen erhalten von den Lichtquanten erneut Energie zuge­führt. Mit dieser dosiert angereicherten Energie werden sie für eine chemische Bindung mit dem in CO2 enthaltenen Kohlenstoff als Reaktionspartnerverfügbar. Es entstehen die ener­giereiche, organische Verbindung Glucose als Einfachzucker (Traubenzucker) sowie moleku­larer Sauerstoff, der zur Umwelt entweichen kann. Das Chlorophyll wirkt bei diesen Reaktio­nen obendrein als biologischer Katalysator. Die Formel der Fotosynthese (Nettogleichung) lautet dazu: 6 CO2 + 6 H2O + Photonen C6H12O6 + 6 O2.

Im eigentlichen Sinne steht die absorbierte Strahlungsenergie der Sonne als komplexe Syn­theseleistung in Form von Glucose der Pflanze zur Verfügung. Die Glucose als kleinster Bau­stein der Kohlenhydrate dient ihr als Nahrung und Energiereserve. Bei der stufenweisen Ver­knüpfung von Glucose-Molekülen entsteht anschließend in den Zellen der Grundbaustein Stärke als bestens geeignetes Speichermedium der Energie sowie Hauptbaustein für die Zellwände. Auch sind beispielsweise die Eiweiße, Fette, Färb-, Duft- und Giftstoffe auf die Glucoseverkettungen im Rahmen des Stoffwechsels zurückzuführen. Demzufolge verrichten die Glucose-Moleküle in der Pflanze grundlegende, komplexe Dienste.

5 Die Menschheit als Teil derNatur

Still und leise werden von den Pflanzen die Komponenten Wasser, Kohlenstoffdioxid und Sonnenlicht unter Beigabe der Chloroplasten gemischt, um alle lebenswichtigen Stoffe für den Eigenbedarf verfügbar zu machen. Jetzt meldet sich der Mensch und will diese Substan­zen aus der Pflanze für sich nutzen. Die zuckersüßen Früchte schmecken vorzüglich und ent­halten außerdem noch wertvolle Vitamine und Spurenelemente. Das Mehl braucht er für die Herstellung des täglichen Brotes. Gemüse ist für seine gesunde Ernährung maßgeblich. Olivenbäume spenden Öl. Rosenduft steht für das Sinnliche. Gewürze gestalten Mahlzeiten sehr lecker. Auch das gegrillte Steak hat eigentlich seinen Ursprung in der Pflanzenwelt, weil viele Tiere die notwendige Energie vorwiegend über die pflanzliche Kost aufnehmen. Sogar der Zellstoff für die bedruckten Seiten eines Buches wird aus den Pflanzen gewonnen. Des Weiteren stehen die fossilen Grundstoffe Kohle, Öl und Gas für die umweltbelastende Er­zeugung von Elektro- und Wärmeenergie sowie für die Chemieindustrie zur Verfügung.

An dieser Stelle ist es angebracht, im Detail über den Einsatz der Solarenergie nachzuden­ken. Zum Beispiel liefern Fotovoltaikanlagen grüne Elektroenergie (Grünstrom) und hängen direkt von der Sonneneinstrahlung ab. Hier bestehen unmittelbare Analogien zur Fotosyn­these. Wohin aber mit der erzeugten Elektroenergie, wenn sie momentan nicht gebraucht wird oder was geschieht, wenn die Sonne nicht scheint? Die Pflanzenwelt hat da eine Lösung gefunden! Es ist ebenfalls zu überlegen, ob man diese Fotovoltaikanlagen auf landwirtschaft­lichen Nutzflächen installiert und damit die Pflanzen an dieser Stelle verdrängt. Beim Kohlen­stoffdioxid der Luft, dessen Anteil etwa 0,04 % beträgt, bringt der Mensch direkt das Geld ins Spiel. Es werden CO2 - Abgaben erhoben. Eine Lösung, wie sie die Pflanzenwelt bietet, ist damit schwerlich zu erkennen.

Das Fazit vom Exkurs: Es gibt in Zukunft für uns Menschen noch enorm viel im Rahmen eines umfassenden Klimaschutzes und der nachhaltigen Nutzung unserer begrenzten Ressourcen zu tun!

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Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Das Grün der Blätter. Das bifaziale Blatt, Fotosynthese und die Beziehung zwischen Mensch und Natur
Autor
Jahr
2021
Seiten
4
Katalognummer
V1191318
ISBN (eBook)
9783346633804
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grün, blätter, blatt, fotosynthese, beziehung, mensch, natur
Arbeit zitieren
Rainer Grießbach (Autor:in), 2021, Das Grün der Blätter. Das bifaziale Blatt, Fotosynthese und die Beziehung zwischen Mensch und Natur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1191318

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