Die Arbeit behandelt die Frage, welche Dimensionen der Handlungskompetenzen durch das fallbasierte Lernen besonders unterstützt werden, um eine begründete Didaktik des fallbasierten Lernens für diesen Ausbildungsbereich vorzulegen. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sollen demnach die Planung von Lehrprozessen und Lernprozessen in der ErzierherInnen-Ausbildung hinsichtlich des fallbasierten Lernens erleichtern.
Die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher war in den letzten Jahren ein wichtiger politischer und gesellschaftlicher Punkt, um den wachsenden Fachkräftebedarf entgegenzuwirken. Der Bereich der öffentlichen Kindertagesbetreuung hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und das System vor große Herausforderungen gestellt. Zu den Herausforderungen gehören vor allem dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, der Qualitätsausbau sowie die Steigerung der Wertschätzung des ErzieherInnenberufs.
Um das Fachpersonal im Zuge der schulischen Ausbildung auf die soeben genannten praktischen und komplexen Aufgaben einer zukünftigen Fachkraft vorzubereiten, spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine große Rolle. Vor allem in der beruflichen Aus- und Weiterbildung hat das Lernen mit praktischen und komplexen Beispielen eine wichtige Bedeutung. Eine Chance bietet diesbezüglich das fallbasierte Lernen, weil anhand von Fällen gelernte Inhalte in der Praxis transferiert werden können.
Inhaltsverzeichnis
1 Abbildungsverzeichnis
2 Tabellenverzeichnis
3 Abkürzungsverzeichnis
4 Einleitung
5 Theoretische Grundlagen
5.1 Lernort berufliche Schule
5.1.1 Empirische Daten zu angehenden Erzieher/innen
5.1.2 Akademisierung der pädagogischen Ausbildung
5.1.3 Komplexität des Berufes
5.2 Sozialpädagogischer Unterricht
6 Kompetenzdefinitionen
6.1 Kompetenzdefinition nach Weinert
6.2 Kompetenzbeschreibung und Modell nach Erpenbeck
6.3 Kompetenzdefinition nach dem DQR
6.4 Der Kompetenzbegriff im Kontext der ErzieherInnen- Ausbildung
6.5 Handlungskompetenz nach Kaufhold und Kompetenzmessung
7 Fallbasiertes Lernen
7.1 Definition fallbasiertes Lernen
7.2 Modelle des fallbasierten Lernens als Unterrichtsmethode
7.2.1 Fallbasiertes Lernen in der Medizin
7.2.2 Fallbasiertes Lernen im sozialpädagogischen Unterricht
7.2.3 Fallbasiertes Lernen als begleitete Intervention im sozialpädagogischen Unterricht
8 Erwerb von Handlungskompetenz durch fallbasiertes Lernen
8.1 Potenziale für den Erwerb von Handlungskompetenz
8.2 Stolpersteine und Grenzen des fallbasierten Lernens
9 Schlussfolgerungen Erster Teil
10 Empirischer Teil
10.1 Methodenwahl
10.1.1 Datenerhebung
10.1.2 Erhebungsinstrument
10.1.3 Zusammensetzungen der Stichprobe
10.1.4 Datenaufarbeitung und Datenauswertung
10.2 Datenanalyse zu demografischen Angaben
10.3 Darstellung der Ergebnisse
10.4 Interpretation der Ergebnisse
10.5 Diskussion der Ergebnisse
11 Ableitungen und Handlungsempfehlungen für den sozialpädagogischen Unterricht in der ErzieherInnenausbildung
11.1 Qualität und Reflexion der Erhebung
12 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Eigenständigkeitserklärung
Anlagen
1 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Ausbildungsformate in Deutschland (Erzieherinnen- Ausbildung)
Abbildung 2 Kompetenzmodell nach Fröhlich- Gildhoff et al.
Abbildung 3 Auswertung Verteilung Alter
Abbildung 4 Ergebnisse Dimension Wissenserwerb durch andere Methoden besser
Abbildung 5 Ergebnisse Dimension Wissen- Relevanz von Wissen besser verstehen...
Abbildung 6 Ergebnisse Dimension Motivation-Interesse am Fall
Abbildung 7 Ergebnisse Dimension Motivation-Wunsch häufiger lernen am Fall
Abbildung 8 Ergebnisse Dimension Reflexion- Verständnis durch Perspektivwechsel...
Abbildung 9 Ergebnisse Dimension Reflexion- Komplexität des Berufes wird deutlich...
Abbildung 10 Ergebnisse Dimension Sozialkompetenz- Aktives Zuhören
Abbildung 11 Ergebnisse Dimension Sozialkompetenz- Erfahrungsaustausch Gruppe .
Abbildung 12 Ergebnisse Dimension Fertigkeiten- selbstständiges Mitdenken
Abbildung 13 Ergebnisse Dim. Fertigkeiten Selbstvertrauen Problembewältigung
2 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Auswertung deskriptiver Daten
Tabelle 2 Überblick deskriptive Daten
Tabelle 3 Überblick Dimension Wissenserwerb durch andere Methoden besser
Tabelle 4 Übersicht Dimension Wissen-Relevanz von Wissen besser verstehen
Tabelle 5 Deskriptive Statistik zu den Dimensionen der Motivation
Tabelle 6 Ergebnisse Dimension Reflexion- Korrelationen
3 Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4 Einleitung
Die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher war in den letzten Jahren ein wichtiger politischer und gesellschaftlicher Punkt, um den wachsenden Fachkräftebedarf entgegenzuwirken. Der Bereich der öffentlichen Kindertagesbetreuung hat sich in den letzten Jahren weiter entwickelt und das System vor große Herausforderungen gestellt. Zu den Herausforderungen gehören vor allem dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, der Qualitätsausbau sowie die Steigerung der Wertschätzung des ErzieherInnenberufs (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021, S.2).
„Die Kita ist nach der Familie der erste Bildungsort. Wenn wir das Ziel verfolgen, allen Kindern eine qualitativ gute Bildung von Beginn an zu ermöglichen, die sie auf das Leben in einer sich stetig wandelnden Welt vorbereitet, müssen wir der Qualität in den Kindertageseinrichtungen und Schulen erste Priorität einräumen. Hier wird die Basis für einen erfolgreichen Bildungsweg geschaffen. Entscheidender Faktor für die Qualität in den Bildungseinrichtungen ist das Fachpersonal und dessen Professionalisierung. Es sind die Fachkräfte, die in der Interaktion mit den Kindern die Prozessqualität der Einrichtung maßgeblich bestimmen“ (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021, S.2).
Um das Fachpersonal im Zuge der schulischen Ausbildung auf die soeben genannten praktischen und komplexen Aufgaben einer zukünftigen Fachkraft vorzubereiten, spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine große Rolle. Die Arbeit mit den sogenannten Lernfeldern und beruflichen Handlungssituationen ist Grundlage des Lehrplans in allen Fächern an Fachschulen (König, 2018, S.14). Vor allem in der beruflichen Aus- und Weiterbildung hat das Lernen mit praktischen und komplexen Beispielen eine wichtige Bedeutung. Eine Chance bietet diesbezüglich das fallbasierte Lernen, weil anhand von Fällen gelernte Inhalte in der Praxis transferiert werden können. Dies umfasst die Förderung von Handlungskompetenzen sowie Lernpotenziale, welche sich aus der Fallarbeit entwickeln können (Zumbach, Haider, Mandl 2008, S.1 ff.). Es ergibt sich aus der Thematik als Hauptziel dieser Arbeit die Frage, welche Dimensionen der Handlungskompetenzen durch das fallbasierte Lernen besonders unterstützt werden, um eine begründete Didaktik des fallbasierten Lernens für diesen Ausbildungsbereich vorzulegen. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sollen demnach die Planung von Lehrprozessen und Lernprozessen in der ErzierherInnen- Ausbildung hinsichtlich des fallbasierten Lernens erleichtern.
Die vorliegende Masterthesis soll sich zunächst theoretisch mit dieser Fragestellung beschäftigen, weswegen dort zuerst die wesentlichen Begriffe definiert werden sollen. Darunter fallen verschiedene Definitionen von Handlungskompetenz, Modelle des fallbasierten Unterrichts als Methode sowie der sozialpädagogische Unterricht. Anschließend soll ein Überblick über verschiedene Methoden des fallbasierten Lernens gegeben werden. Das fallbasierte Lernen wird im darauf folgenden Kapitel dahingehend betrachtet, welche Aspekte der Handlungskompetenz besonders unterstützt werden und welche Stolpersteine beim fallbasierten Lernen vorkommen können.
Aus der Bearbeitung des theoretischen Teils des fallbasierten Lernens ergibt sich für das Forschungsvorhaben folgende Forschungsfrage: Welche Dimensionen der Handlungskompetenz werden durch die Fallmethode der kollegialen Beratung besonders im sozialpädagogischen Unterricht unterstützt? Die Fragestellung musste zunächst auf eine Methode des fallbasierten Lernens eingegrenzt werden, um eine Datenerhebung zielgerichtet vornehmen zu können, da es zahlreiche fallbasierte Lernmethoden im sozialpädagogischen Unterricht gibt. Es wird sich demnach im zweiten Teil dieser Masterarbeit auf das fallbasierte Lernen durch die kollegiale Beratung fokussiert, um eine Erhebung vornehmen zu können. Zu bedenken ist an dieser Stelle vor allem eine einheitliche Definition von Handlungskompetenz, weswegen auch hier verschiedene Kompetenzdefinitionen in der einschlägigen Literatur zu finden sind (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S. XXIV, Weinert 2001, S.21 & Kaufhold 2006, S.32). Der Fokus dieser Arbeit liegt zunächst auf der theoretischen Aufarbeitung des fallbasierten Lernens hinsichtlich der Definitionen, Varianten sowie auf den Potenzialen und Stolpersteinen. Anschließend soll eine Methode des fallbasierten Lernens in der ErzieherInnenausbildung (kollegiale Fallberatung) hinsichtlich ihrer Potenziale beim Kompetenzerwerb in der Praxis mit Hilfe einer quantitativen Untersuchung geprüft werden. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen eine Orientierung im Einsatz dieser Methode im sozialpädagogischen Unterricht geben. Diesbezüglich sollen die Ergebnisse anschließend ausgewertet und perspektivisch eingeordnet werden sowie mit der Theorie in Verbindung gebracht werden, um anschließend Handlungsempfehlungen für den sozialpädagogischen Unterricht ableiten zu können.
Die zu bearbeitenden Themen im ersten Teil dieser Arbeit sind demzufolge:
- Erarbeitung der empirischen Daten angehender Erzieherinnen
- Darstellen von aktuellen Anforderungen des Erzieherinnenberufes
- Erarbeitung von Kompetenzmodellen
- Darlegung von Methoden des fallbasierten Lernens
- Beleuchten von Potenzialen und Stolpersteinen fallbasierten Lernens
- Einordnung der theoretischen Ergebnisse
im zweiten Teil werden folgende Themen bearbeitet:
- Entwicklung und Vorbereitung eines Messinstrumentes zur Erhebung der Daten
- Einordnung des Messinstrumentes hinsichtlich der Qualitätskriterien
- Auswertung und Darstellung der Ergebnisse hinsichtlich geförderter Kompetenzen
- Diskussion und Interpretation zur Perspektive des fallbasierten Lernens anhand der kollegialen Beratung
- Ableiten von Handlungsempfehlungen für den sozialpädagogischen Unterricht
5 Theoretische Grundlagen
5.1 Lernort berufliche Schule
Die Ausbildungsmöglichkeiten für ErzieherInnen an Fachschulen wurden in den letzten Jahren in Deutschland stark ausgebaut. Zwischen den Schuljahren 2012/2013 und 2019/2020 ist die Zahl der Fachschulen für Sozialpädagogik fortwährend von 553 auf 649 gewachsen (Fachkräftebarometer, 2021, S.118).
Die Fachschule für Sozialpädagogik ist nach wie vor bei den verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten die wesentliche Ausbildungsstätte für angehende pädagogische Fachkräfte. Die Zahl der SchülerInnen bzw. der Studierenden, die eine Ausbildung begonnen haben ist in den vergangenen Jahren ebenfalls stark gewachsen. Im Schuljahr 2019/2020 haben zum ersten Mal über 41.000 Personen eine Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher begonnen. Seit dem Schuljahr 2007/2008 haben sich die Zahlen beinahe verdoppelt. In der Gesamtzahl von 41.483 Personen, die eine Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin im Schuljahr 2019/20 begonnen haben sind Auszubildende verschiedener Ausbildungsformen enthalten, wozu Vollzeit- und Teilzeitausbildungen als auch praxisintegrierten Ausbildungsformen gehören (Fachkräftebarometer, 2021, S.122). Die
Qualifizierung von angehenden ErzieherInnen an Fachschulen für Sozialpädagogik charakterisiert sich durch die Vernetzung von dem Lernort Schule und Praxis. Der wechselnde Bezug der Lernorte „Fachschule “ und „Praxis“ ist ein wichtiger Bestand der Ausbildung und verlangt von den Fachschulen Kooperationsbereitschaft (König, 2018, S.14).
Die Ausbildung zum staatlich anerkannte/n Erzieher/in ist eine berufliche Weiterbildung, die zu einem staatlichen Berufsabschluss nach Landesrecht führt (KMK, 2020, S.1). Die Fachschulausbildung befähigt die angehenden ErzieherInnen mit dem Ziel der selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeit in verschiedenen sozialpädagogischen Bereichen. Ein zusätzlicher Wahlbereich gibt die Möglichkeit einer Erweiterung und Vertiefung in einem Themenbereich der Kinder und Jugendhilfen und bietet daher eine Spezialisierung nach persönlichen Befähigungen und Interessen (Gartinger & Jansen, 2020, S.2). In den letzten Jahren ist es im Bereich der sozialpädagogischen Ausbildungen zu Veränderungen gekommen. Beispielsweise ist der Bedarf an pädagogischen Fachkräften in den Kitas und Krippen gestiegen. Darüber hinaus sind neue Aufgabenfelder wie die Steigerung der Ganztagsangebote an Schulen sowie der Ausbau der U3 Betreuung hinzugekommen. Neben diesen Aspekten kamen weitere neue Herausforderungen wie das Thema Inklusion sowie die Situation des Anwachsens der Flüchtlingszahlen hinzu (Jaszus & Klüs 2017, S.4). Beifolgend gab es zu den soeben genannten Veränderungen auch Erneuerungen bei den curricularen Vorgaben. Im Zusammenhang der Zuordnung der Ausbildung zu Erzieherin und zum Erzieher in den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) hat die Kultusministerkonferenz (KMK) auf der Basis der „Rahmenvereinbarung über Fachschulen“ ein „Kompetenzorientiertes Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen für Sozialpädagogik erstellt, an dem sich die Lehrepläne der Bundesländer in ihrer Ausgestaltung richten (Ebert, 2018, S.7). Generell lässt sich die Ausbildung zwischen verschiedenen Modellen unterscheiden (Vollzeitausbildung, Teilzeitausbildung und praxisintegrierten Ausbildung). Die Zugangsvoraussetzungen für die schulische Ausbildung sowie die Struktur und die Dauer der Ausbildung unterscheiden sich in den Bundesländern (Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, 2021, S.110). Die folgende Abbildung (Abbildung 1) gibt einen Überblick über die Ausbildungsformate für ErzieherInnen an Fachschulen in Deutschland.
Abb. 6.5 Formate der Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher an Fachschulen nach Ländern 2020'
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Ausbildungsformate in Deutschland (ErzieherInnen- Ausbildung)
Quelle: Fachkräftebarometer 2021, S.117
5.1.1 Empirische Daten zu angehenden Erzieher/innen
Die generalistische Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher ermöglicht nicht nur eine Tätigkeit im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung, sondern auch in anderen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe wie Hilfen zur Erziehung, Jugendsozialarbeit, Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter oder Heimerziehung (KMK, 2020, S.21). Im Schuljahr 2019/2020 haben wie bereits erwähnt mehr als 40.000 Personen eine Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin an den Fachschulen für Sozialpädagogik in verschiedenen Ausbildungsmodellen an Fachschulen angefangen (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021, S. 122). Wegen des weiterhin hohen Bedarfs an Fachkräften haben in den letzten Jahren eine Erweiterung sowie eine Umgestaltung des Ausbildungssystems stattgefunden. Durch den Ausbau der praxisintegrierten Ausbildungsmodelle wird erhofft, dass die Ausbildung über die Bezahlung nicht nur attraktiver für weitere Adressaten wird, sondern dass die angehenden ErzieherInnen auch stärker an ihre Träger gebunden werden. In welcher Form diese Erwartungen eintreffen und ob sich die genannten Ausbildungsmöglichkeiten bewähren werden, bleibt abzuwarten. Derzeit zeigt sich in den Ländern die Tendenz, möglichst viele oder vielfältige
Ausbildungswege bereitzustellen (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2019, S. 132). Während der Erzieherberuf bei jungen Frauen beliebt ist, ist er für junge Männer nach wie vor etwas Besonderes. Auch wenn in Deutschland ein wachsender Anteil an männlichen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen zu beobachten ist, muss an dieser Stelle gesagt werden, dass der Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kindertagesstätten gerade einmal bei 2,4 % liegt. Einer der wesentlichen Gründe für den geringen Anteil an Männern in Kindertagesstätten erklärt sich in dem Bild einer klassischen Geschlechterordnung. Diese stereotypischen Bilder und Vorstellungen zu Geschlechterrollen führen zu einer dementsprechenden Arbeitseinteilung. Die Geschlechterordnung, zeichnet sich dadurch aus, dass frühkindliche Erziehung Frauen zugeschrieben wird. Berufe, in welchen übermäßig viele Frauen arbeiten, wie der Beruf der Erzieherin, erfahren oft wenig soziale Wertschätzung und werden im Großen und Ganzen schlechter bezahlt als sogenannte „Männerberufe“ (BMSFJ, 2015, S.9 ff.).
5.1.2 Akademisierung der pädagogischen Ausbildung
Die ErzieherInnen-Ausbildung an Fachschulen stellt in Deutschland nach wie vor die größte Qualifizierungsform für das Handlungsfeld der Kindertagesstätten dar. Der größte Teil des dort beschäftigten Personals findet sich in Kindertageseinrichtungen wieder. Dagegen lässt sich eine aktive Entwicklung innerhalb des Hochschulsystems feststellen (Maiwald, 2019, S.91). Es gibt an den Hochschulen für Studiengänge der Kindheitspädagogik oder Frühpädagogik diverse Formen, die sich im Einzelnen unterscheiden und teilweise verschiedenen Personengruppierungen offenstehen. Die Studiengänge gibt es als Vollzeitstudiengänge sowie berufsbegleitende und duale Studiengänge (Fachkräftebarometer, 2021, S.124). In der Lehre an Hochschulen muss das Lehrpersonal in der Regel Forschungstätigen nachgehen und dazu auch die Option in der Bildungseinrichtung haben. Diese Bedingung unterscheidet sich zu den Fachschulen, da diese Qualifikationen nicht in der Lehre an Fachschulen vorausgesetzt werden. Auch die Zugangsvoraussetzungen zu einem Studiengang unterscheiden sich von den Voraussetzungen der Fachschule (Ballusek, 2009, S.1). Inzwischen gibt es einige früh- bzw. kindheitspädagogische Studiengänge in Deutschland. Ein größerer Ausbau ist seit Mitte der 2010er-Jahre festzustellen. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Fachkräfte mit akademischen Abschluss zwar in dem Bereich Kindertageseinrichtung arbeiten, allerdings weniger wirksam als erwartet. Nur 5,5 Prozent machten 2019 das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen mit einem Hochschulabschluss aus (BMFSJ, 2020, S.61). Durch die Entwicklung der Studiengänge ist es zu Spannungen zwischen unterschiedlichen Bildungseinrichtungen gekommen. Dazu gehören Fachschulen und Hochschulen sowie „alte“ und „neue“ Qualifikationsgruppen als auch Kita-Träger. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis bei der Gestaltung der Studiengänge. Trotz der Kontroversen wird der Einsatz von akademisch ausgebildetem Personal aus der Sicht von Studiengangsverantwortlichen als auch von einigen Kita-Träger im Hinblick auf die Entwicklung „multiprofessioneller Teams“ als wertvoll erachtet. Diese Entwicklung von multiprofessioneller Teams bedarf allerdings noch weiterer Entwicklung, organisatorischer Abstimmung und Unterstützung durch die entsprechenden Kindertageseinrichtungen (Klaudy, Schütz & Stöbe, 2014, S.1 ff.).
5.1.3 Komplexität des Berufes
Wie bereits deutlich wurde, sind die Erwartungen an pädagogische Fachkräfte ge¬stiegen. Zunächst ist zu betonen, dass wegen der gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen in Kindertagesstätten anders gearbeitet wird, als noch vor zwanzig Jahren. Die Kindertageseinrichtungen sind nicht mehr nur Betreuungsorte an wel¬chen „nur“ beaufsichtigt oder „gebastelt“ wird. Erhebliche gesellschaftliche und soziale Veränderungen und daraus sich ergebende Herausforderungen haben dazu veranlasst innerhalb Deutschlands neue, zukunftsweisende Bildungskonzepte zu entwickeln (Hessisches Sozialministerium & Hessisches Kultusministerium, 2017, S. 17). Zu den gestiegenen Anforderungen im Handlungsfeld einer pädagogischen Fachkraft gehören die Umsetzung der beschlossenen Bildungspläne, der professi¬onelle Umgang mit dem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund, die Berücksichtigung des Inklusionsgedankens, eine geschlechtergerechte Erziehung, der Ausbau der Sprachförderung sowie des Betreuungsangebotes für Kinder unter 3 Jahren. All diese genannten Aspekte setzen eine entsprechende Qualifizierung der angehenden Fachkräfte voraus, um die Aufgaben professionell bewältigen zu können (Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, 2011, S.9).
Hinsichtlich dieser Umstände verdeutlicht bspw. Fthenakis die veränderten Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen. Die Bildungssysteme stehen demnach global vor den größten Aufgaben in der Geschichte, da die Kinder und Jugendlichen auf eine sich andauernd veränderte Welt vorbereitet werden müssen. Diese Veränderungen setzen unabwendbar wachsende berufliche Kompetenzen für das frühpädagogische Personal voraus. Das Personal muss die Kinder auf unvorhergesehene Situationen vorbereiten, dessen Entfaltung sich nicht bzw. nur schwer vorhersagen lässt. Bereits jetzt müssen die Kindertageseinrichtungen die Kinder auf die soeben genannten Entwicklungen vorbereiten (Fthenakis, 2020, S.51 ff.). „Die Kinder müssen lernen, in einer solchen Welt zu leben und damit kompetent wie auch respektvoll umzugehen. Bildungssysteme von heute haben Kinder auf eine Arbeitswelt vorzubereiten, die es noch nicht gibt. Sie haben sie zu befähigen, gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, die man sich heute gar nicht vorstellen kann. Die Akteure aller Bildungssysteme müssen sich also neu über die Fundamente der menschlichen Entwicklung und der Bildung verständigen“ (Fthenakis, 2020, S 51.). In Anbetracht dieser genannten Aspekte bleibt es eine große Herausforderung bei gestiegenen Anforderungen den Ausbildungsprozess weiter zu professionalisieren.
5.2 Sozialpädagogischer Unterricht
Für den Unterricht in der ErzieherInnenausbildung ist das Kompetenzmodell des deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (DQR) maßgebend. Die Kompetenzorientierung hat sich diesbezüglich als leitendes Script der beruflichen Bildung durchgerungen (KMK, 2020, S.7 ff.). In Konferenzen sowie in Kooperation mit der Praxis werden die Lernsituationen durch die Beteiligten der Schule (schulischen Ausbildung) erörtert und passende Ausbildungsaufgaben festgelegt. Die didaktische Organisation der Ausbildung ist ein komplexer Prozess, da dieser immer wieder unterschiedliche Kernpunkte behandelt. (KMK, 2020, S.16)
Jaszus und Küls bezeichnen den sozialpädagogischen Unterricht vor diesem Hintergrund als sozialpädagogisch, weil er für das berufliche Handeln in diesem Kontext vorbereitet (Jaszus & Klüs, 2020, S. 14 ff.). In einer inhaltlich wesentlichen Beziehung zum sozialpädagogischen Berufsfeld steht eine Bandbreite von Fachwissenschaften, die für die sozialpädagogischen Bildungsgänge von Bedeutung sind. Zu nennen sind beispielsweise die Soziologie, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Recht oder Sozialpädagogik. Daraus ergibt sich ein komplexes System einer Fachdidaktik und Berufsfelddidaktik mit dem Schwerpunkt der Sozialpädagogik. Die Planung des Unterrichts sollte sich daher an diesen Gesichtspunkten orientieren (ebd.). Bezugnehmend auf dem oben aufgeführten komplexen Bedingungsfeld einer Berufsfelddidaktik sind in der Fachliteratur verschiedene theoretische sowie konzeptionelle Ansätze zu finden, wie pädagogisches Handeln erworben werden kann. In der Forschung sind hier beispielhaft das Deutsche Jugendinstitut, die Weiterbildungsinitiative der frühpädagogischen Fachkräfte (WWIF) oder die Arbeiten von Andreas Gruschka (Reflexionsmethoden nach Gruschka, Fallanalysen nach Gruschka etc.) zu nennen. WiFF erfasst und beobachtet den Prozess der Professionalisierung im Arbeitsfeld von Kindertageseinrichtungen mit Hilfe empirischer Studien. Schwerpunkte dieser Arbeiten sind Inklusion, Weiterbildung und Ausbildung in der Fachschule. Als didaktische Ansätze in der Erzieherausbildung sind hier beispielsweise Meyer/ Walter-Laager zu nennen. Die Autoren haben in Anlehnung an Unterrichtsplanung nach Hilbert Meyer einen didaktischen Ansatz bezogen auf Bildungsarbeit in Kindertagesstätten weiterentwickelt. Besonders in sozialpädagogischen Bildungsgängen spielt die Persönlichkeitsorientierung eine wesentliche Rolle. Diese steht im Zusammenhang sozialpädagogischen Denkens und Handelns. In besonderer Art eigenen sich dafür didaktisch methodische Entwürfe wie Ansätze des forschenden Lernens, Portfolioarbeit oder die begleitete Intervention (Jaszus & Küls, 2011, S. 28).
Ein weiterer für den sozialpädagogischen Unterricht bedeutende Methode ist die kollegiale Beratung. Die begleitete Intervention durch die kollegiale Beratung stellt in der Ausbildung eine sehr gute Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis dar und bietet damit bedeutende Erfahrungsmöglichkeiten für die Lernenden (Jaszus & Küls, 2017, S.271). Die kollegiale Beratung wird im Gruppengeschehen ausgeübt und reflektiert berufliche Fälle der TeilnehmerInnen. Das Setting findet in einem Gruppengespräch statt, welches sich an einem systematischen Ablauf richtet. Diese spezielle Verknüpfung der genannten Merkmale unterscheidet die kollegiale Beratung als Intervention von anderen Interventionen wie beispielshalber Supervision oder Coaching ab. In den letzten Jahren hat die kollegiale Beratung an Bedeutung gewonnen. Sie wird mittlerweile auch z. B. in wirtschaftlichen Bereichen angewendet und nicht wie üblich nur im psychosozialen Kontext (Tietze, 2010, S. 205). Der Wert solch einer Intervention liegt in dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Die TeilnehmerInnen hören nicht nur aus der Theorie abgeleitete Handlungsmöglichkeiten, sondern sind aktiv dabei, wenn Zusammenhänge und Auswirkungen in der Gruppe besprochen werden. Eine kollegiale Beratung dauert etwa eine Stunde und folgt einem klaren systematischen Ablauf (Beispiel siehe Anlage B: 6 Phasen kollegialer Beratung nach Tietze). Zentral bzw. Voraussetzung für das systematische Gespräch ist eine berufliche Situation, die als problematisch erlebt wurde. Ziel ist es den Handlungsspielraum im systematischen Gespräch zu erweitern (Jazus & Küls, 2017, S.270). In weiteren Abschnitten dieser Arbeit wird noch näher auf diese Methode eingegangen.
Weiterhin ist im Rahmen des sozialpädagogischen Unterrichts in der Ausbildung von ErzieherInnen der Ansatz nach Andreas Gruschka (Gruschka, 1985) zu nennen. Die Veröffentlichungen fußen auf einer Studie in den 1970er Jahren. Das wesentliche Merkmal dieser Studie ist das Konzept der sogenannten vier Entwicklungsaufgaben. Bei diesem Ansatz setzen sich die Lernenden während ihrer Ausbildung konstruktiv mit sich selbst auseinander, mit dem Ziel pädagogische Handlungskompetenz zu erzielen. Dieser Vorgang findet in einem fachlichen und persönlichen Lern- und Entwicklungsprozess statt (Gruschka & Kutscha, 1983, S.877 ff). Die angehenden ErzieherInnen erwerben berufliche Vorstellungen sowie Handlungsmöglichkeiten, indem sie ihre „Alltagstheorien“ und Handlungsmuster fachlich hinterfragen und in der Praxis an anwenden bzw. prüfen. Daher rückt die Entwicklung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt der Didaktik (KMK, 2020, S.11).
6 Kompetenzdefinitionen
Die Orientierung an Kompetenzen nimmt Einfluss auf den Lehr-Lern- Prozess, z.B. indem Lernende reale sowie komplexe Aufgaben möglichst selbstständig planen, durchführen sowie kontrollieren. Daher ist es in dieser Arbeit im Hinblick auf die Methode des fallbasierten Lernens wichtig zu prüfen, wie die Handlungskompetenz definiert werden kann. Da viele verschiedene Definitionen von Kompetenzen in der Fachliteratur vorhanden sind und der Begriff gleichzeitig im Alltag oft selbstverständlich genutzt wird, wird im Folgenden dennoch der Versuch unternommen relevante Definitionen zu erläutern, welche den Bedeutungshorizont des Begriffs für diese Arbeit eingrenzen.
6.1 Kompetenzdefinition nach Weinert
Als klassische Kompetenzdefinition wird in der Forschung häufig auf die Definition von Weinert zurückgegriffen. Im Rahmen eines Gutachtens wurden 1999 von Franz Emanuel Weinert verschiedene Definitionsmöglichkeiten beleuchtet, woraus 2001 schließlich auch die heute in Deutschland meistgenutzte Kompetenzdefinition hervorging. Kompetenzen bezeichnen demnach "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen [d.h. absichts- und willensbezogenen] und sozialen Bereitschaften, damit die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll genutzt werden können" (Weinert, 2001, S.21). Aus dieser Definition lässt sich ableiten, dass beispielsweise Wissen allein für kompetentes Handeln nicht ausreichend ist, da auch Motivation, sowie Wille und soziale Fähigkeiten eine wichtige Bedeutung haben.
6.2 Kompetenzbeschreibung und Modell nach Erpenbeck
Erpenbeck und von Rosenstiel und empfehlen ein Kompetenzmodell mit vier Dimensionen. Sie teilen diese Dimensionen in 64 Einzelkompetenzen auf, wobei im Folgenden die vier wichtigsten Kompetenzklassen dargestellt werden. Diese vier Kompetenzdimensionen werden, wenn auch unter verschiedenen Begrifflichkeiten immer wieder verwendet, wenn eine entscheidende Taxonomie von Kompetenzen erstrebt wird. (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S.XXIV) Die Personale Kompetenz wird nach dieser Auffassung als die Fähigkeit einer Person bezeichnet, sich aufgrund von Reflexion selbst gut einschätzen zu können, und somit Begabungen, Motivation, sowie eigene Motive und Selbstbilder zu entwickeln. Erpenbeck und Rosentiel beschreiben die Dimension der sozial¬kommunikativen Kompetenz als die Fähigkeit, „kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln, das heißt, sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten und neue Pläne, Aufgaben und Ziele zu entwickeln“ (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S.XXIV). Um gelernte theoretische Fertigkeiten sinnvoll einzuordnen und bewerten zu können, Probleme zu identifizieren und Lösungsstrategien abzuleiten und umzusetzen, bedarf es der Fach und Methodenkompetenz. (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S. XXIV) Die vierte Dimension, die Aktivitäts- und Handlungskompetenz findet vor allem, wenn von den anderen
Kompetenzdimensionen isoliert, in der Pädagogik aufgrund seiner Zielorientiertheit und Kompromisslosigkeit weniger Anwendung. Die Aktivitäts¬und Handlungskompetenz gilt als Grundlage für die anderen Kompetenzdimensionen und ist dementsprechend schwierig losgelöst von den anderen zu betrachten (Heyse, V. & Erpenbeck, J., 2004, S. XI-XXX).
Die Kritik an dem Kompetenzmodell bezieht sich insbesondere auf zwei Aspekte. Zum einen darauf, dass 150 Personen die 64 Kompetenzen aus einem willkürlichen Katalog von 300 kompetenzerfassenden Begriffen eigenmächtig bestimmt haben. Dies deutet auf den nicht vorhandenen systematischen Zusammenhang der Einzelkompetenzen hin. Zum anderen wird kritisiert das die Zuordnungen nicht empirisch überprüft sind, da die Kategorien nicht scharf voneinander zu trennen sind:„ Die Zuteilung der Begriffe im Kompetenzraster heißt demnach nicht, dass sie tadellos eindeutig einem bzw. auch nur einem Feld einzuordnen wären. Es bedeutet eher, dass der Inhalt des Begriffs auf dieser und auf keiner anderen Basiskompetenz- Kombination liegt. Fleißig sein wird beispielhaft der Fach- und Methodenkompetenz, Gewissenhaftigkeit der sozial-kommunikativen Kompetenz und Optimismus der Aktivitäts- und Handlungskompetenz zugeordnet.“ (Gessler, 2006, S.55). Das viersäulige Modell hat sich trotz der Kritikpunkte in der beruflichen Bildung durchgesetzt.
6.3 Kompetenzdefinition nach dem DQR
„Kompetenz bezeichnet im DQR die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, 2011, S. 8). Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) basiert auf einer Initiative der Europäischen Union. Die Zielsetzung dieser Initiative war berufliche Qualifikationen und Kompetenzen im europäischen Rahmen vergleichbarer zu machen um somit die Arbeitskräftemobilität innerhalb der Mitgliedstaaten zu fördern und Bildungspolitik national und international transparenter zu gestalten. Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen von 2008 ist für die Mitgliedstaaten nicht als „Muss“ formuliert, sondern stellt vielmehr eine Empfehlung für die jeweiligen Staaten dar. In Deutschland ist der DQR 2013 in Kraft getreten. Mit Hilfe des DQR sollen bildungsübergreifend alle Qualifikationen des deutschen Bildungssystems abgedeckt werden (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, 2011, S.3).
Im DQR werden Kompetenzen als allgemeine Handlungsfähigkeiten beschrieben, aus welchen Handlungspotenziale ermittelt und entwickelt werden können. Es wird bei den Kompetenzen allgemein zwischen fachlicher und personaler Kompetenz unterschieden. Bei der fachlichen Kompetenz wird wiederum in Wissen und Fertigkeiten unterschieden und bei personaler Kompetenz in Sozialkompetenz und Selbstständigkeit. Gemäß DQR handelt es sich bei der fachlichen Kompetenz um die Fähigkeit und Bereitschaft Aufgaben- und Problemstellungen eigenständig, fachlich angemessen, methodengeleitet zu bearbeiten und das Ergebnis entsprechend beurteilen zu können. Personale Kompetenz wird hingegen folglich beschrieben: „Sie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln und das eigene Leben eigenständig und verantwortlich im jeweiligen sozialen, kulturellen bzw. beruflichen Kontext zu gestalten (ebd., S. 9). Die Methodenkompetenz wird im DQR hingegen nicht genauer definiert, da diese hier als Querschnittskompetenz verstanden wird (ebd., S. 4). Genauer wird sie als „die reflektierte Auswahl und Entwicklung von Methoden. Fachkompetenz und personale Kompetenz schließen Methodenkompetenz jeweils mit ein“ (ebd., S. 9) verstanden. Nach diesen Definitionen des DQR lässt sich feststellen, dass es Überschneidungen zu der Definition von Erpenbeck gibt. In beiden Modellen werden Kompetenzen im Ergebnis als viersäuliges Modell dargestellt. Ein Unterschied von Erpenbecks vier Dimensionen und den vier Dimensionen des DQR findet sich beispielsweise in der Benennung der Kompetenzen. Ein Beispiel für einen exemplarischen Unterschied ist die sozial-kommunikative Kompetenz nach Erpenbeck, welche im DQR unter personaler Kompetenz als soziale Kompetenz gefasst wird. Die Unterschiedlichkeit der Definitionen von Handlungskompetenz zeigt auf, wie komplex dieser Begriff ist. Die verschiedenen Definitionen von Kompetenzen sind damit zu begründen, dass Kompetenz etwas ist, was in einem Menschen vermutet wird. Es ist also nicht fassbar. (Vonken, 2017, S.49)
6.4 Der Kompetenzbegriff im Kontext der ErzieherInnen- Ausbildung
Die Bundesländer haben sich in Deutschland auf Rahmenbedingungen auf der Basis der Kultusministerkonferenz bezüglich der Ausbildung von ErzieherInnen verständigt. Diese sind in der Rahmenvereinbarung über Fachschulen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.06.2020) definiert. „Das „Kompetenzorientierte Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen und Fachakademien“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.12.2011 in der jeweils gültigen Fassung) definiert das Anforderungsniveau des Berufes und enthält die Formulierung der beruflichen Handlungskompetenzen, über die eine qualifizierte Fachkraft verfügen muss, um den Beruf dem Anforderungsniveau entsprechend kompetent ausüben zu können“ (KMK, 2020, S.7.). Die darin enthaltenen Kompetenzen und ihre Beschreibung richten sich nach dem Deutschen Qualitätsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR). Das kompetenzorientierte Qualifikationsprofil zählt sechs wesentliche pädagogische Handlungsfelder für die Arbeit von ErzieherInnen und leitet für jedes dieser Handlungsfelder Kompetenzen ab, über die die angehenden ErzieherInnen am Ende der Ausbildung verfügen sollten. Bei der Darstellung der Kompetenzen wird das kompetenzorientierte Qualifikationsprofil für die Sprache und die Struktur des DQR genutzt, damit eine Zuordnung der ErzieherInnenausbildung zu einem Niveau zu gewährleistet werden kann. Dies ist auch für die Bewertung von anderen Staaten in der Zuordnung der Ausbildung leichter (KMK, 2020, S.7 ff.).
In der Fachliteratur und auch im Rahmenlehrplan der KMK ist noch ein weiteres Kompetenzmodell im Kontext der ErzieherInnenausbildung zu finden, welches berücksichtigt werden sollte (Siehe Abbildung 2). Das allgemeine Kompetenzmodell nach Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch nimmt eine Unterscheidung von Handlungsgrundlagen, Handlungsbereitschaft und Handlungsrealisierung vor (Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2011, S.17). Die Basis zur Handlungsfähigkeit in diesem Modell ergibt sich aus dem gegenseitigen Zusammenwirken von explizitem- theoretischem Wissen und implizitem Erfahrungswissen, das in professionellen Verknüpfungen ständig wieder auch in reflektiertes Erfahrungswissen umgeformt werden sollte. Weiterhin ergibt sich die Handlungsfähigkeit in diesem Modell aus Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. methodischer oder didaktischer Art). Die Handlungsbereitschaft wird in diesem Modell noch bedeutend durch die jeweilige Wahrnehmung der Situation sowie durch die aktuelle Motivation beeinflusst. Darüber hinaus wird das Denken und Handeln von Personen noch von einer handlungsleitenden Orientierung wie beispielsweise Werthaltungen und Einstellungen geprägt. „Diese Haltung liegt sozusagen als handlungsgenerierende Struktur - im Sinne eines individuell-biografischen und kollektiven Habitus - ,hinter‘ der Ebene der Disposition und beeinflusst wesentlich in die pädagogische Performanz. Aus der Handlungsplanung und Handlungsbereitschaft resultiert das konkrete Handeln in der (komplexen pädagogischen) Situation, das seinerseits - zumindest implizit - evaluiert wird und dann auf Wissen, Motivation und Handlungspotenziale zurückwirkt.“ (Gildhoff et. al., 2011, S.17) Wichtig ist an der Stelle die zentrale Fähigkeit, sich die Praxis auf eine forschende und verstehende Weise anzueignen. Diese forschende Grundhaltung ist ein wichtiger Schlüssel zur Ausbildung pädagogischer Kompetenz. Im Handeln einer pädagogischen Fachkraft verbinden sich Fertigkeiten und Wissen, welche das Handeln in einer realen Situation bedürfen. Dies geschieht in Kombination mit der professioneller Haltung und der Entscheidung zum Handeln. Weitere spezifische Merkmale des soeben genannten Kompetenzbegriffes sind der Situationsbezug, die fachliche Expertise und Persönlichkeit (ebd. S.17). Die Grundlage professionellen pädagogischen Handelns ist zusammenfassend gesagt der Umgang mit der Ungewissheit der Situationen (wie in Kapitel „Komplexität des Berufes“ durch Fthenakis) beschrieben. Es geht darum eine Professionalität durch eine forschende Grundhaltung zu entwickeln, die es möglich macht, auch in unvorhergesehenen Situationen Handlungsmöglichkeiten zwischen theoretischem und methodischem Wissen sowie zwischen Erfahrungswissen und Handlungswissen herzustellen. (Nentwig-Gesemann &Fröhlich-Gildhoff, Harms, & Richter 2011, S.17). Einen großen Stellenwert, welcher diese genannten Kompetenzen in der Ausbildung beruflicher Handlungskompetenz unterstützt hat die Bearbeitung komplexer beruflicher Aufgabenstellungen (KMK, 2020, S.8). Ein weiterer zentraler Teil des Kompetenzerwerbs der angehenden ErzieherInnen geschieht durch die fachmethodisch begleiteten Praktika, da der Kompetenzerwerb auch auf praktische Erfahrungen angewiesen ist. Diese Phasen der fachlichen und personalen Kompetenzentwicklung werde durch die intensive Kooperation zwischen den Lehrkräften der schulischen Ausbildung und den pädagogischen Fachkräften der Praxis gefördert (Autorengruppe Fachschulwesen, 2011, S.9).
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- Maike Kieseler (Author), 2022, Fallbasiertes Lernen als Methode für den Erwerb von Handlungskompetenz. Bedeutung für den sozialpädagogischen Unterricht in der Erzieher/innen-Ausbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190539
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