Warum wurde gerade Paul Merker (*01.02.1894 - †13.05.1969) zur Hauptperson eines
eventuellen Schauprozesses in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands auserkoren?
Augenscheinlich scheint seine Vita nur eine unter mehreren der kommunistischen Politiker in
der Nachkriegszeit zu sein. Aber doch, so scheint es zumindest in Anbetracht der
geschichtlichen Ereignisse, muss ein Unterschied vorliegen und diesen gilt es zu
verdeutlichen. Nähert man sich dem Untersuchungsgegenstand ‚Merker’, so stößt man auf ein
durchaus zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite wären da Historiker, wie Wolfgang Kießling
und Jeffrey Herf zu nennen, die dem Leser die Person Merkers als einen integren, makellosen,
sozialistischen Helden, der ganz im Gegensatz zur ‚finsteren Machtclique’ um Ulbricht stand,
vermitteln. Ihre Arbeiten lassen oftmals leider, neben der reichhaltigen Fülle an
wissenschaftlich auswertbaren Materialien, kritische Anmerkungen und die Berücksichtigung
globaler Zusammenhänge vermissen. Derart kann nun jedoch beim Leser der Eindruck
entstehen, Merker wäre zeitlebens mehr gewesen, als ein, wenn auch nicht gänzlich
unbedeutender Teil im großen Gesamtgefüge der KPD- bzw. der später daraus entstehenden
SED-Politik.
Andere neuere Ansätze, wie die eines Stefan Meining oder einer Karin Hartewig nähern sich
dem Untersuchungsgegenstand wesentlich kritischer und mehrdimensionaler. Zugleich
können sie aber nicht auf eigene reale Erfahrungen mit dem ‚Objekt der Betrachtungen’, wie
sie Kießling hat, rekurrieren. Ihr Motiv, die ‚uneingeschränkte’ Kritik an der Person und
dessen Umfeld wirkt daher manchmal zwanghaft und allzu künstlich. Insbesondere bei der
pauschalisierten Verknüpfung von Entscheidungen sowjetischer und ost-deutscher
Nachkriegspolitik mit angeblich existierenden aber nicht klar belegbaren antisemitischen
Vorurteilen der Akteure treten daher Mängel zu Tage. An diesen Stellen wird offensichtlich,
dass sich den oben angeführten ‚merkophilen’ nun klar ‚merkophobe’ Tendenzen
entgegenstellen.
Inwiefern nun diese neuerliche subjektive Betrachtung im folgenden Aufsatz einem zu starren
Schema unterliegt, mögen andere entscheiden. Fakt ist, damit reiht sich eine weitere Meinung
in den großen Reigen der vielen Deutungen ein. Und vielleicht besteht das Ziel
wissenschaftlicher Arbeit gerade darin, die kleinsten gemeinsamen Nenner der sich hier
gegenüberstehenden Positionen herauszuarbeiten, um das Wahrscheinlichste zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Merker-Prozess
3 Die Karriere des Politikers P. Merker vom ersten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges
3.1 P. Merkers politisches Verständnis und seine Rolle in der KPD von 1918 bis 1935
3.2 P. Merker beim Versuch einer Volksfrontbildung und deren Ende durch den ‚Hitler-Stalin-Pakt’
3.2.1 Der Versuch einer einheitlichen Oppositionsbildung
3.2.2 Der ‚Hitler-Stalin-Pakt’ und seine Folgen
3.3 P. Merker und seine Verbindungen zu N. Field
3.4 P. Merker in der mexikanischen Emigration
3.5 P. Merkers Vision des deutsch-jüdischen Verhältnisses nach dem Sturz des Hitlerregimes
3.6 P. Merkers Freundschaft zu H. Mann
4 P. Merkers Heimkehr ins ‚Neue Deutschland’ und seine Rolle im Machtapparat der sich formierenden SED
4.1 Die Grundlagen des Wiedergutmachungsstreites in der SBZ
4.2 P. Merkers Rolle im Machtapparat der sich neu formierenden SED und ihre Stellung zur Wiedergutmachungsfrage
4.3 Die Neuauflage des stalinistischen Terrors im Kampf gegen den ‚amerikanischen Imperialismus’
4.4 P. Merker im Netz der stalinistischen Säuberungen in der SED
4.4.1 P. Merkers Parteiausschluss
4.4.2 Von der Verhaftung P. Merkers bis zum Prozessbeginn
5 Fazit
1 Einleitung
Warum wurde gerade Paul Merker (*01.02.1894 - †13.05.1969) zur Hauptperson eines eventuellen Schauprozesses in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands auserkoren? Augenscheinlich scheint seine Vita nur eine unter mehreren der kommunistischen Politiker in der Nachkriegszeit zu sein. Aber doch, so scheint es zumindest in Anbetracht der geschichtlichen Ereignisse, muss ein Unterschied vorliegen und diesen gilt es zu verdeutlichen. Nähert man sich dem Untersuchungsgegenstand ‚Merker’, so stößt man auf ein durchaus zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite wären da Historiker, wie Wolfgang Kießling und Jeffrey Herf zu nennen, die dem Leser die Person Merkers als einen integren, makellosen, sozialistischen Helden, der ganz im Gegensatz zur ‚finsteren Machtclique’ um Ulbricht stand, vermitteln. Ihre Arbeiten lassen oftmals leider, neben der reichhaltigen Fülle an wissenschaftlich auswertbaren Materialien, kritische Anmerkungen und die Berücksichtigung globaler Zusammenhänge vermissen. Derart kann nun jedoch beim Leser der Eindruck entstehen, Merker wäre zeitlebens mehr gewesen, als ein, wenn auch nicht gänzlich unbedeutender Teil im großen Gesamtgefüge der KPD- bzw. der später daraus entstehenden SED-Politik.
Andere neuere Ansätze, wie die eines Stefan Meining oder einer Karin Hartewig nähern sich dem Untersuchungsgegenstand wesentlich kritischer und mehrdimensionaler. Zugleich können sie aber nicht auf eigene reale Erfahrungen mit dem ‚Objekt der Betrachtungen’, wie sie Kießling hat, rekurrieren. Ihr Motiv, die ‚uneingeschränkte’ Kritik an der Person und dessen Umfeld wirkt daher manchmal zwanghaft und allzu künstlich. Insbesondere bei der pauschalisierten Verknüpfung von Entscheidungen sowjetischer und ost-deutscher Nachkriegspolitik mit angeblich existierenden aber nicht klar belegbaren antisemitischen Vorurteilen der Akteure treten daher Mängel zu Tage. An diesen Stellen wird offensichtlich, dass sich den oben angeführten ‚merkophilen’ nun klar ‚merkophobe’ Tendenzen entgegenstellen.
Inwiefern nun diese neuerliche subjektive Betrachtung im folgenden Aufsatz einem zu starren Schema unterliegt, mögen andere entscheiden. Fakt ist, damit reiht sich eine weitere Meinung in den großen Reigen der vielen Deutungen ein. Und vielleicht besteht das Ziel wissenschaftlicher Arbeit gerade darin, die kleinsten gemeinsamen Nenner der sich hier gegenüberstehenden Positionen herauszuarbeiten, um das Wahrscheinlichste zu erhalten.
2 Der Merker-Prozess
In der Sitzung vom 29. und 30. März des Jahres 1955 lautete das Urteil des ‚Ersten Strafsenats des Obersten Gerichts der DDR’, „in der Strafsache gegen den Kellner Paul Merker“ (Herf 1994, S. 643ff.): „Wegen Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und Kontrollratsgesetz Nr. 10 Art. II Ziff. 1a vom 20. Dezember 1945, in Verbindung mit Abschn. II Art. III A III der Direktive des Kontrollrats Nr. 38 vom 12. Oktober 1946, wird der Angeklagte Paul Merker zu 8 – acht – Jahren Zuchthaus verurteilt.“ Diesem Passus folgten die Nennungen weiterer Einschränkungen, für die Zeit nach seiner Freilassung. Bei der Analyse des Urteils kann man sich nur unschwer des Eindrucks erwehren, dass Merker durch den Vollzug der ihm auferlegten strafrechtlichen Sühnemaßnahmen zur ‚Unperson’ gemacht werden sollte. Worin lagen nun die Verstöße Merkers gegen die genannten Artikel und welche weiteren Verfehlungen benannte das Gericht in der Anklageschrift?
1. 1924, gehörte Merker zum rechten, versöhnlerischen Flügel der KPD;
2. 1930, äußerte er sektiererische und trotzkistische Auffassungen;
3. 1930, vertrat er eine der Parteilinie entgegen gesetzte Tendenz;
4. 1930, lehnte er es ab, der KPD bei der Organisation der Gewerkschaftsarbeit zu helfen und
5. setzte sich nach den USA ab, wo er in engstem Kontakt zu Earl Browder stand;
6. 1936-42, zeigte er politische Inaktivität bei seiner Arbeit für die KPD in Frankreich;
7. 1939, machte er gegen die Politik des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt Stimmung;
8. 1939, unterstützte er die Registrierung und daraus resultierende Liquidierung der KPD in Frankreich;
9. 1942, flüchtete er aus der Internierung mit Hilfe einer jüdischen Hilfsorganisation, den von der KPF
10. befassten Beschluss, im besetzten Frankreich Untergrundarbeit zu leisten, erkannte er nicht an;
11. 1942-46, tat er sich durch einen ‚repressiven’ Machtanspruch innerhalb der KPD-Exilgruppe hervor;
12. 1942, deckte er den Spion Otto Katz und entfernte die beschuldigenden Genossen aus der Partei, mit
13. diesem Beschluss zerstörte er auch die politische Arbeit der KPD innerhalb der Emigration und
14. vergrößerte den Einfluss kapitalistischer jüdischer Emigranten, zudem
15. setzte er sich für die Entschädigung jüdischer Kapitalisten ein und
16. lehnte die der antifaschistischen Widerstandskämpfer ab, all diese Handlungsweisen entsprachen
17. nicht dem Interesse des deutschen Volkes, sondern denen des amerikanischen Imperialismus;
18. 1942-46 betrieb er in Mexiko die gezielte Verdunkelung seiner politischen Aktivität;
19. 1949, führte er mit dem Agenten Slánský mehrere interne Besprechungen in Prag durch und
20. er pflegte die Verbindungen zu weiteren inzwischen überführten und verurteilten Agenten.
Die hier vorgetragenen Anschuldigungen des Gerichts gegen Merker sollen zuerst einmal unkommentiert bleiben. Die wohl bei der Verurteilung entscheidenden Anklagepunkte wurden dunkel hervorgehoben und werden bei der folgenden Überprüfung derselben, im Rahmen der kritischen Abarbeitung von Merkers Lebenslauf, gesonderte Aufmerksamkeit erfahren. Zudem wird diese Arbeit den Versuch unternehmen, die im Urteil erhobenen Vorwürfe einer nachträglichen Deutung zu unterziehen.
3 Die Karriere des Politikers P. Merker vom ersten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges
3.1 P. Merkers politisches Verständnis und seine Rolle in der KPD von 1918 bis 1935
Paul Merkers kommunistische Überzeugungen traten früh in Erscheinung, im Februar 1918 schloss sich der damals 22jährige der USPD in Dresden an und leistete sog. ‚Antikriegsarbeit’ im Heere. Im selben Jahr beging er Fahnenflucht, um an den bevorstehenden Umwälzungen mitwirken zu können. 1920 wechselte er zur KPD, dort unterstützte er die Arbeit Ernst Thälmanns und wurde zum treuen Anhänger der sog. ‚marxistisch-leninistischen Bewegung’ Sowjetrusslands sowie Stalins. Letzterer hatte im September 1924 die These formuliert: „Sozialdemokratie und Faschismus sind keine Antipoden, sondern Zwillinge“ (Meining 2002, S. 20). Im Verständnis Stalins galten alle die der Politik und Ideologie des Kremls widersprachen als Faschisten, ein Grundgedanke der auch Merkers politisches Verhalten dieser Zeit prägte.
Die offizielle Faschismusdefinition gab Georgi Dimitroff auf dem XIII. Plenum des ‚Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationalen’ (EKKI) im Jahre 1935 vor: „Faschismus als die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen (> nationalistischen) und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (Meining 2002, S. 1). In der Propagandabroschüre ‚Der Sinn der Kommunistenhetze’ schrieb Merker Anfang der 30iger Jahre: „Das leuchtende Ziel eines freien sozialistischen Sowjet-Deutschlands entfacht heute die Begeisterung von Millionen und gibt allen denen, deren Elend ins Unerträgliche steigt, Mut und Hoffnung, Kampfkraft und Siegeswillen.“ (Meining 2002, S. 8f.).
1926 erklomm Merker die erste politisch bedeutende Stufe, auf dem Essener Parteitag der KPD wurde er ins Zentralkomitee und Politbüro gewählt. Zwei Jahre später wurde er Mitglied des Parteisekretariats. Hier konnte er sein Verständnis von ‚marxistisch-leninistischer Politik im stalinistischen Sinne’ umsetzen. Nicht die NSDAP, sondern die Sozialdemokraten wurden zu den Hauptfeinden der Arbeiterklasse erhoben. Sozialdemokratisch Organisierte gehörten dem sog. ‚Sozialfaschismus’ an, Merker selbst gab damals die Devise aus: „Hau auf den Sozialfaschismus, dann triffst du auch den Nationalfaschismus“ (Meining 2002, S. 21). Der Moskauer Ansprechpartner der KPD und ‚Lehrmeister’ Merkers war zu dieser Zeit Solomon Abramovich Losowski. In Übereinstimmung mit Losowski forderte Merker die Errichtung einer kommunistischen ‚Revolutionären Gewerkschaftsopposition’ (RGO) in Deutschland nach sowjetischem Vorbild. Die Mehrheit des KPD-Politbüros lehnte allerdings die Bildung einer eigenen Gewerkschaftsorganisation ab und propagierte dagegen die Losung: „Hinein in die Gewerkschaften“ (Meining 2002, S. 21).
Franz Dahlem, ebenfalls Mitglied des Politbüros der KPD, erklärte 1929 auf einem Kongress der ‚Roten Gewerkschaftsinternationalen’ (RGI): „Die deutsche Arbeiterklasse würde es nie verstehen und nicht mitmachen, wenn eine solche Gewerkschaftsbewegung geschaffen würde, was zur Abspaltung der revolutionären Kräfte von den durch Reformisten geführten Gewerkschaften führen würde“, darauf erwiderte Losowksi: „Der Vertreter der KPD, Franz Dahlem, hat hier erklärt, die deutschen Arbeiter würden eine solche Tätigkeit nicht verstehen. Ich glaube der Genosse Dahlem versteht die deutschen Arbeiter nicht“ (Meining 2002, S. 21). Ein offener Eklat, die brüskierte KPD ‚kuschte’ und hielt sich nun an die stalinistischen Vorgaben. Merker wurde 1929 zum Sekretär und Leiter der RGO gewählt. Diese erwies sich, wie Dahlem prophezeit hatte, sehr schnell als unbedeutend.
Die KPD erkannte darin ihre Chance den ultralinken Flügel, dessen Vertreter u. a. Merker war, abzuschwächen. Merker reagierte und schickte ein Telegramm an das EKKI, in diesem beschuldigte er das ZK der Partei eine Einheitsfront mit dem Parteivorstand der SPD bilden zu wollen. Doch sein Vorstoß scheiterte, das Politbüro wies die Anschuldigungen als ‚parteifeindliche Verleumdung’ zurück. Woraufhin Merker und einige andere den Versuch unternahmen, eine linke Fraktion zu errichten – was misslang. Da er 1930 auch noch Selbstkritik übte, wurde er zu einem leichten Opfer der Parteiräson und verlor alle führenden Positionen in der KPD. Bemerkenswert, zum Zeitpunkt dieser Ereignisse hatte auch Losowski im ‚fernen’ Moskau einen politischen Rückschlag erlitten. Losowski ‚taumelte, fiel aber nicht’, durch seine Fürsprache wurde Merker im März 1931 alias ‚Max Fischer’ via Kanada in die USA verschifft, wo er als Abgesandter Losowskis über weit reichende Kompetenzen verfügte. Er nahm dort an den Politbürositzungen der ‚Kommunistischen Partei der USA’ (KPUSA) teil, wo er u. a. Earl Browder kennen lernte.
Die KPUSA war zwar eng mit dem sowjetischen Geheimdienst verbunden, wurde aber in ihren Aktivitäten stets kritisch beäugt. Merkers Aufgabe war es, die KPUSA auf Moskauer Kurs zu bringen und für die schwarze Minderheit zu öffnen. Bedeutsam für seinen späteren Lebensweg waren auch die Erfahrungen die er dort mit der überwiegenden Anzahl jüdischer Kommunisten machte. 75 % der KPUSA-Mitglieder in New York waren jüdischer Herkunft. Während Merker in den USA weilte, nahmen u. a. Ulbricht und Thälmann seine Thesen von der Gefahr des Sozialdemokratismus bzw. –faschismus wieder auf. Das EKKI erklärte am 1. Mai 1933 bei der Machtübernahme der NSDAP, dass die SPD nun „offen auf die Seite des Faschismus übergegangen“ (Meining 2002, S. 25) wäre.
Im Zuge der während der dreißiger Jahre eintretenden expansiven NS-Politik und der westlichen Appeasement-Politik suchte Stalin vermutlich neue Bündnispartner. Die ehemals verfemten Sozialdemokraten und ‚jüdischen Kreise’ wurden mit einmal wieder ‚attraktiv’. Ironie der Geschichte: Während sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die offen proklamierte antisemitische Stimmung in Deutschland richtete und Stalin außenpolitisch in jüdischen Kreisen Verbündete suchte, veranlasste er die Ermordung eines Großteils der ca. 500.000 - 600.000 Juden unter den geschätzten 10 Millionen Opfern seiner Säuberungen (Meining 2002, S. 27).
3.2 P. Merker beim Versuch einer Volksfrontbildung und deren Ende durch den ‚Hitler-Stalin-Pakt’
3.2.1 Der Versuch einer einheitlichen Oppositionsbildung
1935 galt Merker als gänzlich rehabilitiert und nahm so seine Arbeit als volles Mitglied des ZK sowie des Politbüros der KPD wieder auf. In dieser Zeit bestimmte die KPD ihr politisches Verhältnis zur SPD neu, nachdem Stalin die Bildung einer einheitlichen ‚antifaschistischen Einheitsfront’ gefordert hatte. Doch die Gespräche mit den Vertretern der SPD scheiterten in Prag. Mehr Erfolg hatte dagegen Willi Münzenberg in Paris, 1936 gelang es ihm die angestrebte ‚Deutsche Volksfront’ zu verwirklichen. Synchron zu diesen Ereignissen waren die Massenverhaftungen deutscher Emigranten in der Sowjetunion im vollen Gange. Merker der Kenntnis von diesen Vorgängen hatte, protestierte nicht, sondern verteidigte die Säuberungen als politische Notwendigkeit. Münzenberg brach dagegen zu dieser Zeit mit Stalin.
Moskau forderte daraufhin die Verlegung des Prager KPD-Sekretariats mit Walter Ulbricht, Franz Dahlem und Paul Merker an der Spitze nach Paris. Somit hatte die KPD-Gruppe die Zuständigkeit für alle Emigrationsländer mit Ausnahme der Sowjetunion übernommen. 1937 wurde Münzenberg aus der Partei ausgeschlossen. Alle in Paris lebenden deutschen Kommunisten erhielten die Aufforderung, sich schriftlich von ihm zu lösen, auch Merker hatte seine Lektion von 1930 gelernt und fügte sich der Parteilinie. Ulbricht sollte Münzenbergs Arbeit weiterführen, doch seine neue Linie im Volksfrontausschluss lautete: „Kampf gegen alle und alles“ (Kießling 1996, S. 11). Auf Grund dieser konsensunfähigen Parteipolitik hatte er bald nicht nur die Tätigkeit des Ausschusses zum Erliegen gebracht, sondern auch einen wirksamen Zusammenschluss der Kommunisten mit den Anhängern anderer Parteien und Glaubensrichtungen verhindert. Das brachte Heinrich Mann, einen der ‚geistigen Führer’ der intellektuellen Hitler-Gegner, gegen ihn auf. Mann weigerte sich in weitere Verhandlungen zu treten solange Ulbricht als Vertreter der KPD teilnehmen durfte. Wilhelm Pieck zog im fernen Moskau die Konsequenzen und kommandierte Ulbricht im Januar 1938 zurück. Die Reaktivierung des ursprünglichen Volksfrontausschusses blieb erfolglos, Ulbricht hatte ganze Arbeit geleistet.
Die Pariser Parteigeschäfte der KPD übernahm Merker und schnell zeigte sich, dass er es verstand mit den bürgerlichen Intellektuellen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Nach einem halben Jahr erfolgreicher Arbeit wurde er von Franz Dahlem abgelöst, der aus Spanien zurückgekehrt war. Dahlem war gebürtiger Lothringer und verfügte über einen französischen Pass, das machte ihn zum folgerichtigen Leiter der KPD-Gruppe im Umgang mit den französischen Behörden. 1938 war es dann aber wiederum Merker, der H. Mann nach einem Gespräch in Nizza für die Bündnispolitik der KPD zurück gewann. Merker gelang es in den folgenden Monaten die im ‚Ausschuss der Deutschen Opposition’ versammelten, den verschiedenen Lagern entstammenden, emigrierten, deutschen, progressiven Kräfte zum Kampf gegen die ‚Hitlerdiktatur’ zu vereinigen.
[...]
- Arbeit zitieren
- Lars Wegner (Autor:in), 2006, Der Fall Paul Merker und der Antisemitismus als mögliche Grundlage für einen deutschen Schauprozess , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118824
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