Hintergrund diesen Essays ist die Corona-Pandemie, die die Gesellschaft weltweit seit Anfang 2020 in einen Ausnahmezustand versetzt. Es handelt sich hierbei um das Virus SARS-CoV-2 (im Weiteren als Corona bezeichnet), welches zu schweren Atemwegserkrankungen bis hin zum Tod bei Menschen führen kann. Dieses Virus mutierte im vergangenen Jahr zu einer noch gefährlicheren Variante aufgrund ihrer schnellen Übertragbarkeit und Reproduktion.
Deshalb versucht die Bundesregierung in Deutschland, sowie die weltweiten Regierungsspitzen, mit den bisher vergleichsweise (zu Grippe) wenigen Informationen über das Virus, die Pandemie zu regeln. Dazu gehören beispielsweise Abstandsregeln, die Maskenpflicht, Ausgangssperren, der seit Anfang 2021 anlaufende Impf-Prozess und das Runterfahren des öffentlichen Lebens in Form von Schließungen, sowie eingeschränkten Betrieb von Kitas, Geschäften, Schulen, etc. dazu.
Im Kampf gegen die Pandemie wird vor allem auf gesundheits- und sozialpolitische Aspekte bei der Entscheidungsfindung geachtet, wohingegen bildungswissenschaftliche und insbesondere bildungstheoretische Perspektiven nur sporadisch und eher am Rande berücksichtigt werden. Die daraus resultierende monatelange Schließung und Wiedereröffnung der Schulen wird von der Seite von Eltern, Lehrkräften sowie zum Teil aus der Politik stark kritisiert und diskutiert. Die Tatsache, dass im Allgemeinen Bildungsdefizite schon vor der Pandemie vorhanden waren, lässt sich nicht abstreiten und unter anderem aus sozialer Ungleichheit herleiten.
Somit stellt sich die Frage: Warum werden die Bildungsdefizite durch die pandemiebedingten wechselnden Unterrichtsumstände in den deutschen Schulen deutlicher und was können wir aus der Pandemie-Situation für das deutsche Bildungssystem lernen?
1. Einleitung
Hintergrund diesen Essays ist die Corona-Pandemie, die die Gesellschaft weltweit seit Anfang 2020 in einen Ausnahmezustand versetzt. Es handelt sich hierbei um das Virus SARS-CoV-2 (im Weiteren als „Corona“ bezeichnet), welches zu schweren Atemwegserkrankungen bis hin zum Tod bei Menschen führen kann. Dieses Virus mutierte im vergangenen Jahr zu einer noch gefährlicheren Variante aufgrund ihrer schnellen Übertragbarkeit und Reproduktion (Bundesregierung - Coronavirus in Deutschland, 2021).
Deshalb versucht die Bundesregierung in Deutschland, sowie die weltweiten Regierungsspitzen, mit den bisher vergleichsweise (zu Grippe) wenigen Informationen über das Virus, die Pandemie zu regeln. Dazu gehören beispielsweise Abstandsregeln, die Maskenpflicht, Ausgangssperren, der seit Anfang 2021 anlaufende Impf-Prozess und das Runterfahren des öffentlichen Lebens in Form von Schließungen, sowie eingeschränkten Betrieb von Kitas, Geschäften, Schulen, etc. dazu.
Im Kampf gegen die Pandemie wird vor allem auf gesundheits- und sozialpolitische Aspekte bei der Entscheidungsfindung geachtet, „… wohingegen bildungswissenschaftliche und insbesondere bildungstheoretische Perspektiven nur sporadisch und eher am Rande berücksichtigt werden.“ (Drerup & Schweiger, 2020, S.132).
Die daraus resultierende monatelange Schließung und Wiedereröffnung der Schulen wird von der Seite von Eltern, Lehrkräften sowie zum Teil aus der Politik stark kritisiert und diskutiert. Die Tatsache, dass im Allgemeinen Bildungsdefizite schon vor der Pandemie vorhanden waren, lässt sich nicht abstreiten und unter anderem aus sozialer Ungleichheit herleiten (Drerup & Schweiger, 2020; Miegel, 2020).
Somit stellt sich die Frage: Warum werden die Bildungsdefizite durch die pandemiebedingten wechselnden Unterrichtsumstände in den deutschen Schulen deutlicher und was können wir aus der Pandemie-Situation für das deutsche Bildungssystem lernen?
Vergleichbare Umstände gab es bereits in den 1960er Jahren durch die damals veranlassten Kurzschuljahre, die nachweislich langfristige negative Effekte auf die Schüler*Innen hatten; vor allem durch amerikanische Studien bestätigt (Köller, 2020).
Zunächst wird der erste Teil der Forschungsfrage untersucht, in dem ich vor allem einzelne Beiträge aus Drerup und Schweiger (2020) sowie Fickermann und Edelstein (2021) betrachte. Ins Besondere werden auf die finanziellen und sozialen Chancenungleichheiten, das zu Hause als Lebensmittelpunkt während der Corona-Pandemie sowie auf technische Probleme und Lösungen im Schulwesen eingegangen.
In Anschluss wird auf den zweiten Teil der Forschungsfrage eingegangen und erläutert, was wir aus der Pandemie-Situation für das deutsche Bildungssystem lernen können. Es geht um Fragen nach mehr Flexibilität und Chancengleichheit im Schulwesen, dennoch auch um neue Formen des Unterrichts wie beispielsweise vermehrtes projektbezogenes, interdisziplinäres Lernen.
2. Hauptteil
Es wird Sorge getragen – um nur wenige mögliche Folgen zu nennen -, dass es durch die wechselnden Unterrichtsumstände in den deutschen Schulen zu Wissens- und Kompetenzlücken, ein höheres Risiko von Klassenwiederholungen sowie niedrigeren Bildungsabschlüssen kommen könnte (Köller, 2020)
Wie aus der Einleitung bereits hervorgeht ist das größte Problem im deutschen Bildungssystem noch immer die soziale Ungleichheit. Als soziale Ungleichheit bezeichnet Hradil (2006) den Zustand, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‚wertvollen Gütern‘ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten (Hradil, 2006 (30)). Eines dieser wertvollen Güter ist beispielsweise die Bildung. Ungleiche Bildungszugänge oder -abschlüsse führen zur Ungleichheit von Lebensmöglichkeiten wie z.B. anderen Arbeitsmöglichkeiten und somit auch einem unterschiedlich hohen Verdienst.
Die sozialen Ungleichheiten treten während der Corona-Pandemie stärker zum Vorschein. So schreibt auch das Science for Policy briefs von der Europäischen Kommission (2020), dass im Durchschnitt Kinder, denen es vor der Corona-Pandemie schon an finanziellen Mitteln und Unterstützung mangelte, bereits schlechter in der Schule abschnitten als andere Kinder. Wahrscheinlich haben sie während der Schulschließungen durch die Corona-Pandemie weiteren Anschluss verloren, was wiederum die europäischen Bildungsunterschiede erhöhen würde:
„On average, children who lack resources and support were already lower performers before the crisis. They are likely to have lost further ground during the Covid-19 school closures. This will increase overall European educational inequalities.“ (European Commission, 2020).
So bestätigen Drerup und Schweiger (2020, S.109), dass Familien mit Geldsorgen oder auch einer kleinen Wohnung diese Zeit als stressiger und belastender empfinden als Familien, die keine Geldsorgen haben. Für sie sei oftmals die Pandemie wie Ferien mit Einschränkungen. Die Eltern seien oftmals engagiert und nähmen sich die Zeit für ihre Kinder (Drerup & Schweiger, 2020, S.109). Letztendlich seien auch viele Eltern mit unterschiedlichen sozialen Stellungen beim Homeschooling oftmals dabei überfordert, selber zu versuchen die Lehrer zu vertreten (Köller, 2020; Langmeyer et al., 2020, S.89). Studien der DJI Kindsein haben ergeben, dass Kinder und Jugendliche stark auf elterliche Unterstützung angewiesen sind, wenn auch sie mit zunehmendem Alter stärker selbstorganisiert Lernen können.
Des Weiteren nehme die soziale Ungleichheit in unterrichtsfreier Zeit zu, da bildungsstärkere und finanziell unabhängige Eltern mehr Möglichkeiten in Form außerschulischer Bildungsstätten wie z.B. Sommer-Camps oder Jugendbildungsstätten bieten können (Köller, 2020; Wohnig & Heil, 2020, S.15). Jugendbildungsstätten verbinden Lernen und Leben, Erfahren neuer Dinge, Begegnungen, außerfamiliäre Erwachsene als Identifikationsfiguren mit auf Freiheit zielendes Lernverständnis (Wohnig & Heil, 2020, S.15).
In Deutschland besteht zudem noch immer eine starke Abhängigkeit zwischen Schulbildungskarrieren/-erfolgen und dem familiären Hintergrund der Schüler (Stojanov, 2020, S.135). Laut einer europäischen Statistik von Eurostat (Drerup & Schweiger, 2020), kämen 1,7 Mio. Kinder, sprich 14,4 Prozent der gesamten deutschen Kinder, aus sozial ärmeren Familien. Deren Eltern seien auf Grund von Krankheit, psychischen Leidens, fehlender Bildung oder aufgrund von Betreuungspflichten vom Arbeitsmarkt gänzlich ausgeschlossen oder nur in prekären Jobs integriert (Drerup & Schweiger, 2020, S.120). Hinzu kommt, dass Anspannungen innerhalb der Familie durch bspw. Stress oder Gewalt direkte Folgen auf die Kinder haben (Stojanov, 2020, S.135). Dies steht auch im engen Zusammenhang mit dem neuen aktuellen Lebensmittelpunkt - dem eigenen zu Hause -, in dem sich Homeschooling, Homeoffice, Haushaltsarbeiten, etc. ballen (Drerup & Schweiger, 2020, S.108/109). Es bestehen zudem keine oder kaum Ausweichmöglichkeiten durch andere Bezugspersonen wie Lehrern oder Freunden; oder auch anderen Orten wie z.B. dem Arbeitsplatz oder der Schule (Meyer, 2020, S. 143; Drerup & Schweiger, 2020, S. 110).
Die Folgen finanzieller Probleme und Sorgen erstrecken sich in Bezug auf die E-Lernmittel weiter: Auf der einen Seite haben Schulen nicht ausreichend finanzielle Mittel oder die Kapazität, um digitale Endgeräte zur Verfügung zu stellen (Autorengruppe Bildungsbericht-erstattung, S.46; Meyer, 2020, S.145), auf der anderen Seite stehen die finanziell ärmeren Familien, die nicht die Mittel dazu haben. Drerup und Schweiger (2020) betonen, dass E-Learning ohne nötige technische Geräte oder vor allem ohne Unterstützung durch Geschwister und/oder Eltern schiefgehen kann (S.110).
Zum Ausgleichen der ungleichen Bildungszugänge startete die Bundesregierung erste Programme zur Bereitstellung von digitalen Endgeräten für Lehrer*innen und Schüler*innen durch zweifache Bereitstellung finanzieller Mittel in Höhe von 500 Mio. Euro im Rahmen des „Digitalpakts Schule“ sowie zum zügigen Glasfaser-Ausbau für verbesserte, stabile Internetverbindungen (Köller, 2020; Fickermann & Edelstein, 2021). Doch so fortschrittlich dieser Beschluss auch ist, heißt es laut Langmeyer et al. (2020, S.93) zunächst, dass bisher größtenteils nur digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt wurden, wenn die Schulen zuvor auch schon mit Technik gearbeitet haben.
Doch selbst, wenn die E-Lernmittel gleichverteilt wären, besteht noch immer der nicht ausreichend kompetente und sichere Umgang mit diesen Mitteln. Im Bildungsbericht 2020 heißt es, dass die Nutzung der digitalen Medien von Lehrerseite aus vorwiegend in Frontalunterricht zu ca. 50% umgesetzt wird; vermutlich aufgrund der gering eingeschätzten Potenziale hinsichtlich der Lernwirksamkeit digitaler Medien (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020, S.258). Dieses Problem resultiert jedoch aus den didaktischen Lehreraus- und -fortbildungen im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung. Laut der Studien des Deutschen Jugendinstituts (Langmeyer et al., 2020) gäbe es sogar Lehrer und Eltern, die bei Technik sehr unflexibel und wenig technikaffin sind. Im Bildungsbericht 2020 wird dargestellt, dass die höchste digitale Kompetenz in der deutschen Bevölkerung 2013 in der Gruppe der Studierenden im 3.Studienjahr läge (Langmeyer et al., 2020, S.321). Dies belegt wiederum das mangelnde Heranführen und Lehren des Umgangs mit Technik von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Für die Zukunft ist es wichtig, dass das Erlernen digitaler Kompetenzen bereits früher, bspw. in den Schulen, eingeleitet werden muss.
Digitale Formate sind jedoch heutzutage für die meisten Kinder und Jugendliche nichts Besonderes mehr aufgrund ihres außerschulischen Gebrauchs von sozialen Netzwerken, Messengern, YouTube, Streaming Diensten oder Suchmaschinen (Wohnig & Heil, 2020, S.17). Dies wird auch durch den Bildungsbericht 2020 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020, siehe Abbildung 1 im Anhang) untermauert, da die Mediennutzung für 8. Klässler*innen für schulbezogene Zwecke in Schulen nur 23% betrage und für andere Zwecke in der Schule 30%. Außerhalb der Schule handelt es sich hierbei sogar um 92% (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020, S.321). Für schulische Zwecke im außerschulischen Bereich nahezu verdoppelt sich die Zahl sogar auf 42%. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Schüler*innen mehr Medien für Schulzwecke außerhalb der Schule als innerhalb der Schule gebrauchen und somit das Interesse und die Lernbereitschaft diese Medien auch innerhalb der Schule zu verwenden durchaus vorhanden ist. Heil und Wohnig (2020) sprechen sich zudem dafür aus, dass man für den digitalen Raum auch keine eigenen, neuen pädagogischen Ziele benötige, sondern schlichtweg die bisherigen Ziele in den digitalen Raum weitestgehend übertragen könne (S.15).
Natürlich gilt es in Bezug auf die Corona-Pandemie zu betonen, dass nicht alle Schulen die Umstellung auf Homeschooling gleichermaßen schnell umsetzen können und konnten. Jedoch hängt die Lernmotivation, der Lernerfolg und die Zufriedenheit der Schüler*innen und Eltern stark davon ab (Nusser, Wolter, Attig & Fackler, 2020). Kritisch ist es zudem, dass es weiterhin aufgrund von ungleich stabilen Internetverbindungen häufig zu technischen Problemen kommt (Winklhofer & Urlen, 2020).
Das bisherige hin und her der Schulöffnungen, Notbetreuungen und Schließungen (Fickermann & Edelstein, 2021, S.14-17) widerspricht der bisherigen Routine, die die Schüler*innen auf ihrem Bildungsweg nebst ihrer außerschulischen Umgebung und sozialen Umfeld gestützt und geleitet hat. Nachstehend eine Graphik aus Blum & Drobotić (2020, S.88), die einen Überblick von März bis November 2020 zu den wechselnden Unterrichtsumständen aufzeigt; und damit auch noch nicht die Umstände im Dezember und in den nachfolgenden Monaten bis heute (Mitte April 2021) miteinschließt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedeutung eines geregelten Schulbetriebes war der Ministerpräsidentenkonferenz im August 2020 schon bewusst, weshalb sie zur Förderung die konkreten, bereits erwähnten Vorschläge, vereinbarte (Fickermann & Edelstein, 2021, S.10).
An diesem Punkt wird nun speziell auf den zweiten Teil der Forschungsfrage eingegangen: was können wir aus der Pandemie-Situation für das deutsche Bildungssystem lernen?
„Dieses Neue zu gestalten, ist eine Chance, die sich nicht jeder Generation bietet. Die heute lebenden Generationen sollten sie für eine Erneuerung ihrer Kultur nutzen.“ (Miegel, 2020, S.152).
Wie Miegel (2020) schreibt, bedeuten die Erfahrungen der Pandemie in erster Linie eine Chance etwas zu verändern – unter anderem auch das bestehende deutsche Bildungswesen genauer zu betrachten. So wird im Folgenden auf die positiven und negativen Erkenntnisse aus dieser Pandemie eingegangen:
Positiv betrachtet werden kann, dass die Schulen gezwungen waren den Unterricht flexibler zu gestalten, zu individualisieren und eine Kombination aus Distanz- und Präsenzunterricht umzusetzen (Stojanov, 2020, S.133). Um das Problem des attraktiveren Umgangs mit dem Distanz-Unterricht zu lösen, so könne auf folgende Aspekte geachtet werden:
1. Bildung könne auf der einen Seite auf Plattformen zurückgreifen, die Jugendliche bereits nutzen wie z.B. soziale Medien (Facebook, Instagram, Snapchat, etc.), auf der anderen Seite auch auf digitale davon abgrenzende Räume, die sich außerhalb dieser Aufmerksamkeitsökonomie verorten (Heil & Wohnig, 2020, S.18).
2. Weitere digitale Formate ausbauen wie z.B. digitale Stadtrundgänge, Museumsbesuche oder auch Videogespräche mit Experten und Politikern (Heil & Wohnig, 2020, S.19).
3. Einen informellen Austausch könne via Chat, Videokonferenzverlängerungen oder Diskussionen mithilfe von digitalen Tools ermöglicht werden, der dadurch nicht wie im Präsenzunterricht auf die physische Anwesenheit beschränkt ist (Heil & Wohnig, 2020, S.20).
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