Im Kontext der digitalen Transformation entstehen tiefgreifende ökonomische und soziale Veränderungen. Die Adaption der Anforderungen, Strukturen und Inhalte von zukünftigen Geschäftsmodellen, Organisationen und Arbeitssystemen impliziert eine Arbeitswelt, welche zunehmend schneller, virtueller und flexibler wird. Bei der intentionalen Gestaltung sämtlicher Digitalisierungsvorhaben stehen die Mitarbeitenden zunehmend im Mittelpunkt. Infolgedessen muss auch die Führung dem damit einhergehenden Wandel angepasst werden. Die Auswirkungen von Digitalisierung auf interpersonelle Kooperationsformen sowie die Führung von Arbeitenden stellen einen gegenwärtig noch unzureichend thematisierten Erfolgsfaktor einer Institution dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aktuell vier verschiedene Alterskohorten am Arbeitsmarkt zusammentreffen. Aus diesem Grund ist im Rahmen der Studie zu ermitteln, welche Unterschiede zwischen den einzelnen Generationen hinsichtlich der präferierten Führungsstile und Führungskompetenzen eines erfolgreichen Digital Leaders bestehen.
Zur genaueren Betrachtung des beschriebenen Themengebiets ist mithilfe einer explanativen, quantitativen Querschnittstudie eine Erhebung der notwendigen Daten vorzunehmen. Die Grundlage bildet ein entsprechender Fragebogen, welcher aus standardisierten Modellen zur Erfassung relevanter Führungsstile und Führungskompetenzen besteht. Die korrigierte Stichprobe der Umfrage umfasst 252 Probanden. Mit der Befragung werden sämtliche Alterskohorten abgedeckt. Hierzu zählen die Generation Z, Generation Y, Generation X sowie die Babyboomer. Auf Basis des theoretischen Hintergrunds werden vier Hypothesen abgeleitet, welche anhand eines nicht-parametrischen statistischen Verfahrens und anschließend angewandter paarweiser Vergleiche zu überprüfen sind.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... VIII
Tabellenverzeichnis ... XI
Abkürzungsverzeichnis ... X
1 Einleitung ... 11
1.1 Problemstellung ... 12
1.2 Zielsetzung der Arbeit ... 13
1.3 Aufbau der Masterarbeit ... 14
2 Theoretische Grundlagen ... 16
2.1 Digital Leadership ... 16
2.1.1 Definition ... 16
2.1.2 Einflussfaktoren ... 23
2.1.2.1 Globalisierung ... 24
2.1.2.2 Digitale Technologien ... 25
2.1.2.3 Demografischer Wandel ... 27
2.1.2.4 VUCA-Rahmenbedingungen ... 28
2.1.3 Essenzielle Aufgaben ... 30
2.1.4 Digitale Führungstypologie ... 33
2.2 Führungsansätze ... 34
2.2.1 Begriffsdefinition ... 36
2.2.2 Originäre Ansätze ... 38
2.2.3 Full Range of Leadership ... 40
2.2.3.1 Transaktionale Führung ... 42
2.2.3.2 Transformationale Führung ... 44
2.2.3.3 Passive Führung ... 46
2.2.3.4 Augmentationseffekt ... 47
2.2.4 Ambidextrie moderner Führung ... 48
2.3 Führungskompetenzen ... 49
2.3.1 Kompetenzbegriff ... 50
2.3.2 Originäre Unterteilung ... 54
2.3.3 Adaption digitaler Kompetenzen ... 57
2.4 Generationendiversität ... 61
2.4.1 Generationenbegriff ... 61
2.4.2 Generationenunterschiede .... 63
2.4.2.1 Babyboomer ... 63
2.4.2.2 Generation X ... 66
2.4.2.3 Generation Y ... 68
2.4.2.4 Generation Z ... 70
2.4.3 Abgrenzung der Alterskohorten ... 72
3 Festlegung der Hypothesen ... 73
4 Methodische Vorgehensweise ... 75
4.1 Forschungsdesign ... 75
4.2 Erhebungsinstrument ... 77
4.2.1 Aufbau/Pretest ... 77
4.2.2 Gütekriterien ... 83
4.3 Stichprobe ... 84
4.4 Durchführung ... 85
4.5 Statistische Auswertung ... 86
5 Ergebnisdarstellung ... 89
5.1 Soziodemografische Daten ... 89
5.2 Hypothesenprüfung ... 91
5.2.1 Allgemeine Hypothesen ... 92
5.2.2 Führungsstilbezogene Hypothese ... 94
5.2.3 Führungskompetenzbezogene Hypothese ... 99
5.3 Konzeption - Integrative und multigenerative Taxonomie ... 106
6 Diskussion ... 109
6.1 Einordnung der Ergebnisse ... 109
6.2 Limitationen und Ausblick ... 113
7 Fazit ... 116
Literaturverzeichnis ... CXVII
Anhangsverzeichnis ... CXLI
1 Einleitung
Begrifflichkeiten, wie z. B. Digitalisierung, digitale Transformation oder digitale (R)Evolution sind aktuell in aller Munde. Im Kontext der industriellen Anpassungen sind notwendige Handlungsfelder unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst (Wagner, 2017, S. 1). Dabei sind die einhergehenden Veränderungen aufgrund einer zunehmenden Digitalisierung sowohl aus ökonomischer als auch sozialer Sichtweise immens (Zeichhardt, 2018, S. 3). In Anbetracht des globalisierten Wettbewerbs sind analoge Organisationen zu digitalen Unternehmen gereift. Die Herausforderungen von digitalen Transformationsprozessen liegen primär in den veränderten, komplexeren sowie unkalkulierbaren Umweltbedingungen begründet. Dadurch werden etablierte Geschäftsmodelle und Managementansätze regelmäßig auf den Prüfstand gestellt. In einem volatilen, unsicheren, vielschichtigen und mehrdeutigen Marktumfeld sind langfristige Planungen der zu erwartenden Resultate nahezu unmöglich (Dombrowski & Bogs, 2020, S. 104). Neuartige Informationstechnologien (IT), Big Data, Maschinen mit künstlicher Intelligenz (KI) und digitale Medien beeinflussen Branchen, Wertschöpfungsprozesse, Kundenbeziehungen, Unternehmensstrukturen und -kulturen und die grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten des zukünftigen Zusammenarbeitens (BMAS, 2017). In diesem Zusammenhang notwendige Themengebiete lassen sich in vier verschiedene Disziplinen unterteilen.
Der Einfluss von Digitalisierung auf die interpersonellen Kooperationsformen und Führung von Beschäftigten stellt einen noch unzureichend thematisierten Erfolgsfaktor innerhalb von Institutionen dar. Die digitale Transformation umfasst mehr als technologische Veränderungen, weswegen die Führung einen elementaren Bestandteil der künftigen Herausforderungen im Kontext des digitalen Wandels bildet (Teichmann & Hüning, 2018, S. 26). Vor dem Hintergrund der damit gekoppelten Adaptionen stehen Führungskräften unbequeme Zeiten bevor (Ciesielski & Schutz, 2016, XI). Leitende Personen befinden sich demnach in einem symptomatischen Spannungsfeld und müssen eine Vorbildfunktion einnehmen. Die Bewältigung der unterschiedlichen Problemstellungen ist nicht nur eine Aufgabe der Chefetage, sondern tangiert darüber hinaus sämtliche Hierarchieebenen des Unternehmens (Cole, 2017, S. 32). Aus Sicht der einschlägigen Managementforschung und -praxis liegt das Hauptaugenmerk auf der Organisation relevanter Maßnahmen. Die Vorgehensweise geht dabei über das reine Hinterfragen von Strukturen sowie Prozessen hinaus und impliziert außerdem die Schaffung einer grundlegenden Akzeptanz für digitale Technologien innerhalb der Belegschaft, wodurch die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der Organisation sichergestellt wird (Zeichhardt & Thiessen, 2016, S. 4). Stolpersteine bestehen in einer medial vermittelten Führung, welche über lokale Standorte hinweg heterogene Gruppen an Beschäftigten managen muss. Des Weiteren sind Alters- und Kulturunterschiede im Umgang mit neuartigen Technologien zu berücksichtigen (Ciesielski & Schutz, 2016, XI). Im Rahmen dieser Entwicklungen ist der Terminus Digital Leadership (DL) entstanden. Die neue Disziplin beschreibt eine vollumfängliche Anpassung der Führung inkl. dem Führungsverständnis, den Führungsverhaltensweisen und den Führungsinstrumenten, womit prinzipiell die Grundvoraussetzung für eine intentionale Gestaltung der digitalen Transformation geschaffen wird. Eine Vielzahl an Themen, welche untrennbar mit Digital Leadership verbunden sind, betreffen die individuellen Bedürfnisse der Arbeitenden. Hierzu zählen z. B. eine gesteigerte Kooperation, die Entwicklung von Netzwerkorganisationen und der bilaterale Austausch durch virtuelle Medien (Lorenz, 2018, S. 40 f.). Führung durchläuft demnach einen kontinuierlichen Veränderungsprozess, damit Institutionen im Zeitalter der digitalen Transformation bestehen können. Im Rahmen der Masterarbeit ist der beschriebene Wandel zu konkretisieren und ein entsprechender Beitrag zum definierten Themengebiet zu leisten, indem die nachfolgend dargestellte Problemstellung mithilfe von wissenschaftlichen Forschungsmethoden beantwortet wird.
1.1 Problemstellung
Wie bereits den einleitenden Sätzen zu entnehmen ist, entsteht unabhängig von Marktbereich und Organisationsziel eine Arbeitswelt, welche zunehmend schneller, virtueller, und flexibler wird (Maier, Engels & Steffen, 2019, S. 6). Der Fokus im Kontext der digitalen Technologien liegt bisher vornehmlich auf den einzelnen Mitarbeitenden und weniger auf den Führungskräften (Dörr, Schmidt-Huber & Maier, 2021). Jedoch sind aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung teilweise völlig neue Anforderungen bezüglich einer intentionalen Führung von Beschäftigten notwendig, um die festgelegten Zielstellungen zu erreichen (Hensellek, 2020, S. 1189). Zu diesem Zweck ist ein Paradigmenwechsel in der Führungskultur anzustreben. Klassische Führungsstile sind zu hinterfragen, moderne Konzepte miteinzubeziehen und die Selbstführung zu intensivieren. Hierfür werden ebenfalls entsprechende Kompetenzen erforderlich, welche über originäre Fähigkeiten hinausgehen. Dadurch setzt Digital Leadership primär andere Akzente in der Führungspraxis voraus und fordert eine Steigerung der Aktivitäten von leitenden Personen (Hasenbein, 2020, S. 98 f.; Probst & Bassi, 2017, S. 2). Dabei wird ersichtlich, dass hauptsächlich die High-Touch-Kompetenzen, also Fähigkeiten zum Umgang mit Individuen, ins Zentrum der einzelnen Betrachtungen rücken (Glade & Schön, 2019, S. 23). Mitarbeitende müssen bei sämtlichen Digitalisierungsvorhaben im Mittelpunkt stehen, da sie einen maßgeblichen Wettbewerbsvorteil erfolgreicher und innovativer Unternehmen repräsentieren (Stoffel, 2016, S. 208). Damit einher geht ein zusätzlicher kultureller Wandel. Führungskräfte müssen einerseits agile und autonome Organisationen und andererseits Bereiche mit einem starren hierarchischen Aufbau managen (Duwe, 2020).
Gegenwärtig sind nur vereinzelte Untersuchungen vorhanden, welche explizit eine Betrachtung von relevanten Führungsstilen und -kompetenzen im Zusammenhang mit Digital Leadership vornehmen. Infolgedessen ist eine weiterführende Analyse des Themengebiets von besonderer Bedeutung. Die in der fachspezifischen Literatur aufzufindenden Datenerhebungen sind vorrangig an Führungskräfte gerichtet. Die Mitarbeitenden selbst werden nicht aktiv in die durchgeführten Befragungen eingebunden und bilden bei der Darstellung von Ergebnissen nur eine untergeordnete Rolle. Aufgrund dessen, dass die Mitarbeitendenorientierung jedoch einen zentralen Bestandteil der digitalen Führung einnimmt, ist diese Perspektive in die Vertiefung miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass momentan vier unterschiedliche Alterskohorten am Arbeitsmarkt zusammenarbeiten. Verschiedene Studien stellen Differenzen hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften und den Anforderungen an die Arbeitswelt fest. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Generationen divergierende Ansprüche bezüglich der erforderlichen Führungsstile und -kompetenzen eines zielorientierten Digital Leaders aufweisen. Daher ist im Rahmen der anzufertigenden Masterarbeit der Fokus auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Altersgruppen zu legen.
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Aufgrund von fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf die genannte Problemstellung ist eine humanzentrierte (mitarbeitendenorientierte) Sichtweise einzunehmen und der begrenzte Teilbereich des Themengebiets einer umfassenden Betrachtung zu unterziehen. Bei der Untersuchung der künftigen Anforderungen einer digitalen Führungskraft ist den Charakteristiken der diversen Generationen eine signifikante Stellung zuzuschreiben. Die Masterthesis verfolgt somit das übergeordnete Ziel, den disruptiven Veränderungen, welche sich aufgrund der Digitalisierung ergeben, einen aktuell relevanten und vieldiskutierten Führungsansatz und ein passendes Kompetenzmodell gegenüberzustellen. Dementsprechend unternimmt die Studie in erster Linie den Versuch, die nachfolgende Forschungsfrage zu beantworten:
Welche Divergenzen bestehen zwischen den jeweiligen Generationen hinsichtlich der erforderlichen Führungsstile und -kompetenzen eines erfolgreichen Digital Leaders?
Hierfür sind verschiedene unterschiedsbezogene Hypothesen festzulegen, welche mithilfe von statistischen Verfahren verifiziert bzw. falsifiziert werden. Anhand der ermittelten Ergebnisse wird in einem weiteren Schritt eine integrative und multigenerative Führungstaxonomie konzipiert, welche zukünftig als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten dient. Des Weiteren wird den Führungskräften ein universelles Werkzeug übermittelt, welches im Kontext von Digital Leadership eine Hilfestellung bei der zielgerichteten Anwendung entsprechender Führungsansätze und -kompetenzen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Generationen bietet. Die Darstellung der Klassifikation erfolgt dabei sowohl branchenunspezifisch als auch hierarchieunabhängig, womit ein relativ breites Anwendungsspektrum abgedeckt werden kann.
1.3 Aufbau der Masterarbeit
Die vorliegende Ausarbeitung ist insgesamt in sieben Kapitel unterteilt. Zunächst ist in der Einleitung die aktuelle Relevanz des Themengebiets darzustellen, die Problemstellung sowie die Zielsetzung der Masterarbeit zu erläutern und die grundlegende Strukturierung der Arbeit zu beschreiben. Im daran anknüpfenden Abschnitt sind die definitorischen Grundlagen zu legen, welche wiederum die Basis der fortführenden Kapitel bilden. Der theoretische Hintergrund beleuchtet in einem ersten Schritt den Bereich Digital Leadership. Dabei wird auf Einflussfaktoren, die essenziellen Aufgaben und eine digitale Führungstypologie eingegangen. Anschließend werden geeignete Führungsansätze betrachtet. In diesem Zusammenhang sind sowohl originäre als auch an digitale Herausforderungen angepasste Führungsstile aufgeführt. Darüber hinaus wird im Rahmen der weiterführenden Betrachtung von Führungskompetenzen neben der traditionellen Kompetenzeinteilung eine Adaption von digitalen Kompetenzen vorgenommen. Den abschließenden Teilbereich der wesentlichen Ausgangspunkte stellt die Generationendiversität dar. Eine Beschreibung der Generationen inkl. zugehöriger Divergenzen ermöglicht eine Abgrenzung der verschiedenen Alterskohorten. Im dritten Kapitel erfolgt die Ableitung bzw. Festlegung der relevanten Forschungshypothesen. Darauf aufbauend ist im vierten Abschnitt die methodische Vorgehensweise der Untersuchung definiert. Entsprechende Unterkapitel beinhalten das Forschungsdesign, Erhebungsinstrument, die Stichprobe, Durchführung und statistische Auswertung. Die Darstellung der Ergebnisse und die Konzeption der integrativen und multigenerativen Führungstaxonomie wird im fünften Kapitel der Studie vorgenommen. Eine daran anknüpfende Diskussion ermöglicht die Einordnung der gewonnenen Resultate in den wissenschaftlichen Kontext, führt vorhandene Limitationen auf und unterbreitet etwaige Vorschläge für zukünftige Ausarbeitungen. Das abschließende Fazit bildet ein Kurzresümee der Masterarbeit und rundet das betrachtete Themengebiet ab. Der generelle Aufbau und die logischen Zusammenhänge der einzelnen Kapitel sind in Abbildung 2 dargestellt.
Als Zielgruppe der anzufertigenden Arbeit lassen sich primär vier Gruppierungen identifizieren. Wie bereits in der Zielsetzung erwähnt, wird Führungskräften ein grundlegendes Werkzeug bereitgestellt, welches im Zeitalter der digitalen Transformation eingesetzt werden kann. Darüber hinaus kann das entwickelte Instrument bei der Führungskräfte- und Personalentwicklung herangezogen werden, indem wichtige Kompetenzbereiche aufgezeigt werden. Im Rahmen der Personalauswahl ermöglicht das Modell eine Ableitung von entsprechenden Anforderungsprofilen im Umgang mit unterschiedlichen Generationen. Überdies ist die Untersuchung auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Wie der Einleitung zu entnehmen ist, existieren nahezu keine identischen Abhandlungen zu dem genannten Themengebiet.
2 Theoretische Grundlagen
Im Vorfeld ist es unumgänglich, eine forschungs- und handlungsleitende Basis für die weiterführende Ausarbeitung zu legen. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Begriffsinterpretationen in diesem ausgedehnten Themengebiet erfolgt zunächst die Definition der primär verwendeten Termini. In dem Zusammenhang wird im Kapitel 2.1 eine grundlegende Einführung in den Bereich „Digital Leadership“ vorgenommen. Basierend auf den ermittelten Erkenntnissen werden anschließend die in diesem Kontext relevanten Führungsansätze und -kompetenzen dargestellt, bevor im Abschnitt 2.4 eine Abgrenzung der verschiedenen Generationen stattfindet. Das Ergebnis dieser inkrementellen Betrachtung der unterschiedlichen Disziplinen bildet ein einheitliches Begriffsverständnis, welches im weiteren Verlauf der Masterarbeit beibehalten wird und eine differenzierte Grundlage für die empirische Datenerhebung repräsentiert.
2.1 Digital Leadership
Wie bereits eingangs erwähnt, verändern sich aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung und Technologisierung sämtliche Bereiche der Gesellschaft. Dieser tiefgreifende Wandel lanciert einen Paradigmenwechsel bei der zukünftigen Unternehmens- und Personalführung. Durch eine schnelle, transparente und agile Arbeitsweise werden tradierte und erprobte Hierarchien, Methoden und Verhaltensweisen überholt (Rosenstiel, Regnet & Domsch, 2014, S. 1). Vorhandene Rahmenbedingungen und Konzepte sind an die aktuellen und bevorstehenden Anforderungen zu adaptieren, weswegen konsequenterweise eine neue Definition von Führung erforderlich wird (Teichmann & Hüning, 2018). In diesem Zusammenhang ist vor allem der Ausdruck „Digital Leadership“ allgegenwärtig. Zunächst erfolgt eine allgemeine Definition, bevor anschließend auf signifikante Einflussfaktoren und essenzielle Führungsaufgaben eingegangen wird. Abgerundet wird dieses Kapitel durch die Darstellung einer in der fachspezifischen Literatur vorhandenen, digitalen Führungstypologie.
2.1.1 Definition
Für den Terminus liegt in der Wissenschaft noch kein einheitliches Begriffsverständnis vor. Dieser Umstand wird dadurch ersichtlich, dass für die auftretenden Veränderungsprozesse in der modernen Führungslehre weitere Begrifflichkeiten, wie z. B. „Electronic Leadership“ und „New Leadership“ etabliert wurden (Peters, 2015, S. 13). Da die Bezeichnung darüber hinaus im Kontext der Industrie 4.0 und den voranschreitenden Digitalisierungsvorhaben eingesetzt wird, ist als Synonym der Ausdruck „Leadership 4.0“ entstanden. Dieser beschreibt die Möglichkeiten der Führung von Mitarbeitenden, welche sich durch die digitalen Technologien im Bereich der vernetzten Produktion ergeben und kann insofern mit den verfolgten Zielsetzungen von Digital Leadership gleichgestellt werden (Moskaliuk, 2019, S. 13). Unabhängig davon, welcher Begriff letztendlich gewählt wird, sind den jeweiligen Termini identische Attribute zuzuschreiben.
Aus dem Englischen übersetzt bedeutet die Bezeichnung „Digital Leadership“ lediglich „digitale Führung“ (Wagner, 2017, S. 9). Zur Realisierung einer vollumfänglichen Definition sind in einer ersten Phase die beiden Bestandteile der Begrifflichkeit „Digital“ und „Leadership“ einzeln zu betrachten. Anschließend erfolgt die Synthese der beschriebenen Komponenten. Im Folgenden werden die identifizierten Elemente einer genaueren Analyse unterzogen.
Digital geht ursprünglich auf das lateinische Wort „digitus“ zurück. Im deutschsprachigen Raum wurde das aus dem Substantiv abgeleitete Adjektiv zunächst im medizinischen Fachbereich verwendet und bedeutet sinngemäß „mithilfe des Fingers“ (Hischer, 2018). Eine entsprechende Konkretisierung des Ausdrucks ermöglicht den konventionellen Einsatz im informationstechnischen Kontext. Prinzipiell wird hiermit die Eigenschaft eines einzelnen Elements beschrieben, nur diskrete, d. h. nicht stetig veränderbare Werte annehmen zu können (Claus & Schwill, 2003, S. 187). In der Datenverarbeitung steht das Wort somit für „Digitaltechnik, Digitalverfahren betreffend, auf ihnen beruhend“ oder „in Ziffern darstellend, in Stufen erfolgend“ (Dudenredaktion, o. J.).
Leadership geht originär aus dem Verb „lead“ hervor und wird primär mit den Begriffen Führung und Leitung in Verbindung gebracht (Peters, 2015, S. 1). Damit werden human-, verhaltens-, eigenschafts-, interaktions- und motivationszentrierte Aufgaben des Managements bezeichnet. Demzufolge umfasst Leadership sowohl Eigenschaften als auch Fähigkeiten, welche die Charakteristika einer interaktionsbezogenen und verhaltensbeeinflussenden Managementkompetenz bilden (Lies, 2018). Die suggestive Kraft des Terminus impliziert das Vorhandensein von Berufung und Charisma, die Erkenntnis von der Ausführung einer Mission, den Glauben an die Richtigkeit und die Notwendigkeit der Erfüllung von Zielen und Visionen (Peters, 2015, S. 2). Eine vollumfängliche Definition geht jedoch über die Gesamtheit an Führungsqualitäten einer Person hinaus. Leadership umfasst den ganzheitlichen Prozess der zielbezogenen Einflussnahme, um ein grundlegendes Verständnis für notwendige Aktivitäten zu schaffen sowie Vereinbarungen festzulegen (Yukl, 2013, S. 7). Die Förderung individueller und kollektiver Bemühungen zur Erreichung von gemeinsamen Zielen kann dabei auf sehr unterschiedlichen Wegen erfolgen (Rosenstiel et al., 2014, S. 3). Insofern erscheint es intuitiv, dass Führung generell nicht als ein unidirektionales Konzept, sondern vielmehr als eine Austauschbeziehung zwischen dem Führenden und weiteren Parteien, wie z. B. Mitarbeitenden angesehen wird (Hensellek, 2020, S. 1194). Demzufolge entsteht ein integrativer Interaktionsprozess, in welchem die Interessensgruppen wechselseitig verschiedene formale und informale Beeinflussungspotenziale (hierarchische Legitimationsmacht, Belohnungs- und Bestrafungsmacht, Experten- und Informationsmacht) einsetzen können (Schreyögg & Koch, 2020, S. 558). Der Führungserfolg hängt somit einerseits von der Machtbasis des Beeinflussenden und den unternommenen Anstrengungen ab, andererseits spielen die vorhandenen Bedürfnisse, Ziele und Wertvorstellungen des Einflussadressaten ebenfalls eine entscheidende Rolle (Zeichhardt, 2016a, S. 116 f.).
Bei der Betrachtung von essenziellen Führungsaufgaben sind zunächst die Dimensionen Leadership und Management voneinander abzugrenzen (Lutschewitz, 2020). Die beiden Termini werden mehrheitlich im selben Kontext genannt, aufgrund der verschiedenen Bedeutung ist jedoch eine Differenzierung vorzunehmen. Der Harvard-Professor John P. Kotter wird als Pionier auf diesem Gebiet angesehen und ist hauptsächlich für die Durchdringung der bereits im Jahr 1990 erstellten Unterteilung verantwortlich. Leadership inkludiert demnach die Entwicklung einer Zukunftsvision, welche eine nachhaltige Veränderung impliziert. Den Enabler bildet die individuelle Inspiration und Motivation, wodurch Beschäftigte die Vision verstehen und sich für eine Realisierung einsetzen. Als übergeordnetes Ergebnis entsteht ein Wandel, welcher zu tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Organisation führt (Kotter, 1990). Die Entdeckung von neuen und völlig unbekannten Territorien soll Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen (Lutschewitz, 2020). Ein erfolgreicher Leader ist innovativ, repräsentiert ein Unikat und verändert den Status quo (Bennis, 1989). Demnach ist Leadership nicht auf die Mitarbeitendenführung beschränkt, sondern umfasst ebenfalls die Ebenen der Unternehmensführung und Selbstführung (Bruch, Krummaker & Vogel, 2006, S. 5). Die wesentliche Aufgabenerfüllung wird dabei zusätzlich durch den humanitären Enthusiasmus geprägt (Zaleznik, 1977).
Der Bereich des Managements enthält die Planung und Budgetierung von festgelegten Zielsetzungen, die Verwaltung und Besetzung benötigter Stellen und den sogenannten Problemlösungs- und Kontrollprozess. Diese Vorgehensweise erzeugt ein kontinuierliches Maß an Ordnung (Kotter, 1990). Der Aufbau von Kompetenz, Kontrolle sowie die Vermittlung eines adäquaten Kräfteverhältnisses bildet den Mittelpunkt der Führungskräfteentwicklung (Zaleznik, 1977). Managende Personen sind primär administrativ tätig, stellen ein Duplikat dar und tolerieren den Status quo (Bennis, 1989). Demzufolge ist das traditionelle Management als konzeptionell-instrumentelle Unternehmenssteuerung (Business Administration) von der Führung (Leadership) als beeinflussend-motivierende Tätigkeit abzugrenzen (Lies, 2018).
Für den Fortbestand von Organisationen ist ein reziprokes Zusammenspiel der beiden Disziplinen unabdingbar. In Abhängigkeit von der jeweiligen Position bzw. Ebene der Führungskräfte dominieren entweder Leadership- oder Managementanteile (Lutschewitz, 2020, S. 4). Die Problematik besteht darin, dass ein Großteil der Unternehmen als „over-managed“ und „under-led“ bezeichnet werden können, wodurch maßgeblich der Bereich Leadership zunehmend an Einfluss gewinnt (Kotter, 1990). Im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung hat diese Aussage nochmals an Bedeutung hinzugewonnen. Die damit einhergehenden Veränderungen werden unter „Digital Leadership“ zusammengefasst. Bevor im Anschluss die Zusammenführung der beiden Einzeldefinitionen vorgenommen wird, sind in der nachfolgenden Tabelle wesentliche Unterschiede zwischen Leadership und Management in komprimierter Form aufgeführt.
Digital Leadership umschreibt prinzipiell eine Transformation des gegenwärtigen Führungsverhaltens an die Erfordernisse einer verstärkt digitalisierten Welt (Stoffel, 2016). In der fachspezifischen Literatur sind bereits erste Erklärungsansätze vorhanden, wobei sich noch keine Definition durchgesetzt hat. Der Terminus impliziert demnach eine Führung, die das traditionelle Management-Einmaleins beherrscht und darüber hinaus in der Lage ist, die Muster des Internets in vorhandene Führungskonzepte zu integrieren und aus den beiden Konzepten eine zeitgemäße und erfolgsversprechende Synthese zu bilden (Buhse, 2014, S. 230). Außerdem repräsentiert Digital Leadership einen Führungsstil, welcher vornehmlich für die digitale Wirtschaft implementiert wurde. Dieser besteht wiederum aus den Komponenten „Digital Mindset“ (Wollen), „Digital Skills“ (Können) und „Digital Execution“ (Machen) und befähigt, digitale Prozesse, Produkte und Plattformen zu gestalten und die einzelnen Angestellten proaktiv und agil zu führen (Kollmann, 2020, S. 229). Fortschrittliche Führung bedeutet somit, den notwendigen Dreiklang der digitalen Transformation aus Wollen, Können sowie Machen zu beherrschen.
Weiterführende Auslegungen konkretisieren in digitaler Führung die Fähigkeit, Denken und Handeln im unternehmensinternen Umfeld bewusst auf die strategischen, strukturellen und kulturellen Forderungen des bevorstehenden Wandels auszurichten. Dieser Umstand umfasst indirekt eine intellektuelle Adaptionsfähigkeit an neue Aufgabenstellungen und Bedingungen (Summa, 2016, S. 18 f.). Bei Digital Leadership findet demnach eine Verschiebung der Aufgabenfokussierung statt. Die Schaffung expliziter, prozessbezogener Regeln rückt dabei in den Hintergrund. Zukünftig gewinnt die Internalisierung der Fähigkeit, auf unvorhersehbare Situationen adäquat zu reagieren, an Bedeutung (Schenk & Schneider, 2019, S. 15). Grundvoraussetzung hierfür ist ein hierarchieübergreifender, teamorientierter und kooperativer Ansatz, welcher wiederum durch einen starken Innovationsfokus gekennzeichnet ist (Oberer & Erkollar, 2018). Relevante Schlüsselwörter in diesem Zusammenhang sind Agilität, Flexibilität sowie Innovation (Stoffel, 2016, S. 208).
Verbunden mit den Digitalisierungsmöglichkeiten im Kontext der interdisziplinären Interaktion von Mitarbeitenden wird damit die Führung über entsprechende Medien beschrieben, welche die Optionen der virtuellen Kooperation und der Online-Kommunikation professionell für die Steuerung von Organisationen nutzt. Zu diesem Zweck werden agile und zielführende Führungsprozesse mit entsprechender medialer Toolunterstützung zur Erreichung der Organisationsziele ermöglicht, indem die hierfür benötigte IT-Infrastruktur geschaffen und Beschäftigte und Teams befähigt werden, die anfallenden Tätigkeiten selbstverantwortlich sowie medienkompetent zu gestalten. Ein vertrauensvoller Austausch, die mediale Vernetzung und eine kontinuierliche Weiterentwicklung sind hierfür von essenzieller Bedeutung (Berninger-Schäfer, 2020).
Die Grundvoraussetzung für erfolgreiches sowie zielorientiertes Führen in der digitalen Ära ist eine bilaterale Interaktion von originären und modernen Methoden (Kane et al., 2019). Dabei bilden klassische Führungsqualitäten weiterhin die Basis einer intentionalen Personalführung (Summa, 2016). Im Vergleich zur traditionellen Führung differenziert sich Digital Leadership insbesondere hinsichtlich der nachfolgenden Parameter.
Die aufgeführten Veränderungsparameter führen zu zwei gravierenden Evolutionen in der existierenden Leadership-Forschung (Leitch, McMullan & Harrison, 2013). Einerseits verlieren die etablierten Persönlichkeitsmerkmale einzelner Individuen an Bedeutung, wodurch Führung vielmehr als vollumfängliche Integration einer beidseitigen Interaktion in einem organisatorischen sowie sozialem Umfeld definiert wird (Day, 2000). Andererseits repräsentiert das zeitgemäße Leadership-Verständnis einen strukturierten Prozess, welcher sämtliche Zugehörige der Institution miteinbezieht. Demzufolge wird in der gesamten Organisation unabhängig von der jeweiligen Hierarchieebene ein umfassendes Führungsverständnis implementiert (Day, 2000; Leitch et al., 2013). Digital Leadership bildet insofern ein reziprokes Konzept, welches nicht an die obersten Managementpositionen im Sinne eines top-down Ansatzes gebunden ist. Deshalb sind die Mitarbeitenden niedrigerer Rangordnung ebenfalls proaktiv in den ganzheitlichen Ansatz eines Digital Leadership Rahmenwerks zu integrieren (Hensellek, 2020, S. 1201). Vor dem genannten Hintergrund muss für die beteiligten Personen zukünftig eine digitale Vision modelliert werden, welche dem Prinzip der Sinnhaftigkeit folgt. Dieser Gesichtspunkt spielt eine entscheidende Rolle, da bei der Digitalisierung die Humanzentrierung den Mittelpunkt der Betrachtung bildet (Fors, 2010; Kollmann, 2020; Parviainen et al., 2017). Um die Beschäftigten erfolgreich auf die damit einhergehenden Herausforderungen vorzubereiten, ist eine situationsbezogene, mitarbeiterfokussierte und motivationsfördernde Führung unerlässlich (Moskaliuk, 2019, S. 13). Im Folgenden ist dieses Framework grafisch dargestellt.
In diversen Publikationen werden mit Digital Leadership drei unterschiedliche Aspekte assoziiert. Der Terminus steht stellvertretend für die entsprechende Unternehmensführung, eine angemessene Personalführung und beschreibt damit zusätzlich digital führende Organisationen (Petry, 2016, S. 11). Durch eine Kombination der einzelnen Bereiche mit den vorgenommenen Begriffsdefinitionen können die folgenden Interpretationsrichtungen identifiziert werden (Wagner, 2017, S. 13):
- Digitale Marktführerschaft (sinngemäß)
- Führung mit digitalen Technologien (wörtlich)
- Führung digital talentierter Personen (sinngemäß)
- Intentionale Führung in Zeiten digitaler Transformation (holistisch)
Im Hinblick auf die anzufertigende Masterthesis ist eine holistische Betrachtungsweise heranzuziehen. Digital Leadership umfasst einerseits den Einsatz von digitalen Medien und Tools als Führungsinstrumente. Andererseits wird durch die Adaption des eigenen Führungsverhaltens an die Erfordernisse der digitalen Realität eine adäquate Führung digital begabter Individuen gewährleistet (Moskaliuk, 2019). Werden die einzelnen Bereiche zielgerichtet umgesetzt, können Organisationen in den angestrebten Geschäftsfeldern die Marktführerschaft erreichen bzw. halten und eine überproportionale Rendite erzielen (Hinterhuber & Krauthammer, 2015, S. 11).
2.1.2 Einflussfaktoren
Digital Leadership wird von verschiedensten inneren sowie äußeren Umweltbedingungen tangiert. Ein konstantes Umfeld mit zuverlässigen ökonomischen und gesellschaftlichen Parametern ist nicht mehr existent (Spieß, 2017, S. 27). Der permanente Wandel inkludiert einen anhaltenden Anstieg an technologischen Verbesserungen, wodurch die Grundlagen der Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig verändert werden. Die Unternehmensführung im globalen sowie vernetzten Kontext gestaltet sich aufgrund einer rechtzeitigen Identifikation und Unterstützung von erforderlichen Änderungen sehr anspruchsvoll (Spieß, 2017, S. 31). Darüber hinaus sind zutreffende Einschätzungen zur Entwicklung von strategischen Optionen oder zu potenziellen Geschäftsmodellen annähernd unmöglich (Reinhardt, 2017, S. 198).
Die digitale Transformation, primär durch digitale Technologien herbeigeführt, bildet die Haupteinflussgröße für die Notwendigkeit der künftigen Adaption des Leadership-Verständnisses (Wagner, 2017, S. 27). Eine Betrachtung dieses abgegrenzten Bereiches greift dabei jedoch zu kurz. Aus diesem Grund werden in dem Kapitel der Ausarbeitung die wesentlichen Einflussfaktoren dargestellt. Neben der bereits genannten Digitalisierung zählt zu den grundlegenden Trends außerdem die Globalisierung und der demografische Wandel (Krys, 2011; Spieß, 2017; Wunder, 2017). Aktuell ist es kaum möglich, Fachbücher und Tages- oder Wirtschaftszeitungen durchzublättern, ohne mit einem der drei Themen in Berührung zu kommen.
Dieser beschleunigte Einfluss der Umwelt führt zwangsläufig zu einer Auflösung organisatorischer Strukturen sowie Routinen, wodurch eine Wechselwirkung zwischen den Umweltfaktoren und den institutionellen Architekturen entsteht. Die sogenannte organisationale Disruption kennzeichnet einen kreativen Innovationsprozess, welcher grundsätzlich eine Destruktion von konventionellen Prinzipien und Methoden bewirkt (Reinhardt, 2017, S. 199). In Abbildung 4 ist die beschriebene Korrelation nochmals dargestellt.
Die identifizierten Handlungsfelder führen zu einer nachhaltigen Veränderung der Umweltbedingungen. Zu diesem Zweck wurden die VUCA-Rahmenbedingungen definiert. Um in einer weiteren Phase die Kontexteinordnung der damit einhergehenden Konsequenzen vornehmen zu können, ist zunächst die prägnante Beschreibung der drei Einflussfaktoren notwendig.
2.1.2.1 Globalisierung
Der Begriff „Globalisierung“ stellt eine Vielzahl an Prozessen dar, welche für die Transformation der räumlichen Organisation sozialer Verbindungen und Transaktionen verantwortlich sind. Eine Bewertung erfolgt dabei in Bezug auf die jeweilige Ausdehnung, Intensität, Geschwindigkeit und der auftretenden Wechselwirkung. Dadurch entstehen transkontinentale oder interregionale Netzwerke, Interaktionen, Aktivitäten und Machtverhältnisse (Held et al., 1999, S. 16). Prinzipiell wird mit dem Terminus der Trend einer zunehmenden wirtschaftlichen, kulturellen, politischen sowie technologischen Verflechtung zwischen nationalen Institutionen und Volkswirtschaften umschrieben (Griffin & Pustay, 2020). Diese Interdependenz ist gekennzeichnet durch eine sinkende Relevanz von nationalen Grenzen (Denationalisierung) und unterscheidet sich somit signifikant von der Kooperation von Entitäten über die Ländergrenzen hinweg (Internationalisierung). Die Hauptantriebskräfte der steigenden Globalisierung liegen in den sinkenden Handels- und Investitionsbarrieren und den technologischen Innovationen begründet (Wild & Wild, 2020, S. 33). Aufgrund einer damit einhergehenden Wettbewerbsverschärfung auf den internationalen Märkten wird die Internationalisierung von Organisationen stetig vorangetrieben. Im Kontext der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit ist immer weniger zwischen domestischer und internationaler Marktperspektive zu differenzieren (Sure, 2017, S. V).
Die internationale Unternehmenstätigkeit stellt infolgedessen keinen vorübergehenden Trend dar, sondern inkludiert ein neues, zusätzliches Paradigma der Ökonomie (Meckl, 2014, S. 2). Eine umfassende Modifikation des institutionellen Umfeldes und intensivierende Marktanforderungen implizieren eine signifikante Erhöhung der Komplexität. Infolge einer Dezimierung von historischen, kulturellen und geografischen Dimensionen erfolgt eine Homogenisierung der Wettbewerbsbedingungen zwischen Industrie- und Schwellenländern, wodurch essenzielle, multidimensionale und globale Supply Chains entstehen (Friedman, 2007). Zur Bewältigung der in diesem Kontext auftretenden Dilemmata sind professionelle Konzepte und Methoden im strategischen und operativen Management notwendig (Sure, 2017, S. V). Das Ziel sind intentionale Managemententscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven, welche eine nachhaltige, grenzüberschreitende Markterweiterung ermöglichen (Misu, 2015, S. 10).
2.1.2.2 Digitale Technologien
Einen wesentlichen Enabler der disruptiven Veränderungen innerhalb der Gesellschaft und Unternehmen bilden die unmittelbar mit der Digitalisierung verbundenen technologischen Entwicklungen (Petry, 2016, S. 25). Unter Digitalisierung ist rein technisch betrachtet eine Aufbereitung von Informationen zur Verarbeitung und Speicherung in einem digitaltechnischen System zu verstehen. Die holistische Betrachtungsweise integriert darüber hinaus einen durch technologische Entstehungen getriebenen bzw. ermöglichten Transformationsprozess von Organisationen oder Branchen, welcher wiederum weitreichende strategische, organisatorische und soziokulturelle Veränderungen impliziert (Petry, 2019, S. 23). Diese fortlaufende und tiefgreifende Neuausrichtung der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf Basis von digitalen Technologien wird auch als digitale Transformation (digitaler Wandel) bezeichnet. Dabei werden relevante Informationen sowie die Kommunikation und Transaktion zwischen den partizipierten Akteuren elementar beeinflusst und ein neues Verständnis in den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebensbereichen initiiert (Kollmann, 2020, S. 2).
Bereits im Jahr 1965 ist eine kontinuierliche, lineare Leistungssteigerung bei Mikroprozessoren prognostiziert worden (Moore, 1965). Infolgedessen verdoppelt sich die Anzahl der verwendeten Transistoren und die Leistungsfähigkeit der zugehörigen Computerchips in etwa alle anderthalb bis zwei Jahre. Dieser Umstand lässt sich mit dem sogenannten mooreschen Gesetzt beschreiben (Moore, 1995). Aktuell befindet sich die Gesellschaft in etwa auf dem vorderen Drittel des zweiten Teils des digitalen Schachbrettes. Fundamentale Technologie- und Leistungssprünge, welche tiefgreifende Revolutionen verursachen, stehen demnach noch bevor (Kreutzer, Neugebauer & Pattloch, 2017, S. 10). Die digitalen Technologien bilden die Basis sämtlicher zukünftigen Digitalisierungsvorhaben, indem sie die Art und Weise verändern, wie einzelne Sachverhalte bearbeitet werden (Dörner & Edelman, 2015). Dabei kann die Geschwindigkeit und die Dimension des eintretenden Wandels nicht vollständig abgeschätzt werden. In Institutionen steht der Zugang zu Rechenleistung, Speicherkapazität und Wissen mittlerweile in einem bisher unbekannten Ausmaß zur Verfügung (Schwab, 2019). Der Einsatz digitaler Technologien kann per Hardware, Software oder durch Netzwerke erfolgen (Müller, 2018). In dem Zusammenhang werden Begriffe, wie z. B. Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI), cyberphysische Systeme (CPS), hochentwickelte Robotik, Sensorik, Big Data, Cloud, Blockchain, Quantencomputer usw. genannt (BMAS, 2015; Manyika et al., 2013; Petry, 2019).
Im Hinblick auf die bereits dargestellte exponentielle Entwicklung disruptiver Technologien, die Tangierung annähernd sämtlicher Wertschöpfungsbereiche und der Kombinatorik von Gegenständen und Individuen entsteht innerhalb von Institutionen eine extensive Anpassungsnotwendigkeit an die modifizierten Rahmenbedingungen (Brynjolfsson & McAfee, 2014). Bei einer retardierten oder sogar vollständig ausbleibenden Adaption setzt der digitale Darwinismus ein und die Institutionen werden vom Gesamtmarkt gedrängt (Kreutzer & Land, 2016, S. 1). Im Folgenden ist der Einfluss digitaler Technologien nochmals vereinfacht dargestellt.
2.1.2.3 Demografischer Wandel
Der demografische Wandel beschreibt eine elementare Entwicklung innerhalb der Gesellschaft, hat Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme und konkretisiert sich in einer Veränderung der Arbeitsbedingungen und den damit verbundenen Leadership-Ansätzen (Schermuly, 2016, S. 40; Schwarzmüller, Brosi & Welpe, 2015, S. 155). Vorrangig wird mit dem Terminus die Bevölkerungsentwicklung und die damit korrelierende Neuausrichtung insbesondere im Hinblick auf die Altersstruktur, Sterbefälle, Geburtenzahlen, Zu- und Fortzüge sowie den Anteil der in- und ausländischen Personen beschrieben (Pollert et al., 2016, S. 132 f.). Im unternehmerischen Kontext umfasst der Begriff im Allgemeinen die einsetzende Überalterung und Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung und den wachsenden Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund (Rump & Eilers, 2017, S. 9; Wilke, 2019, S. 37). Zur Ermittlung des Ausmaßes werden in der einschlägigen Statistik sämtliche Menschen berücksichtigt, welche zwischen 20 und 64 Jahre alt sind und theoretisch arbeiten können (Stracke & Schöneberg, 2016, S. 11).
Der damit einhergehende Fachkräftemangel führt zu einer Verschiebung der Machtposition auf dem Beschäftigungsmarkt. Die momentane Abwandlung hat zur Folge, dass den Organisationen zukünftig weniger potenzielle Fach- und Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen (Stracke & Schöneberg, 2016, S. 12 f.). Wird als Ausgangspunkt für die Berechnung des Altersmedians der Weltbevölkerung eine geringe Fertilität herangezogen, steigt dieser von 30,9 Jahre in 2020 auf einen errechneten Wert von 49,5 Jahre in 2100. Eine rückläufige Geburtenrate in beinahe sämtlichen Ländern der Welt begünstigt die regressive Entwicklung der Erwerbsbevölkerung (UN DESA, 2019). Die sinkende Zahl an Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Personen verschieben den demografischen Rahmen in Deutschland in einer bisher unvorstellbaren Art und Weise (Destatis, 2020). Trotz der weiter voranschreitenden Automatisierung und Digitalisierung aufgrund der digitalen Transformation wird der als schleichend empfundene Prozess in beträchtlichen Umfang beschleunigt, wodurch in einigen Bereichen ein Arbeitskräftemangel nicht mehr abwendbar ist. Aus diesem Grund muss das Erwerbspersonenpotenzial effizienter ausgestaltet werden, z. B. indem eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens erfolgt (Wilke, 2019, S. 42).
Das Themengebiet hat in der öffentlichen und fachlichen Diskussion unterdessen eine regelrechte Akzentverschiebung erfahren, ohne dass die institutionellen Handlungsfelder weniger geworden sind (Drupp, 2018, S. 72 f.). Der demografische Wandel tangiert unterschiedliche Disziplinen der Gesellschaft, weswegen vielmehr eine differenziertere Betrachtung erfolgen muss. In Bezug auf Digital Leadership ist primär der mit den Veränderungen assoziierte Wertewandel und die zunehmende Diversität aufzuführen. Die Heterogenität beschreibt vielfältige Identitäten und Lebensstile, welche durch verschiedene Wertvorstellungen näher bestimmt werden (Franken, 2015, S. 18 f.). Aktuell sind nicht alle Evolutionen auf dem Gebiet vorhersehbar. Durch eine adaptive, immer wieder neu gestaltende Organisation ist in Unternehmen jedoch bereits heute eine Diversifikation vorzunehmen, um den entsprechenden Herausforderungen proaktiv entgegenzuwirken (Ameln & Wimmer, 2016, S. 12). In Abbildung 6 sind die Effekte des demografischen Wandels auf die gesellschaftliche Entwicklung nochmals dargestellt.
2.1.2.4 VUCA-Rahmenbedingungen
Die in den vorangegangenen drei Kapiteln beschriebenen, wesentlichen Einflussfaktoren von Digital Leadership generieren ein Umfeld, welches von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt ist. Das in der fachspezifischen Literatur existente Akronym „VUCA“ ist ein aus den jeweiligen Anfangsbuchstaben der englischen Wörter Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity zusammengesetztes Kurzwort. Diese Bezeichnung wurde in der Vergangenheit in diversen Publikationen des Army War College eingesetzt und lässt sich nachweisbar auf das Jahr 1985 zurückführen (Bennis & Nanus, 1985). Im Militärjargon beschreibt der Begriff die auftretenden Herausforderungen einer multilateralen Welt, wodurch eine Revolution der bislang angewendeten Führungsprinzipien erfolgt (McChrystal et al., 2015). Notwendige Veränderungen und Initiativen zur Integration einer zukunftsweisenden Strategie müssen in einem Milieu erzielt werden, in welchem die auftretenden Bedrohungen sowohl diffus als auch unsicher sein können. Ferner sind bestehende Konflikte gleichermaßen inhärent und unvorhersehbar und die Fähigkeit, individuelle Interessen zu fördern, ist durch Sach- sowie Personalressourcen beschränkt (Magee, 1998, S. 1).
Aufgrund der Globalisierung, Digitalisierung und dem demografischen Wandel stehen sämtlichen Bereichen tiefgreifende Neuerungen bevor, weswegen eine Übertragung in den ökonomischen Kontext evident ist. Das wirtschaftliche, politische und soziale Umfeld von Institutionen hat an Stabilität und Kontinuität verloren. Ungewissheit und Unberechenbarkeit sowie überraschende, vielfach disruptive Brüche prägen das derzeitige Geschehen (Ameln & Wimmer, 2016, S. 12 f.). Zur Konkretisierung dieser Instabilität wird im Kontext des gesellschaftlichen Paradigmas zusätzlich von einer sogenannten „next society“ gesprochen (Drucker, 2001). In der Managementliteratur werden mit der Bezeichnung „VUCA“ verschiedene Ausprägungen von Handlungsfeldern differenziert, für deren Bewältigung unterschiedliche Lösungsansätze und Maßnahmen anzuwenden sind (Petry, 2016, S. 38 f.). Zur Schaffung eines umfassenden Begriffsverständnisses, sind die Charakteristika der einzelnen Dimensionen nachfolgend explizit aufgeführt:
Volatility (Volatilität bzw. Flüchtigkeit):
Dieser Ausdruck wird prinzipiell häufig in der Finanztheorie oder
Statistik verwendet und bezeichnet die Schwankung von Zeitreihen (Mack
& Khare, 2016, S. 5 f.). Im wirtschaftswissenschaftlichen
Zusammenhang sind die relevanten Handlungsfelder generell bekannt.
Allerdings ist die Herausforderung hinsichtlich der Art oder des
jeweiligen Umfangs instabil, von einer nicht abschätzbaren Dauer und
unterliegt unerwarteten Modifikationen (Bennett & Lemoine, 2014).
Volatilität beschreibt dabei signifikante Entwicklungssprünge, die als
Indikator einer steigenden Geschwindigkeit des Umfeldes angesehen
werden können (Kail, 2010a).
Uncertainty (Ungewissheit bzw. Unsicherheit):
Der Begriff steht für eine unklare Situation bzw. nebulöse
Veränderungen (Petry, 2019, S. 46). Trotz einem Mangel an benötigten
Informationen sind die primären Ursachen und Wirkungen der Ereignisse
bekannt (Bennett & Lemoine, 2014). Während in der Vergangenheit zur
Vorhersage der Zukunft statistische Regressionsmodelle eingesetzt
werden konnten, ist es aufgrund der beschriebenen Flüchtigkeit
schwieriger, bevorstehende Entwicklungen zu extrapolieren (Mack &
Khare, 2016). Dazu zählt ebenfalls die fehlende Fähigkeit, eine
Situation richtig einzuschätzen, um Herausforderungen und Chancen zu
erkennen (Kail, 2010b).
Complexity (Komplexität bzw. Vielschichtigkeit):
Dieser Teil des Akronyms umfasst die aufgrund der Vielzahl an
verbundenen Elementen und Variablen entstehende Vielfältigkeit der
Situation (Bennett & Lemoine, 2014; Petry, 2019). Eine zunehmend
vernetzte und globalisierte Umwelt erschwert eine Kombination von
Ursache und Wirkung und führt zu einer Obsoleszenz der linearen
Kausalität (Mack & Khare, 2016, S. 6). Die Auflösung von Grenzen
aufgrund des intensiven Einsatzes neuer Technologien und ein großes
Spektrum mentaler Muster erhöhen die Komplexität, führen zu einer
unscharfen Bestimmung der Triebkräfte und implizieren die inhärente
Schwierigkeit, aktuelle Problemstellungen darzustellen (Codreanu, 2016,
S. 32).
Ambiguity (Mehrdeutigkeit bzw. Ambivalenz):
Mit dem Terminus werden grundsätzlich unklare, vieldeutige oder
widersprüchliche Situationen sowie Informationen bezeichnet (Petry,
2019; Rascher, 2019, S. 6). Ein Charakteristikum dieser Ambivalenz sind
gänzlich unklare kausale Zusammenhänge (Bennett & Lemoine, 2014).
Im ökonomischen Kontext werden Entscheidungen mehrdeutiger, da
prinzipiell mehrere Lösungsmöglichkeiten zutreffen können, die durch
keinen analytischen Prozessvorgang auswertbar sind (Mack & Khare,
2016, S. 6). Aufgrund von gegensätzlichen Informationen, welche sowohl
richtig als auch falsch sein können, entstehen bei der Beurteilung
spezifischer Konstellationen mehrfach Entscheidungsdilemmata (Kail,
2011; Lenz, 2019, S. 54).
Der auf die beschriebenen Dimensionen zurückzuführende Paradigmenwechsel innerhalb der Gesellschaft schreitet kontinuierlich voran. Eine Definition der verschiedenen Bereiche zeigt, dass dieses Kurzwort die gegenwärtigen Herausforderungen bestmöglich zusammenfasst. In der nachfolgenden Abbildung sind die spezifischen Eigenschaften der VUCA-Umwelt nochmals komplettierend dargestellt.
2.1.3 Essenzielle Aufgaben
Innerhalb des Digital Leadership Konzepts sind essenzielle Aufgaben zu erfüllen, welche einen effektiven sowie effizienten Weg zur Erreichung der definierten Ziele ermöglichen (Rüth & Netzer, 2020, S. 5). Die digitale Transformation impliziert eine Führung, welche auf die produktive Vermittlung zwischen Mensch und Maschine abzielt und den dafür notwendigen Paradigmen- und Kulturwandel erfolgreich gestaltet (Eggers & Hollmann, 2018 S. 46). Neben einem dominierenden Tagesgeschäft erschweren zusätzlich komplexe Entscheidungswege, mehrstufige Hierarchien, Versagensangst und die unternehmenspolitische Denkweise einer Vielzahl von Stakeholdern den aktiven Wandel. Die Hauptaufgabe liegt in der Bewältigung und Koordination des organisatorischen Dilemmas. Damit wird der Dualismus zwischen dem hierarchisch-mechanistisch gegliederten Managementsystem des operativen Handelns und einer verstärkt evolutionären und netzwerkartig organisierten Struktur beschrieben, welcher für ein adäquates institutionelles Handeln unabdingbar ist (Kreutzer et al., 2017, S. 93). Führungskräfte müssen sich zukünftig weniger mit taktischen und mehr mit strategischen und sinnstiftenden Fragestellungen beschäftigen (Bruch, 2016). Die in diesem Zusammenhang vorrangigen Tätigkeiten unterscheiden sich maßgeblich von herkömmlichen Standardprozessen und sind primär durch die folgenden zwei zentralen Zielgrößen geprägt (Teichmann & Hüning, 2018, S. 32):
Intentionale Gestaltung der persönlichen Entwicklung von Mitarbeitenden. Abbildung der Unternehmensziele in den individuellen Zielen der Beschäftigten.
Eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft besteht in einer Definition, Eingrenzung und Entwicklung des Geschäftsmodells (Rüth & Netzer, 2020, S. 4). Zum Aufbau einer digitalen Unternehmensstrategie ist die Entwicklungsgeschwindigkeit zwangsläufig zu erhöhen (Neun, 2020, S. 58). Damit einher geht die Notwendigkeit, einen digitalen Führungsstil und eine Leadership-Kultur innerhalb der gesamten Institution zu etablieren (Kollmann, 2020, S. 29). Durch einen aktiven Austausch von Informationen müssen Digital Leader den sozialen Veränderungsprozess begleiten, die innovativen Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Interaktion forcieren und die Ergebnisse in der Belegschaft verankern (Rüth & Netzer, 2020, S. 4). Darüber hinaus müssen Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen und Verantwortung übernehmen, um die mit risikobehafteten Digitalisierungsbestrebungen inhärent verbundenen Unsicherheiten abzubauen und Verbindlichkeit zu signalisieren (Hensellek, 2020, S. 1199 f.).
Leitende Personen verkörpern Flexibilität und Agilität, stellen Prozesse in den Vordergrund, arrangieren eine positive Fehlerkultur, agieren als Bindeglied innerhalb und zwischen den jeweiligen Hierarchieebenen und treten als Teammitglied und kommunizierende Persönlichkeit auf (Kollmann, 2020, S. 27). Die jeweiligen Aufgaben sind teilweise an unterschiedlichen bzw. virtuellen Arbeitsorten mit multikulturellen Anforderungen zu erbringen. Damit verbunden ist die Bewältigung einer Menge an Informationen, welche wiederum eine gesteigerte Komplexität nach sich ziehen (Neun, 2020, S. 58). Ferner sind die Vorhaben inklusiv in allen Bereichen der Institution sowie über Unternehmensgrenzen hinweg zu initiieren und neue Impulse zu setzten. Der Abbau von vorhandenen Barrieren und die Erzeugung von unternehmerischer Inklusivität implizieren einen radikalen Kulturwandel innerhalb der Organisation, welcher ebenfalls aktiv zu gestalten ist (Hensellek, 2020, S. 1199 f.).
Die einschlägige Organisationsforschung zeigt, dass Digital Leader für die erfolgreiche Umsetzung relevanter Anpassungen ein sensorisches Frühwarnsystem sowie autonomiefördernde Strukturen entwickeln müssen. In dem Zusammenhang steht die Gestaltung der vier wesentlichen Elemente, d. h. Wissen und Kompetenz, Technologie, Individuen und institutioneller Bezugsrahmen im Vordergrund. Durch die nahtlose Verbindung dieser Disziplinen soll eine dynamische Gemeinschaft entstehen und die Kompetenzentwicklung gefördert werden. Im Mittelpunkt sämtlicher Bemühungen steht demnach die kollektive Intelligenz der Mitarbeitenden. Um den vermehrten Einfluss der Beschäftigten auf die Organisationsgestaltung zu berücksichtigen, muss die Adaption der Entscheidungs- und Incentivierungssysteme erfolgen (Reinhardt, 2017, S. 204 f.).
Der Fokus von Digital Leadership liegt folglich primär auf der Vermittlung einer Vision anstatt der alleinigen Ausübung von Micromanagement, der Balance unterschiedlicher Betriebssysteme, der Förderung von Arbeit und Lernen in Netzwerken, dem Empowerment durch konsequente Delegation, Feedback und Coaching sowie der Führung von virtuellen und heterogenen Teams (Eggers & Hollmann, 2018, S. 53). Im besten Fall ist die Führungskraft eine sinnstiftende, feedbackgebende, coachende, vernetzende, visionsvermittelnde und dienende Person zugleich (Bruch, 2016). Die Aufgaben und Prinzipien des Digital Leadership Konzepts sind darüber hinaus in ein einheitliches, digitales Führungsleitbild zu integrieren. In der Managementpraxis wird dieses wie folgt beschrieben (Creusen, Gall & Hackl, 2017, S. 179-181; Petry, 2019 S. 189-190):
- Offenheit und Vertrauen gegenüber den Mitarbeitenden schaffen sowie
Agilität, Flexibilität und Schnelligkeit durch die Geschwindigkeit der
digitalen Vernetzung (soziale Medien) fördern.
- Kontinuierliche Weiterentwicklung der Beschäftigten (Trainings und
Lernveranstaltungen) und die interdisziplinäre Adaption des weltweit
bestmöglichen Wissensstandards.
- Transparente Darstellung der Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ziele
sämtlicher Beteiligten und die partizipative Ausgestaltung der Organisation
als Community (offline und online).
- Permanente Kommunikation von Arbeitsergebnissen und Informationen und die
Steuerung des gesamten Ökosystems inkl. der physischen (Büro, Arbeitsplatz)
und digitalen (Wikis, Blogs) Infrastruktur.
Die dargestellten Aktivitäten spiegeln sich im existierenden Führungsverständnis wider. Grundsätzlich kann dabei eine Unterteilung in zwei wesentliche Bereiche erfolgen. Abschließend sind zur Vermittlung eines besseren Verständnisses die stereotypen Unterschiede der konventionellen und transformativen Führung auf der nachfolgenden Seite nochmals zusammengefasst aufgeführt.
2.1.4 Digitale Führungstypologie
Damit innovative Ideen in die Realität umgesetzt werden können und nicht in einer Parallelorganisation verbleiben, ist den verschiedenen Führungstypen eine große Bedeutung zuzuschreiben. Die konzipierten Resultate sind in ein umfassendes Gesamtbild zu integrieren, auf die digitale Vision auszurichten und sukzessive in die Kernorganisation einzubetten (Zeichhardt, 2018, S. 6). Aus diesem Grund ist die Digitalisierung in Institutionen als Querschnittsthema zu betrachten, weswegen gegenwärtig diverse Professionen und Rollen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen an der Gestaltung des digitalen Wandels beteiligt sind. Eine Einflussnahme kann dabei formal oder informal, direkt oder mittelbar, radikal oder subtil, über digitale Medien vermittelt oder durch eine interpersonelle Wechselbeziehung erfolgen (Zeichhardt, 2018, S. 4 f.). Nachfolgend werden ausgewählte Charaktere beschrieben, welche in Organisationen aktiv an den Veränderungen beteiligt sind (Zeichhardt, 2018, S. 5 ff.):
Digitale Game Changer:
Diese Kategorie repräsentiert Entre- bzw. Intrapreneure mit einer
digitalen Vision sowie einem ausgeprägten digitalen Mindset.
Electronic Leader (E-Leader) stellen den analogen Status Quo infrage,
brechen traditionelle Wege und sehen in der bevorstehenden
Transformation mehr Chancen als Risiken. Die Personen können dabei
losgelöst von formalen Strukturen und omnipräsenten
Unternehmenskulturen selbstorganisiert disruptive Innovationen
entwickeln.
Digitale Galionsfiguren:
Der Begriff beschreibt primär Symbolfiguren, welche ein Unternehmen
oder einzelne Abteilungen nach innen und außen mit besonderer
Ausstrahlungskraft vertreten (Mintzberg, 1973). Eine der Hauptaufgaben
inkludiert die Etablierung einer gesamtunternehmerischen
Digitalstrategie in sämtlichen Funktionsbereichen. Die auf der höchsten
Unternehmensebene angesiedelte, formal institutionalisierte
Führungsrolle wird grundsätzlich durch den sogenannten Chief Digital
Officer (CDO) abgebildet. Diese Rolle verkörpert einen mit
Legitimationsmacht ausgestatteten Experten für den digitalen Wandel.
Digitale Broker:
Zu der Gruppierung zählen managende Personen mit redaktioneller,
technischer und strategischer Verantwortung für Inhalte und Medien
sowie die Moderatoren relevanter Online-Communitys. Die Mitarbeitenden
weisen eine digitale Legitimations-, Informations- und Expertenmacht
auf und praktizieren eine Querschnittsfunktion im Unternehmen. Eine
Beteiligung erfolgt vorrangig indirekt und subtil durch die
intentionale Positionierung von Inhalten und die Beeinflussung der
Gruppendynamiken im virtuellen Raum.
Agile Facilitatoren:
In dieser Position liefern die jeweiligen Führungskräfte durch die
Implementierung von agilen Verfahren, wie z. B. Scrum oder
Design-Thinking einen indirekten Beitrag zur Bewältigung des
unvermeidlichen Kulturwandels. Den Mittelpunkt der Bemühungen bildet
eine Institutionalisierung von Methoden, welche die interpersonelle
Face-to-face-Interaktion ermöglichen, um die grundlegenden
Entwicklungsaktivitäten effizient auszugestalten (Brandes et al.,
2014). Hierfür sind die Beschäftigten mit einer Legitimations-,
Methoden- sowie Expertenmacht ausgestattet.
Digitale Spezialisten:
Diese Professionen tragen die Verantwortung für die relevanten
Funktionsbereiche der IT und beeinflussen, z. B. durch Hard- und
Softwareentscheidungen, die Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Auf
Abteilungsebene besteht die operative Hauptaufgabe darin, die
benötigten Komponenten bereitzustellen und die Funktionsfähigkeit zu
gewährleisten. Durch die sukzessive Weiterentwicklung der
Informationstechnologie sollen die wertschöpfenden Geschäftsprozesse
unterstützt, optimiert und automatisiert werden.
Big Data Manager:
Hierbei handelt es sich um Fachkräfte aus der Mathematik, Informatik
und Statistik, welche sich mit der komplexen Thematik der
systematischen Sammlung, Aufbereitung und Auswertung von Daten
beschäftigen. Mitarbeitende agieren dabei in einem Spannungsfeld aus
ökonomischer Leistungssteigerung durch Offenheit, Vernetzung und
Transparenz sowie Wandelhemmnissen durch komplexe
Datenschutzrichtlinien und Skepsis. Der Funktion ist eine hohe
Positionsmacht zuzuschreiben, da dadurch die Basis für künftige
Entwicklungen gelegt wird.
Künstliche Intelligenz:
Diese Rolle umfasst die Beeinflussung der Führungsperspektive aufgrund
der zunehmenden Institutionalisierung in Form von Maschinen, Robotern
und Softwarelösungen. Die Mensch-Maschine-Interaktionsbeziehungen
sind in den unterschiedlichen Hierarchieebenen zu berücksichtigen. Eine
Führungsposition nehmen in diesem Kontext primär Fachleute mit einer
Art Metamacht ein, welche über Kompetenzen verfügen, um relevante
KI-Programmierungen vorzunehmen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Führungstypen nicht konsequent voneinander abgrenzbar und überschneidungsfrei sind. Digitalisierungsvorhaben werden nicht nur von einem einzigen Charakter abgedeckt, sondern im Idealfall wirken sämtliche Professionen ganzheitlich auf mehreren Hierarchiestufen zusammen. In Abbildung 8 sind die sieben Rollenbilder und deren reziproke Abhängigkeit nochmals aufgeführt.
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