Dieses Buch soll das Problembewusstsein von Juristen fördern, die mit dem Steuerrecht konfrontiert sind. Der Autor definiert Begriffe, die steuerlich besetzt sind und für die ein geschulter Jurist, der wirtschaftsberatend tätig ist, im Zweifel Verständnis haben muss. Inhaltlich wendet er sich in erster Linie an Juristen, die mit vertraglichen Fragen befasst sind. Es gibt im Steuerrecht ausreichend Spezialzeitschriften und Monographien, die steuerliche Fragestellungen behandeln, aber für Praktiker sind diese Werke teilweise sehr abstrakt und gehen nicht zwingend auf eine konkrete Anwendung ein. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Vertragshandbüchern, die im Kontext Steuerfragen ansprechen, soweit sie Vertragstexte beeinflussen. Die Hinweise hierzu sind jedoch in der Regel kurzgehalten und gehen von einem steuerlichen Grundverständnis aus, das der Rechtsanwender nicht unbedingt mitbringt.
Die Gliederung geht von Grundlagen aus und stellt dann in einem wesentlichen Teil einzelne Begriffe des Steuerrechtes vor. Diese Methode wird bewusst gewählt. Es werden vorrangig Begriffe erfasst, die für vertragliche Zwecke besondere Bedeutung haben. Dabei werden konkrete Beispiele aufgeführt, die vereinfacht als Erläuterungen des Textes dienen. Zusätzlich werden anhand von Fallbeispielen einzelne Begriffe in einem unmittelbaren praktischen Zusammenhang dargestellt. Die gewählten Fälle stammen 1 zu 1 aus der Praxis, d. h. sie sind nicht erfunden. Es wird hierbei versucht, einen repräsentativen Ausschnitt aus den erläuterten steuerlichen Begriffen zu erfassen und mit der Beratungspraxis zu konfrontieren. Die jeweiligen Teile der Kapitel und ihre Beispiele sind überwiegend mit einem Fazit abgerundet.
Inhalt
Einleitung
I. Kapitel Grundlagen und übergreifende Einzelaspekte
1. Verfassungsrecht und Europarecht
1.1. Grundrechtsbezug
1.2. Gesetze als Eingriffsnormen
1.3. Finanzverwaltung und Rechtsprechung
1.4. Verfassungsrechtliche Prinzipien
1.5. Einkunfts- und Vermögensebene aus Verfassungssicht
1.6. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Überprüfung
1.7. Europäisches Recht und internationale Aspekte
2. Steuergebiete
2.1. Steuern allgemein
2.2. Ertragssteuern und Einkünfte
2.3. Ertragssteuern und Einzelvorschriften
2.4. Gewerbesteuer, Grundsteuer
2.5. Verbrauchsteuern
2.6. Grunderwerbsteuer
2.7. Umsatzsteuer
2.8. Vermögensteuern
3. Gewinnermittlung
3.1. Allgemeines
3.2. Einnahmen-Überschussrechnung
3.3. Betriebsvermögensvergleich allgemein
3.4. Bilanzposten
3.5. Betriebsvermögensvergleich und Bewertung
3.6. Realisationsgrundsätze, Vorsichtsprinzip
3.7. Gesonderte Bilanzpositionen
3.8. Gewinn- ,und Verlustrechnung
4. Strukturierung
4.1. Rechtsformen
4.2. Vergleich von Rechtsformen
4.3. Betriebsaufspaltung als gesondertes Institut
4.4. Beteiligungseinkünfte
4.5. Exit-Besteuerung
4.6. Atypisch Stille und Unterbeteiligung bzw. Nießbrauch
5. Umstrukturierung
5.1. Verschmelzung allgemein
5.2. Übernahmeergebnis Verschmelzung
5.3. Spaltung
5.4. Umwandlung mit und ohne Formwechsel
5.5. Einbringungen (§§ 20 - 24 UmwStG) allgemein
5.6. Anteilstausch (§ 21 UmwStG)
5.7. Personengesellschaften (§ 24 UmwStG)
5.8. Einzelwirtschaftsgüter
5.9. Pro und Contra einer Umstrukturierung
6. Internationale Kontexte
6.1. Motivationen
6.2. Grundfälle
6.3. Globale Firmen
6.4. Doppelbesteuerung
6.5. Berichtigungen dem Grunde nach
6.6. Verrechnungspreise
6.7. Außensteuerrecht
6.8. Zukunftsfelder
6.9. Umsatzsteuer
7. Bewertung
7.1. Bewertungsanlässe
7.2. Bewertungskriterien
7.3. Bestandteile
7.4. Immobilienbewertung
7.5. Unternehmensbewertung
8. Formalrecht
8.1. Steuerbescheide
8.2. Rechtsbehelfe, Betriebsprüfung
8.3. Finanzgericht
8.4. Bundesfinanzhof
8.5. Entscheidungsprozesse
8.6. Verbindliche Auskunft
9. Steuerstrafrecht
9.1. Tatbestände
9.2. Sachverhalte
9.3. Versuch, Vollendung
9.4. Verfahren
9.5. Vorgehensweise
9.6. Beendigung
9.7. Selbstanzeige
9.8. Vertretung
10. Steuerberatung
10.1. Allgemeine Unterscheidungen
10.2. Tax Compliance
10.3. Tax Accounting
10.4. Tax Consulting
II. Kapitel Erläuterung von einzelnen Zusammenhängen
1. Gewinnermittlung und Betriebsvermögen
1.1. Bilanz
1.2. Gewinn
1.3. Verlust
1.4. Einlagen
1.5. Entnahmen
1.6. Buchwert und stille Reserven
1.7. Betriebsvermögen
2. Rechtsformspezifische Überlegungen
2.1. Rechtsformwahl
2.2. Betriebsaufspaltung
2.3. Holding
2.4. Mitunternehmer
2.5. Kapitalkonten
2.6. Hybride Gestaltungsformen
2.7. Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung
2.8. Stiftungen und Vereine
3. Transaktionspezifische Themen
3.1. Einbringung in Gesellschaften
3.2. Tausch
3.3. Finanzierung
3.4. Transaktionen und § 42 AO sowie wirtschaftliche Betrachtungsweise
3.5. Umwandlungen
4. Beendigung und Kauf
4.1. Liquidation
4.2. Insolvenz
4.3. Nachfolge
4.4. Unternehmenskauf
4.5. Unternehmensbewertung
5. Steuerarten und Einkünfte
5.1. Gewerbesteuer
5.2. Immobilien und Steuern
5.3. Verwaltung und Privatverkauf
5.4. Umsatzsteuer allgemein
5.5. Kapitaleinkünfte
5.6. Renten und Lasten
5.7. Verdeckte Gewinnausschüttung
6. Internationales Steuerrecht
6.1. Verrechnungspreise
6.2. Doppelbesteuerungsabkommen
6.3. Inländische Regeln zum internationalen Steuerrecht
7. Formelles Recht
7.1. Betriebsprüfung
7.2. Rechtsbehelfsverfahren/Finanzgerichtsverfahren
7.3. Verbindliche Auskunft
7.4. Selbstanzeige
III. Kapitel Fallbeispiele
1. Der Betriebsaufspaltungsvertrag
1.1. Grundsätzliches
1.2. Geborene Betriebsaufspaltung
1.3. Anwendungsregeln, Pachtzins
1.4. Anpassungen
1.5. Beispiel
2. Einbringung von Privatvermögen in Betriebsvermögen
2.1. Einbringungsvorgang
2.2. Steuerneutralität
2.3. Beispiel
2.4. Neuerungen
2.5. Beispiele Altregeln
2.6. Beispiele neue Rechtslage
3. 3.Kapitalkonten
3.1. Kontenmodelle
3.2. Gewinnverwendung
3.3. Folgewirkungen
3.4. Ausscheiden,
3.5. Verluste
4. Gesellschaft und Gesellschafter
4.1. Gesellschaftsverträge und Gewinnermittlung
4.2. Mehrstufige Gewinnermitlung
4.3. Gewerbesteueraspekte
5. Die Abfindung
5.1. Sachverhalt
5.2. Ausscheidensfall
5.3. Regelungen und Unternehmenswert
5.4. Bewertung
5.5. Abwicklung
6. Atypisch stille Gesellschaft
6.1. Hybride Vertragsform
6.2. Fallstricke
6.3. Beispiel
6.4. Sonderfragen
7. Umwandlung,Verschmelzung,Formwechsel
7.1. Verschmelzung Kapitalgesellschaften
7.2. Verschmelzung mit Personengesellschaften
7.3. Formwechsel
7.4. Besonderheiten
7.5. Abwicklungen
7.6. Beispiel
8. Verdeckte Gewinnausschüttung
8.1. Betriebsprüfung
8.2. Ergebnisse
8.3. Argumente
9. Der Vergleich
9.1. Ausgangsfall
9.2. Gesamtschau
9.3. Lösungsmöglichkeiten
10. Umsatzsteuer und Grundstücke
10.1. Geschäftsveräußerung im Ganzen
10.2. Aspekte der Option
10.3. Sonderfragen der Option
11. Nachfolge und Schenkung
11.1. Rückforderungsklauseln
11.2. Zusätzliche Vereinbarungen
12. Unternehmenskauf
12.1. Ausgangslage
12.2. Vertragsklauseln
12.3. Abwicklungsgesichtspunkte Bilanzgarantie
12.4. Bilanzposten
12.5. Sekundäransprüche
12.6. Streitpunkte
12.7. Steueraspekte
13. Verrechnungspreise Teil I
13.1. Sachverhalt
13.2. Verrechnungen
13.3. Entwicklungen
14. Verrechnungspreise Teil II
14.1. Funktionsverlagerung
14.2. Steuerliche Grundlagen
14.3. Methodik
14.4. Zahlenbeispiel
14.5. Vertragsfolgen
15. Verbindliche Auskunft
15.1. Grundlagen
15.2. Konkreter Fall
16. Selbstanzeige
16.1. Sorgfaltspflichten
16.2. Beispiel
16.3. Nebenleistungen
Einleitung
Ich habe meine Ausführungen in den nachfolgenden Kapiteln bewusst nicht als „Steuerrecht für Juristen“ tituliert. Mir geht es nicht um eine umfassende Darstellung steuerrechtlicher Fragestellungen. Entscheidend für mich ist die Förderung des Problembewusstseins von Juristen, die mit dem Steuerrecht konfrontiert sind. Ich versuche daher, Begriffe näher zu definieren, die steuerlich besetzt sind und für die ein geschulter Jurist, der wirtschaftsberatend tätig ist, im Zweifel Verständnis haben muss. Inhaltlich wende ich mich in erster Linie an Juristen, die mit vertraglichen Fragen befasst sind. Gleichwohl gehe ich auf einige allgemeine Prinzipien ein, die dem Zweck dienen, die Erläuterungen der wichtigsten Begriffe vorzubereiten und zu verdichten. Wie jedes Rechtsgebiet hat auch das Steuerrecht seine eigenen Rechtfertigungen. Da es um Eingriffsverwaltung geht, muss sich diese durch Recht und Gesetz legitimieren. Es macht daher Sinn, die dazugehörigen Grundlagen voranzustellen, bevor einzelne Elemente des Steuerrechts beleuchtet werden.
Es gibt im Steuerrecht ausreichend Spezialzeitschriften und Monographien, die steuerliche Fragestellungen behandeln. Für Praktiker sind diese Werke in der Schilderung steuerlicher Zusammenhänge aber teilweise sehr abstrakt und gehen nicht zwingend auf eine konkrete Anwendung ein. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Vertragshandbüchern, die im Kontext Steuerfragen ansprechen, soweit sie Vertragstexte beeinflussen. Die Hinweise hierzu sind jedoch in der Regel kurzgehalten und gehen von einem steuerlichen Grundverständnis aus, das der Rechtsanwender nicht unbedingt mitbringt.
Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Praxis ist zudem darauf angewiesen, eine konkrete Lösung zu jeder Sachfrage zu finden, auch wenn diese einen theoretischen Hintergrund hat. Es ist das Los des Praktikers, Rechtsfindung zu betreiben, ohne im Detail die Rechtsgrundlagen im Einzelfall berühren zu können. Dieser vermeintliche Widerspruch ist dauerhaft, da die Praxisanwendung auf einer natürlichen Voreingenommenheit fußt, die direkt oder indirekt durch Grundlagen beeinflusst ist, aber zugleich auf Wertungen beruht. Vorurteilsfreie Rechtsanwendung gibt es nicht. Daher macht es Sinn, die Voreingenommenheit durch Konkretisierung der Basis für eine Rechtsanwendung im Einzelfall aufzudecken und eventuell einzuschränken.
In der Darstellung steuerlicher Gebiete lassen sich Redundanzen nicht vermeiden. Dies liegt an der Überschneidung verschiedener Steuerrechtsgebiete und ihrem Zusammenhang mit Grundlagen, die für sämtliche Gebiete gelten. Einzelheiten zu Steuerfragen können übergreifend oder isoliert gesehen werden. Je allgemeiner eine Vorschrift, desto umfassender die übergreifenden Gesichtspunkte. Für spezielle Steuergebiete muss auf gesonderte Ausgangsfragen zurückgegriffen werden. Dies gilt z. B. für ertragsteuerliche Spezialfälle. Wiederholungen, insbesondere zwischen dem allgemeinen Teil und den Begriffserläuterungen, sind notwendig und gewollt, um jeweils auf Ausgangspunkte zurückkommen zu können. Gleiches gilt für Begriffserläuterungen, die gleichartige Themen betreffen. Redundanzen ergeben sich hier zwischen den einzelnen begrifflichen Erläuterungen insoweit als ein spezieller Fall nicht ohne Hinweis auf allgemeine Begriffe dargestellt werden kann und diese Begriffe im Kontext mehrerer Fallgestaltungen wesentlich sind oder sein können.
Die Bezugspunkte spezieller Steuerarten sollen im Gesamtzusammenhang nicht abschließend gewürdigt werden. Wesentliche Steuerarten sind allerdings erfasst. Mein Hauptfokus liegt auf Begriffen und Themen, die aus der Mittelstandspraxis stammen. Deshalb gibt es neben der verdeckten Gewinnausschüttung kein Kapitel, dass sich gesondert mit dem Körperschaftsteuerrecht befasst. Die für den Mittelstand entscheidenden Themen sind die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer sowie alle dazugehörigen Rechtsgebiete. GmbH- rechtliche Erwägungen beziehen sich auf einfache Fälle und nicht auf Konzernstrukturen im weiteren Sinn. Eine Ausnahme bildet das internationale Steuerrecht, da dieses alle Personen und Rechtsformen betreffen kann.
Meine Gliederung geht von Grundlagen aus und stellt dann in einem wesentlichen Teil einzelne Begriffe des Steuerrechtes vor. Diese Methode wird bewusst gewählt. Es werden vorrangig Begriffe erfasst, die für vertragliche Zwecke besondere Bedeutung haben. Dabei werden konkrete Beispiele aufgeführt, die vereinfacht als Erläuterungen des Textes dienen. Zusätzlich werden Anhand von Fallbeispielen einzelne Begriffe in einem unmittelbaren praktischen Zusammenhang dargestellt. Die gewählten Fälle stammen 1 zu 1 aus der Praxis, d. h. sie sind nicht erfunden. Es wird hierbei versucht, einen repräsentativen Ausschnitt aus den erläuterten steuerlichen Begriffen zu erfassen und mit der Beratungspraxis zu konfrontieren.
Die jeweiligen Teile der Kapitel und ihre Beispiele habe ich überwiegend mit einem Fazit abgerundet.
Ich habe bewusst auf ausführliche Fundstellennachweise verzichtet. Im Internet veröffentlichte Urteile enthalten ausreichende Hinweise auf die Rechtsentwicklung. Urteile des BFH und Verwaltungsanweisungen wurden in den Text aufgenommen. Gleiches gilt für einige Grundsatzwerke. Die Anzahl der Veröffentlichungen zeigt im Übrigen die Bedeutung einzelner Rechtsgebiete auf. An erster Stelle steht das internationale Steuerrecht. Ich habe daher zu diesem Themenbereich mehrere Abschnitte vorgesehen (EU-Recht, Doppelbesteuerungsabkommen, Außensteuerrecht, Verrechnungspreise und Sondervorschriften). Soweit aus meiner Sicht sinnvoll, gebe ich ergänzende Literaturhinweise im jeweiligen Text. Diese gehen insbesondere auf aktuelle Rechtsprechung ein. Daneben habe ich aus den Fachzeitschriften DStR, DB und BB zitiert. Ein gesondertes Literaturverzeichnis ist daher entbehrlich. Gleiches gilt für ein Abkürzungsverzeichnis, da dieses ausschließlich die verschiedenen Steuergesetze, die Gerichte sowie Themen betreffen würde, die im Text selbsterklärend sind.
Den Sachstand habe ich auf den 1. Dezember 2021 terminiert.
Nürnberg/Erlangen, im Dezember 2021
I. Kapitel
Grundlagen und übergreifende Einzelaspekte
1. Verfassungsrecht und Europarecht
1.1. Grundrechtsbezug
Rechtfertigungsargumente für die Steuergesetzgebung sind nur in Ausnahmefällen praxisrelevant. Die These, dass die Garantie unserer Grundrechte in einem Austauschverhältnis zu den erhobenen Steuern steht, halte ich für schwierig, denn die Grundrechte hat der Bürger unabhängig von den Zwängen der Steuergesetze. Es gibt allerdings einen verfassungsrechtlichen Streit über die Frage, welche Norm tatsächlich zur Begründung der Steuererhebung herangezogen werden kann (Art. 14 GG?). Ich sehe ein Austauschverhältnis, wenn überhaupt, im Konsens über die zu finanzierenden Staatsaufgaben, die dem Allgemeinwohl und zugleich dem Interesse des Einzelnen dienen. Daraus ergeben sich Konflikte, denn der Einzelne will in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgen und sieht das Allgemeinwohl als Reflex, während der Staat die Individualinteressen als Reflex betrachtet. Der Teilhabegedanke des Austausches von Teilen des persönlichen Einkommens mit der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen mag einleuchten, stellt aber auf eine idealtypische Anschauung ab, die einzelne Steuerpflichtige wegen der Höhe ihrer Steuerbelastung ablehnen (Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, Einleitung, Rn.4 - 6).
1.2. Gesetze als Eingriffsnormen
1.2.1. Gesetzesvorbehalt
Steuern hängen eng mit dem Verfassungsrecht zusammen, da es Ursachen und Wirkungen gibt, die die Wechselbeziehung zwischen Verfassungsrecht und Steuern beeinflussen. Vorrangig geht es um das Verhalten der Finanzverwaltung, das Eingriffsverwaltung bedeutet. Die Eingriffsgrundlagen und ihre Anwendung müssen gesetzlich geregelt sein (Rechtsstaatsprinzip, Legalitätsprinzip). Der Gesetzesvorbehalt gilt vollumfänglich. Es finden die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots Anwendung. Das Umsetzen dieser Prinzipien ist im Steuerrecht schwierig. Typisches Beispiel sind die Gesetzesflut sowie die Unverständlichkeit der einzelnen gesetzlichen Vorschriften. Teilweise werden Gesetze als verfassungswidrig eingestuft, weil der Bürger aufgrund der Kompliziertheit dieser Gesetze seine Steuer nicht selbst oder nur mit entsprechendem Rat ermitteln kann. Dieser Vorwurf ist verständlich, geht jedoch ins Leere, da die Kompliziertheit unseres Lebens sich in den Steuern widerspiegelt. Die Steuererklärung auf dem berühmten Bierdeckel ist Utopie. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Staat willkürlich Steuerfestsetzung betreiben darf.
1.2.2. Gesetzesauslegung
Steuerstreitigkeiten hängen mit der Gesetzesmaterie und ihrer Auslegung zusammen. Dies liegt nicht nur an den Gesetzen im Einzelnen, sondern generell am Zwang, alle denkbaren Fälle abstrakt durch den Gesetzestext zu erfassen. Die Kasuistik der Steuergesetze bleibt zusätzlich durch Einzelfallregelungen erhalten und hängt mit der Sorge des Gesetzgebers zusammen, Steuerschlupflöcher entstehen zu lassen. Der Gesetzgeber kann nicht sofort und nicht rückwirkend nachbessern; er muss im Zweifel ein neues Gesetz verabschieden, wenn Unklarheiten bestehen. Klärende Gesetze sind in ihrer Wirkung im Übrigen zweifelhaft (BVerfG v. 17.12.2013 - 1 BvL 5/08; Schönfeld/Bergemann DStR 2015, 257; Kirchhof, DStR 2015, 717). Erst Recht gilt dies bei Änderungen der Rechtsprechung, die zu einer anderen Auslegung des Gesetzes kommt als von der Finanzverwaltung befürwortet und diese dazu zwingt, einen Nichtanwendungserlass und ein Änderungsgesetz zu verabschieden.
Klare Konturen sind dem Steuerrecht fremd. Vereinfachung ist ein plakativer Wunsch, denn jeder Praktiker weiß, dass es im Steuerrecht keine Vereinfachung geben wird. Generelle Reformvorschläge sind bisher gescheitert. Eventuell kann durch Pauschalierung oder ähnliches die Ausuferung von Einzelgesetzen aufgehalten werden (BFH v. 15.11.2016 - VI R 4/15; BFH v. 12.06.2018 - VIII R 14/15). Steuerreformen grundlegender Art bleiben derzeit aus. Detailregelungen werden aber fortlaufend angepasst (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 19. Aufl. 2018, § 1 IV).
1.3. Finanzverwaltung und Rechtsprechung
1.3.1. Gewaltenteilung
Die Sorge des Staates um den Verlust von Steuersubstrat hat weitgreifende Folgen. Er will sogar im Voraus wissen, ob legale Gestaltungen durchgeführt werden (RL EU 2018/822 v. 25.05.2018) Im Übrigen ist das Gewaltenteilungsprinzip im Steuerrecht nicht vollständig eingehalten. Sämtliche Steuergesetze werden durch die Finanzverwaltung entworfen und von den Gesetzesgremien (Bundestag und Bundesrat) genehmigt. Sofern Widersprüche entstehen, werden diese nicht auf der politischen Ebene, sondern im Hintergrund auf Verwaltungsebene ausgeräumt bzw. bestimmt(Müller, DB 2013, 542).
1.3.2. Finanzgerichtliche Rechtsprechung
Der Überprüfung der Gesetze erfolgt in einem zweistufiges Gerichtsverfahren (Finanzgerichte, Bundesfinanzhof), während andere schwierige Materien auf drei Rechtszüge aufgeteilt sind. Jedem Praktiker ist klar, dass das Einspruchsverfahren häufig sinn-, nutz- und zwecklos ist, also keine echte neutrale Überprüfung eines angefochtenen Bescheides auf der Ebene der Finanzverwaltung stattfindet. Der Steuerpflichtige ist gezwungen, die Finanzgerichte anzurufen, um sich Recht zu verschaffen (Birk, DStR 2014, 65). Ob dies den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, ist zweifelhaft. Dies wird dadurch erschwert, dass es eine Wechselwirkung zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung gibt, da Urteile, die den Fiskus benachteiligen, in ihrer Wirkung aufgehalten werden sollen.
Die Rechtsprechung des BFH ist uneinheitlich, da verschiedene Senate für ähnliche Fälle zuständig sein können. Bei Divergenz wird nicht immer der Große Senat angerufen. Ein Personalwechsel führt nicht selten dazu, dass ein Senat seine Grundüberlegungen ändert. Der Historie der Rechtsprechung des konkreten Senats kommt Bedeutung zu. Die Auslegungskriterien des BFH sind situationsbedingt. Überwiegend sind enge Auslegungen angezeigt. Der BFH will keine offensichtlichen Lücken schließen, da dies in die Gesetzgebungskompetenz eingreifen könnte (BFH v. 19.10.2010 I R 67/09). Bei planwidrigen Lücken kommt hingegen eine teleologische Reduktion in Frage. Wichtig kann eine Vorlage an das BVerG oder den EuGH sein. Eine verfassungskonforme Auslegung geht in der Regel vor (Tagesbericht 7. Steuerwissenschaftliches Symposion beim BFH, DStR 2019, Beihefter Heft 33 - 34/2019).
Nach der Rechtsprechung ist die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Einhaltung bestimmter steuerlicher Kriterien zwingend (01.03.2018 - IV R 15/15; BFH v. 22.06.2017 - IV BFH v. 20.09.2018 - IV R 39/11; BFH v. 22.06.2017 - IV R 42/13). Des Weiteren stützt sich die Rechtsprechung des BFH auf die klassischen Auslegungskriterien(grammatikalisch , historisch, systematisch und teleologisch (BFH v. 18.12.2014 - IV R 22/12, BFH v. 09.05.2019 - IV R 13/17; BFH v. 23.07.2019 - IX R 28/18). Dies schließt aber nicht aus, dass es enge Entscheidungen gibt (zum Backen kleinerer Brötchen s. BFH v. 03.07.2019 - VI R 36/17, zu eigenen Wohnzwecken bei § 23 EStG BFH v. 3.9.2019-IX R 10/19).
1.4. Verfassungsrechtliche Prinzipien
1.4.1. Übergreifende Prinzipien
Neben dem Rechtsstaatsprinzip und dem Sozialstaatsprinzip spielen die Grundrechte im Steuerrecht die entscheidende Rolle. Es gelten vor allem die Grundsätze der Eigentumsgarantie und der Gleichheitssatz. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat einige Gesichtspunkte herausgearbeitet, an denen sich die Steuergesetzgebung messen muss. Oberster Gesichtspunkt ist die Einhaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips (Kirchhof, BB 2017, 662). Aus den maßgeblichen Kriterien ergeben sich weitere Punkte , die Verfassungsrang haben. Hierzu zählen z. B. das Rückwirkungsverbot sowie das subjektive und objektive Nettoprinzip. Diese Prinzipen sind Folge des Gleichheitssatzes und beinhalten eine Prüfung des Willkürverbots (Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 4 C 1.1). Eine allgemeine Zumutbarkeitsgrenze für Steuern der Höhe nach gibt es hingegen nicht (Jochum, Grundfragen 2012, 15/16).
Gleiches soll immer gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden. Differenzierungen sind erlaubt, müssen aber sachlich gerechtfertigt sein.
Das Rückwirkungsverbot für belastende Gesetze macht in der Praxis Schwierigkeiten. Dies gilt insbesondere für die unechte Rückwirkung, bei der in bestehende Rechtsverhältnisse eingegriffen wird, diese jedoch wegen Allgemeinwohlinteressen Bestand haben kann. Die echte Rückwirkung betrifft hingegen Zeitabschnitte, die nach der Verwirklichung des Steuertatbestandes liegen (Bsp.: Steuersatzerhöhung für 01 in 02). Die unechte hingegen laufende Besteuerungszeiträume (Bsp.: Steuererhöhung in 01 für 01). Das BVerfG legt das Rückwirkungsverbot eng aus und erklärt Gesetze sogar für nichtig (BVerfG v. 15.01.2019 - 2 BvL 1/09; BVerfG v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07; Scharfenberg, DB 2013, 85; BVerfG v. 15.01.2019 - 2 BvL 1/09; Jochum, a.a.O. 39/40). Es gibt aber Fälle, in denen eine Rückwirkung verneint wird (BFH v.11.04.2018 - I R 34/15; BFH v. 07.05.2019 - VIII R 31/15).
Zu den unechten Rückwirkungen im weiteren Sinn gehören insbesondere die Fälle, in denen in zurückliegende Dauersachverhalte eingegriffen wird (zu §§ 17, 23 EStG, s. BVerfG v. 07.07.2010 - 2 BvL 746/05). Im Ergebnis stellt die Auseinandersetzung mit einer steuerlichen Rückwirkung eine Prüfung des Vertrauensschutzes dar. Auch klarstellende Gesetze unterliegen dem Rückwirkungsverbot (BFH v. 07.05.2019, a.a.O.).
Die Rechtsprechung betont allerdings , dass auch eine unechte Rückwirkung begründet sein muss, um Bestand zu haben (BFH v. 23.10.2019-XI R 43/18 zu einem Fall aus 2003). Die Fragen der Rückwirkung bleiben auch aktuell ein Streitthema ( Kessler u. a., DStR 2021, 2929).
1.4.2. Das objektive Nettoprinzip
Schwierig ist die Einzelbeurteilung des objektiven Nettoprinzips, obwohl unstrittig ist, dass ausschließlich die Einkünfte besteuert werden können, die nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip netto steuerbar sind. Es darf nur das besteuert werden, was der jeweiligen Leistungsfähigkeit entspricht. Auswirkungen dieser Grundsätze sind das Verursachungs- und das Veranlassungsprinzip (Jochum Grundfragen, 86 - 89; § 4 Abs.4 EStG). Aufwendungen, die durch eine Tätigkeit verursacht oder durch Einnahmen veranlasst sind, müssen steuerlich berücksichtigt werden, auch wenn es pauschale Begrenzungen gibt (BFH v. 06.12.2017 - IX R 4/17; BFH v. 08.07.2015 - VI R 46/14; BFH v. 11.12.2018 - VIII R 7/15). Typisierungen sind zulässig (Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, Einleitung , Rn. 32 - 36).Die Gesetzesintention wird bei der Auslegung berücksichtigt (BVerfG v. 19.11.2019 - 2 BvL 22-27/14 zu Erstausbildungskosten; Ismer, DStR 2020, 681).Solche Typisierungen werden auch durch die tatsächliche Lage mitgestaltet. Ein solcher Fall, der über den eingeschränkten Abzug des häuslichen Arbeitszimmers hinausgeht, ist die Homeoffice-Pauschale wegen Corona (§ 4 Abs.5 EstG n. F.).
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zum Gleichheitssatz und zum Übermaßverbot einen weiten Spielraum belassen, den dieser nutzt. Welchen konkreten Rang diese Vorgabe im Einzelfall hat, ist heftig umstritten. Meinungen hierzu ändern sich im Zeitverlauf (FG Hamburg v. 31.01.2019 - 2V 112/18 zum Rechnungszinsfuß; FG Köln v. 25.04.2018 - IX B 21/18 zu Nachzahlungszinsen; BFH v. 09.11.2017 - III R 10/16; BFH v. 14.11.2018 - II R 64/15 zur Gewerbesteuer; BVerfG v. 19.02.2015 - 9C 10/14 zur Mindestbesteuerung; BVerfG v. 15.02.2016 - 1 BvL 8/12 zu Hinzurechnungen; zur Abzinsung BFH v. 22.05.2019 - X R 19/17; BFH v. 03.12.2019 - VIII R 25/17 zum Verhältnis wegen Erlass). Gesetzgeberische Ziele, die der Steuervereinfachung und der Sicherung des Steueraufkommens dienen, werden als verfassungskonform eingestuft (BVerfG v. 15.01.2008-1 BvL 2/04 zur Infektion gewerblicher Einkünfte). Das Willkürverbot ist zu beachten ( BFH v. 21.08.2019 - X R 16/17 zu Schätzungen).
1.4.3. Das subjektive Nettoprinzip
Das subjektive Nettoprinzip betrifft nicht mit Einnahmen zusammenhängende Aufwendungen, die nach dem allgemeinen Leistungsfähigkeitsprinzip für den Betroffenen abzugsfähig sein müssen. Dabei geht es vor allem um die sogenannten Sonderausgaben wie z. B. Vorsorgeaufwendungen, die steuerlich berücksichtigt werden müssen. Gleichwohl schlägt das fiskalische Interesse insoweit durch als Vorsorgeaufwendungen nur teilweise abzugsfähig sind bzw. sich die Abzugsfähigkeitshöhe nach Kriterien richtet, die bei der Besteuerung der sich hieraus ergebenden Bezüge anzuwenden sind. Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich noch nicht geklärt (BVerfG v. 14.06.2016 - 2 BvR 323/10; Karrenbrock, DStR 2018, 844; Seckelmann, DStR 2013, 69). Ein weiterer Fall des objektiven Nettoprinzips ist das Teilverbot des Abzugs von Aufwendungen für eine erstmalige Ausbildung oder ein Erststudium. Das BVerfG hat die gesetzliche Regelung bestätigt ( BVerfG v. 19.11.2019 - 2 Bvl 22-27/14; Ismer, DStR 2020,681). Der Gleichheitssatz und die daraus ableitbaren Prinzipien der Folgerichtigkeit und des Willkürverbots sind nicht verletzt.
1.4.4. Lenkungsnormen
Einen Sonderfall nehmen steuerliche Lenkungsnormen ein. Das jeweilige Belastungsprinzip muss in diesem Fall dem Nutzen gleichgestellt sein. Dies fordert der Gleichheitssatz. Zu hohe Unterschiede in der Nutzenäquivalenz sind verfassungswidrig. Die Lenkungswirkung der Steuer muss angemessen sein (BVerfG v. 10.04.2018 - 1 BvL 11/14 wegen Grundsteuer u. a.; Wünsche, BB 2019, 1821; Lüdicke, BB 2019, 1436). Die Frage der lenkungsbedingten steuerlichen Vorschriften beschäftigt auch die Sondervorschriften wegen der Covid-19 Pandemie (Giese u. a., DStR 2020).
1.5. Einkunfts- und Vermögensebene aus Verfassungssicht
1.5.1. Trennungsprinzip
Private Verluste oder bestimmte Privataufwendungen sind steuerlich nicht relevant. Der Eigenanteil eines Unfallschadens eines privaten Kfz ist steuerlich nicht absetzbar, während ein gleicher Sachverhalt auf der Ebene eines Betriebs zu Betriebsausgaben führen kann. Dies wird als ungerecht empfunden, ist es aber nicht, da betrieblich die Vermögenssphäre positiv wie negativ steuerliche Wirkung hat, also z. B. ein Veräußerungsgewinn aus dem Firmenfahrzeug steuerpflichtig ist, im Privatvermögen aber nicht.
Die Trennung zwischen privat und betrieblich wird als verfassungskonform betrachtet. Sie ist daher ein wichtiges Element einer final orientierten Gesetzgebung, die auch aus verfassungsrechtlichen Gründen private Vermögensumschichtungen mit Ausnahmen für steuerlich nicht relevant hält. Eine Besteuerung der Privatsphäre hätte eine Übermaßbesteuerung zur Folge.
1.5.2. Abgrenzungen
Der Abgrenzung zwischen Privatsphäre und betrieblicher Sphäre oder einer Sphäre, die zu Einkünften oder Verlusten führt, ist in vielen streitbefangenen Fällen durchzuführen, Beispiel ist die Abgrenzung der steuerlich nicht relevanten Liebhaberei im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und gewerblichen Einkünften. Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es auch bei der Steuerfreistellung von privaten Gewinnen (Vermögenszuwachs). Besteuert wird die Einkommensebene und nicht die Vermögensebene, obwohl ein Vermögenszuwachs durchaus als Erhöhung der Leistungsfähigkeit betrachtet werden kann. Allerdings hat der Gesetzgeber den Grundsatz, dass private Wertsteigerungen nicht steuerpflichtig sind, mehrfach durchbrochen. Diese Durchbrechung betrifft Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG), Grundstücksgewinne (§ 23 EStG) sowie Kapitalgewinne aus Kapitalanlagen (§ 20 Abs. 2 EStG). Die sonstige Herausnahme von privaten Veräußerungsgewinnen aus der Besteuerung ist nicht in allen Punkten stimmig. Es würde zudem dem Grundsatz der Gleichartigkeit der Besteuerung entsprechen, wenn bei Besteuerung von Vermögensgewinnen damit zusammenhängende Aufwendungen voll zum Abzug zugelassen werden würden. Bei Kapitalanlagen ist dies nur teilweise der Fall (§ 20 Abs. 4 EStG, Veräußerungskosten). Der fehlende Abzug von Aufwendungen steht allerdings in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Privilegierung von bestimmten Einkünften (Abgeltungssteuer).
1.6. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Überprüfung
1.6.1. BVerfG
Das Bundesverfassungsgericht korrigiert nicht akribisch das jeweilige Steuerrecht, sondern prüft, ob der Gesetzgeber seine inhaltlichen Vorgaben im Detail überschritten hat. Es gelten die Prinzipien der Folgerichtigkeit (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 187) und eines relativ weiten Ermessensspielraums (BFH v. 18.12.2019 - I R 29/17 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerG). Das Bundesverfassungsgericht rügt zwar verfassungswidrige Normen, gibt jedoch oft nur einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung der Fehler vor. Letztendlich wird die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Prinzipien dem Gesetzgeber auferlegt.
Bei Gleichheitssatzverletzungen sind die Maßstäbe im Einzelfall relativ eng. Ein gutes Beispiel ist die Erbschaftsteuerreform 2016 auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes von 2014 zur Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftssteuerreform 2009 (BVerfG v. 17.12.2014 - 1 BvL 21/12). Von der erneuten Korrektur wird erwartet, dass sie bereits ein drittes Mal vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden könnte (Riegel/Heynen, BB 2017, 23). Gleiches wird in diesem Fall nicht gleich und Ungleiches nicht ungleich behandelt. Einseitige Vergünstigungen können nicht verfassungsgerecht sein. Die Kritik des Bundesverfassungsgerichtes an der erbschaftssteuerlichen sog. Nulllösung (Sonderverschonung für alle Erwerbe unternehmerischen Vermögens bei Wohlverhalten über sieben Jahre (Überwachungszeitraum )) wurde zwar aufgenommen, jedoch nicht für das gesamte unternehmerisches Vermögen beseitigt, das unterhalb einer Aufgriffsschwelle von 26 Mio. € pro Erwerb liegt (§ 13b Abs. 2 ErbStG).
Im Einzelfall ist es für den Gesetzgeber kaum möglich, eine Gesetzeslage zu schaffen, die verfassungsgemäß ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum. Das Willkürverbot ist zu beachten (Wionzeck, DStR 2021,1514). Es ist nicht im Vorhinein im Einzelnen feststellbar ist, ob eine Gesetzesfassung verfassungsrechtlich hält oder nicht. Hinzu kommt der Umstand, dass die EU-Verträglichkeit einen zusätzlichen Maßstab setzt. Deutsche Gesetze müssen mit den europarechtlichen Grundfreiheiten übereinstimmen. Für den Praktiker ist dies unbefriedigend, da er unter Umständen Rechtsbehelfe einlegen muss, hinter denen er eventuell nicht steht, um Fälle offenzuhalten, falls Jahre nach der Steuerverwirklichung ein Urteil gefällt wird, das die Verfassungsmäßigkeit des Vorgangs bezweifelt (BVerfG v. 15.01.2019 2 BvL 01/09 für 1999, d. h. nach 20 Jahren). Die Zinswirkungen sind hier teilweise größer als der Steuerbetrag. Nach schwieriger sind die Fälle, in denen nach vielen Jahren rückwirkend ein Verfassungsverstoß festgestellt wird, der auch darauf beruhen kann, dass der Gesetzgeber unterschiedliche Behandlungen nicht hinreichend bestimmt hat. Dann kann es zur Wiederaufrollung nicht bestandskräftiger Bescheide kommen (BVerfG v. 8.12.2021 - 2 BvL 1/13 für das Jahr 2007).
1.6.2. EuGH
Erschwerend kommt hinzu, dass der Europäische Gerichtshof vermehrt in die Wirksamkeit von Steuergesetzen eingreift. Unter den Stichworten der Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit, d. h. den europäischen Grundfreiheiten, werden Fälle geprüft, die im Kontext der nationalen Gesetze und der nationalen Rechtsprechung untergehen würden. Diese internationale Gesetzesüberprüfung betrifft vor allem das Umsatzsteuerrecht (direkte Steuern) und teilweise das Ertragssteuerrecht (insbesondere Quellensteuern s. EuGH v. 08.03.2017 - C-448/15; EuGH v. 20.12.2017 - C-504/16 und C-613/16). Zudem kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf europäisches Recht berufen. EU-Recht geht vor (Schüppen, BB 2014, 3104; BFH v. 26.06.2019 - V R 8/19). Ein weiterer Aspekt der EuGH Rechtsprechung besteht darin, dass Drittstaaten in die EU-Konformität einbezogen werden können (BFH v. 12.10.2016 - I R 18).
Der Gesetzgeber wird durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes gehalten, Änderungen vorzunehmen. Ein Musterbeispiel ist die generelle Veränderung der Besteuerung der Investmentgesellschaften, damit u. a. Steuerausländer im Inland steuergleich behandelt werden (Gleichschaltung von inländischen und ausländischen Investmentfonds über einen intransparente Besteuerung, InvStRefG vom 19.07.2016; zur Quellensteuer bei ausländischen Pensionsfonds EuGH v. 13.11.2019 - C-641/179). Die Folgen solcher Änderungen sind wesentlich und stellen teilweise einen Paradigmenwechsel dar. Hinzukommt, dass Untergerichte und auch der Bundesfinanzhof, bevor sie endgültig urteilen, Sachverhalte dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof vorlegen können. Es ist zu erwarten, dass im internationalen Bereich, der durch Beziehungen zum europäischen Ausland mitgeprägt ist, ständig und nachhaltig Steuerrechtsfragen den Europäischen Gerichtshof beschäftigen werden. Eine europarechtlich ausgerichtete Gesetzgebung ist in Deutschland nichts Neues. Bisher werden aber lediglich internationale Vorgaben, d. h. Richtlinien, national umgesetzt.
1.7. Europäisches Recht und internationale Aspekte
1.7.1. Europarechtliche Maßnahmen
Das Nebeneinander von verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht prüft, und europarechtlichen Vorgaben, die der Europäische Gerichtshof untersucht, halte ich nicht für zielführend. In der Zukunft müssten abgestimmte Steuergesetze im europäischen Raum geschaffen werden, denn auf diesem Weg kann teilweise verhindert werden, dass im Nachhinein steuerliche Einbußen für den jeweiligen Fiskus entstehen. Das Prinzip der Reziprozität sollte dazu führen, dass Vorschriften für Steuerausländer nicht zwangsläufig für gesetzeswidrig erachtet werden können, falls es keine diesbezüglichen Regelungen für Deutsche im Steuerausland gibt. Eine Kollision mit dem Grundrechtsschutz auf europäischer Grundlage führt in Deutschland zu einseitigen Maßnahmen.
Die Verflechtungen der Wirtschaft schlagen auf die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten durch. Das Nationalstaatsprinzip ist grenzwertig. Der Steuergesetzgeber und im Folgenden die Gerichte kommen an ihre rechtlichen Grenzen. Ein Multikonzern lässt sich nicht durch ein nationales Steuerrecht erfassen. Von einer internationalen Besteuerung sind wir jedoch weit entfernt. Es dauert lange bis europarechtliche Steuernormen durchgesetzt werden. Dies gilt für die Direktbesteuerung bei der Umsatzsteuer und bei der Körperschaftsteuer. Zudem bahnt sich ein Streit um eine Digitalsteuer an (beck.digitax 1/ 2020,6). Europarechtlich motivierte direkte Steuern betreffen nicht nur die Digitalwirtschaft. Es geht dabei vor allem um das Verhältnis zwischen Produktionsland und Wertschöpfung auf der Vertriebsebene. Die bisherigen Konzepte ordnen dem Ursprungsland höhere Gewinne zu als den nachgelagerten Vertriebseinheiten. Das klassische Betriebsstättensystem greift nicht, da der ausländische Anbieter für die Umsetzung seiner Gewinne keine feste Geschäftseinrichtung benötigt, also keine Betriebstätte unterhalten muss. Ob eine Mindeststeuer unter Einbezug ausländischer Betriebsstätten im weiteren Sinn einen Nutzen bringt, ist offen. Eine supranationale Regelung und Kontrolle wäre zwingend. Vorrangig dürfte aber die Korrektur des Betriebsausgabenabzugs sein, soweit dieser aus immateriellen Werten resultiert. Dies bedeutet, dass der Hersteller bzw. Produkterfinder nicht ohne weiteres Lizenzen oder ähnliches in das Inland verrechnen darf, soweit es keine korrespondierende Besteuerung der Einnahmen in einem Normalsteuerland gibt (IP, intangible property). Zudem sind überwiegend Großkonzerne im Fokus und lassen die Frage ungeklärt, ob einzelne Maßnahmen alle internationalen Unternehmen treffen sollen (Thörmer, DStR 2020,527).
Eine allgemeine europäische Bemessungsgrundlage für die Gewinnermittlung bei den Ertragsteuern für Konzerne ist noch weit entfernt. Eine Umsetzung ist als schwierig einzustufen (Spengel u. a. Beilage Nr. 2 zu Heft 8/2013 BB). Der Vorschlag für eine diesbezügliche Richtlinie (GKKB 8/2011) wird weiterhin diskutiert (Doc.14544/15 ADD 1 Fisc 171, 02.12.2015). Dabei soll u. a. auf eine Ermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verzichtet werden, die durch eine Art Überschussrechnung ersetzt wird. Dies dürfte für Deutschland nicht akzeptabel sein.
1.7.2. Deutsche internationale Gesetzgebung
Die Steuergesetzgebung ist international in heftige Bewegung gekommen. Die EU hat unter Berücksichtigung der OECD BEPS-Richtlinien vom 05.10.2015 Fallgestaltungen aufgegriffen und Kriterien entwickelt, die Vorbildcharakter für die Umsetzung in nationales Recht bilden sollen (ATAD v. 25.05.2018, Anti Steuervermeidungs-Richtlinie). Die Umsetzungsfrequenz hinkt den politischen Absichten hinterher. In Deutschland hat es bereits Anfänge einer Umsetzung gegeben (§ 4j EStG Lizenzschranke; §§ 90 Abs. 3 und 138a AO, CbCR; Schreiber/Grell, DB 2017, 10). Die Meldung von Steuergestaltungen wurde ebenfalls aufgegriffen (beck.digitax 1/ 2020, wegen DAC6-Tools). Aktiv hat der Gesetzgeber mit den ATAD Umsetzungsgesetzen Bereiche reguliert, die bereits teilweise reglementiert sind. Neu ist allerdings die ausführliche Abgrenzung der Versagung des Betriebsausgabenabzugs, falls hybride Gestaltungen vorliegen (§ 4 k n. F. EStG), indem alle Varianten durch diese Klausel abgedeckt werden sollen, die als catch all Version verstanden werden kann.
Unter dem Begriff BEPS (base erosion, profit shifting) werden Maßnahmen verstanden, die zur Beseitigung von vor allem konzerntypischen Steuerausfällen führen und zusätzlich die Aufteilung eines Steuergutes zwischen den Industriestaaten gewährleisten sollen. Damit wird die Basis für Prüfungen im Bereich der Verrechnungspreise angesprochen (Lüdicke/Oppel, DB 2016, 549; Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY, DB 206, 2078; Richter/Hondheim, DB 2013, 1260). Ob in diesem Umfeld Erfolge erzielt werden können, hängt von den Staaten ab, die in die Umsetzung der Richtlinien einbezogen werden. Weigert sich ein Staat, seine Steuergesetze an die Richtlinien anzupassen, wird es bei der bisherigen Ineffizienz der Bekämpfung des internationalen Steuergefälles bleiben. Zur Umsetzung gehört auch die Festlegung von Steueroasen, die bekämpft werden sollen.
Auf Ebenen der OECD haben sich 140 Länder im Sommer 2021 auf Grundsätze geeinigt, die eine Mindestbesteuerung von 15 % betreffen sowie Steuerrechte für Staaten vorsehen, soweit andere ihre nicht ausschöpfen. Die nationale Umsetzung steht aus.
Bisher wurde das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen als entscheidend für die internationale Abgrenzung von Einkünften gesehen. Basis ist das OECD Musterabkommen, das die Mehrzahl der Industriestaaten absorbiert hat. Der nationale Gesetzgeber hat aber unabhängig von diesen Abkommen Regelungen geschaffen, die einseitig in den Gegenstand der Abkommen eingreifen. Doppelbesteuerungsabkommen haben keinen Gesetzesvorrang. Dadurch kann der deutsche Gesetzgeber durch Normen zum treaty override, subject to tax und swich-over unmittelbar das Besteuerungsrecht bestimmen. In manchen Fällen benutzt er dabei Regeln, die eventuell nicht europarechtstauglich sind (BMF v. 20.06.2013 - IV B 2 - S 1300/09/10006; BVerfG v. 15.12.2015 - 2 BvL 1/12; BFH v. 20.08.2014 - I R86/13; EuGH v. 20.12.2017 - Rs C-504/16;Graf, BB 2018, 2391; BMF v. 04.04.2018 - IV B 3 - S 2411/07/100016 - 14; §§ 50d Abs. 3 und Abs. 8 - 12 EStG).
Unter dem BEPS-Gesichtspunkt müsste Deutschland viele seiner Doppelbesteuerungsabkommen neu verhandeln. Es wurde zudem ein internationales Instrument geschaffen, das teilweise Wirkungen auf die Neuordnung von Doppelbesteuerungsfällen herbeiführen soll (MLI v. 07.06.2017, Lück, BB 2017, 2141). Dies könnte u. a. die Neuordnung der Besteuerung von Vertreter-Betriebsstätten und anderen Vertriebsaktivitäten einschließen.
1.7.3. Außensteuerrecht
Die wesentlichen inländischen internationalen Bestimmungen nach geltendem Recht beziehen sich auf das Außensteuergesetz. § 1 AStG enthält Detailregelungen zur Prüfung von Verrechnungspreisen, deren Methodik international anerkannt ist, aber im Einzelfall zu unterschiedlichen Wertungen führen kann. Die gesetzlichen Vorschriften werden in diesem Bereich durch Verordnungen und Verwaltungsgrundsätze konkretisiert. Es gibt nur rudimentär Rechtsprechung, die einen eindeutigen Bezug zu Verrechnungspreisen in der aktuellen Fassung des AStG hat. Einzelfragen zu den Verrechnungspreisen werden daher ohne Rechtsprechungsgrundlage beurteilt. Typisches Beispiel ist die Funktionsverlagerung, die einen problematischen Fall des Ansatzes eines Verrechnungspreises erfasst (§ 1 AStG Abs. 3 S. 5 - 9 a. F.,§ 1 Abs. 3 a n. F.). Deutschland sieht hier einen Verlust von Steuersubstrat durch Verlagerung ins Ausland und will dies korrigieren.
Das Außensteuergesetz regelt daneben die Grundätze der Wegzugsbesteuerung und der Hinzurechnungsbesteuerung.
Die Wegzugsbesteuerung (§§ 2 - 6 AStG) erfasst u. a. eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht für Personen, die in ein steuergünstiges Ausland ziehen. Ein Sonderfall betrifft den Wegzug bei gleichzeitiger Haltung von inländischen Kapitalanteilen, die erst besteuert werden, wenn der Empfänger sich nicht im EU-Ausland befindet oder ein Ersatztatbestand (z. B. Todesfall) eintritt, der die Besteuerung auslöst. Die Schweiz zählt insoweit nicht als schädliches Ausland (EuGH v. 26.02.2019 - C-581/17). Auch hier greift die Konformität mit EU-Recht.
Diese Regeln wurden dahingehend geändert, dass keine temporäre Freistellung erfolgt, sondern die Steuer langfristig gestundet wird (§ 6 AStG n.F.).
Die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 - 14 AStG) bezieht sich auf ausländische passive und niedrig besteuerte Einkünfte von Unternehmen. Zu diesem Zweck werden ausländische Einkünfte in inländische konvertiert. Dies gilt für unmittelbare Beteiligungen wie auch für Beteiligungen an nachgeschaltete Unternehmen, sofern diese passiven Einkünfte vermitteln. Diese Aspekte des Außensteuergesetzes werden teilweise auf der Grundlage der einschlägigen ATAD-Richtlinie revidiert und sogar verschärft. Die entscheidende Frage, ab wann eine Niedrigbesteuerung angenommen wird, ist ungelöst.
Fazit:
Das deutsche Steuerrecht fußt auf verfassungsrechtlichen Grundlagen, die die Freiheitsrechte des Einzelnen stärken. Betont wird der Gleichheitssatz, der eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip fordert. Dem Gesetzgeber werden Grenzen gesetzt, die sich auch im Verbot einer echten Rückwirkung widerspiegeln. Andererseits gewährt das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum in der Ausgestaltung von Detailvorschriften. Das Nebeneinander von Verfassungsrecht und EU-Recht wirft Fragen auf. Der EuGH stellt Grundsätze nach den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit , Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit auf. Ein potenzieller Verstoß gegen diese Prinzipien ist im Bereich des internationalen Steuerrechts tendenziell möglich. Die deutschen internationalen Steuergesetze reagieren auf die allgemeine Entwicklung. Anpassungen in der nahen Zukunft sind zu erwarten.
2. Steuergebiete
2.1. Steuern allgemein
Im Wesentlichen geht es im deutschen Steuerrecht um Ertragsteuern, Verbrauchssteuern und Verkehrssteuern. Am Rande um Substanzsteuern. Ertragsteuerliche Regelungen sind in erster Linie das Einkommensteuerrecht und das Körperschaftsteuerrecht. Hinzukommen Nebengebiete, die sich u. a. auf die Gewinnermittlung beziehen. Das Ertragssteuerrecht ist in erster Linie ein Einkünfteermittlungsrecht, also die Summe der Regelungen und Paragraphen, die bestimmen, ob und wann in welchem Umfang bestimmte Einnahmen oder Einkünfte besteuert werden. Einnahmen betreffen den Bruttowert, Einkünfte den Nettowert der Einnahmen abzüglich Kosten und Aufwendungen.
2.2. Ertragssteuern und Einkünfte
Das Einkommensteuerrecht spricht von Einkunftsarten, die die Teile des Einkommens betreffen, die steuerpflichtig sein können. Im Wesentlichen geht es um Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit, die gewerblichen Einkünfte, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Daneben gibt es sonstige Einkünfte, die unter bestimmen Umständen in die Steuerpflicht gezogen werden.
Bezüglich der Einkommensarten unterscheidet man zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften. Gewinneinkünfte sind die gewerblichen sowie die aus selbstständiger Arbeit. Davon zu trennen ist die konkrete Frage, ob ein bestimmter Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben oder durch eine andere Gewinnermittlungsart festzustellen ist; es bleibt immer bei Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die anderen Einkünfte werden ausschließlich durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG).
Im Körperschaftsteuerrecht geht es um die Gewinnermittlung von Kapitalgesellschaften und deren Auswirkung auf die Besteuerung (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Bei diesen Gesellschaften handelt es sich mit Ausnahmen um solche, die handelsrechtlich ihren Gewinn durch Bilanzierung bzw. Vermögensvergleich ermitteln. Auch wenn es Unterschiede zwischen der handelsrechtlichen und der steuerlichen Gewinnermittlung gibt, sind die handelsrechtlichen Grundsätze Ausgangspunkt für die Gewinnermittlung (bedingte Maßgeblichkeit, § 5 Abs. 6 EStG). Es wäre denkbar, andere Gewinnermittlungsvorschriften für Kapitalgesellschaften einzusetzen.
So wurde z. B. in der Vergangenheit am Rande diskutiert, die Einnahmen-Überschussrechnung statt der bilanziellen Gewinnermittlung auf Kapitalgesellschaften auszudehnen. Dies wird jedoch überwiegend abgelehnt.
2.3. Ertragssteuern und Einzelvorschriften
Im Einkommensteuerrecht geht es um die allgemeinen Vorschriften zur Erfassung von Einnahmen und Einkünften, aber auch um Sondervorschriften. Sitz dieser Überlegungen ist vor allem § 15 EStG, der als überbordende Norm des deutschen Steuerrechts bezeichnet wird. Es handelt es sich um eine der umfassendsten steuerlichen Vorschriften, die noch dazu so kompliziert ist, dass ihr Zusammenhang ohne Kenntnis des „Warum“ und „Wieso“ nicht erschlossen werden kann. § 15 EStG betrifft die Besteuerung des sogenannten Mitunternehmers. Darunter wird der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder eines ähnlichen Gebildes erfasst, dessen Steuern nach betrieblichen Grundsätzen transparent ermittelt werden sollen. Diese Vorschrift wird ergänzt durch Sondervorschriften in § 6 EStG, die die Beziehung zwischen einem Gesellschafter und seiner Personengesellschaft regeln. Zudem erfasst § 16 EStG den Fall der Veräußerung und die Aufgabe eines Betriebs. Nur im Zusammenspiel verschiedener Paragraphen, lässt sich die Besteuerung des Mitunternehmers erfassen. Eine Detailkenntnis zu diesen Vorschriften ist für einen juristischen Anwender nur bedingt erforderlich. Grundkenntnisse sollten jedoch vorhanden sein.
Zu § 15 EStG sollte der Praktiker wissen, dass hier vor allem die GmbH & Co. KG als Rechtsform gesetzlich geregelt wird ( § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Dies hängt damit zusammen, dass eine Mehrzahl von Betrieben im deutschen Mittelstand in dieser Rechtsform aufgestellt ist. Zwar haben sich in den letzten Jahren die Firmen, die als Kapitalgesellschaften fungieren, erhöht, aber dies vor allem für operative Gesellschaften und nicht zwingend für Holdingkonstruktionen, die bei inhaberbezogenen Mittelständlern in einer GmbH & Co. KG strukturiert sein können.
Vereinfacht gilt eine GmbH & Co. KG, soweit sie bestimmte Bedingungen erfüllt, per se als Gewerbebetrieb. Die Gesellschafter leiten aus dieser Gesellschaft transparent gewerbliche Einkünfte für sich her. Auf dieser Ebene kommt es jeweils darauf an, welche Person Gesellschafter ist, also entweder eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft sowie eventuell eine doppelstöckige Personengesellschaft. Je nachdem ergeben sich unterschiedliche Steuerfolgen für den Gesellschafter. Eine Ausnahme gibt es für die Gewerbesteuer, da die Personengesellschaft selbst Gewerbesteuersubjekt ist. Die Gewerbesteuer wiederum ist eine typische Ertragsteuer, nachdem 1996 vermögensorientierte Steuern (also auch die Gewerbekapitalsteuer) entfallen sind.
Zu den Ertragsteuern gehören weitere Sondervorschriften wie z. B. das deutsche Außensteuergesetz oder das inländische Umwandlungssteuergesetz. Es handelt sich hierbei um Sondergesetze, die die Einnahmen bzw. Einkünfte oder Erträge beeinflussen können, die der deutschen Steuerpflicht unterliegen.
2.4. Gewerbesteuer, Grundsteuer
2.4.1. Gewerbesteuerliche Gewinnermittlung
Die Gewerbesteuer ist eine Ertragsteuer. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrages ist die Zahl, die sich als Gewinn für das zu beurteilende Unternehmen im jeweiligen Jahr ergibt. Dieser Gewinn wird steuerlich bzw. steuerbilanziell ermittelt und um spezifische gewerbesteuerliche Positionen nach oben oder unten verändert (Hinzurechnungen und Abrechnungen, §§ 7, 8 und 9 (GewStG), um mit einer Steuermesszahl (§ 11 GewStG) zum steuerlichen Messbetrag zu kommen, der mit dem gemeindlich erhobenen Hebesatz vervielfältigt die Gewerbesteuer bestimmt (Hebesatz 400 = 14 %). Wesentliche Hinzurechnungen sind sogenannte Dauerentgelte, zu denen auch Zinsen und Mieten gehören (§ 8 Nr. 1 GewStG). Da die Gewerbesteuer Objektcharakter haben soll, soll vereinfachend so gerechnet werden, wie ein Unternehmen stünde, wenn es unter gleichen Voraussetzungen geführt werden würde. Ein in eigenen Räumen tätiges Unternehmen würde schlechter behandelt werden als ein Unternehmen, das in gemieteten Räumen arbeitet. Durch die Hinzurechnung wird dies ausgeglichen. Gleiches gilt für Fremdkapital (Zinsen).
Bereinigt wird das gewerbesteuerliche Ergebnis eines Kaufmanns um Beteiligungserträge oder Beteiligungsaufwendungen aus einer Personengesellschaft sowie im Falle einer Ausschüttung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, für die ein Schachtelprivileg besteht (§ 9 Nr. 2 und 2a GewStG). Das Schachtelprivileg liegt gewerbesteuerlich bei mehr als 15 % Anteilsbesitz von Anfang an (d. h. von Anfang des Wirtschaftsjahres). Schachtelprivileg bedeutet, dass die Einkünfte aus den Beteiligungen, an denen das Privileg besteht, bei der Kapitalgesellschaft, die Anteilseiner ist, steuerfrei sind oder einer geringen Steuer unterliegen (5 %). Ist ein Kaufmann oder ist eine GmbH & Co. KG an einer anderen Personengesellschaft beteiligt, die Verluste macht, geht dieser Verlust in die einkommensteuerliche Ermittlung ein, wird jedoch für Gewerbesteuerzwecke herausgerechnet (§ 8 Nr. 8 GewStG). Umgekehrt werden Gewinne aus Beteiligungspersonengesellschaften wieder vom Ertrag gekürzt, da sie bereits selbst der Gewerbesteuer unterlegen sind. Wenn Veräußerungsgewinne mit Anteilen an Kapitalgesellschaften erzielt werden oder soweit Beteiligungserträge bei Personengesellschaftern dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 % unterliegen, werden sie ausgesondert (§ 8 Nr. 5 GewStG). Durch diese Herausrechnungen soll eine Doppelbesteuerung vermieden werden. Dies entspricht dem Objektcharakter der Gewerbesteuer.
Für Immobiliengesellschaften gibt es eine gewerbesteuerliche Sondervorschrift, die zur Steuerfreistellung führt, aber durch die schädliche Mietvermietung von Einrichtungsgegenständen begrenzt ist (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, z. B. FG Berlin-Brandenburg v. 05.11.2019 - 6 k 6170/18; BFH v. 28.11.2019 - II R 14/17). Zusätzlich ist zu beachten, dass der Verkauf der letzten Immobilie im Verkaufsjahr die Kürzung ausschließen kann, wenn der Erlös angelegt wird statt sofort zu liquidieren (OLG Düsseldorf, v. 12.12.2019 - I 12 u 30/19).
2.4.2. Auswirkungen
Die Gewerbesteuer hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesamtsteuerbelastung im Falle von Kapitalgesellschaften, da die Belastung mit Körperschaftsteuer (15 % plus Solidaritätszuschlag = 15,825 %) in den meisten Fällen identisch ist mit der gewerbesteuerlichen Belastung bei einem Hebesatz von mindestens 450 (3,5 % * 450 = 15,750 %). Es gibt im Körperschaftsteuerrecht keine Gewerbesteueranrechnung. Bei natürlichen Personen, auch solche, die an Personengesellschaften beteiligt sind, gilt hingegen der Grundsatz der Gewerbesteueranrechnung, allerdings bezogen auf das Jahr, in dem der entsprechende Gewinn mit Gewerbesteuer erzielt wird. Das Gesetz enthält komplizierte Darstellungen der Gewerbesteueranrechnung und dessen Höchstbetrag (§ 35 EStG). Die Gewerbesteuer ist auf die Einkommensteuer mit maximal Hebesatz 380 anrechenbar, sodass bei einem Hebesatz über dieser Schwelle ein Steuerüberhang entsteht, der den Steuerpflichtigen belastet. Je nach Gemeinde kann dieser Überhang bei zwischen 2 % und 5 % des Gewinns liegen. Die Konsolidierung der Steueranrechnung pro Person und Jahr bedeutet, dass, falls ein Steuerpflichtiger verschiedene Betriebe hat, eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten vorgenommen wird, sodass die Gewerbesteueranrechnung ausfallen kann.
Die Gewerbesteueranrechnung seit 2001 ist positiv zu sehen. Die Abschaffung der Gewerbesteuer ist nicht zu erwarten, da das Heberecht der Gemeinden nicht veränderbar ist. Ob sich eine Zuschlagssteuer durchsetzen könnte, ist zweifelhaft. Dann müssten alle Personen, eventuell mit Anrechnung, Gewerbesteuer, bemessen nach der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, zahlen. Für Gewerbetreibende wird es wohl bei der Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bleiben. Ob es zu einer Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Körperschaftsteuer kommt, ist eine politische Frage.
2.4.3. Mindestbesteuerung
Andere Rahmenbedingungen könnten im laufenden System geändert werden, insbesondere bezüglich der Hinzurechnungen und für die Fälle der sogenannten Mindestbesteuerung. Diese tritt ein, wenn ein Gewinn in einem Folgejahr nach einem Verlust von mehr als 1 Mio. € anfällt und der vorjährige Verlust nur anteilig gegen den Gewinn des konkreten Jahres gerechnet werden kann, sodass eine effektive Steuer entsteht.
Beispiel:
Verlust im Jahr 01 =2 Mio. €, Gewinn im Jahr 02 2 Mio. €, anrechenbar 1,6 Mio. €, zu versteuern 400.000 €, Verlustvortrag nach 03 400.000 €
Die Definitivwirkung der Mindestbesteuerung hat bereits die Gerichte befasst und ist dem Grunde nach zu einem formalen Abschluss gekommen (BVerfG v. 19.02.2015 - 9C 10/14)
2.4.4. Grundsteuer
Die Grundsteuer ist eine gemeindliche Vermögenssteuer. Sie wurde mit Wirkung für 2021 aufgrund der Vorgaben des Verfassungsgerichts wegen überholter Werte neu konzipiert, allerdings mit der Besonderheit, dass die Länder jeweils selbst die Bemessungsgrundlagen für ihre Gemeinden regeln können. Vor allem Bayern wird hiervon Gebrauch machen. Die Grundsteuer hat für die hebeberechtigten Gemeinden einen erheblichen Einnahmeeffekt und ist nicht wie die Gewerbesteuer konjunkturabhängig. Das Bundesmodell berücksichtig den Bodenwert und den Gebäudewert, da davon ausgegangen wird, dass hierdurch Immobilien, die sehr werthaltig sind, belastet werden; die Grundsteuer wird aber an die Mieter weitergegeben. Das Bayernmodell will nur die Grundflächen (s. Bodenrichtwerte) heranziehen; allerdings gibt es einen Ausgleichsfaktor. Unter dem Strich soll die Reform einkommensneutral sein. Es ist zu erwarten, dass Klagen gegen die Neuregelungen angestrengt werden. Das Gesamtaufkommen liegt derzeit jährlich bei 14 Mrd. EUR. Im Verhältnis zur Gewerbesteuer mit 55 Mrd. EUR liegt es rund bei 1/4.
2.5. Verbrauchsteuern
Auf Verbrauchsteuern, von denen die Energiesteuer und die Mineralölsteuer am wichtigsten sind, gehe ich nicht ein, da diese in der Vertragspraxis, um die es als Ziel dieser Ausführungen geht, keine Rolle spielen.
2.6. Grunderwerbsteuer
Verkehrssteuern betreffen aus Anwendersicht vor allem die Umsatzsteuer als Rechtsverkehrsteuer sowie die Grunderwerbsteuer. Letztere kann für Umstrukturierungen erheblich belastend sein, wenn ohne Not Steuer entsteht. Zwar hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren Sondervorschriften für Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns eingeführt, die nicht steuerpflichtig sein sollen. Diesbezüglich schwebte ein Verfahren, bei dem es um die Europarechtswidrigkeit dieser Regelung ging. Es liegt jedoch keine unzulässige Beihilfe vor (EuGH v. 19.12.2018 - C-374/17, kein Verstoß gegen den Selektivitätsgrundsatz).
Ich halte die eingrenzende Betrachtung der Sondernorm des § 6a GrEStG bei Konzernen für unzutreffend. Es gibt keinen Grund, der dafür spricht, betriebsinterne Überlegungen oder Umstrukturierungen im Rahmen eines Konzerns mit Grunderwerbsteuer zu belasten. Es findet kein echter wirtschaftlicher Rechtsträgerwechsel statt und es werden in der Regel auch nicht andere Personen als bisher an einem Grundstück beteiligt. Trotzdem ist dieses Gebiet ausgeufert. Der Gesetzgeber hat seine Vorschriften geändert, um vermeintliche Konstrukte in die Steuer zu ziehen, die ohne Sonderregeln nicht zu erfassen wären (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG). Dies wurde. erweitert. Nach wie vor sind aber Konstellationen im Einsatz, die bewirken sollen, dass es nicht zu einer Besteuerung aufgrund der Tatsache kommt, dass sich z. B. Anteile an einer Gesellschaft, die Grundstücke hält, nicht in einer Person oder im Rahmen eines Personenverbundes vereinen.
Es geht um Ersatztatbestände, die erheblich ausgedehnt wurden, um das Gesetz schärfer zu fassen (Heuring/Buhrandt/Koschinski, DStR 2019, 1281). Eine weitere Änderung wegen der Beurteilung von share deals wurde im Koalitionsvertrag vom 22.10. bis 24.10.2017 vereinbart und hat eine Gesetzesinitiative verursacht (Broemel/Möwald; DStR 2019, 1113; Behrens, BB 2019, 30). Schwellenwerte und Haltefristen werden erhöht bzw. erweitert. Zusätzlich wurde ein Ersatztatbestand für Kapitalgesellschaften etabliert, der den Regeln für Personengesellschaften angeglichen ist (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die Beteiligungsgrenze, ab der eine Anteilsvereinigung steuerschädlich ist, wird von 95 % auf 90 % abgesenkt. Eine effektive Neuregelung der Konzerntatbestände wird nicht erfolgen (Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes 2019; Lange DStR 2019, 2348). Allerdings hat die Rechtsprechung zumindest für den Fall von Umwandlungen im Konzern den Rahmen für Steuerbefreiungen erhöht (Viskorf, DB 2020, 421).
Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Grunderwerbsteuerrecht sinnvoll ist. Das Grunderwerbsteuer ist eine Landessteuer und die Länder wollen daher auf die Erhebung und die Vereinnahmung entsprechender Mittel nicht verzichten. Unterschiedliche Steuersätze in verschiedenen Ländern machen die Sache komplizierter. Aus meiner Sicht müsste die Steuer abgeschafft und eine andere Verteilung der Steuerlasten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern vorgenommen werden.
2.7. Umsatzsteuer
2.7.1. Aufkommen
Das Umsatzsteueraufkommen ist wesentlicher Bestandteil der fiskalischen Steuererhebung und trägt mit einem hohen Volumen vergleichbar mit der Einkommensteuer mit bis zu 20 % zur Steuerhebung auf Bundesebene bei. Im Inland generierte Mehrwerte für Waren- und Dienstleistungen, also die gesamte Wertschöpfung, sollen besteuert werden. Dass es neben dem allgemeinen Steuersatz von 19 % Mindersteuersätze gibt, ist ein Unikum. Die Entrümpelung der steuerlichen Sondervorschriften bzw. der niedrigen Steuersätze bleibt abzuwarten. Eine innere Bereitschaft des Fiskus, sich darauf einzulassen, sehe ich nicht.
2.7.2. Wertschöpfungskette
Vereinfacht kann man sagen, dass alles, was umgesetzt wird, umsatzsteuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 UStG). Dies gilt für Waren und Dienstleistungen gleichermaßen. Ausgenommen sind steuerfreie Teile, d. h. im Wesentlichen ärztliche Leistungen, Bankdienstleistungen und Grundstücksumsätze (§ 4 Nr. 8, 12 und 14 UStG). Tatsächlich versteuert wird der Mehrwert der Wertschöpfungskette beim Verbraucher, da dieser keinen sogenannten Vorsteuerabzug hat, also die Steuer für ihn eine definitive Belastung darstellt, während diese auf den Ebenen davor neutral ist.
Beispiel:
Produzent A verkauft an Händler 1 für 100 zzgl. 19 MwSt. Händler 1 erhält vom Finanzamt 19 als sogenannte Vorsteuer zurück, A führt 19 ab, also ein Nullsummenspiel aus fiskalischer Sicht. Händler 1 verkauft an Händler 2 für 150 zzgl. 28,5 MwSt. 1 zahlt 28,5 an sein Finanzamt, 2 holt sich Vorsteuer von 28,5. Händler 2 verkauft an Endverbraucher für 200 zzgl. 38 MwSt. und führt 38 an das Finanzamt ab; diese 38 bezahlt der Verbraucher, der damit die gesamte Umsatzsteuer aus der Wertschöpfung von 200 trägt. Auf den Vorstufen ergibt sich keine Endbesteuerung. Trotzdem wird die Steuer auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette erhoben (Allphasenumsatzsteuer).
2.7.3. Auslandsaspekte
Die Umsatzsteuer hat auch eine internationale Komponente. Vereinfacht werden Produkte und Dienstleistungen aus dem Ausland im Inland einer Besteuerung im Inland unterworfen, die gleichzeitig dazu führt, dass diese Steuer als Vorsteuer geltend gemacht wird (Bestimmungslandprinzip, § 1a UStG). Exporte aus Inlandssicht werden steuerlich freigestellt, da sie im Ausland zu versteuern sind (§ 6a UStG). Neuere Entwicklungen halten am Bestimmungslandprinzip fest, modifizieren es jedoch (EU 2018/1980 v. 04.12.2018 zu Konsignationslagerlieferungen, innergemeinschaftlichen Lieferungen und Reihengeschäften).
Internationalen Charakter hat das Reihengeschäft, d. h. wenn mehrere Lieferanten in verschiedenen Ländern Teil einer Liefer- und Bezugskette sind. Teilweise wird der Bestand dieses Rechtsinstituts sogar in Frage gestellt (EuGH v. 15.05.2019 - C - 235/18 Vega; Rave/Kramer DStR 2019, 1955; Heuermann DStR 2018,2078). Im Jahressteuergesetz 2019 wurden neue Vorschriften zu grenzüberschreitenden Lieferungen geschaffen; zudem gibt es eine spezielle Regelung zu Konsignationslagerfällen (Lohse, BB 2019, 2013). Einen großen Umfang nehmen Regelungen ein, die sich mit Onlinehandel und Portalen beschäftigen (B2C Lieferungen, Becker/Michelutti, DStR 2020, 1817)
2.7.4. Einzelfragen
Die Umsatzsteuer ist ein umfassendes Gebiet, in dem sich vorrangig Spezialisten auskennen. Ein gewisses Grundverständnis für diese Steuerart ist gleichwohl im Rahmen von juristischen Überlegungen zu Verträgen erforderlich. Die Mehrwertsteuer ist Bestandteil der Bepreisung einer Ware oder einer Dienstleistung. Somit geht in der Regel in jede vertragliche Leistung Umsatzsteuer ein. Hinzukommt, dass nach den gesetzlichen Vorschriften ein Rechnungsempfänger einen Anspruch gegenüber dem Rechnungsaussteller auf ordnungsgemäße umsatzsteuerliche Abrechnung hat, da dieser nur auf diesem Wege die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug des zahlenden Empfängers schaffen kann (§§ 14 Abs. 2, 15 UStG).
Da die Umsatzsteuer eine Selbstveranlagungssteuer ist, ist der Fiskus daran interessiert, durch entsprechende Vorschriften diesen Sachverhalt zu sichern. Praktisch geschieht dies durch monatliche, vierteljährige und jährliche Umsatzsteuervoranmeldungen, die sämtliche steuerlichen Vorfälle erfassen sollen (§ 16 UStG). Die Tax Compliance spielt im Umsatzsteuerrecht eine erhebliche Rolle, da es bei größeren Unternehmen in der Regel um eine Vielzahl von Fällen oder gleichartigen Fällen geht, die in der Steuererklärung abzubilden sind. Ein Systemfehler kann bezogen auf diesen Fall gravierende Folgen haben. Des Weiteren hat der Gesetzgeber dem Rechnungssteller verschiedene Pflichten auferlegt, die dieser vollumfänglich erfüllen muss, um sich korrekt zu verhalten (§§ 14 Abs. 4, 14a USt).
Das Umsatzsteuerrecht hat europarechtliche Qualität, d. h. die steuerlichen Grundlagen sind europarechtlich durch Richtlinien verankert. Es gilt der Grundsatz, dass sich der Steuerbürger gegen die fehlerhafte Anwendung der Richtlinie im Inland unmittelbar verwehren kann. Er kann sich auf Europarecht berufen (BFH v. 23.01.2019 - X R 15/16). Die richtige nationale Umsetzung von Richtlinien ist Regelungs- und Bewertungsmaßstab. Wird dies kritisiert, legt der Bundesfinanzhof häufig gesetzliche Vorschriften und Auslegungen zur Begutachtung dem Europäischen Gerichtshof vor.
Der deutsche Fiskus hat die internationalen Regelungen zum größten Teil korrekt umgesetzt, stößt aber im Einzelfall auf Fälle, in denen Europarechtswidrigkeiten festgestellt werden. Beispiel ist die umsatzsteuerliche Organschaft mit Personengesellschaften, die bisher vom Gesetzgeber und von den deutschen Gerichten verneint wurde (BFH v. 01.06.2016 - XI R 17/11). Die Einzelheiten sind umstritten (BFH v. 07.07.2011 V R 53/10 zur organisatorischen Eingliederung). Wichtige Fragen sind zudem europarechtlich noch immer unzureichend geklärt (umsatzsteuerlicher Aufteilungsmaßstab für Vorsteuern, Zeitpunkt des Abzugs bei unzureichender Rechnung und Korrektur bzw. Fehlen einer Rechnung oder fehlender Rechnungsnummer (s. EuGH v. 21.01.2018 - C-664/16, EuGH v. 15.09.2016 - C-518/14; EuGH v. 21.11.2018 - C 664/16; BFH v. 13.02.2019 - IX R 13/17; BMF v. 18.09.2020, DStR 2020,211). Unrichtige Rechnungen sind insgesamt korrekturfähig (BFH v. 22.01.2020 - XI R 10/17).Es besteht auch kein Wahlrecht, die Rückwirkung der Berichtigung zu beeinflussen ( FG Niedersachsen v. 23.01.2020 - 11 K 153/19).
Der fehlende Vorsteuerabzug für Holdinggesellschaften (Funktionsholding)ist seit langem umstritten. Erbringt die Holding Dienstleistungen an Tochtergesellschaften oder beabsichtigt dies, wird der Vorsteuerabzug gewährt (EuGH v. 17.10.2018 - C 249/17; EuGH v. 05.07.2018 - C 320/17; FG Niedersachsen v. 19.04.2018 - 5 K 205/16; Friedrich/Vache, BB 2019, 993). Nunmehr soll zusätzlich geklärt werden, ob beim erfolglosen Unternehmer eine Umsatzsteuerberichtigung eintritt, wenn er aufhört (BFH-Beschluss v. 27.03.2019 - V R 61/17). Geklärt ist hingegen der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Anteilen und deren Verwaltung (A 15.21. UStAE).
Zur vollständigen Anschrift hat sich die Verwaltung zwischenzeitlich der Rechtsprechung angeschlossen. Eine postalische Adresse ist ausreichend (BMF v. 07.12.2018 - III C 2-S 7280-a/07/10005; BFH v. 05.01.2018 - XI R 22/14). Noch unzureichend umgesetzt sind die Urteile zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung, die bedeuten können, dass dem Vorsteuerberechtigten ein Zinsanspruch zusteht (EuGH v. 15.09.2016, a.a.O.).
Gutgläubigkeit hinsichtlich des Einbezugs in eine kriminelle Lieferkette wird nach aktueller Lage geschützt. (BFH v. 21.06.2018 - V R 28/16).
De lege lata und de lege ferenda gibt es umsatzsteuerliche Sonderthemen, die der Globalisierung und Digitalisierung geschuldet sind. Der E-Commerce steht dabei an erster Stelle (Prätzler/Stuber, BB 2018, 537; Ortmann/Babel, DB 2018, 1876 zum Jahressteuergesetz 2018). Weiteren Reformbedarf gibt es bei der digitalen Erfassung sämtlicher relevanten Vorfälle. Andere Länder sind uns hier viel voraus. Die dezentrale Struktur der steuerlichen Länderverwaltung ist schädlich, da nur ein einheitliches System Abhilfe schaffen kann. Digitale Kassensysteme sind ein Prüfungsthema, zwingen aber die Beteiligten nicht zu aktuellen Meldungen und Abgleichen.
Es gibt durchaus Überraschungsentscheidungen der Rechtsprechung im Bereich des Umsatzsteuerrechtes, die gerade in noch offenen Fällen Irritationen auslösen müssen. Die Verwaltung sollte hier eine Übergangslösung derart schaffen, dass erst ab einem Zeitpunkt in der Zukunft die neuen Grundsätze gelten (BFH v. 22.11.2018 V R 65/17).
Veränderungen ergeben sich auch bei der schwierigen Frage der sogenannten Geschäftsveräußerung im Ganzen, die sich insbesondere auf Grundstücksunternehmen bezieht. Die aktuelle Tendenz der Rechtsprechung geht stärker in Richtung Veräußerung, sodass daraus die notwendigen vertraglichen Vereinbarungen resultieren. Üblich war oft eine unbedingte Option falls die Geschäftsveräußerung nicht anerkannt wurde. Diese Frage hat herausragende Bedeutung in den Fällen, in denen umsatzsteuerfrei vermietet wird. Die Heilungsmöglichkeiten sind begrenzt (Nieders. FG v. 22.08.2013 16 K 286/12 , überholt durch BFH XII R 40 /13).
2.8. Vermögensteuern
2.8.1. Substanzsteuern
Ein weiterer wichtiger steuerlicher Anwendungsbereich bezieht sich auf vermögensabhängige Steuern wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bis 1996 gab es ein Nebeneinander der Vermögensteuer auf der einen Seite und der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf der anderen Seite. Die damaligen Verhältnisse waren durch die niedrigen sogenannten Einheitswerte für Grundbesitz geprägt, die häufig dazu führten, dass keine erheblichen Steuern anfielen. Die Änderungsvorschriften zur Bewertung von Grundbesitz und von Gesellschaften waren aber nicht verfassungskonform und wurden deshalb aufgehoben. Dies betraf auch die Fälle der Bewertung von Gesellschaftsvermögen mit dem Buchwert (BVerfG v. 07.11.2006 - 1 BvL 10/02).
Vermögensteuern, genauer Substanzsteuern, sind ein politischer Zankapfel, da sie teilweise als Ersatz einer höheren Einkommensteuer gesehen werden, d. h. statt die Einkommensteuer zu erhöhen, soll das Vermögen besteuert werden (Sonderopfer), eventuell begrenzt auf Beträge oder Zeiträume. Die Umrechnung der Belastungswirkung einer Vermögensteuer auf die Einkommensteuer ist schwierig. Hier wird teilweise das Kind mit dem Barte ausgeschüttet, um rechnerisch zu beweisen, dass eine übermäßige Belastung eintritt. Dabei wird vergessen, dass der Halbteilungsgrundsatz (Steuerquote maximal 50 %) keinen Bestandsschutz bedeutet. Deshalb wird gerne mit dem Risiko der Gefährdung von Arbeitsplätzen argumentiert.
2.8.2. Erbschaftsteuer
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hat einen eindeutigen Charakter. Sie ist eine Gerechtigkeitsteuer. Dies wird oft übersehen. Durch diese Steuer soll das Ungleichgewicht in der Fortsetzung der Vermögensverhältnisse im Erbfall teilweise ausgeglichen werden. Es ist also vorgegeben, dass höhere Vermögen höher belastet werden, um eine Gleichheit oder Angleichung der Vermögenssphären verschiedener Betroffener nach dem Erbfall zu erzeugen. Dies ist der Grund, warum höhere Vermögen diese Steuer nicht schätzen und daher alles tun, um sie legitimer Weise zu vermeiden oder zu minimieren.
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