Aufgrund der Aktualität der Loi Molac ist diese Arbeit auf den regionalsprachlichen Unterricht in Frankreich fokussiert. Das Thema lässt sich innerhalb der angewandten Linguistik dem Bereich der Sprachpolitik zuordnen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es einerseits die quantitative Präsenz des regionalsprachlichen Unterrichtsangebotes anhand zweier ausgewählter Regionen darzustellen. Weiterhin soll ein breites Reaktionsbild der beteiligten Akteur:innen rund um die Entscheidung des Conseil Constitutionnel bezüglich der Loi Molac aufgezeigt werden.
Ein kleiner bretonischer Junge namens Fañch brachte es im zarten Kindesalter bereits zu einer nationalen Affäre in Frankreich: Die Affaire Fañch. Die Eltern von Fañch wollten seinen bretonischen Vornamen im Jahr 2017 in die Geburtsurkunde eintragen lassen. Ein Behördenmitarbeiter weigerte sich jedoch dies zu tun. Der Grund: Die Tilde auf dem Buchstaben n existiert nicht in der französischen Sprache. Die Eltern von Fañch mussten zwei Jahre für den Vornamen ihres Sohns kämpfen, bis sie schließlich im Jahr 2019 gegenüber dem französischen Staat Recht bekamen und der Junge seinen Vornamen behalten durfte. Dieses prominente Beispiel verdeutlicht bereits die Tatsache, dass die Regionalsprachen in Frankreich nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur französischen Sprache einnehmen.
Spätestens seit dem 20. Jahrhundert setzen sich die Anhänger*innen der Regionalsprachen für die offizielle Anerkennung ihrer Sprachen ein. Im Jahr 2021 bekamen sie hierfür erneut politische Unterstützung von dem bretonischen Abgeordneten Paul Molac. Dieser brachte ein Gesetz, die Loi Molac, durch die Assemblée Nationale , welches unter anderem den immersiven Unterricht in einer Regionalsprache im französischen Bildungsgesetzbuch verankern sollte. Auf der Zielgeraden, in letzter Instanz, wurde diese Unterrichtsform jedoch vom Conseil Constitutionnel als verfassungswidrig erklärt. Ein erneuter Schlag gegen die Regionalsprachen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen
2.1 Amtssprache
2.2 Sprachliche Vielfalt
2.3 Regionalsprache – Minderheitensprache
2.4 Regionalsprache – Dialekt
2.5 Sprachpolitik - Sprachenpolitik - Bildungspolitik
3 Historische Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich seit 1789
3.1 Die Französische Revolution
3.2 Jules Ferrys Bildungsgesetz 1882
3.3 Die Loi Deixonne 1951
3.4 Die französische Verfassung
3.5 Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
4 Aktuelle Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich
4.1 Der Code de l’éducation
4.2 Die Loi Molac 2021
5 Das regionalsprachliche Unterrichtsangebot in der Bretagne und Grand-Est
5.1 Unterricht der Regionalsprache Bretonisch
5.2 Bilingualer und immersiver Unterricht in der Bretagne
5.3 Unterricht der deutschen Sprache im Elsass
5.4 Bilingualer und immersiver Unterricht im Elsass und Moselle
6 Reaktionsbild beteiligter Akteur*innen rund um die Loi Molac
6.1 Politiker*innen
6.2 Vereinsschulen
6.3 Regionalbevölkerung
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Die Abbildungen 6, 9, 17, 19, 20 und 21 wurden aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt
Abb. 1: Sprecher*innenzahlen Regionalsprachen Frankreich
Abb. 2: Schüler*innen mit Einführungsunterricht Bretonisch 2019
Abb. 3: Schüler*innen mit Wahlfach Bretonisch 2019
Abb. 4: Bretonisch-Angebot an einsprachigen Collèges & Lycées
Abb. 5: Einsprachige Collèges und Lycées mit Bretonisch-Angebot
Abb. 6: Entwicklung der drei bilingualen Zweige Bretagne 1977-2021
Abb. 7: Bilinguale Einrichtungen École maternelle - Lycée Bretagne
Abb. 8: Bilinguale Schüler*innen Bretagne 2021 OPLB
Abb. 9: Bilinguale Schüler*innen Bretagne 2020 FLAREP
Abb. 10: Schüler*innen mit Deutschunterricht Elsass 2020
Abb. 11: Fächer in Deutsch/Französisch École élémentaire Elsass
Abb. 12: Fächer in Deutsch/Französisch Collège Elsass
Abb. 13: Bilinguale Abschlüsse Lycées Elsass
Abb. 14: Bilinguale Einrichtungen École maternelle - Lycée Elsass
Abb. 15: Bilinguale Schüler*innen Elsass Académie de Strasbourg 2020
Abb. 16: ABCM-Schulen Elsass & Moselle
Abb. 17: Lage ABCM-Schulen Elsass & Moselle
Abb. 18: Schüler*innen ABCM-Schulen Elsass & Moselle 2020
Abb. 19: Bilinguale Schüler*innen Elsass FLAREP 2020
Abb. 20: Bilinguale Schüler*innen Moselle FLAREP 2020
Abb. 21: Plakat Demonstration Colmar
1 Einleitung
Ein kleiner bretonischer Junge namens Fañch brachte es im zarten Kindesalter bereits zu einer nationalen Affäre in Frankreich: Die Affaire Fañch. Die Eltern von Fañch wollten seinen bretonischen Vornamen im Jahr 2017 in die Geburtsurkunde eintragen lassen. Ein Behördenmitarbeiter weigerte sich jedoch dies zu tun. Der Grund: Die Tilde auf dem Buchstaben n existiert nicht in der französischen Sprache. Die Eltern von Fañch mussten zwei Jahre für den Vornamen ihres Sohns kämpfen, bis sie schließlich im Jahr 2019 gegenüber dem französischen Staat Recht bekamen und der Junge seinen Vornamen behalten durfte.1 Dieses prominente Beispiel verdeutlicht bereits die Tatsache, dass die Regionalsprachen in Frankreich nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur französischen Sprache einnehmen.
Spätestens seit dem 20. Jahrhundert setzen sich die Anhänger*innen der Regionalsprachen für die offizielle Anerkennung ihrer Sprachen ein. Im Jahr 2021 bekamen sie hierfür erneut politische Unterstützung von dem bretonischen Abgeordneten Paul Molac. Dieser brachte ein Gesetz, die Loi Molac, durch die Assemblée Nationale 2, welches unter anderem den immersiven Unterricht in einer Regionalsprache im französischen Bildungsgesetzbuch verankern sollte. Auf der Zielgeraden, in letzter Instanz, wurde diese Unterrichtsform jedoch vom Conseil Constitutionnel 3 als verfassungswidrig erklärt. Ein erneuter Schlag gegen die Regionalsprachen.
Aufgrund der Aktualität der Loi Molac ist diese Arbeit auf den regionalsprachlichen Unterricht in Frankreich fokussiert. Das Thema lässt sich innerhalb der angewandten Linguistik dem Bereich der Sprachpolitik zuordnen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es einerseits die quantitative Präsenz des regionalsprachlichen Unterrichtsangebotes anhand zweier ausgewählter Regionen darzustellen. Weiterhin soll ein breites Reaktionsbild der beteiligten Akteur*innen rund um die Entscheidung des Conseil Constitutionnel bezüglich der Loi Molac aufgezeigt werden.
Um die Ziele der Arbeit zu erreichen, werden in Kapitel zwei zunächst grundlegende Definitionen gegeben, die auch für den weiteren Verlauf der Arbeit relevant sind. Kapitel drei gibt einen Überblick über die historische Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich seit 1789. In Kapitel vier wird auf die aktuelle Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich eingegangen. Kapitel fünf beinhaltet die Darstellung des aktuellen regionalsprachlichen Unterrichtsangebotes in der Bretagne und Grand-Est. Da Paul Molac selbst Bretone ist, fiel die Wahl auf seine Heimat, die Bretagne. Grand-Est wurde gewählt, da dort in deutscher Sprache unterrichtet wird. In Kapitel sechs wird das bereits genannte Reaktionsbild aufgezeigt. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf (regionale) Politiker*innen, Schulvertreter*innen sowie die regionale Bevölkerung gelegt. Um dieses Reaktionsbild so realitätsnah wie möglich darzustellen, wird auf Quellen wie überregionale und regionale Zeitungen, Radiosender, Fernsehsender, soziale Netzwerke, offizielle Stellungnahmen und Pressemitteilungen zurückgegriffen. Ein Fazit fasst in Kapitel sieben alle wichtigen Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick zum Thema.
2 Definitionen
2.1 Amtssprache
Eine Amtssprache ist die Sprache, welche ein Staat oder eine Organisation für die Erstellung von offiziellen Dokumenten nutzt: „Langue dont l'emploi est reconnu dans un État ou un organisme pour la rédaction des textes officiels.“4 In Frankreich wird die Amtssprache durch die aktuelle Verfassung der Fünften Republik festgelegt. Der zweite Artikel dieser Verfassung erklärt seit 1992 das Französische als Sprache der Republik und lässt dementsprechend keine weiteren Sprachen zu: „La langue de la République est le français.“5
2.2 Sprachliche Vielfalt
Eine veraltete Definition von Vielfalt beschreibt diese als etwas komplett Gegensätzliches: „Un caractère de ce qui est opposé / contradictoire.“6 Die aktuelle Definition von Vielfalt erscheint etwas weicher und bezeichnet diese als einen verschiedenartigen Zustand: „Un état de ce qui est divers.“7
Sprachliche Vielfalt charakterisiert spezifischer die Koexistenz verschiedener Sprachen auf einem bestimmten Territorium: „[…] leur coexistence au sein d’un même territoire […].“8 Frankreich bietet hier ein Paradebeispiel. Neben der Amtssprache existieren in Frankreich noch andere lebendige Regionalsprachen9, welche die sprachliche sowie kulturelle Vielfalt des Landes widerspiegeln.
2.3 Regionalsprache – Minderheitensprache
Das französische Kultusministerium definiert Regionalsprachen als Sprachen, welche in einem Teil des europäischen französischen Staatsgebietes bereits länger gesprochen werden als die gemeinsame (Amts-) Sprache Französisch: „Les langues régionales se définissent, dans l’Hexagone, comme des langues parlées sur une partie du territoire national depuis plus longtemps que le français langue commune.“10
Hierunter fallen in Frankreich, neben vielen weiteren Sprachen, beispielsweise Bretonisch in der Bretagne, Elsässisch im Elsass, Baskisch im Baskenland und Korsisch auf Korsika.11
Abzugrenzen von dem Begriff der Regionalsprache ist der Begriff der Minderheitensprache. Eine Minderheitensprache ist eine Sprache, welche eine schwächere Position als eine andere Sprache besitzt.12 In Frankreich trifft dies auf die Regionalsprachen zu. Dies wird sehr schnell deutlich, wenn die aktuellen Sprecher*innenzahlen einiger Regionalsprachen mit den Sprecher*innenzahlen der französischen Sprache verglichen werden (s. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Sprecher*innenzahlen Regionalsprachen Frankreich13
Quelle: Ministère de la Culture 2021: 94
Kremnitz (2015) gibt jedoch zu bedenken, dass der Begriff der Minderheitensprache vermehrt von Betroffenen in den französischen Regionen abgelehnt werde.14 Er verweist darüber hinaus darauf, dass der Begriff der Regionalsprache wiederum wenig aussagekräftig sei, da alle Sprachen an gewissen geographischen Orten oder in Gebieten gesprochen werden und heutzutage durch die zunehmende Mobilität überall gesprochen werden können. Daher schlägt er vor, dass auf derartige Bezeichnungen ganz verzichtet werden könne.15
Im Rahmen dieser Arbeit soll in den Analysen dennoch der Begriff der Regionalsprache für die Sprachen Frankreichs verwendet werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Sprecher*innen der Regionalsprachen nicht als Minderheiten betrachtet werden, sondern als Französinnen und Franzosen, welche die gleichen Rechte haben wie alle anderen französischen Staatsbürger*innen.16
2.4 Regionalsprache – Dialekt
Eine weitere Unterscheidung lässt sich zwischen dem Begriff der Regionalsprache und dem Begriff des Dialekts vornehmen. Einerseits bestehen zwischen einem Dialekt und der dazugehörigen Standardsprache nicht so große Unterschiede in der Grammatik, den Lauten oder dem Wortschatz wie zwischen der Standardsprache und einer Regionalsprache. Weiterhin verfügen Regionalsprachen meistens über eine oder mehrere Schriftformen. Dialekte werden hingegen nahezu ausschließlich mündlich verwendet. Darüber hinaus besitzen Sprecher*innen von Regionalsprachen ein sogenanntes operatives Sprachbewusstsein, welches ihnen das Gefühl gibt, eine eigene Sprache zu sprechen. Dieses Bewusstsein führt ebenso dazu, dass sich die Sprecher*innen von Regionalsprachen für die Verbreitung, den Erhalt und die öffentliche Anerkennung ihrer Sprache einsetzen. Sprecher*innen von Dialekten mangelt es hingegen, mit Ausnahme einiger Modebewegungen zu Gunsten der Mundarten, an diesem operativen Sprachbewusstsein. Zuletzt grenzen sich Sprecher*innen der Regionalsprachen, dank ihrer eigenen Lebenskultur, als stark unabhängig von anderen Bevölkerungsgruppen ab. Regionalsprachen werden viel eher mit dem Vorhandensein von eigenen Lebensarten im Hinblick auf Brauchtümer, Feste oder Musik in Verbindung gebracht als Dialekte.17
2.5 Sprachpolitik - Sprachenpolitik - Bildungspolitik
Glück & Rödel (2016) unterscheiden zwischen Sprachpolitik und Sprachenpolitik. Sprachpolitik ist nur auf eine einzelne Sprache gerichtet und betrifft ihre Wörter, Formen und deren Verwendung. Sprachpolitik versucht vor allem durch Verbote und Vorschriften bestimmter Wörter und Wendungen das Sprachbewusstsein der Gesellschaft zu beeinflussen.18 Während Sprachpolitik politische Maßnahmen innerhalb einer Einzelsprache betrifft, befasst sich Sprachenpolitik mit dem Verhältnis von verschiedenen Sprachen. Genau genommen betreiben alle Staaten Sprachenpolitik, wenn sie entscheiden in welcher Sprache sie kommunizieren (Amtssprache) oder welche Sprache sie in den Bildungsinstitutionen unterrichten lassen. Sprachenpolitik wird dementsprechend vor allem in multilingualen Staaten, auch gegenüber sprachlichen Minderheiten, betrieben.19 Frankreich bietet hier, mit Blick auf die politische Steuerung des regionalsprachlichen Unterrichts, ein gutes Beispiel.
Ungeachtet dieser genauen Differenzierung wird in der Literatur häufig lediglich der Begriff der Sprachpolitik verwendet, wenn es um die politische Einflussnahme auf Regionalsprachen geht. Gerade im Zusammenhang mit den Regionalsprachen kann es zu einer Überschneidung der Bereiche Sprachpolitik und Sprachenpolitik kommen. Die politische Einflussnahme auf Regionalsprachen umfasst nämlich einerseits Vorgänge, welche innerhalb der Sprache anzusiedeln sind, sowie andererseits die Beziehungen zu anderen Sprachen.20 Aus diesem Grund soll im Folgenden allein der Begriff Sprachpolitik genutzt werden, welcher weiter gefasst ist und ebenfalls Sprachenpolitik mit einbezieht.
Die Bildungspolitik Frankreichs ist hinsichtlich des regionalsprachlichen Unterrichtes eng verzahnt mit der Sprachpolitik. Allgemein bezeichnet Bildungspolitik: „[…] alle im Rahmen der allgemeinen Kultur-, Wirtschafts-, und Gesellschaftspolitik auf den Aufbau und Umgestaltung des Bildungswesens gerichteten politischen Aktivitäten.“21
Verglichen mit dem föderalen Bildungssystem Deutschlands wird die Bildungspolitik Frankreichs jedoch zentral gesteuert.
3 Historische Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich seit 1789
Im Folgenden sollen die historischen bildungs- und sprachpolitischen Einflüsse auf die Regionalsprachen sowie den regionalsprachlichen Unterricht in Frankreich aufgezeigt werden.
3.1 Die Französische Revolution
Bereits vor der Französischen Revolution 1789 war die territoriale Ausdehnung einzelner neben dem Französischen existierender Sprachen zurückgegangen. Die Regionalsprachen waren bereits zur Zeit der zentralistischen Sprachpolitik des Absolutismus (17. Jahrhundert) eingeschränkt worden und standen im Schatten des Prestige der französischen Sprache. Beispielsweise wurden einige Sprachen, wie das Baskische oder Bretonische, aus den angesehenen Bereichen der Kommunikation ausgeschlossen. Die meisten Regionalsprachen wurden zudem, mit Ausnahme des Deutschen im Elsass, durch den Begriff patois 22 abgewertet. Aufwertende Begriffe wie logique, écrit oder civilisé wurden alleine für das Französische genutzt.23
Die Französische Revolution schaffte am Ende des 18. Jahrhunderts das Ancien Régime ab. Die Sprachpolitik dieser Revolution bildet die Basis für die Durchsetzung der französischen Sprache als allgemeingültige Nationalsprache im ganzen Land. Die Sprachpolitik der Revolution setzt demnach auf Einheitlichkeit (uniformité) in der Sprache. Dies hat gravierende Folgen für die anderen gesprochenen und geschriebenen Sprachen Frankreichs.24
Die drei Prinzipien der Revolution liberté, égalité und fraternité bedeuteten, dass alle französischen Bürger gleichermaßen an öffentlichen Angelegenheiten des Staates teilnehmen konnten. Eine ausschlaggebende Voraussetzung dafür war jedoch nicht vorhanden: Eine Sprache, die von jeder Bürgerin und jedem Bürger Frankreichs verstanden und angewendet werden konnte. Der Abbé Grégoire wies in einem Bericht im Jahr 1794 nach, dass von den 24 Millionen Französinnen und Franzosen gerade mal 6 Millionen Französisch sprachen oder verstanden. Die Mehrheit der Französinnen und Franzosen kommunizierte in einem der Dialekte des Französischen oder in einer der Regionalsprachen.25
Zunächst wurde die sprachliche Vielfalt in Frankreich akzeptiert und alle wichtigen öffentlichen Angelegenheiten wurden in den verschiedenen Sprachen vermittelt. Das Übersetzerbüro Dugas übersetzte beispielsweise Beschlüsse der Nationalversammlung in die Regionalsprachen und sogar in diverse Dialekte. Dieses Projekt scheiterte jedoch, da es zu teuer und zu aufwendig war. Darüber hinaus war die Qualität der Übersetzungen so schlecht, dass sie nicht verstanden wurden.26
Zusätzlich gab es drei zentrale Ursachen, welche dazu führten, dass die Regionalsprachen bei den Revolutionären in Ungnade fielen. (1) Die Sprachbarriere: Die Regionalsprachen konnten die revolutionären Botschaften nicht angemessen verbreiten. Besonders nicht-romanische Sprachen wie beispielsweise das Bretonische, das Deutsche oder das Baskische waren im Hinblick auf den sprachlichen Unterschied zum Französischen ein Haupthindernis. (2) Die Reformresistenz: Die Regionalsprachen waren nicht in der Lage sich der neuen Zeit anzupassen. Sie galten als mental rückschrittlich oder wurden als Sprachen des Priesterstandes degradiert. (3) Der Hochverrat: Die Revolutionäre misstrauten den Sprecher*innen des Elsässischen/Deutschen im Elsass oder des Italienischen/Korsischen auf Korsika, da diese in der Sprache der Feinde kommunizieren konnten. Dadurch waren sie eine innenpolitische und außenpolitische Bedrohung.27
Nach dem Scheitern des Übersetzungsversuches, sollte jede Bürgerin und jeder Bürger Zugang zur französischen Sprache haben und sich außerdem zur République une et indivisible bekennen. Hierfür sollte in jeder Dorfgemeinde und in jedem Stadtteil eine Schule etabliert werden, in welcher die Schüler*innen in der Sprache der Republik unterrichtet werden sollten. Dieses Vorhaben war jedoch ebenfalls schwer umzusetzen. Es mangelte an Geld und qualifiziertem Lehrpersonal, welches der französischen Sprache ausreichend mächtig war. Dieses Vorhaben konnte jedoch, aufgrund des Sturzes der Jakobiner, niemals realisiert werden.28 Dennoch setzte sich das sprachpolitische Erbe der Jakobiner im 19. und 20. Jahrhundert fort und wurde immer wieder erneuert.29
3.2 Jules Ferrys Bildungsgesetz 1882
Nachdem die Etablierung der französischen Sprache in der Schule während der Revolution gescheitert war, konnte sie schließlich im 19. Jahrhundert realisiert werden. Der Ministerpräsident Jules Ferry führte in den Jahren 1881/1882 die allgemeine Schulpflicht ein und integrierte damit das Monopol des Französischen in der Schule und damit in der Gesellschaft.
Ferry etablierte ein laizistisches30, kostenloses sowie verpflichtendes Schulsystem, welches von der Vorschule bis zur Hochschule reichte. Ziel dieses Schulsystems war die Vermittlung bzw. Beherrschung des Französischen. Dies führte zu einer konsequenten Ausgrenzung der Regionalsprachen und Dialekte im Unterricht sowie in den privaten Konversationen der Schüler*innen auf dem Schulgelände.31
Anfänglich mussten die Lehrer*innen vereinzelt andere Sprachen als das Französische verwenden und lehren, um von ihren Schüler*innen, welche häufig kein Wort Französisch beherrschten, verstanden zu werden. Besonders Schüler*innen, welche als Primärsprache eine Regionalsprache wie beispielsweise Bretonisch oder Baskisch hatten, waren im Gegensatz zu den Schüler*innen mit Französisch als Muttersprache im Nachteil.32
Die systematische Ausgrenzung der Regionalsprachen und Dialekte begann bereits an den Wänden der Klassenräume. Die Schulräume der Bretagne wurden beispielsweise mit der Inschrift Interdit de cracher sur terre et de parler breton plakatiert.33 Dadurch wurde das Sprechen der bretonischen Regionalsprache mit schlechten Manieren gleichgesetzt. Zudem wurden Schüler*innen, welche beim Gebrauch eines patois erwischt wurden, bestraft. Die Strafe war, dass sie ein signe um den Hals tragen mussten, welches sie als Sprecher*in der Mundart bloßstellte. Diesen Gegenstand konnten sie nur loswerden, indem sie andere Schüler*innen bei dem Gebrauch einer Regionalsprache oder eines Dialektes erwischten und verrieten.34 Diese radikale Maßnahme führte vor allem dazu, dass den regionalsprachlichen Schüler*innen ihre Muttersprachen ausgetrieben wurden. Sie wurde bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges fortgeführt.35
In Folge der Französischen Revolution und vor allem durch das Gesetz Ferrys wurde das Französische nicht nur zur nationalen Standardsprache. Auf Kosten der Regionalsprachen wurde Französisch das etablierte Kommunikationsmittel Frankreichs, welches von der gesamten Bevölkerung verstanden wurde.36
3.3 Die Loi Deixonne 1951
Die bisher aufgeführte Sprach- und Bildungspolitik Frankreichs lässt sich als Duldung der Regionalsprachen unter dem Dach des Französischen charakterisieren. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts hat es eine erste rechtliche Anerkennung der Regionalsprachen gegeben. Mit der Loi Deixonne von 1951 wurde die Basis für den Unterricht der Regionalsprachen geschaffen.37 Durch dieses Gesetz, welches von dem Politiker Maurice Deixonne konzipiert wurde, konnten zunächst die vier Regionalsprachen Baskisch, Bretonisch, Katalanisch und Okzitanisch, auf freiwilliger Basis, unterrichtet werden. Das Korsische wurde im Jahr 1974 durch ein Dekret in das Gesetz integriert. Sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen nahmen freiwillig an dem Unterricht teil.38 Der Unterricht der Regionalsprachen war zudem vor allem an den höheren Schulen erlaubt. Der Artikel 2 des Gesetzes macht deutlich, dass Regionalsprachen in Kindergärten und Grundschulen nur dann angewendet werden duften, wenn es für den allgemeinen Unterricht oder das Studium des Französischen förderlich war:
„Des instructions pédagogiques seront adressées aux recteurs en vue d'autoriser les maîtres à recourir aux parlers locaux dans les écoles primaires et maternelles chaque fois qu'ils pourront en tirer profit pour leur enseignement, notamment pour l'étude de la langue française.“39
Sinnvoller wäre es jedoch gewesen, den fakultativen Unterricht ebenfalls an Grundschulen anzubieten, da noch nicht alle Schulanfänger*innen gute Französischkenntnisse besaßen.40 Erst ab den 1960er Jahren wurde der Unterricht der Regionalsprachen in größerem Umfang angeboten. Ab 1971 durften die Regionalsprachen dann drei Stunden pro Woche unterrichtet werden, solange mindestens zehn Schüler*innen am Unterricht teilnahmen. Die Lehrer*innen wurden nun auch für den Unterricht der Regionalsprachen vergütet.41
Im Jahr 1975 wurde die Loi Deixonne durch die Loi Haby ersetzt. Artikel 12 der Loi Haby gestattete den Unterricht der Regionalsprachen während der gesamten Schulzeit: „Un enseignement des langues et cultures régionales peut être dispensé tout au long de la scolarité.“42 Es war nun möglich, den Unterricht der Regionalsprachen vom Kindergarten bis zur Universität anzubieten. In der Unterstufe war dies in einem Rahmen von ein bis drei Wochenstunden und am Collège im Umfang von einer Wochenstunde möglich. Es mussten jedoch mindestens 15 Schüler*innen am Unterricht teilnehmen, damit dieser stattfinden konnte. Der Unterricht war ebenfalls in der Oberstufe möglich, jedoch war hier die Einwilligung der Lehrer*innen und Schüler*innen erforderlich. Dadurch setzte sich nach und nach der Unterricht von Regionalsprachen an staatlichen Schulen durch.
Der Unterricht in den Regionalsprachen, welcher einen Teil der Lerninhalte in der Regionalsprache vermittelt (bilingualer Unterricht), war noch nicht rechtlich festgesetzt. Dieser war lediglich an Privatschulen sowie ab 1982 an öffentlichen Schulen im Rahmen von Probephasen möglich.43
3.4 Die französische Verfassung
Die aktuelle Verfassung der fünften Republik macht in den ersten beiden Artikeln deutlich, dass es in Frankreich einen starken Zusammenhang zwischen der staatlichen und sprachlichen Einheit gibt. Diese Einheit soll dem sozialen Zusammenhalt im Land dienen.44 Im ersten Artikel der Verfassung wird hervorgehoben, dass Frankreich unter anderem eine ungeteilte Republik ist: „La France est une République indivisible […].“45 Dieser Artikel beschreibt die staatliche Einheit Frankreichs und weist gleichzeitig auf die Nichtanerkennung von einheimischen Minderheiten hin.46 Dadurch werden die verschiedenen Regionen und ihre sprachlichen Traditionen automatisch herabgestuft.
Weiterhin legt der zweite Artikel der Verfassung seit 1992 das Französische als (Amts-) Sprache der Republik fest: „La langue de la République est le français.“47 Dieser Artikel spiegelt die sprachliche Einheit wider, da neben der französischen Sprache keine anderen Sprachen der Republik genannt werden. Keine Behörde darf ein für die französischen Staatsbürger*innen gültiges Dokument in einer anderen Sprache als Französisch, wie beispielsweise Bretonisch, Baskisch, Korsisch oder Okzitanisch, publizieren.48 Darüber hinaus werden die Regionalsprachen Frankreichs auch nicht in einem Unterartikel des zweiten Artikels und auch nicht direkt im dritten Artikel erwähnt. Die Regionalsprachen werden erst ganz am Ende in Artikel 75-1, von insgesamt 89 Artikeln, aufgeführt: „Les langues régionales appartiennent au patrimoine de la France.“49 Dadurch werden die Regionalsprachen zwar von der Verfassung als nationales Kulturgut geschützt, jedoch dominiert eindeutig die Vorstellung einer einheitlichen Sprache in einem einheitlichen Staat. Dies wird nur durch die französische Sprache verkörpert.50 Insgesamt verdeutlichen die aufgeführten Aspekte die Tatsache, dass die Regionalsprachen Frankreichs auch in der aktuellen französischen Verfassung nur eine Randposition bekleiden.
3.5 Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen will Sprachen der Angehörigen traditioneller Minderheiten schützen und fördern. Diese trat als europäische Vereinbarung des Europarates im Jahr 1998 in Kraft. Der Europarat verdeutlicht, dass eine (Minderheiten-) Sprache nur dann überleben kann, wenn diese auch außerhalb ihres Territoriums gesprochen wird. Daher verpflichtet die Charta ihre Vertragsstaaten, den Gebrauch der Regional- und Minderheitensprachen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv zu stärken. Die Charta betrifft beispielsweise Domänen wie die Gerichte, die Kultur, die Medien, die Verwaltung und die Schulen. Die Einhaltung der Charta in diesen Bereichen wird durch den Europarat überwacht.51
Parallel zur Entwicklung der Charta wurde in Frankreich der zweite Artikel der Verfassung um den bereits zitierten Absatz ergänzt, welcher das Französische als Sprache der Republik erklärt. Im Hinblick auf die zu erwartende Charta hatten einige Politiker*innen folgenden Zusatz verlangt: La langue de la République est le français, dans le respect des langues et cultures régionales et territoriales de France [eigene Hervorhebung]. Dieser Vorschlag wurde jedoch von der Mehrheit der Abgeordneten und Senatoren des Parlamentes abgelehnt.52
Die Unterzeichnung der Charta folgte in Frankreich am 7. Mai 1999 unter dem damaligen Premierminister Lionel Jospin, nachdem der Sprachwissenschaftler Bernard Cerquiglini im Rapport Cerquiglini 75 Sprachen Frankreichs und dessen Überseegebiete nannte, auf welche die Charta anwendbar sei.53 Cerquiglini macht in seinem Rapport Les langues de France jedoch deutlich, dass es die Aufgabe der Politik sei, bei der Ratifizierung der Charta eine entsprechende Auswahl an Sprachen zu treffen:
„En ce qui concerne la partie III, il est clair qu'il appartient au gouvernement d'examiner, cas par cas, les alinéas et paragraphes qu'il retient, et d'établir la liste des langues qu'il souhaite en faire bénéficier.“54
Der Ratifizierungsprozess der Charta gestaltete sich jedoch sehr schwierig. Für den Conseil Constitutionnel stand die Charta im Widerspruch zum ersten und zweiten Artikel der französischen Verfassung.
Beispielsweise verlangt der Charta-Artikel 7-1b, dass bestehende Verwaltungsgrenzen die Verbreitung der Regionalsprachen nicht behindern dürfen. Dies sah der Conseil als verfassungswidrig an, da dieser Charta-Artikel die Einheit und Unteilbarkeit des Staates nach Artikel 1 der Verfassung gefährde.55
Weiterhin sei das in der Präambel der Charta geforderte Recht auf den Gebrauch einer Regionalsprache im öffentlichen und privaten Leben verfassungswidrig. Dies verstoße gegen den ersten Absatz des zweiten Artikels, welcher uneingeschränkt das Französische als Sprache der Justiz oder Verwaltung vorschreibt.
Darüber hinaus erachtete der Conseil den Charta-Artikel 7-4 als verfassungswidrig. Dieser Artikel versucht die Wünsche und Bedürfnisse betroffener Sprechergruppen durch die Gründung von beratenden Institutionen stärker zu berücksichtigen. Dies würde jedoch laut Conseil den Sprecher*innen von Regionalsprachen Sonderrechte einräumen und dadurch gegen das im Artikel 2 festgeschriebene Prinzip der égalité, nach dem alle Bürger*innen gleich sind, verstoßen.56
Der Conseil Constitutionnel sprach sich daher am 15. Juni 1999 gegen eine Ratifizierung der Charta aus: „La Charte européenne des langues régionales ou minoritaires comporte des clauses contraires à la Constitution.“57 Bis heute hat Frankreich die Charta nicht ratifiziert.
4 Aktuelle Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich
Nachfolgend soll die aktuelle Sprach- und Bildungspolitik in Frankreich im Hinblick auf die Loi Molac dargestellt werden.
4.1 Der Code de l’éducation
Der Code de l’éducation, das französische Bildungsgesetzbuch, besteht aus Gesetzen und Verordnungen, welche das französische Bildungssystem betreffen. Im aktuellen Code de l’éducation lassen sich noch Bezüge zur Loi Deixonne und Loi Haby finden. Der Artikel L.312-10 (Sektion 4) bezieht sich auf das Enseignement des langues et cultures régionales und macht zunächst deutlich, dass der Unterricht einer Regionalsprache nur dort gestattet ist, wo diese auch gesprochen wird: „Les langues et cultures régionales appartenant au patrimoine de la France, leur enseignement est favorisé prioritairement dans les régions où elles sont en usage.“58
Auch heute kann dieser fakultative Unterricht während der gesamten Schullaufbahn erteilt werden: „Cet enseignement peut être dispensé tout au long de la scolarité selon des modalités définies par voie de convention entre l'Etat et les collectivités territoriales où ces langues sont en usage.“59
Darüber hinaus wird in der aktuellen Fassung zwischen zwei Formen von fakultativem regionalsprachlichem Unterricht unterschieden. Einerseits kann heutzutage der Unterricht einer Regionalsprache oder andererseits der zweisprachige Unterricht in der französischen Sprache und einer Regionalsprache angeboten werden. Die französische Sprache und die Regionalsprache sind hier gleichberechtigt. Weiterhin wird Wert darauf gelegt, dass die Eltern stets über die verschiedenen Unterrichtsangebote umfassend informiert werden: „L'enseignement facultatif de langue et culture régionales est proposé dans l'une des deux formes suivantes:
1° Un enseignement de la langue et de la culture régionales ;
2° Un enseignement bilingue en langue française et en langue régionale.
Les familles sont informées des différentes offres d'apprentissage des langues et cultures régionales.“60
4.2 Die Loi Molac 2021
Der bretonische Abgeordnete Paul Molac wollte den aktuellen Code de l’éducation durch ein Gesetz zugunsten des regionalsprachlichen Unterrichtes erweitern. Es sollte noch eine dritte Form dieses Unterrichtes in das Bildungsgesetzbuch integriert werden: der immersive Unterricht in der Regionalsprache. Diese Unterrichtsform, welche aktuell vorwiegend an Vereinsschulen verschiedener Träger in Frankreich angeboten wird, zeichnet sich dadurch aus, dass nahezu der gesamte Unterricht und das Leben in der Schule in der jeweiligen Regionalsprache stattfinden.61 Paul Molac schlug folgende Änderung des Artikels L.312-10 im Bildungsgesetzbuch vor:
„ 1. L’article L. 312‑10 du code de l’éducation est ainsi modifié :
2. 1° Au quatrième alinéa, le mot : « deux » est supprimé ;
3. 2° Après le 2°, il est inséré un 3° ainsi rédigé :
4. 3° Un enseignement immersif en langue régionale, sans préjudice de l’objectif d’une bonne connaissance de la langue française.“62
Der Gesetzesentwurf von Molac wurde Anfang April des Jahres 2021 mit 247 Ja-Stimmen gegenüber 76 Nein-Stimmen und 19 Enthaltungen von der Assemblée Nationale angenommen.63 Diese Entscheidung hätte den rechtlichen Schutz sowie die Förderung des immersiven Unterrichtes in Frankreich bedeutet. Jedoch wurde der Conseil Constitutionnel von 61 Abgeordneten der Partei La République en marche angerufen, um die Verfassungskonformität der Loi Molac zu prüfen. Dies führte zu starken Spannungen innerhalb dieser Partei, welcher auch Frankreichs derzeitiger Staatspräsident Emmanuel Macron angehört.
Infolgedessen hat der Conseil Constitutionnel zwei der wichtigsten Elemente des Gesetzesentwurfes als verfassungswidrig erklärt: Den immersiven Unterricht in einer Regionalsprache sowie die Verwendung diakritischer Zeichen, wie beispielsweise der Tilde im Bretonischen, in öffentlichen Dokumenten des Staates.64
Der Conseil begründete seine Entscheidung wieder damit, dass die beiden genannten Vorhaben gegen den zweiten Artikel (Absatz 1) der französischen Verfassung verstoßen würden, da die Sprache der Republik das Französische sei:
„Par conséquent, en prévoyant que l'enseignement d'une langue régionale peut prendre la forme d'un enseignement immersif, l'article 4 de la loi déférée méconnaît l'article 2 de la Constitution. Il est donc contraire à la Constitution.“
„En prévoyant que des mentions des actes de l'état civil peuvent être rédigées avec des signes diacritiques autres que ceux employés pour l'écriture de la langue française, ces dispositions reconnaissent aux particuliers un droit à l'usage d'une langue autre que le français dans leurs relations avec les administrations et les services publics. Dès lors, elles méconnaissent les exigences précitées de l'article 2 de la Constitution. Par conséquent, l'article 9 de la loi déférée est contraire à la Constitution.“65
In Kombination mit der Kontroverse um die Charte européenne des langues régionales ou minoritaires büßt Frankreich, welches sich international auf Ebene der Frankophonie sowie der EU-Institutionen stets engagiert für Mehrsprachigkeit eingesetzt hat, durch diese Entscheidung des Conseil erneut stark an politischer Glaubwürdigkeit ein. Europaweit und natürlich auch in Frankreich selbst stößt die Inkonsequenz der Umsetzung des Mehrsprachigkeitsprinzips auf Unverständnis und scharfe Kritik.66 Diese Inkonsequenz wird unter den Kritikern auch als Doppelmoral bezeichnet67, da nach außen ein multilinguales Bild Frankreichs repräsentiert wird, welches jedoch innerhalb des Hexagons nicht umgesetzt wird.
[...]
1 Vgl. Foucault, Actu.fr., 17.10.2019.
2 Die Assemblée Nationale (Nationalversammlung) ist das Unterhaus des französischen Parlamentes. Das Oberhaus bildet der Sénat (Senat).
3 Der Conseil Constitutionnel ist das französische Verfassungsgericht.
4 Trésor de la langue française (TLF): http://atilf.atilf.fr/ (03.09.2021) s.v. langue officielle.
5 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/le-bloc-de-constitutionnalite/texte-integral-de-la-constitution-du-4-octobre-1958-en-vigueur (13.09.2021).
6 TLF: http://atilf.atilf.fr/ (03.09.2021) s.v. diversité.
7 TLF: http://atilf.atilf.fr/ (03.09.2021) s.v. diversité.
8 Organisation internationale de la francophonie (OIF): http://observatoire.francophonie.org/diversite-linguistique/ (03.09.2021).
9 Vgl. Gergen (2011: 2).
10 Ministère de la Culture: https://www.culture.gouv.fr/Sites-thematiques/Langue-francaise-et- langues-de-France/Politiques-de-la-langue/Promouvoir-les-langues-de-France/Langues-regionales (03.09.2021).
11 Vgl. Ministère de la Culture: https://www.culture.gouv.fr/Sites-thematiques/Langue-francaise-et-langues-de-France/Politiques-de-la-langue/Promouvoir-les-langues-de-France/Langues-regionales (03.09.2021).
12 Vgl. Kremnitz (2015: 38).
13 Vgl. OIF: http://observatoire.francophonie.org/qui-parle-francais-dans-le-monde/ (04.09.2021).
14 Vgl. Kremnitz (2015: 38).
15 Vgl. Kremnitz (2015: 38-39).
16 Vgl. Leclerc: https://www.axl.cefan.ulaval.ca/europe/france-3politik_minorites.htm (04.09.2021).
17 Vgl. Willwer (2006: 32-35).
18 Vgl. Glück & Rödel (2016: 652).
19 Vgl. Glück & Rödel (2016: 638).
20 Vgl. Willwer (2006: 39).
21 Brockhaus: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/bildungspolitik (09.09.2021) s.v. Bildungspolitik.
22 Mundart / Sprechweise der Landbevölkerung.
23 Vgl. Brumme et al. (1993: 64).
24 Vgl. Klare (1999: 30).
25 Vgl. Bochmann (2003: 35).
26 Vgl. Bochmann (2003: 35).
27 Vgl. Moliner (2010: 18-19).
28 Vgl. Bochmann (2003: 36).
29 Vgl. Bochmann (2003: 39-40).
30 Laizität ist die strikte Trennung von Kirche und Staat. Dieses Prinzip gilt auch heute noch in französischen Schulen, welche daher keinen Religionsunterricht anbieten (Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/internationales/europa/frankreich/152521/laizitaet (03.01.2021)).
31 Vgl. Bochmann (2003: 40).
32 Vgl. Kremnitz (2015: 16-17).
33 Vgl. Helfrich (2007: 266).
34 Vgl. Bochmann (2003: 40).
35 Vgl. Bochmann (2003: 40).
36 Vgl. Tacke (2015b: 221).
37 Vgl. Tacke (2015a: 244).
38 Vgl. Kremnitz (2015: 18).
39 Legifrance: https://www.legifrance.gouv.fr/loda/id/JORFTEXT000000886638/ (13.09.2021).
40 Vgl. Kremnitz (2015: 18).
41 Vgl. Pan & Pfeil (2006: 177).
42 Legifrance: https://www.legifrance.gouv.fr/loda/id/JORFTEXT000000334174/ (13.09.2021).
43 Vgl. Pan & Pfeil (2006: 177).
44 Vgl. Gergen (2011: 2).
45 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/le-bloc-de-constitutionnalite/texte-integral-de-la-constitution-du-4-octobre-1958-en-vigueur (13.09.2021).
46 Vgl. Teissier (2004: 32) / Pan & Pfeil (2006: 169).
47 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/le-bloc-de-constitutionnalite/texte-integral-de-la-constitution-du-4-octobre-1958-en-vigueur (13.09.2021).
48 Vgl. Bochmann (2003: 32).
49 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/le-bloc-de-constitutionnalite/texte-integral-de-la-constitution-du-4-octobre-1958-en-vigueur (13.09.2021).
50 Vgl. Gergen (2011: 2).
51 Vgl. Europarat: https://www.coe.int/de/web/european-charter-regional-or-minority-languages (15.09.2021).
52 Vgl. Helfrich (2007: 271).
53 Vgl. Helfrich (2007: 274).
54 Cerquiglini (1999: 6).
55 Vgl. Willwer (2006: 169) / Hartweg (2018: 108).
56 Vgl. Willwer (2006: 169).
57 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/decision/1999/99412DC.htm (05.10.2021).
58 Legifrance: https://www.legifrance.gouv.fr/codes/section_lc/LEGITEXT000006071191/LEGISCTA000006182403/2021-09-03/#LEGISCTA000006182403 (28.09.2021).
59 Legifrance: https://www.legifrance.gouv.fr/codes/section_lc/LEGITEXT000006071191/LEGISCTA000006182403/2021-09-03/#LEGISCTA000006182403 (28.09.2021).
60 Legifrance: https://www.legifrance.gouv.fr/codes/section_lc/LEGITEXT000006071191/LEGISCTA000006182403/2021-09-03/#LEGISCTA000006182403 (28.09.2021).
61 Vgl. Dadiani & Le Tellec, Ouest France, 21.05.2021.
62 Assemblée Nationale: https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/textes/l15b4035_texte-adopte-commission (06.10.2021).
63 Vgl. Garicoïx, Le Monde, 08.04.2021.
64 Vgl. Anonym, Le Monde, 21.05.2021.
65 Conseil Constitutionnel: https://www.conseil-constitutionnel.fr/decision/2021/2021818DC.htm (08.10.2021).
66 Vgl. Helfrich (2007: 278).
67 Vgl. Fenet (2004: 38).
- Arbeit zitieren
- Sophia Linten (Autor:in), 2022, Regionalsprachen im französischen Bildungssystem. Bedeutung der Loi Molac, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1184276
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