Der demographische Wandel und seine mittel- und langfristigen Auswirkungen sind
aktuelle Themen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung: Bevölkerungsrückgang,
Alterung, Zuwanderung, Veränderungen der Haushaltsstrukturen und
Wettbewerb der Regionen sind Stichwörter in diesem Kontext. Die Veränderungen
werden sich zwar regional unterschiedlich auswirken, letztlich aber weitgehend alle
Aufgabenfelder der kommunalen Daseinsvorsorge betreffen; insbesondere die Bereiche
Bildung und Ausbildung, Arbeiten und Wohnen, Jugend, Familie und Senioren,
Zuwanderung und Integration, soziale Sicherung, Gesundheitswesen, Städtebau und
städtische Infrastruktur, Verwaltung, Personalwirtschaft und Kultur. Durch die weitreichenden
Folgen des demographischen Wandels sind gerade die Städte dazu aufgefordert,
für ihre Situation passende Handlungsstrategien und konkrete Gestaltungslösungen
zu entwickeln. In Anbetracht knapper Kassen stehen sie hier vor einer ihrer zentralen
Zukunftsaufgaben.
Ältere Menschen sind in unseren Kommunen längst keine Randgruppe mehr. Der Anteil
der über 60-Jährigen wächst stetig. Schon heute stellen sie in einigen Gemeinden und
Städten die größte Bevölkerungsgruppe, zukünftig wird dies vielerorts der Fall sein. Die
kommunale Altenplanung und Seniorenpolitik steht angesichts des sozialen und
demographischen Strukturwandels vor großen Herausforderungen: Bevölkerungsrückgang,
Veränderungen der Altersstruktur, wachsende kulturelle Differenzierung,
Veränderungen der Familienstrukturen, Singularisierung und Entberuflichung des
Alters bringen einschneidende Veränderungen mit sich. Auf diese Umbrüche müssen
die Kommunen reagieren.
Im Folgenden sollen die Herauforderungen des demographischen Wandels ganz konkret
für die Planung einer seniorengerechten Kommunalpolitik betrachtet werden. Auf
welche Veränderungen müssen sich die Kommunen einstellen? Unter welchen Prämissen
kann eine moderne Altenhilfe funktionieren? Wie sieht eine altengerechte Stadt
aus? Welche Ansätze gibt es bereits, welche weiteren sind denkbar? Diese und andere
Fragen sollen zu beantworten versucht werden. Zudem soll ein Blick in die Praxis der
Städte Leipzig und Nürnberg die Abstraktheit des Themas reduzieren. Beide Kommunen
zählen ca. 500.000 Einwohner und gelten als beispielhaft in der Altenhilfe.
Inhaltsverzeichnis:
0. Einleitung
1. Demographischer Wandel in Deutschland
1.1 Entwicklung der Bevölkerungszahl
1.2 Entwicklung der Altersstruktur
1.3 Zunehmende Heterogenität der Bevölkerung
1.4 Soziostruktureller Alterswandel
2. Konsequenzen und Folgen des demographischen Wandels für die Kommunen
2.1 Soziale Segregation
2.2 Wirtschaftsund Arbeitsmarkt
2.3 Kommunale Infrastruktur
2.4 Wohnungsmarkt
2.5 Altenarbeit
3. Handlungsmaximen für eine seniorengerechte Kommunalpolitik
3.1 Rolle und Verständnis von Sozialplanung
3.2 Modell des aktiven Alterns
3.3 Forderungen an eine altengerechte Stadt
3.4 Rolle der Kommunen im Wandel
4. Lösungsansätze für die Kommunen
4.1 Potenziale des Alters
4.2 Alter und Bildung
4.3 Offene Altenarbeit
4.4 Wirtschaftskraft Alter
4.5 Alter und Gesundheit
4.6 Alter und Pflege
5. Beispiel Leipzig
5.1 Demographievorhersage Leipzig
5.2 Demographietyp
5.3 Herausforderungen für Kommunen wie Leipzig
5.4 Maßnahmen und Konzepte
5.4.1 Offene Altenhilfe
5.4.2 Seniorenbesuchsdienst
5.4.3 Seniorenbeirat
5.4.4 Gesundheitsförderung
5.4.5 Ambulante Sozialdienste und Pflegedienste
5.4.6 Betreutes Wohnen
5.4.7 Stationäre Altenpflege
5.4.8 Integrierte Stadtentwicklungsplanung
6. Beispiel Nürnberg
6.1 Demografievorhersage Nürnberg
6.2 Demographietyp
6.3 Herausforderungen für Kommunen wie Nürnberg
6.4 Maßnahmen und Konzepte
6.4.1 Seniorenamt
6.4.2 Seniorenbeirat
6.4.3 Persönliche Stadtansichten
6.4.4 Ehrenamtlicher Besuchsdienst
6.4.5 Computer Club Nürnberg
6.4.6 Selbsthilfegruppe für Menschen mit Demenz im Frühstadium
7. Vergleich und Bewertung der Kommunalen Seniorenpolitik in Leipzig und Nürnberg
8. Fazit
Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Der demographische Wandel und seine mittelund langfristigen Auswirkungen sind aktuelle Themen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung: Bevölkerungsrückgang, Alterung, Zuwanderung, Veränderungen der Haushaltsstrukturen und Wettbewerb der Regionen sind Stichwörter in diesem Kontext. Die Veränderungen werden sich zwar regional unterschiedlich auswirken, letztlich aber weitgehend alle Aufgabenfelder der kommunalen Daseinsvorsorge betreffen; insbesondere die Bereiche Bildung und Ausbildung, Arbeiten und Wohnen, Jugend, Familie und Senioren, Zuwanderung und Integration, soziale Sicherung, Gesundheitswesen, Städtebau und städtische Infrastruktur, Verwaltung, Personalwirtschaft und Kultur. Durch die weitreichenden Folgen des demographischen Wandels sind gerade die Städte dazu aufgefordert, für ihre Situation passende Handlungsstrategien und konkrete Gestaltungslösungen zu entwickeln. In Anbetracht knapper Kassen stehen sie hier vor einer ihrer zentralen Zukunftsaufgaben.
Ältere Menschen sind in unseren Kommunen längst keine Randgruppe mehr. Der Anteil der über 60-Jährigen wächst stetig. Schon heute stellen sie in einigen Gemeinden und Städten die größte Bevölkerungsgruppe, zukünftig wird dies vielerorts der Fall sein. Die kommunale Altenplanung und Seniorenpolitik steht angesichts des sozialen und demographischen Strukturwandels vor großen Herausforderungen: Bevölkerungsrückgang, Veränderungen der Altersstruktur, wachsende kulturelle Differenzierung, Veränderungen der Familienstrukturen, Singularisierung und Entberuflichung des Alters bringen einschneidende Veränderungen mit sich. Auf diese Umbrüche müssen die Kommunen reagieren.
Im Folgenden sollen die Herauforderungen des demographischen Wandels ganz konkret für die Planung einer seniorengerechten Kommunalpolitik betrachtet werden. Auf welche Veränderungen müssen sich die Kommunen einstellen? Unter welchen Prämissen kann eine moderne Altenhilfe funktionieren? Wie sieht eine altengerechte Stadt aus? Welche Ansätze gibt es bereits, welche weiteren sind denkbar? Diese und andere Fragen sollen zu beantworten versucht werden. Zudem soll ein Blick in die Praxis der Städte Leipzig und Nürnberg die Abstraktheit des Themas reduzieren. Beide Kommunen zählen ca. 500.000 Einwohner und gelten als beispielhaft in der Altenhilfe.
1. Demographischer Wandel in Deutschland
Der demographische Wandel, der sich in Deutschland ebenso vollzieht, wie in vielen anderen westlichen Gesellschaften, ist ein langfristiger Prozess, dessen Analyse und Einordnung für Politik und Gesellschaft von erheblicher Bedeutung ist, weil dadurch Informationen über die zahlenmäßige und altersstrukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung gewonnen werden (vgl. Bürkner u. a., 2007, S. 12). Doch was ist unter dem medienpräsenten Begriff zu verstehen? Man möchte meinen, dass, angesichts der Präsenz der Demographie in der Öffentlichkeit, ein grundlegendes Verständnis dieses Prozesses und seiner Folgen bei den Deutschen durchaus vorhanden sei. Umso zweifelhafter erscheint dann das Ergebnis einer aktuellen Umfrage: Wie der Tagesspiegel (vgl. 07.01.2008) berichtet, können 56 Prozent der Befragten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren die Bedeutung des Ausdrucks nicht erläutern. Das bedeutet also, dass gerade die Generation, die von den Auswirkungen am meisten betroffen sein wird, anscheinend nicht ausreichend darüber informiert ist. Dazu verweisen Grymer u. a. (vgl. 2005, S. 31 f.) zu Recht darauf, dass der demographische Wandel ein überwiegend mit negativen Assoziationen belegter Begriff sei, der diesen Prozess mit unüberwindbaren Horrorszenarien in Verbindung bringe und so die Chancen aus dem Blick verliere. Begriffe wie gravierende Probleme und komplexe Planungsund Handlungserfordernisse (vgl. Ottensmeier; Rothen, 2006a, S. 5) seien an der Tagesordnung. Suggestive, den Bürger verunsichernde Fragen würden in den Raum gestellt: Wie wird es der wachsenden Zahl von Alten in der Zukunft ergehen? Wie soll die Gesellschaft sie in Zukunft angemessen versorgen? Werden sie den Jungen etwas wegnehmen? Müssen die Alten Angst haben, später als Demenzerkrankte in industrieller Altenpflege abgefertigt zu werden? Warum redet man immer von den Risiken der Überalterung? Die wachsende Zahl an hochbetagten Menschen in unserer Gesellschaft wird verstärkt als Belastung und Bedrohung wahrgenommen. Eine solche Herangehensweise könnte Verdrängungsmechanismen in Gang gesetzt haben. Deshalb muss gerade den jüngeren Generationen ein konstruktiver Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen nahe gebracht werden, denn „ungeachtet solcher Szenarien ist nicht ausgeschlossen, dass Gemeinden aus dem demographischen Wandel auch Chancen erwachsen können.“ (Sarcinelli; Stopper, 2006, S. 5) Im Folgenden soll nun ein kurzer Überblick über die wesentlichen Facetten des demographischen Wandels in Deutschland gegeben werden.
1.1 Entwicklung der Bevölkerungszahl
Deutschland hat derzeit eine Einwohnerzahl von ca. 82,441 Millionen. Bedingt durch ein über Jahrzehnte weitgehend konstantes Defizit zwischen Geburtenund Sterberate, was auch zukünftig, wenn vielleicht auch weniger stark, vorhanden sein wird, sinkt die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik vor allem ab 2020 deutlich. Das Statistische Bundesamt (vgl. 2003) hat neun verschiedene Varianten der Bevölkerungsentwicklung bis 2050 aufgestellt, die sich durch die jeweiligen Annahmen zu Zuwanderung und Lebenserwartung voneinander unterscheiden. Alle Varianten gehen gleichermaßen davon aus, dass die Geburtenrate stabil bei 1,4 Kindern pro Frau bleiben wird. In allen Prognosen wird zudem ein identischer Anteil von Zuwanderungen von Deutschen bzw. deutschstämmigen Personen angenommen. Je nach Variante unterschiedlich sind die positiven Zuwanderungssalden in Höhe von 100.000, 200.000 bzw. 300.000 Personen ausländischer Herkunft pro Jahr sowie eine unterschiedlich hohe Zunahme der Lebenserwartung.
Allen Berechnungen ist gemeinsam, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen bis 2050 im Vergleich zu heute abnimmt. Abhängig von den Annahmen zu Zuwanderung und Lebenserwartung leben in knapp 50 Jahren noch zwischen 67,0 und 72,0 Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Dabei geht die Bevölkerungszahl im Zeitverlauf nicht gleichmäßig zurück: Bis zum Jahr 2020 bleibt die Bevölkerungszahl allen Prognosen zufolge weitgehend stabil, ab 2020 setzt jedoch ein Bevölkerungsrückgang aufgrund der steigenden Sterbeüberschüsse ein, der sich zunehmend beschleunigt (vgl. Bundesministerium für Familie u. a., 2001, S. 14 f.). Nach einem aktuellen Bericht der Bertelsmann-Stiftung (vgl. Deutscher Städtetag, 2006, S. 4 f.) vom März 2006 werden 50 % aller deutschen Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern bis zum Jahr 2020 schrumpfen. Eine Anfang 2005 durchgeführte Befragung von Bürgermeistern in Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern ergab, dass mehr als 70 % der Bürgermeister das Thema „demographischer Wandel“ für wichtig halten, aber nur ein Drittel der Befragten gab an, sich bereits ausreichend damit zu beschäftigen (vgl. Deutscher Städtetag, 2006, S. 4 f.).
1.2 Entwicklung der Altersstruktur
Im folgenden Abschnitt wird die unterschiedliche Verteilung einzelner Altersgruppen behandelt: Dabei lassen sich nach Bürkner (vgl. 2007, S. 27 ff.) u. a. folgende Trends bis 2020 abschätzen:
1. Bis 2009/10 ist ein leichter Anstieg der Bevölkerungsanteile der 20-25-Jährigen gegenüber dem Jahr 2000 zu verzeichnen (zwischen 4 % und 10 %). Im Zeitraum von 2010 bis 2015 nimmt die Zahl der 20-25-Jährigen in den neuen Ländern voraussichtlich zwischen 19 und 40 % gegenüber dem Jahr 2000 ab. Dieses Niveau bleibt dann bis 2020 annähernd stabil. In den alten Bundesländern wird die Gruppe der 20-25-Jährigen dagegen auch nach 2010 auf 112 % bis 114 % des Niveaus des Jahres 2000 anwachsen. Ab ca. 2012 bis zum Ende des Prognosezeitraums sinkt die Größe dieser Gruppe auf rund 104 %.
2. Der Bevölkerungsanteil der 26-39-Jährigen ist gekennzeichnet durch insgesamt sinkende Zahlen. Bis 2020 lässt sich ein Rückgang auf ca. 75-80% des Niveaus des Jahres 2000 verzeichnen. Die numerische Entwicklung der Bevölkerungsanteile der 0-5-Jährigen, d. h. der Kinder der gerade dargestellten Altersgruppe der 26-39-Jährigen, ist insgesamt ebenfalls rückläufig.
3. Die Entwicklungslinien der Gruppe der 60-74-Jährigen verlaufen uneinheitlich und oszillierend. Die Gesamtentwicklung zeigt bis Mitte der nächsten Dekade geringe Veränderungen (Indexwerte zwischen 100 % und 103 %). Danach wird eine stärker werdende Zunahme dieser Gruppe prognostiziert, die regional unterschiedlich (Indexwerte zwischen 109% und 113%) ausfallen wird.
4. Die Gruppe der hochbetagten Menschen (75 Jahre und älter) weist die höchste Dynamik und die höchsten Zuwachsraten innerhalb des Prognosezeitraums auf. Dies gilt für alle Regionen gleichermaßen. Die Zugewinne liegen zwischen 42 Prozentpunkten in den westlichen Bundesländern und mehr 80 Prozentpunkten in den ländlichen Räumen der ehemaligen DDR.
1.3 Zunehmende Heterogenität der Bevölkerung
Durch den stetigen Bevölkerungsrückgang wird das Thema Zuwanderung an Bedeutung gewinnen. Prognosen sehen die Gesamtzuwanderung nach Deutschland bis 2050 in einer Höhe zwischen 5,6 und 14,5 Millionen Menschen (vgl. Bürkner, 2007, S. 22 f.). Bei den ausländischen Mitbürgern wird sich der Anteil der über 60-Jährigen von knapp sechs Prozent im Jahre 2000 auf über 20 Prozent im Jahre 2030 erhöhen (vgl. Naegele, 2007, S. 8). Damit steigt die Abhängigkeit des Erfolgs einer Kommune von deren gelingender Integrationspolitik.
1.4 Soziostruktureller Alterswandel
Naegele (vgl. 2007, S. 10 f.) macht deutlich, dass die demographischen Veränderungen eng einhergehen mit einem Strukturwandel des Alters. Dieser lasse sich anhand von sieben Merkmalen beschreiben:
1. Durch den Doppeleffekt von früherem Berufsaustieg und Verlängerung der Lebenserwartung dehnt sich die Altersphase immer weiter aus. Nicht selten beträgt sie mehr als 30 Jahre und nimmt rund ein Viertel der Lebenszeit eines Menschen ein.
2. Durch diese immense zeitliche Ausdehnung des Alters muss diese Zeit vielfältig differenziert werden. Man unterscheidet oft zwischen „jungen Alten“, „mittleren Alten“ und „Hochaltrigen“.
3. Bedingt durch Migration verändert sich auch die kulturelle Zusammensetzung der Altenbevölkerung.
4. Durch den ökonomischen und sozialen Wandel werden die Menschen schneller alt gemacht, so dass einzelne Altersprobleme verstärkt immer früher auftreten.
5. Aufgrund höherer Lebenserwartung, den Kriegsfolgen und dem Fakt, dass Männer oftmals älter sind als ihre Frauen, überwiegt der Anteil an Frauen in der Altenpopulation in Deutschland stark.
6. Immer mehr Ältere leben allein, davon ca. 85 % Frauen. 40% der Bevölkerung ab 65 Jahren leben allein, 50% in einem Zweipersonenhaushalt.
7. Hochaltrigkeit steht in einem engen Zusammenhang mit Krankheit, Hilfeund Pflegebedürftigkeit.
2. Konsequenzen und Folgen des demographischen Wandels für die Kommunen
Die Änderungen der Bevölkerungszahl wie -struktur und die Ausdifferenzierung der Lebensstile werden die Kommunen vor vielfältige Herausforderungen stellen. Auswirkungen auf die Nachfrage nach Verwaltungsleistungen und die Nachfrage nach personenbezogenen Infrastrukturleistungen werden die Folge sein. Nicht zuletzt sind die öffentlichen Finanzen betroffen und zwar auf der Einnahmenwie auf der Ausgabenseite. Darüber hinaus entstehen Wirkungen in Bereichen, die Politik und Verwaltung betreffen, ohne dass hier große Steuerungspotenziale liegen (Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wohnungswirtschaft). „Generell kann man sagen, dass die Städte objektiv mit wachsenden Aufgaben konfrontiert werden bei gleichzeitig kleiner werdendem Handlungsspielraum und sinkender finanzieller Handlungskraft.“ (Deutscher Städtetag, 2006, S. 13) Vor allem Großstädte, in denen die gesellschaftlichen Probleme kulminieren, werden massiv betroffen sein (vgl. Deutscher Städtetag, 2006, S. 13). Die Konsequenzen des demographischen Wandels, welche für die Planung einer modernen, aktiven Seniorenpolitik relevant sind, sollen nun nachfolgend erläutert werden:
2.1 Soziale Segregation
Eine der ganz großen Herausforderungen (vgl. Deutscher Städtetag, 2006, S. 13) für die Stadtgesellschaft bestehe in den Gefahren zunehmender sozialer und ethnisch-kultureller Desintegration sowie der Bildung von Parallelgesellschaften. Die sozialen Polarisierungstendenzen und die räumliche Segregation werden sich im Zeichen der weiterhin anhaltenden Globalisierung nicht abschwächen. Dabei werden besonders Migranten, Alleinerziehende und ältere Bürger davon betroffen sein. Das finanziell besser gestellte Bildungsbürgertum wandert zunehmend aus den großen Städten in das Umland bzw. aus problembehafteten Stadtteilen in andere ab, so dass sich dort finanzstarke, attraktive Siedlungen bilden. Im Laufe der Zeit folgen Industrie und Dienstleistungsgewerbe diesem Weg. Zurück bleiben vorwiegend Menschen mit sozialen Problemen, deren Wohnquartiere durch sinkende Mieten Anlaufpunkte für sozial Schwächere aus der Region bieten. Daher ist es ist zwingend notwendig, dem Suburbanisierungstrend entgegenzuwirken, so dass eine stetige Vergrößerung der Gebiete mit Konzentrationen von Armen, Arbeitslosen, Migranten und Älteren verhindert werden kann, um sie nicht zum ‘Käfig’ werden zu lassen. Dazu sind allerdings massive Investitionen nötig, die in vielen Kommunen finanziell nicht möglich sind.
2.2 Wirtschaftsund Arbeitsmarkt
Direkte Konsequenzen des demographischen Wandels sind der Rückgang des Erwerbspersonenpotentials sowie der Rückgang der Kaufkraft. Besonders bei Gütern, die stark auf lokale Nachfrage angewiesen sind, wird das Angebot ausgedünnt und die Wege werden länger (vgl. Articus, 2005, S. 3 f.), was besonders für die älteren, immobilen Bevölkerungsteile zum Nachteil wird. Die anhaltende Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Bevölkerung hat aber auch ein positive Veränderung zur Folge, denn die Versorgung Hochbetagter mit Wirtschaftsgütern, Pflegeund Freizeitangeboten stellt auch einen Markt dar, der zunehmend an Eigenständigkeit und Bedeutung gewinnen wird. Im Gesundheitssystem sind auf der Finanzierungsseite steigende Belastungen zu erwarten, aber auch eine steigende Nachfrage nach entsprechenden Dienstleistungen, so dass abzusehen ist, dass der Gesundheitssektor einer der am schnellsten wachsenden, vielleicht einer der maßgeblichen Wirtschaftszweige sein wird (vgl. Articus, 2005, S. 3 f.). Gerade der Fakt der veränderten Familienstrukturen hat zur Folge, dass Unterstützung aus dem familiären Umfeld zurückgeht, so dass gleichzeitig der Bedarf an ambulanten Sozialstationen steigt (vgl. Naegele, 2007, S. 18). Die Initiierung eines möglichen Gegentrends ist in der im Herbst 2007 beschlossenen Reform der Pflegeversicherung zu erkennen. Die Arbeitnehmer erhalten nun verbesserte Möglichkeiten zum kurzzeitigen unproblematischen Ausstieg aus dem Berufsleben, um Angehörige zu pflegen, jedoch fehlte es der Bundesregierung am Mut, „welche die Pflegeversicherung auch finanziell so umgebaut hätte, dass sie trotz der zunehmenden Alterung der Gesellschaft langfristig bezahlbar bleibt.“ (Biermann, 2007)
2.3 Kommunale Infrastruktur
Bevölkerungsabnahme führt in der Regel zu einer Unterauslastung von technischer und sozialer Infrastruktur. Dennoch können ein Rückbau und Einsparungen in diesem Bereich nicht zwangsläufig die Folge sein, denn „andererseits werden sich … erhebliche Nachfrageverschiebungen bei altersspezifischen Infrastruktureinrichtungen ergeben.“ (Gürtler, 2005, S. 19; vgl. ebenso Articus, 2005, S. 4) Die Frage der Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes muss an Bedeutung gewinnen, um alten Menschen den Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung oder deren kulturellen Bedürfnissen dienen sowie die Verbindung mit nahe stehenden Personen zu ermöglichen.
2.4 Wohnungsmarkt
Insgesamt ist mit einer weiterer Vereinzelung, d. h. Zunahme der Haushalte, zu rechnen, (vgl. Deutscher Städtetag, 2006, S. 14), trotz derer in besonders stark schrumpfenden Regionen Leerstände zu erwarten sind, denn die bisherigen Anstrengungen werden angesichts der demographischen Entwicklung kaum ausreichen, um die Leerstandsquoten wirtschaftlich verträglich zu gestalten. Betreutes Wohnen wird erheblich an Bedeutung gewinnen (vgl. Friedrich; Grunke, 2006, S. 2). Um Kosten zu senken und das Prinzip ambulant vor stationär umzusetzen, muss der älteren Bevölkerung ein möglichst langer Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ermöglicht werden, was aber durch den Fakt, dass die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte unter den Älteren stetig zunimmt und Alleinleben die Inanspruchnahme praktischer Unterstützung durch Dritte überdurchschnittlich oft zur Folge hat (vgl. Naegele, 2007, S. 11), erschwert wird. Aus diesem Grund werden Maßnahmen eines seniorengerechten und barrierefreien Wohnens in den Kommunen deutlich an Bedeutung gewinnen, wie dies beispielsweise bei dem Trend der Mehrgenerationenhäuser in den letzten Jahren ablesbar ist.
2.5 Altenarbeit
Die offene Altenarbeit steht vor einer Neuorientierung. Bedingt durch die bereits angesprochene Differenzierung des Alters „sind einheitliche, auf die Zielgruppe ‘ältere Menschen’ bezogene Konzepte und Maßnahmen wenig angemessen“ (Naegele, 2007, S. 11.) und müssen und werden auch in der Praxis zunehmend durch eine zielgruppenspezifische Altenpolitik ersetzt. Traditionelle Angebote wie etwa Altentagesstätten oder Seniorenreisen finden immer weniger Zulauf und „haben sich im Prinzip überlebt“ (Naegele, 2007, S. 16). Eine Überarbeitung scheitert oftmals nur an den leeren Staatsund Gemeindekassen. Neuere Formen wie Selbsthilfeförderung, Kulturarbeit, Modellund Bildungsprogramme befinden sich wie Altenbüros, Seniorengenossenschaften usw. noch in der Experimentierphase. Ziel ist, Gelegenheitsstrukturen zum Austausch nützlicher Hilfen, ebenso wie zu sozialer Integration, zu schaffen (vgl. Schmidt, 2004, S. 218). Welches Modell sich am Ende als besonders effektiv erweist, lässt sich aus jetziger Sicht nicht mit Sicherheit sagen. Zu differenziert gestaltet sich die Angebotsstruktur, denn für diesen Bereich ist „eine Vielschichtigkeit aus älteren und neueren Konzepten“ (Schmidt, 2004, S. 221) besonders kennzeichnend.
[...]
1 Stand Juli 2007
- Arbeit zitieren
- Dipl. Sozpäd./Sozarb. (FH) Rene Böhme (Autor:in), 2008, Herausforderungen seniorengerechter Kommunalpolitik unter Gesichtspunkten des demografischen Wandels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118397
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