Soziale Arbeit im schulischen Kontext. Die Ironikerin und der Metaphysiker


Master's Thesis, 2020

91 Pages, Grade: 6.0


Excerpt


Verzeichnis

Prolog: Über diese Arbeit

Präliminarien
Idee
Thema
Kontext
Problem
Interesse
Prämisse
Fragen

Soziale Arbeit im schulischen Kontext
Soziale Arbeit
Schulsozialarbeit
Rahmenbedingungen im Erziehungs- und Bildungswesen
Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule
Kooperation
Kommunikation

Diskurs - Jürgen Habermas
Kontrafaktizität - Transzendentalität
Verständigung und Einigung
Lebenswelt
Immanenz - Transzendenz
Verhandlung
Diskurs von Sozialer Arbeit und Schule
Schule als Referenzsystem

Sprachspiel - Ludwig Wittgenstein
Soziale Arbeit als Sprachspiel (am Beispiel Sozialpädagogik)
Differenzen zwischen Sozialer Arbeit und Schule
Unterschiedlichkeit von Sprachspielen:
Vorbehalt gegen eine Verständigung und Einigung
Unterschiedlichkeit von Sprachspielen:
Beispiel gegen eine Verständigung und Einigung
Wie lassen sich Differenzen von Schule und Sozialer Arbeit mit dem Konzept «Sprachspiel» nach Ludwig Wittgenstein darstellen?

Ironie - Richard Rorty
Soziale Arbeit als Ironikerin
Inkommensurabilität zwischen Sozialer Arbeit und Schule
Unmöglichkeit einer Verständigung und Einigung
Wie wird die Inkommensurabilität von Schule und Sozialer Arbeit mit dem Konzept «Ironie» von Richard Rorty nachvollziehbar?

Widerstreit - Jean-François Lyotard
Soziale Arbeit im Widerstreit (am Beispiel Sozialarbeit)
Kontroversen zwischen Sozialer Arbeit und Schule
Schein einer Verständigung und Einigung:
Vermeidung oder Ablenkung des Widerstreits
Schein der Verständigung und Einigung:
Überlagerung oder Verdrängung des Widerstreits
Wie zeigen sich Kontroversen von Schule und Sozialer Arbeit im Konzept «Widerstreit» nach Jean-François Lyotard?

Fazit
Konklusion
Skepsis und Kritik gegenüber Transzendentalität
Skepsis und Kritik gegenüber Transzendenz
Prägnanz
Quintessenz
Verständigung als Machbarkeit statt Klärung
Einigung als Verantwortlichkeit statt Entscheidung
Das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule
Diskussion
Desiderate

Epilog: Über diese Arbeit

Prolog: Über diese Arbeit

Zusammenfassung

Setzt man sich mit demGegenstand «Schulsozialarbeit»in einem wissenschaftlichen Rah­men auseinander, so zeigt sich in der sozialpädagogischen Fachliteratur, dass nebender Theorie sowie Praxis als Perspektiven auch die Disziplin, Institution undProfession als As­pekte in einer Untersuchungerheblich sind. Obwohl bereits eine Menge an Studien zu einer Vielfalt von Themen vorliegt, zeichnet die wissenschaftliche Arbeit aus, die Skepsiszu erhal- tenund Kritik zu gewährleisten,sodassbezüglich des Gegenstands «Schulsozialarbeit»die Möglichkeiten des Sprechens, Denkenssowie Handelns erweitertwerden. WeilErgebnisse sowie Erkenntnisse aus der Forschung weder auf Wahrheit noch auf Richtigkeit endgültig überprüfbar sind,verbleibt im wissenschaftlichen Rahmen nur einemit Gründen geführte Diskussion, um die eigeneÜberzeugung gegenüber dem Publikumdarzustellen: Von deren Urteil bezogen auf die in einer Disziplin und Profession geltenden Regeln hängt ab, ob und wie die Ergebnisse sowie Erkenntnisse aus der Forschung aufgenommen werden. Eine wis­senschaftliche Arbeitzu verfassen, bedeutet deshalb auch, das eigene Sprechen, Denken und Handeln mit Gründen so darzulegen, dass ein Vorhaben sowie Vorgehen vom Publikum als angemessen beurteilt wird. In diesem Sinne wird in dieser Arbeit versucht, bezüglich des Gegenstands «Schulsozialarbeit» ein Beitrag zu leisten: Das Phänomen «Soziale Arbeit im schulischen Kontext» wird mittels philosophischer Konzepte so interpretiert, dassalsgewiss geltende Normenbezweifelbar werden und sich davon ausgehenddas Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schulealternativ auslegenlässt - der sozialpädagogische Fachdiskurs soll um eine Möglichkeit des Sprechens, Denkens sowie Handelns erweitert werden. In dieserArbeit wird bezüglich des Gegenstands «Schulsozialarbeit» die Perspektive der Sprache eingenommen und auf den Aspekt der Zusammenarbeit angewendet: Die Koopera­tion von Sozialer Arbeitund Schule, so die dabeiverfolgte These, zeigt sich in der Kommuni­kation. Diein die Untersuchung miteinbezogenenphilosophischen Konzepte(siehe S. 41ff./ S. 50ff./ S. 58ff.) befassen sich deshalb mit der Diskursivität im zwischenmenschlichen Ver­hältnis und gehen von der Performativität des sprachlichen Austauschs aus -damit lässt sich die Zusammenarbeit darauf zurückführen, wie durch die Beteiligten gesprochen, ge­dacht sowie gehandelt wird. Dievon den Menschen eingesetzten Deutungs-und Wertungs­muster, so die dabeiverfolgte These, sind verbunden mit einer als Rationalitätoder Kulturzu bezeichnender Entität. Wie von Jürgen Habermas ausgeführt (siehe S. 23ff.), stellt die ei­gene Lebenswelt eine Ressource für die Interpretation dar: Im Sprechen, Denken sowie Handeln zeigt sich also, welche Einstellung zum Leben- als sogenannte Lebensform -und welche Auffassung von der Welt - als sogenanntes Weltkonzept -Menschen haben. Auf den Gegenstand «Schulsozialarbeit» bezogen wird deshalb in dieser Arbeit die Kommunika­tion von Sozialer Arbeit und Schule dahingehend untersucht, welche Umstände das zwi­schenmenschliche Verhältnis begleiten sowie den sprachlichen Austausch prägen und ob die im Rahmen der Zusammenarbeit als selbstverständlich angenommene Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung berechtigt ist. Die diesbezüglich vorgebrachte Skepsis und Kritik soll im Sinne eines wissenschaftlichen Beitrags zum sozialpädagogischen Fachdiskurs die Sensibilität für sowie die Reflexion über in der Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Schule auftretende Konflikte erhalten sowie gewährleisten, um eine möglichst allen Beteilig­ten dienende Gerechtigkeit anzustreben.

In dieser Arbeit wird das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule am Gebrauch der Sprache festgemacht, so dass sich mit der Theorie des Diskurses von Jürgen Habermas ein Fundament gelegen lässt (siehe S. 23ff.), durch welches die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung im zwischenmenschlichen Austausch nachvollziehbar wird. Die damit einher­gehenden Bedingungen - die Transzendentalität und die Transzendenz - werden zum An­lass genommen, um diesem Modell mit Skepsis und Kritik zu begegnen: Für das Phänomen «Soziale Arbeit im schulischen Kontext» lässt sich erstens mit dem Konzept «Sprachspiel» von Ludwig Wittgenstein (siehe S. 41ff.) auf die damit einhergehenden Differenzen aufmerk­sam machen, welche beachtenswert werden, wenn verschiedene Disziplinen sowie Professi­onen aufeinandertreffen. Dass sich diesbezüglich Schule und Soziale Arbeit durch eigene Deutungs- und Wertungsmuster auszeichnen, welche mit einer jeweils anderen Rationalität oder Kultur verbunden sind, lässt sich zweitens mit den Figuren «Ironikerin» sowie «Meta­physiker» nach Richard Rorty überzeichnen (siehe S. 50ff.). Damit wird nachvollziehbar, weshalb im Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule eine Möglichkeit für Inkommen- surabilität besteht: Die Lebensform und das Weltkonzept sind so verschieden, dass eine mit Gründen geführte Diskussion an Grenzen stösst. Für die Soziale Arbeit im schulischen Kon­text lässt sich drittens mit dem Konzept «Widerstreit» von Jean-François Lyotard (siehe S. 58ff.) auf die sich daraus ergebenden Kontroversen aufmerksam machen, welche sich als eine weder zur Verständigung noch zur Einigung führbare Form von Konflikten darstellen - dessen sich die Beteiligten aber kaum bewusst sind. Ausgehend davon wird in dieser Arbeit zu einem sensiblen sowie reflexiven Gebrauch der Sprache angemahnt (siehe S. 64ff.), was ermöglicht, sowohl die im Diskurs der Schulsozialarbeit geltenden Normen zu bezweifeln als auch das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule alternativ auszulegen - diesbezüg­lich wird im Fazit ein Versuch unternommen sowie ein Angebot vorgestellt (siehe S. 69ff.): Statt im zwischenmenschlichen Austausch eine vermeintliche Gewissheit anzustreben und zu versuchen, das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule zu klären oder zu ent­scheiden, soll eine Machbarkeit sowie eine Verantwortlichkeit angestrebt werden. Die Dyna­mik der Kommunikation wird damit nicht mehr durch eine Statik unterbrochen, welche einem sich wandelnden Kontext nicht zu genügen vermag - im Gespräch zu bleiben, verhindert da­mit ebenso, dass die Praxis der Theorie überlassen wird, deren Absorption von Kontingenz und Reduktion von Komplexität einer Situation unangemessen sind. Damit soll der mit jedem Klären oder Entscheiden einhergehenden Ungerechtigkeit entgegengewirkt werden, welche auch in der Verständigung sowie Einigung liegt, ohne dass sich die Beteiligten dessen be­wusst sind. Deshalb versteht sich diese Arbeit als ein Bekenntnis zu einer Sozialpädagogik als Disziplin sowie Profession der Gerechtigkeit und versucht diesbezüglich darauf hinzuwei­sen, dass auch die Soziale Arbeit im schulischen Kontext in diesem Sinne aufzustellen ist.

Eine Qualifikationsarbeit im Rahmen eines universitären Studiums ist nicht nur an Kriterien bezüglich des Inhalts und Umfangs gebunden, sondern sollte für den Autor ebenso mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen bewältigbar sein - Zeit und Raum sind dafür nicht un­erheblich. Wie sich erahnen lässt, wurde deshalb eine programmatische Arbeit verfasst: Der Autor setzt das zu untersuchende Thema in einer theoretischen Studie um, welche als Basis eines empirischen Projekts dienen soll - entsprechende Desiderate sind im Fazit formuliert (siehe S. 80ff.).

Sachliche Anmerkung

In dieser Arbeit wird bezogen auf das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung im sprachlichen Austausch skeptisch und kritisch betrachtet: Obwohl diesbezüglich eine theoretische Studie erarbeitet wird, leitet sich ein unmittelbarer Mehrwert für die Praxis der Beteiligten ab, weil sich dadurch eine auf den Konsens ausgerichtete Kommunikation zugunsten des Dissenses verändern lässt, welcher so nicht mehr als irritierend erlebt oder anormal markiert ist: Nicht selten - und auch im schu­lischen Kontext - gilt der Konsens als gelungener Abschluss einer Diskussion und wird des­halb sowohl erwartet als auch angestrebt - manchmal mit allen Mitteln. Der Dissens zeugt dagegen scheinbar von einem Unvermögen, gilt als abweichend oder störend, weil zu bear­beitende Fälle dadurch nicht abzuschliessen - also zu klären oder zu entscheiden - sind. Damit bleibt einerseits Ungewissheit erhalten, andererseits haben sich die Beteiligten erneut, gar wiederholt, damit auseinanderzusetzen - was als mühsam empfunden wird. In dieser Ar­beit wird trotzdem dafür plädiert, im einen oder anderen Fall den Dissens auszuhalten, statt den Konsens zu erzwingen, und damit ein Verständnis für das vermeintlich Abweichende o­der Störende - und deshalb scheinbar Unsagbare -aufzubringen, gerade dies sollte nach Meinung des Autors dem Wesen der Schulsozialarbeit entsprechen und von ihr deshalb auch im Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesen in diesem Sinne gefordert sowie ge­fördert werden. Die damit einhergehende Herausforderung rechtfertigt sich durch den Mehr­wert, dass eine mit dem Dissens abgeschlossene Diskussion nicht mehr - am Konsens ge­messen - als Scheitern beurteilt wird, sondern dadurch die Gelegenheit gegeben ist, sich mit dem vermeintlich Irritierenden oder Anormalen auseinanderzusetzen.

Nun ist zu vermuten, dass diese Arbeit als wissenschaftlicher Beitrag zum sozialpädagogi­schen Fachdiskurs bezüglich sowohl des Vorhabens als auch des Vorgehens beim Publikum selbst als abweichend oder störend beurteilt wird. Gerade wenn die Theorie von Jürgen Ha­bermas als Paradigma genommen wird und die philosophischen Konzepte von Ludwig Witt­genstein, Richard Rorty sowie Jean-François Lyotard nur mässig bekannt sind, stellen die in dieser Arbeit dargelegten Muster des Sprechens sowie Denkens eine Herausforderung dar - oder werden aus Überzeugung abgelehnt. Ob und wie sich dabei allenfalls Inkommensurabi- lität zeigt, kann und muss offen bleiben, denn ein wissenschaftlicher Beitrag lässt sich auch wertschätzen, ohne dass die Ergebnisse oder Erkenntnisse der Untersuchung geteilt wer­den. Trotzdem bedarf es einer Bereitschaft sich diesem Thema sowie dieser Studie zu stel­len und mit den neutralen in den Sozialwissenschaften geltenden Regeln zu beurteilen, wie der diesbezüglich geleistete Beitrag einzuschätzen ist. In diesem Sinne wird vom Publikum eine Toleranz sowie Akzeptanz gegenüber dem scheinbar Irritierenden oder dem vermeint­lich Anormalen verlangt, ebenso wie dies nach Meinung des Autors die Sozialpädagogik als Disziplin sowie Profession vertreten sollte, um möglichst vielen Menschen gerecht zu wer­den. Damit lässt sich in dieser Arbeit etwas im Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule thematisieren, was sonst unsagbar ist - im Alltag oder Umfeld gerne unbeachtet bleibt und übergangen wird. Dies zur Sprache zu bringen und damit mehr Gerechtigkeit an­zustreben, darauf zielt diese Arbeit ab, welche deshalb in mehrfacher Beziehung als «sozial­pädagogisch» zu bezeichnen ist.

Persönliche Anmerkung

Einst hatte sich der ganze Jahrgang einer Pädagogischen Hochschule desnachts im Schul­gebäude einzufinden, um an einem Experiment teilzunehmen: Die Studierenden wurden in Gruppen aufgeteilt. Während die einen sich in die Halle zu begeben hatten, um Darstellerin­nen und Darsteller einer fremden Kultur zu werden, blieben die anderen in den Gängen und wurden mit ihrer Rolle als Forschende vertraut gemacht. Ihnen fiel die Aufgabe zu, die Kultur in der Halle aufzuklären. Nach welchen Regeln verhalten sich diese Studierenden? Was be­dingt und wie gelingt eine Teilnahme an diesem Spiel? Ohne auf den zur Auswahl stehenden mündlichen sowie schriftlichen Austausch genauer einzugehen, zeigte sich für die Forschen­den sofort, mit welchen Schwierigkeiten diese vermeintlich leichte Aufgabe einherging und welche Unannehmlichkeiten auszuhalten waren, denn die fremde Kultur zeigte sich als ver­schlossene Gemeinschaft, welche sich scheinbar gegen das Aufklären und Teilnehmen durch Forschende zu wehren versuchte. Wie jedoch die anschliessende Diskussion sowie Evaluation im Plenum aller Studierenden ergab, war dies nicht das einzige Missverständnis, welches die Forschenden an ihrer Aufgabe fast verzweifeln liess... Dem Autor sind diese Er­lebnisse noch im Gedächtnis und wahrscheinlich mitverantwortlich dafür, dass diesbezüglich eine Empfindsamkeit für das Fremde, welches mit der eigenen Rationalität nur bedingt auf­zuklären ist, erhalten blieb. Wie in dieser Arbeit ebenso verfolgt, lassen sich daraus bloss Hinweise auf eine Möglichkeit für Inkommensurabilität ableiten - ob und wie eine fremde Kul­tur aufklärbar ist, hat offen zu bleiben. Dies lässt sich auch bezüglich eines weiteren Bei­spiels ausführen: Nicht nur dem Autor wird aufgefallen sein, dass zwar alle Menschen in ei­ner gewissen Art und Weise empfänglich sind für Witze, sich dabei jedoch Unterschiede zei­gen, was oder wie erzählt wird. So löst eine Geschichte bei Lehrpersonen ein Lachen aus, während dies von anderen Leuten nicht als lustig empfunden wird - ebenso sind in verschie­denen Familien nicht dieselben Witze anerkannt. Versucht jemand, dessen Geschichte in ei­nem bestimmten Kreis nicht zum erhofften Lachen geführt hat, diese zu erklären, so zeigt sich: Das ist kaum möglich und nicht mehr lustig, weil das Missverständnis manchmal gar zu einem Streit führt. Diesbezüglich lässt sich jeweils eine andere Kultur erahnen - wiederum zeigen sich darin bloss Hinweise auf eine Möglichkeit für Inkommensurabilität. Wie in die­ser Arbeit ebenso verfolgt, geht eine Toleranz sowie Akzeptanz gegenüber einer fremden Kultur damit einher, sich offen für andere Deutungs- und Wertungsmuster zu zeigen - ohne jedoch bei allem mitlachen zu können oder zu müssen. Die Grenzen dafür ergeben sich, wie das Beispiel von Witzen zeigt, bezüglich der eigenen Überzeugung und den damit einherge­henden Werten, gegen welche gegebenenfalls verstossen wird - dies zu merken bedingt je­doch, auf die Inkommensurabilität aufmerksam zu werden - dafür sensibel zu ein - und sich reflexiv damit auseinanderzusetzen.

Ausgehend vom Wunsch sich mit dem Werk von Richard Rorty zu beschäftigen sowie dem Gefallen am Konzept «Ironie» geht diese Arbeit mit dem Bekenntnis des Autors einher, sich auch künftig mit dem Phänomen der Inkommensurabilität befassen zu wollen - etwa im Be­reich der Wissenschaftstheorie durch das Werk von Paul Feyerabend. Dies geht mit dem Eingeständnis einher, dass damit nicht unbedingt eine Bescheidenheit verbunden ist, welche einem Studierenden diesbezüglich wohl eher gebühren würde. Nun könnte man es aber ent­schuldigen, indem gesagt wird, der habe bloss den einen oder anderen Text zu viel gelesen oder die eine oder andere Idee - wenn überhaupt verstanden - zu euphorisch aufgenom­men. Trotzdem lässt sich nicht bestreiten, dass diese Arbeit unter solchen Bedingungen ent­standen ist und statt zur Zermürbung geführt, nur noch mehr Begeisterung geweckt hat. Ge­rade daran wird das skeptische sowie kritische Publikum aber zurecht ansetzen können, weil damit kaum von einer solchen Unvoreingenommenheit auszugehen ist, wie es für eine sol­che Arbeit angemessen wäre.

Präliminarien

Idee

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule nur sinnvoll ist, wenn sich alle Beteiligten sowohl die Chancen als auch die Risiken einer solchen Zusammenarbeit bewusst machen - gerade weil unterschiedliche Disziplinen, Institutionen und Professionen mit jeweils eigenen Logiken sowie Rationalitäten aufeinander­treffen (Otto & Bauer 2005 / Reinecke-Terner 2017). Dabei wird nicht an der Kooperation ge­zweifelt, sondern bezüglich der Kommunikation dargelegt, wie die verschiedenen Deutungs­und Wertungsmuster als ein jeweils anderes Sprechen, Denken sowie Handeln aufzufassen sind, und sich dadurch eine Möglichkeit für Inkommensurabilität zeigt (siehe S. 54ff.), welche auf die unterschiedlichen Disziplinen, Institutionen und Professionen zurückzuführen ist. Die in dieser Arbeit zum Einsatz gebrachten philosophischen Konzepte befassen sich deshalb mit der Diskursivität im zwischenmenschlichen Verhältnis und gehen von der Performativität des sprachlichen Austausches aus. Darauf bezogen werden Inhalte aus der sozialpädagogi­schen Theorie und Empirie so abgehandelt, dass nachvollziehbar wird, weshalb die Möglich­keit einer Verständigung sowie Einigung in der Kommunikation von Sozialer Arbeit und Schule nicht selbstverständlich ist. Die in dieser Arbeit aufgezeigte Inkommensurabilität der verschiedenen Deutungs- und Wertungsmuster sollen dazu anregen, eine Sensibilität für und Reflexion über das jeweils andere Sprechen, Denken sowie Handeln zu entwickeln und so die in der Praxis der Schulsozialarbeit geltenden Normen zu bezweifeln.

«Aber theoretischen Entwürfen ist es eigentümlich, dass sie mit den Forschungsbefunden nicht blank übereinstimmen; dass sie diesen gegenüber sich exponieren, zu weit vorwagen, oder, nach der Sprache des Social Research, zu falschen Generalisationen neigen» (Adorno 1959, S. 175).

Die Schulsozialarbeit wird in dieser Arbeit aus einer kontemplativen und reflexiven Perspek­tive betrachtet - diesbezüglich ist geplant, einzelne Aspekte überzeichnet darzustellen: Die Theorie des Diskurses nach Jürgen Habermas stellt zwar das Fundament dar, wird aber durch die philosophischen Konzepte von Ludwig Wittgenstein, Richard Rorty und Jean- François Lyotard überlagert. Der Autor verfolgt einerseits einen analytischen Ansatz, indem die Kommunikation untersucht wird: Dabei gilt es, die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung zu bezweifeln - skeptisch und kritisch soll das Selbstverständliche problematisiert werden. Dies lässt sich, angelehnt an Jacques Derrida, als Dekonstruktion bezeichnen (Geh­ring 2011), weil man damit das Gewöhnliche auflöst - was in einem ersten, grösseren Teil dieser Arbeit umgesetzt wird (siehe S. 23 bis 68). Davon ausgehend wird der Versuch unter­nommen, das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule alternativ auszulegen: Wie lässt sich mit Differenzen umgehen und Kontroversen aushalten? Deshalb verfolgt der Autor andererseits einen synthetischen Ansatz, durch welchen die Bedingungen - sowohl als Er­weiterungen als auch Beschränkungen - der Kommunikation aufgezeigt werden: Dabei gilt es, auf die Chancen und Risiken aufmerksam zu machen - konstruktiv sollen das Unfass­bare oder Unannehmbare thematisiert sein. Dies lässt sich, angelehnt an Ludwig Wittgen­stein, als Therapie bezeichnen (Tarras 2014), welche mit der «Arbeit an Einem selbst» (S. 90) einhergeht und dazu verhilft, mit dem Unfassbaren oder Unannehmbaren umzugehen - was in einem zweiten, kleineren Teil dieser Arbeit umgesetzt wird (siehe S. 69 bis 82).

Thema

Die Aufgaben der Schulsozialarbeit lassen sich kaum abschliessend fassen, weil die über­nommenen Fälle sehr vielfältig sein können und teils über den Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesens hinaus reichen. In dieser Arbeit wird jedoch - angelehnt an Albert Scherr (2002), Catrin Heite (2011) sowie Werner Thole & Holger Ziegler (2018) - von folgender Prä­misse ausgegangen: Die Angebote der Sozialen Arbeit im schulischen Kontext zeichnen sich gemeinsam dadurch aus, dass die Interpretation der übernommenen Fälle auf eine Art und Weise durchgeführt wird, welche die Möglichkeiten des Sprechens, Denkens sowie Han­delns erweitern. Die Soziale Arbeit zeigt - auch in der Schule - den Klientinnen und Klienten andere Deutungs- und Wertungsmuster auf, so dass ein Abwägen zwischen Chancen und Risiken möglich wird: Eine erlahmte Situation gerät wieder in Bewegung. Die Schulsozialar­beit entwickelt deshalb ein Verständnis dafür, wie jemand das Leben führt und die Welt auf­fasst, und nutzt dies, um Zweifel daran anzubringen und diesbezüglich einen Wandel zu be­wirken.

Kontext

Für die Schulsozialarbeit gilt, «[...] dass die berufliche Tätigkeit durch Personal ausgeübt wird, welches zusätzlich zu Lehrkräften an Schulen beschäftigt ist und deren Berufsaus­übung als Tätigkeit im Bereich Sozialer Arbeit (Bildung, Betreuung, Erziehung) verstanden werden kann» (Baier 2007, S. 13). Dabei zeigt sich, dass der Hinweis auf einen Zusatz nicht zu vernachlässigen ist, weil dies sich als «Supplement» im Sinn von Jacques Derrida (1983) auffassen lässt - was in dieser Arbeit jedoch nicht weiterverfolgt wird. Gerade dadurch wird aber nachvollziehbar, was mit der von Florian Baier vorgebrachten Metapher «Zu Gast in ei­nem fremden Haus» (2007) gemeint ist und weshalb mit der Quintessenz einhergeht, dass von einem geklärten Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule noch nicht gesprochen werden kann (Baier 2007, S. 14). Die Kooperation - wie im Rahmen des Erziehungs- und

Bildungswesens gefordert und gefördert - wird durch Konflikte bedroht, welche die Tätigkeit der Schulsozialarbeit potentiell belasten, so dass seitens aller Beteiligten viel getan wird, um dies zu vermeiden.

Problem

Beschäftigt sich die Schulsozialarbeit mit Fällen, an denen eine Lehrperson selbst beteiligt ist oder welche unmittelbar den Unterricht betreffen, zeigt sich besonders, dass die Möglichkei­ten des Sprechens, Denkens sowie Handelns für die Schulsozialarbeit im Rahmen des Er- ziehungs- und Bildungswesens eingeschränkt sind (Otto & Bauer 2005). In dieser Arbeit wird deshalb von folgender Prämisse ausgegangen: Der schulische Kontext wird durch Deutungs­und Wertungsmuster geprägt, welche nur bedingt zur Disposition stehen, so dass die Tätig­keit der Sozialen Arbeit sich darauf einstellen muss (Pauli 2005). Diesbezüglich können sich einerseits Konflikte ergeben, andererseits besteht die Möglichkeit, in der eigenen Kompetenz sowie Legitimität angezweifelt zu werden (Baier 2007). Gerade wenn die Schulsozialarbeit mit eigenen Interessen - also nicht neutral - einer Lehrperson gegenübersteht, scheint nicht nur die Kooperation bedroht zu sein, sondern geht damit die Gefahr einher, das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule nachhaltig zu beschädigen (Vogel 2006).

In dieser Arbeit wird die Schulsozialarbeit deshalb als eine ambivalente Tätigkeit ausgelegt (Bettmer et al. 2002): Institutionell ist sie nur bedingt Teil des Erziehungs- und Bildungswe­sens, hat sich unabhängig davon aufzustellen und bemüht sich dabei, eine eigenständige Funktion zu wahren. Professionell hat sie sich jedoch ins Erziehungs- und Bildungswesen einzufügen, richtet sich danach aus oder ist abhängig davon und muss sich deshalb auch für eine teilhabende Position einsetzen - daraus ergibt sich ein prekäres - weil nicht geklärtes - Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule (Baier 2007). So lässt sich nachvollziehen, was mit der Metapher «Schulsozialarbeit als Zwischenbühne» (Reinecke-Terner 2017) ge­meint ist und weshalb die Kooperation diesbezüglich als Akt der Balance dargestellt wird. Dabei zeigt sich, dass der Hinweis auf ein «Dazwischen» nicht zu vernachlässigen ist, weil sich dies wiederum im Sinn von Jacques Derrida (1976) auffassen lässt - was in dieser Ar­beit jedoch nicht weiterverfolgt wird.

Interesse

Was als Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule bezeichnet und damit als gleichberech­tige Zusammenarbeit dargestellt wird, beinhaltet sowohl Chancen als auch Risiken - selbst, wenn alle Beteiligten darum bemüht sind, die Zweckgemeinschaft nicht zu gefährden. Dass man sich dessen im Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesens bewusst ist, davon zeu­gen sachgemässe Publikationen (als Beispiel eine Auswahl aus der Schweiz), welche die Bedingungen für eine gelingende Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit thematisieren:

- Broschüre «Schulsozialarbeit» (2013): Leitfaden zur Einführung und Umsetzung von Schulsozialarbeit der Erziehungsdirektion des Kantons Bern
- Charta «Gelingende Kooperation» (2013): Vereinbarung zwischen dem Verband Ave- nirSocial, dem Schulsozialarbeitsverband (SSAV) und dem Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH)
- Broschüre «Soziale Arbeit in der Schule» (2016): Erläuterung durch den Verband Ave- nirSocial und den Schulsozialarbeitsverband (SSAV)
- Broschüre «Grundlagen der Kooperation» (2018): Leitfaden für die Zusammenarbeit von Schule und Sozialer Arbeit des Erziehungsdepartements des Kantons Basel-Stadt

Diese Dokumente lassen sich als Direktiven darstellen, um das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule mit Gewissheit auszustatten - diesbezüglich zu klären und zu entschei­den. Meist wird dabei nicht gesondert auf die Kommunikation eingegangen, dass man sich im Rahmen der Zusammenarbeit miteinander verständigt und einigt, gilt als selbstverständ­lich (als Beispiel: Krüger 2008).

Weil sich aber in der Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule unterschiedliche Diszipli­nen, Institutionen und Professionen mit jeweils eigenen Logiken sowie Rationalitäten gegen­überstehen (Otto & Bauer 2005/ Reinecke-Terner 2017), wird in dieser Arbeit aufgezeigt, dass damit ebenso verschiedene Deutungs- und Wertungsmuster einhergehen, welche zu einem jeweils anderen Sprechen, Denken sowie Handeln führen. Dabei stellt die Theorie des Diskurses nach Jürgen Habermas ein Modell für die Interaktion und Kommunikation dar (siehe S. 23ff.), welches als Fundament dient. Wie sich diesbezüglich jedoch Differenzen zwischen der Schule und der Sozialen Arbeit zeigen, wird durch das Konzept «Sprachspiel» gemäss Ludwig Wittgenstein dargelegt (siehe S. 41ff.). Konflikte sind deshalb als selbstver­ständlich hinzunehmen, ohne dass ein institutioneller Vertrag, durch welchen eine gelin­gende Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Schule angemahnt wird, davon zu entlasten vermag - dies wird mit dem Konzept «Ironie» nach Richard Rorty nachvollziehbar (siehe S. 50ff.). Davon ausgehend lässt sich darstellen, was bezüglich der Kommunikation zu beach­ten ist und weshalb Konsense gewisse Tücken mit sich bringen, dessen sich die Beteiligten aber kaum bewusst sind. Stattdessen bleiben entgegen jeglichem professionellen Anspruch die Dissense auszuhalten und gar zu pflegen, um auszuschliessen, dass Probleme einem harmonischen Verhältnis zuliebe nicht mehr angesprochen und bearbeitet werden - dies wird durch das Konzept «Widerstreit» gemäss Jean-François Lyotard gerechtfertigt (siehe S. 58ff.).

zur Philosophie

Die in dieser Arbeit zum Einsatz gebrachten philosophischen Konzepte beziehen sich zwar aufeinander, trotzdem verwenden Ludwig Wittgenstein, Richard Rorty und Jean-François Lyotard nicht dieselben Termini. Um Missverständnisse zu verhindern, wird dargestellt, was jeweils als ‘Sprachspiel' (siehe S. 41ff.), ‘Diskurs' (siehe S. 23ff./ 58ff.) oder ‘Vokabular' (siehe S. 50ff.) zu verstehen ist. Ebenso gilt es, diese philosophischen Konzepte in ein Ver­hältnis zur Theorie des Diskurses nach Jürgen Habermas und den damit einhergehenden Bedingungen - die Transzendentalität und die Transzendenz - zu setzen (siehe S. 23ff.).

Prämisse

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass in der Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule, welche einer gleichberechtigten Zusammenarbeit verpflichtet ist, ein Teil der Res­sourcen darauf verwendet wird, Konflikte zu vermeiden oder zu bearbeiten. Diesem institutio­nellen Anspruch entspricht ein professioneller Aufwand (Vogel 2006): Die Kommunikation ist geprägt von einem sowohl manifesten als auch latenten Streben nach Verständigung sowie Einigung, weil Dissense als etwas Irritierendes erlebt sowie Anormales markiert sind und al­les getan wird, um Konsense zu erreichen. Mit der Theorie des Diskurses nach Jürgen Ha­bermas (1981/ 1984) werden das zwischenmenschliche Verhältnis und der sprachliche Aus­tausch nachvollziehbar, weil diesbezüglich kommunikative von strategischen Elementen un­terschieden werden: Informationen lassen sich demnach einerseits bezogen auf die Sache - als Argumente - einbringen, andererseits werden Diskurse bezüglich eigener Interessen lenkbar (Reichenbach 1994), indem das vorhandene Wissen zum Zweck der Macht einge­setzt wird. Zwar beschäftigt sich die sozialpädagogische Fachliteratur umfassend mit Schulsozialarbeit (Schermer & Weber 2002/ Speck 2006) und behandelt prominent auch die Kooperation mit den Lehrpersonen - jedoch nur bedingt kontrovers (als Beispiel: Konrad 1997) - so wird auch die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung als selbstverständ­lich vorausgesetzt (als Beispiel: Tillmann 2008). Durch Christian Vogel (2006) wird jedoch eine empirische Studie vorlegt, welche sich diesbezüglich abhebt: Im Fall «Eine Schule mit Schulsozialarbeit» wird dargestellt, wie in den Diskursen kommunikative zugunsten von stra­tegischen Elementen zurückgedrängt werden. Leider lassen sich aber keine anderen, ähn­lich gelagerten oder darauf aufbauenden, wissenschaftlichen Beiträge finden, welche in die­ser Arbeit ebenso verwendbar wären.

zur Literatur

Die Beiträge aus der sozialpädagogischen Fachliteratur sind - wie in den Sozialwissenschaf­ten üblich - nach Interesse und Relevanz ausgewählt. Diese Auswahl ist auf diejenigen deutschsprachigen Publikationen beschränkt, welche die Schulsozialarbeit thematisieren und sich mit der Kooperation, Interaktion oder Kommunikation auseinandersetzen. Dabei wird in dieser Arbeit nicht gesondert auf die Konzepte «Sozialpädagogische Schule» oder «Ganzta­gesschule» eingegangen - ebenso bleiben die unterschiedlichen Modelle, nach welchen Schulsozialarbeit im Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesens eingerichtet ist, unbe­achtet.

Fragen

Ausgehend von der Theorie von Jürgen Habermas sowie der Empirie nach Christian Vogel wird in dieser Arbeit die Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule als Kommunikation nachgezeichnet, in welcher sich unterschiedliche Disziplinen, Institutionen und Professionen mit jeweils eigenen Logiken sowie Rationalitäten gegenüberstehen: Zwar lässt sich nicht be­streiten, dass sich die Soziale Arbeit im schulischen Kontext verständigt - und auch einigt - doch die in die Diskurse (Habermas 1981/ 1984) eingebrachten Interessen führen dazu, dass neben kommunikativen auch strategische Elemente miteinbezogen sind (Vogel 2006). Dadurch lassen sich Konsense nur teils durch Argumente herbeiführen, stattdessen wird - um Dissense zu vermeiden - nicht nur Wissen, sondern auch Macht, bemüht oder ausgeübt. In dieser Arbeit soll deshalb nachvollziehbar sein, warum es wegen verschieden Deutungs­und Wertungsmuster der einzelnen Disziplinen, Institutionen sowie Professionen, welche mit einem jeweils anderen Sprechen, Denken sowie Handeln einhergehen, nur zu einer schein­baren Verständigung oder einer vermeintlichen Einigung kommt, und weshalb sich die damit einhergehende Inkommensurabilität kaum überwinden lässt.

Diesbezüglich gilt es, in dieser Arbeit folgende Fragen zu beantworten:

Wie lassen sich Differenzen von Schule und Sozialer Arbeit mit dem Konzept «Sprachspiel» nach Ludwig Wittgenstein darstellen?

Wie wird die Inkommensurabilität von Schule und Sozialer Arbeit mit dem Konzept «Ironie» von Richard Rorty nachvollziehbar?

Wie zeigen sich Kontroversen von Schule und Sozialer Arbeit im Konzept «Widerstreit» nach Jean-François Lyotard?

Soziale Arbeit im schulischen Kontext

Soziale Arbeit

Dass eine abschliessende Definition von Sozialer Arbeit nicht möglich ist, scheint bereits durch den Hinweis auf das «Sozialpädagogische Jahrhundert» (Bütow et al. 2008) ent­schuldbar: Nicht nur die Aufgaben selbst sind kaum aufzuzählen, sondern auch die Bereiche nicht vollständig auszumachen, in welchen Angebote der Sozialen Arbeit stattfinden - dar­über hinaus geht damit ein Wandel einher, welcher die disziplinären, institutionellen und pro­fessionellen Eigenschaften verändert (Bütow et al. 2008). In dieser Arbeit wird deshalb von folgender Definition ausgegangen: Die Angebote der Sozialen Arbeit zeichnen sich gemein­sam dadurch aus, dass die Interpretation der übernommenen Fälle auf eine Art und Weise durchgeführt wird, welche die Möglichkeiten des Sprechens, Denkens sowie Handelns erwei­tern (Heite 2011). Die Soziale Arbeit zeigt den Klientinnen und Klienten andere Deutungs­und Wertungsmuster auf, so dass ein Abwägen zwischen Chancen und Risiken wieder mög­lich wird: Eine erlahmte Situation gerät wieder in Bewegung. Die Soziale Arbeit entwickelt deshalb ein Verständnis dafür, wie jemand das Leben führt sowie die Welt auffasst, und nutzt dies, um Zweifel daran anzubringen und diesbezüglich einen Wandel zu bewirken (Thole & Ziegler 2012). Die Definition wird in dieser Arbeit in mehreren Schritten ergänzt: Ei­nerseits zeigt ein Beitrag zu Michael Winkler auf, wie Soziale Arbeit angelehnt an das Kon­zept «Sprachspiel» von Ludwig Wittgenstein zu erklären ist (siehe S. 44ff.). Andererseits stellt ein Beitrag zu Heiko Kleve dar, wie Soziale Arbeit angelehnt an das Konzept «Wider­streit» von François Lyotard zu verstehen ist (siehe S. 63ff.).

zum Terminus

Die Begrifflichkeiten richten sich nach der - mittlerweile in der sozialpädagogischen Fachlite­ratur üblichen - Differenzierung von Roland Merten (1998), so dass der Terminus ‘Soziale Arbeit' als Sammelbegriff dient. Diese Arbeit setzt sich mit der Sozialen Arbeit im schulischen Kontext auseinander, beschränkt sich jedoch auf die Schulsozialarbeit und lässt deshalb an­dere Formen der Jugendarbeit und -hilfe unbeachtet. Dabei werden die Termini ‘(Schul-)So- zialarbeit' und ‘Sozialpädagogik' gleichbedeutend verwendet - von der zitierten sozialpäda­gogischen Fachliteratur werden die Begrifflichkeiten übernommen.

Schulsozialarbeit

Gemäss Wilfried Wulfers (1996) lässt sich der Terminus ‘Schulsozialarbeit' als Sammelbe­griff auffassen, «der alle Aktivitäten einschliesst, die dazu geeignet sind, Konflikte und Dis­krepanzen bei Schülerlnnen, Eltern und Lehrerlnnen auf der Grundlage adäquater Methoden der Sozialarbeit (bzw. Sozialpädagogik) innerhalb der Schule oder auf die Schule bezogen abzubauen. So kann die unterrichtliche, soziale und psychische Situation der genannten Per­sonen verbessert werden. Die gewählten Aktivitäten sollen gleichzeitig zu einer Öffnung der Schulen nach innen und aussen beitragen und eine soziale Verbesserung des Schulklimas bewirken. Eine Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen, die in diesem Bereich arbeiten, ist unabdingbar» (S. 28). Diese Definition benennt damit viele - wenn auch nicht alle - Aufgaben, welche der Schulsozialarbeit zugeordnet werden und zeigt sich anschlussfähig zu der in dieser Arbeit dargelegten Definition von Sozialer Arbeit nach Albert Scherr (2002), Catrin Heite (2011) sowie Werner Thole & Holger Ziegler (2018). Um darüber hinaus die Kooperation im Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesens hervorzu­heben, lassen sich folgende Merkmale von Schulsozialarbeit gemäss Franz Schermer & An­gelika Weber (2002) ergänzen: «Unabhängig von der begrifflichen Unschärfe und den unter­schiedlichen Formen, in denen Schulsozialarbeit [...] durchgeführt wird, besteht in der Fach­diskussion jedoch Konsens darüber, dass eine erfolgreiche Tätigkeit im Rahmen der Schulsozialarbeit die Institution Schule und die darin unterrichtenden Lehrkräfte als Koopera­tionspartner gewinnen muss. Schulsozialarbeit bedarf insbesondere der Unterstützung durch die Lehrkräfte, denn nur dort, wo Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen konstruktiv zusammenarbeiten, können die Zielsetzungen von Schulsozialarbeit verwirklicht werden» (S. 44).

zur Historie

Sich mit der Geschichte von Schulsozialarbeit auseinanderzusetzen, hat ein Desiderat zu bleiben, obwohl manche Gegebenheiten durch eine historische Kontextualisierung wohl nachvollziehbarer würden - das Anliegen wäre mit dem Inhalt und Umfang dieser Arbeit je­doch nicht vereinbar, so dass diesbezüglich ein Hinweis auf Franz-Michael Konrad (1997) und Karsten Speck (2006) zu genügen hat. Nicht unerwähnt bleiben jedoch darf, dass die Soziale Arbeit im schulischen Kontext auf einer Entwicklung basiert, welche nicht erst mit der Schaffung der Schulsozialarbeit einsetzt - wie dies mit Bezug auf Pädagogen wie Karl Ma­ger, Siegfried Bernfeld oder Klaus Mollenhauer belegbar ist.

Rahmenbedingungen im Erziehungs- und Bildungswesen

Die Soziale Arbeit im schulischen Kontext scheint mittlerweile zwar zu einem Standard ge­worden zu sein (Tillmann 2008), ihre Funktion und Position lässt sich aber durchaus skep­tisch sowie kritisch darstellen: «Schule und Soziale Arbeit zwischen Wunsch und Wirklich­keit» (Hafen 2005), «Zu Gast in einem fremden Haus» (Baier 2007), «Sozialarbeit als Zwi­schenbühne» (Reinecke-Terner 2017). Gerade das - nach wie vor - nicht geklärte Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule trägt dazu bei, weil Ungewissheit davon ausgeht. Der Appell ‘Kooperiert jetzt endlich mal ohne Vorbehalte' hilft deshalb nicht, wie Klaus-Jürgen

Tillmann (2008) ausführt, stattdessen ist zu untersuchen, welche institutionellen sowie pro­fessionellen Bedingungen eine solche Zusammenarbeit prägen - dazu wird in dieser Arbeit ein Beitrag geleistet. Wie sich in der Definition sowohl der Sozialen Arbeit als auch der Schulsozialarbeit zeigt (siehe S. 15f.), sind die Kooperation sowie Kommunikation wesentli­che Merkmale für deren Tätigkeit - sich mit anderen auszutauschen und zusammenzuarbei­ten, zeichnet jede sozialpädagogische Disziplin, Institution oder Profession aus. Trotzdem gibt es nur vereinzelt wissenschaftliche Beiträge, welche die Kommunikation in der Koopera­tion untersuchen - die empirische Studie von Christian Vogel (2006) ist diesbezüglich als Beispiel anzuführen. In dieser Arbeit wird jedoch davon ausgegangen, dass die Zusammen­arbeit von Sozialer Arbeit und Schule massgeblich von der Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung der Akteure abhängt (siehe S. 36ff.). Deshalb wird anschliessend das Ver­hältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule ausgehend von der Kooperation sowie überlei­tend zur Kommunikation aufgezeigt, um auf deren Wechselwirkung hinzuweisen.

Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule

«Ist die Ehe von Sozialarbeit und Schule nicht deshalb ein sehr unglückliches Vorhaben, weil Schule institutionalisiert, verfestigt, gesellschaftlich relevant, Sozialarbeit ihr gegenüber eher unsicher, schwach und randständig ist? Die beiden meinen zu heiraten, es wird aber nur das Bündnis zwischen dem Hausherrn und einer Haushaltshilfe [...]» (Thiersch 1979, S. 4).

Mit Auszügen aus der sozialpädagogischen Fachliteratur wird herausgearbeitet, was unter der in dieser Arbeit besprochenen Kooperation zu verstehen ist und welche institutionellen sowie professionellen Bedingungen damit einhergehen:

Kooperation

In «Schulsozialarbeit zwischen Konflikt und Akzeptanz» zeigen Hannelore Faulstich-Wieland & Klaus-Jürgen Tillmann (1984) auf, wie mit der Sozialen Arbeit «eine gesonderte Instanz für nur unklar definierte Spezialprobleme installiert» wird (S.10), deren «pädagogisches Perso­nal» sich deutlich von den Lehrpersonen unterscheidet. Mögliche Konflikte ergeben sich nicht nur aus dem für die Schule fremden Theorien, Methoden und Praktiken (S. 11), son­dern vor allem durch eine mit Spannung einhergehende Beziehung: Obwohl die Soziale Ar­beit sich in einer an Status und Prestige unterlegenen Position befindet, zählt zu ihrem Kon­zept «einen kritischen Anspruch und ein kritisches Verhältnis» zur Schule zu entwickeln (S. 11). Weil die Lehrpersonen nicht über eine ebensolche Funktion gegenüber der Sozialen Ar­beit verfügen, ihr allerdings bezogen auf Schule an Wissen sowie Macht überlegen sind, blei­ben Konflikte wahrscheinlich (S. 12). Gemäss Faulstich-Wieland & Tillmann lassen sich diese wegen der geschilderten institutionellen sowie professionellen Bedingungen jedoch nicht uneingeschränkt konstruktiv bearbeiten (S. 12), so dass die Soziale Arbeit stets von der «Gefahr des Scheiterns» begleitet bleibt: In der Schule droht ihr, einerseits die Autonomie zu verlieren und andererseits in Opposition zu geraten (S. 13). Nicht zu vernachlässigen ist diesbezüglich, dass die Lehrpersonen eine deutliche Mehrheit bilden, so dass darüber hin­aus eine Marginalisierung droht (S. 12). Soziale Arbeit wird deshalb «nur dann pädagogisch wirksam [...], wenn es den Beteiligten gelingt, unter diesen ambivalenten Bedingungen zu ko­operieren, dass jede Gruppe zumindest einen Teil ihrer Interessen [...] einbringen kann» (S. 14) - für Faulstich-Wieland & Tillmann geht eine solche Zusammenarbeit deshalb mit «Kom­promissbereitschaft [...] auf allen Seiten» einher (S. 13).

Gemäss Franz-Michael Konrad (1997) lässt sich das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule nur bezüglich der Geschichte nachvollziehen: «Von der Konfrontation zur Koopera­tion» zeigt, wie zwar eine institutionelle sowie professionelle Differenzierung stattfindet - Tä­tigkeiten und Zuständigkeiten jedoch aufeinander bezogen bleiben. Die vor der Moderne durch die Familie ausgeführten Aufgaben im Bereich der Betreuung, Erziehung und Bildung werden mittlerweile zwar durch verschiedene Akteure bearbeitet, lassen sich aber nicht un­abhängig voneinander ausführen (S. 20ff.). Für «das Sozialpädagogische» legt Konrad dar, wie trotz Differenzierung deshalb «von der Konfrontation zur Kooperation» übergegangen wird, um dadurch der Schule als Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen Genüge zu tun (S. 27). Dadurch ergibt sich aber «die Notwendigkeit einer Bestimmung der je eigenen Aufga­benstellung aller Akteure im Kontext der anderen Sozialisationsinstanzen» (S. 30) - was be­sonders für die Schulsozialarbeit gilt. Die damit einhergehende Sachlichkeit und Nüchtern­heit lässt sich mit Thomas Olk (2004) fortsetzen, welcher bezogen auf die Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule eine «entideologisierten Debatte» feststellt (S. 70) - was die Öff­nung einander gegenüber zur gleichberechtigten Partnerschaft möglich macht. Damit wird unbestreitbar, dass die Schule bezogen auf Kinder und Jugendliche nicht nur eine Selektion durchzuführen hat, sondern auch der Integration verpflichtet ist - diesbezüglich eine «Ausba­lancierung» vorzunehmen, gelingt aber nur, wenn die Soziale Arbeit als gleichberechtigt mit­einbezogen wird (S. 72). Eine solche Zusammenarbeit lässt sich gemäss Olk nur im Rahmen einer «Kultur der kritischen Verständigung» umsetzen, in welchen Tätigkeiten und Zuständig­keiten gemeinsam besprochen werden (S. 77).

Mit «Kooperationsprobleme in der Schulsozialarbeit» (2005) zeigen Ulrich Otto & Petra Bauer auf, dass sich eine gleichberechtige Partnerschaft nur bedingt einlösen lässt, weil die «unklare fachliche Identität der SozialpädagogInnen» zu einem «kontinuierlichen Kampf um Anerkennung» führt (S. 19). Stattdessen wird von der Schule eine «heimliche Funktionsdefi­nition» vorgenommen, welcher der Profilierung der Sozialen Arbeit entgegensteht und zu de- ren prekärem Status und marginalem Prestige beiträgt (S. 20f.). Darüber hinaus belastet ge­mäss Otto & Bauer die «diffuse Allzuständigkeit» der Disziplin selbst die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Professionen, weil sich dadurch Tätigkeiten und Zuständigkei­ten nicht endgültig regeln lassen (S. 22). Im Gegensatz dazu setzt sich Bettina Pauli (2005) mit den «Potentialen» einer Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule auseinander (S. 77) und definiert diesbezüglich ein Verfahren, in welchem sich die Beteiligten aufgrund von ge­teilten oder sich überschneidenden Zielsetzungen in ihren Handlungsabläufen abstimmen (S. 78). Die dadurch angestrebte Optimierung von Ressourcen lässt sich jedoch in pädagogi­schen Kontexten nicht einlösen, so dass der Mehrwert anders ausgewiesen wird, um die Ko­operation verschiedener Institutionen und Professionen zu rechtfertigen - demnach geht die Zusammenarbeit von der Verwirklichung eines zwischen allen Beteiligten «kommunikativ ausgehandelten Zieles» aus (S. 79). Für Pauli drängt sich damit ein auf Transparenz und Partizipation basierender konzeptioneller Rahmen auf: «[E]inen theoretisch wie empirisch gut begründeten Handlungsplan, der so konkret wie möglich angibt, was von wem für wen wa­rum [...] und wie [...] getan werden soll [...]» (S. 79). Die Kooperation im pädagogischen Kon­text wird damit über eine Regulierung von Tätigkeiten und Zuständigkeiten festgelegt - was sich durchaus als Direktive auslegen lässt.

Dass sich das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule jedoch nur bedingt im ge­wünschten Masse klären oder entscheiden lässt, legen die von Klaus-Jürgen Tillmann (2008) als «Kooperationsbarrieren» bezeichneten Thesen dar: Erstens sind die jeweiligen Kompe­tenzen kaum genügend wechselseitig bekannt, weshalb auch keine erfüllbare Erwartung an die Zusammenarbeit formuliert wird (S. 382). Zweitens zeigt sich in der Zulassung von Spezi­alisten in Schulen häufig das «Gefühl eigener Überforderung» und der Wunsch nach Entlas­tung (S. 383), was einer gleichberechtigten Kooperation entgegensteht und eher zu einer Ar­beitsteilung führt. Drittens steht die Befürchtung seitens der Sozialen Arbeit, zu einer «Repa­raturagentur» - auch als «soziale Feuerwehr» (Homfeldt & Schulze-Krüdener 1997, S. 37f.) bezeichnet - reduziert zu werden, konträr zur Hoffnung seitens der Schule, eine solche Un­terstützung zu erhalten (S. 384). Deshalb nützt der Appell ‘Kooperiert jetzt endlich mal ohne Vorbehalte' gemäss Tillmann kaum etwas, wenn nicht «die guten Erfahrungen, die man sich selbst verschafft», für die Beteiligten in der Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Schule spürbar werden (S.389). Diesbezüglich wird auf das wechselseitige Vertrauen verwiesen, welches sich weder regeln noch verordnen lässt, aber dazu dient, wie Melanie Fabel-Lamla (2011) aufzeigt, der Ungewissheit im zwischenmenschlichen Verhältnis zu begegnen, und damit unentbehrlich für jede Kooperation von Institutionen und Professionen wird (S. 197ff.). Um das wechselseitige Vertrauen aufrechtzuerhalten, bedarf es einer «kommunikativen Re­flexivität», über welche sich die Beteiligten verständigen und einigen, so dass neben der blossen Information auch die Koordination und Diskussion miteinbezogen sind (S. 210) - für Fabel-Lamla werden damit kommunikative Strukturen und Prozesse erheblich.

Die Kooperation von Sozialer Arbeit und Schule wird in dieser Arbeit deshalb bezüglich der Kommunikation weitergeführt, was sich in der sozialpädagogische Fachliteratur - wie darge­stellt - als zentrale Thematik zeigt: So mahnt Thomas Olk eine «Kultur der kritischen Ver­ständigung» (siehe S. 18) an, Bettina Pauli fordert ein «kommunikativ ausgehandeltes Ziel» (siehe S. 19) für die Zusammenarbeit und Melanie Fabel-Lamla verweist auf eine «kommuni­kative Reflexivität» (siehe S. 19), mit welcher das wechselseitige Vertrauen aufrechterhalten wird. Andere Aspekte und Perspektiven der Kooperation, insbesondere die verschiedenen Modelle, nach welchen Schulsozialarbeit im Rahmen des Erziehungs- und Bildungswesens eingerichtet ist, werden nicht weiter ausgeführt.

Mit Auszügen aus der sozialpädagogischen Fachliteratur wird herausgearbeitet, was unter der in dieser Arbeit besprochenen Kommunikation zu verstehen ist und welche institutionel­len sowie professionellen Bedingungen damit einhergehen:

Kommunikation

Für Franz Bettmer et al. (2002) lässt sich die Kommunikation im Verhältnis zwischen Sozia­ler Arbeit (als Kinder- und Jugendhilfe) und Schule nur nützlich sowie gelingend umsetzen, wenn der Bereich, in welchem sich die Aufgaben überschneiden, ohne Vorbehalte themati­siert wird - insbesondere die Angst, das Gesicht zu verlieren, gilt es diesbezüglich zu über­winden (S. 14). Demnach besteht die der Schulsozialarbeit zugewiesene, eigenständige Funktion in der «kommunikativen Bearbeitung des Überschneidungsbereichs», so dass in einem solchen Rahmen die «gemeinsame Verständigung über die Realisierung sozialpäda­gogischer Elemente» stattfinden kann (S. 14) - und muss. Damit wird die Schulsozialarbeit als übersetzende und vermittelnde Instanz in das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit (als Kinder- und Jugendhilfe) und Schule eingebracht. Für eine solche Position, durch welche die Differenzen ungleicher Systeme zu überbrücken sind, wird die Kommunikation wesentlich (S. 19). Dadurch lässt sich ebenso umsetzen, was Bettmer et al. als «Normalisierung von Sozi­alpädagogik» bezeichnen: So müssen - und können - die Klientinnen und Klienten von Sozi­aler Arbeit (als Kinder- und Jugendhilfe) und Schule kaum noch separieren werden, weil po­tentiell von einem Unterstützungsbedarf bei allen Menschen ausgegangen wird (S. 19ff.). Deshalb sind die Implementierung und Etablierung von geeigneten Strukturen sowie Prozes­sen der Kommunikation nötig. Welche Mängel oder Lücken diesbezüglich bestehen zeigen Bettmer et al. auf (S. 23ff.). Deshalb werden institutionelle sowie professionelle Bedingungen sowohl seitens der Sozialen Arbeit (als Kinder- und Jugendhilfe) wie auch seitens der Schule formuliert, welche zu einer nützlichen und gelingenden Kommunikation beitragen (S. 35ff.) - dadurch soll eine «gleichberechtigte, gleichwohl Differenzen akzeptierende und auch Kon­flikte aushaltende Zusammenarbeit» ermöglicht werden (S. 39).

Mit Franz Bettmer et al. wird der Versuch einer «theoretischen und empirischen Klärung des Verhältnisses zwischen [Sozialer Arbeit, als Kinder- und; P.S.] Jugendhilfe und Schule unter­nommen. Dies stützt sich massgeblich auf die Implementierung und Etablierung von geeig­neten Strukturen und Prozessen der Kommunikation, was sich als Entwicklung von Organi­sation auslegen lässt (S. 23ff.): Der zwischen den Professionen stattfindende Austausch dient dazu, sich eines zwischen den Institutionen bestehenden Anliegens anzunehmen. Für Bettmer et al. ergeben sich dadurch nicht nur ein Bedarf für, sondern auch ein Anspruch an Kommunikation, welcher jedoch nicht weiter ausführt wird. Gerade wie sich die Differenzen von Sozialer Arbeit (als Kinder- und Jugendhilfe) und Schule als ungleiche Systeme überbrü­cken lassen (S. 19), oder wie die für die Schulsozialarbeit geforderte «Vermittlungs- und Übersetzungsfunktion» (S. 40) genau wirkt, bleibt offen. Diesbezüglich lassen sich das in dieser Arbeit dargelegte Thema, Interesse und Problem (siehe S. 10ff.) erahnen: Sind die Differenzen eigentlich zu überbrücken? Ist ein Vermitteln - oder gar Übersetzen - möglich? Wie gestaltet sich eine Verständigung oder Einigung? Weil sich darauf nur eingehen lässt, wenn die Kommunikation selbst betrachtet wird - und nicht deren Strukturen und Prozesse in der Organisation - wird in dieser Arbeit mit Christian Vogel (2013) auf den Diskurs vorge­griffen, welcher mit der Theorie von Jürgen Habermas eingehend untersucht wird (siehe S. 23ff.). Nur dadurch zeigt sich, wer was zur Sprache bringt und wie sich dadurch die Zusam­menarbeit gestaltet (S. 200ff.) - auch wenn sich die Beteiligten dessen nur bedingt bewusst sind, so dass ein «Mythos Kooperation» auszumachen ist, durch welchen die Kommunika­tion kaum noch den ihr bestimmten Sinn und Zweck erfüllt (S. 201).

Bezüglich der Organisation von Schulsozialarbeit stellt Vogel fest, dass gerade die «Koope­ration als Leitmotiv» zu einer Institutionalisierung geführt hat (S. 197), welche sich ebenso als Deprofessionalisierung auslegen lässt (S. 217). So zeigt sich in der Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit und Schule ein «normativer Bezugspunkt der Debatte», obwohl eine «Hetero­genität der Konzeptionen und Definitionen von dem, was Schulsozialarbeit ist oder sein sollte, [besteht; P.S.]» (S. 197). Statt sich der Ungewissheit zu stellen und sich um eine Ver­ständigung oder Einigung zu bemühen, wird - ausgehend von der Kooperation als Norm - ein «legitimierender Diskurs» geführt (S. 198), welcher nicht mehr alle Möglichkeiten des Sprechens, Denkens sowie Handelns zulässt. Gemäss Vogel wird dadurch die Schulsozial­arbeit nicht nur in den Zuständigkeiten, sondern auch in den Tätigkeiten geprägt: Die ihr zu­gewiesene Funktion und Position in der Schule sowie deren Form als hierarchisches Refe­renzsystem sorgen dafür, dass die Kommunikation verzerrt wird (S. 200ff.). Dadurch büsst die Soziale Arbeit ihren «kritischen Impetus» ein, ebenso werden die Reflexivität einge­schränkt und gewisse Phänomene der Diskussion entzogen. Die von der Gesellschaft in die Schule getragenen Spannungen bleiben damit ungelöst, werden stattdessen zwischen den an den Diskursen beteiligten Personen hin- und hergeschoben oder durch diese aufgenom­men und mit sich selbst ausgemacht (S. 222). Deshalb plädiert Vogel dafür, die Praxis der Schulsozialarbeit mit alternativen Theorien zu thematisieren, welche nicht der Kooperation als Norm ausgehen (S. 224ff.). Dadurch lässt sich der «legitimierende Diskurs» verlassen, so dass nicht nur bezogen auf die Schule im Speziellen, sondern bezogen auf die Sozialen Ar­beit als Disziplin, für welche die Kooperation sowie Kommunikation wesentlich sind, im Ge­nerellen andere Möglichkeiten des Sprechens, Denkens sowie Handelns in Erwägung gezo­gen werden können - und müssen.

Obwohl sich mit Christian Vogel (2006/ 2013) zeigen lässt, dass die Schule ein hierarchi­sches Referenzsystem darstellt, welches die Kooperation prägt und die Kommunikation ver­zerrt, werden die damit einhergehenden Thesen in dieser Arbeit nicht weiterverfolgt - andere Teile der empirischen Studie aber sehr wohl aufgenommen (siehe S. 36ff.). Einerseits weil diese Problematik sich bezogen auf das Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule auf diese Art und Weise nur bedingt generalisieren lässt - wie Vogel selbst ausführt (2006/ 2013) - andererseits weil sich durch die Theorie des Diskurses nach Jürgen Habermas so­wie die philosophischen Konzepte von Ludwig Wittgenstein, Richard Rorty und Jean- François Lyotard andere Perspektiven sowie Aspekte aufdrängen, so dass die Anlage dieser Arbeit wegen der zur Verfügung stehenden Ressourcen bezüglich Inhalt und Umfang auf das dargelegte Thema, Interesse und Problem (siehe S. 10ff.) zu begrenzen ist. Die mit dem hie­rarchischen Referenzsystem der Schule einhergehenden institutionellen sowie professionel­len Bedingungen werden also nur zurückhaltend miteinbezogen, um diesbezüglich eine Kon- textualisierung der Sozialer Arbeit und Schule vorzunehmen.

Wie sich in der Definition sowohl der Sozialen Arbeit als auch der Schulsozialarbeit zeigt, sind die Kooperation sowie Kommunikation wesentliche Merkmale für deren Tätigkeit (siehe S. 15f.). Mit Auszügen aus der sozialpädagogischen Fachliteratur wird in dieser Arbeit ge­zeigt, wie das prekäre - weil nicht geklärte - Verhältnis zwischen Sozialer Arbeit und Schule die Zusammenarbeit belastet (siehe S. 17ff.). Aus der Wechselwirkung von Kooperation und Kommunikation - wie dargestellt - ergibt sich deshalb das Desiderat, den zwischenmenschli­chen Austausch auf die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung zu untersuchen, was anschliessend mit der Theorie des Diskurses nach Jürgen Habermas umgesetzt wird.

Diskurs - Jürgen Habermas

Verständnis von der Gesellschaft

Ausgehend vom Vergleich sozialwissenschaftlicher Theorien versucht Jürgen Habermas ein Verständnis von der Gesellschaft zu erlangen, welches sowohl subjektivistische als auch ob­jektivistische Ansätze überwindet (Habermas 1971, S. 11ff.). Zwischen solchen die menschli­che Lebenswelt nur ungenügend widergebenden Theorien liegt der Vorschlag, diesbezüglich die Interaktion und Kommunikation zu thematisieren: Habermas bezieht sich dabei einerseits auf die «Theorie des Rollenspiels» von George Herbert Mead und andererseits auf die «The­orie der Sprachspiele» nach Ludwig Wittgenstein (S. 28). Das sich daraus ergebende Ver­ständnis von der Gesellschaft basiert auf Menschen als in ihrer Lebenswelt miteinander sprechende sowie handelnde Wesen und stellt einen Versuch dar, Intersubjektivität neu zu deuten: Dabei wird in jeder Interaktion und Kommunikation die Verständigung so angestrebt, dass sich ein Einverständnis herbeiführen lässt, «welches in der intersubjektiven Gemein­samkeit des wechselseitigen Verstehens, des geteilten Wissens, des gegenseitigen Vertrau­ens und des miteinander Übereinstimmens terminiert» (Habermas 1976b, S. 355). Weil in solchen «Sprechhandlungen» allgemeine Geltungsansprüche erhoben und deren Einlösbar­keit unterstellt werden, bezeichnet Habermas die darauf basierende sozialwissenschaftliche Theorie als «Universalpragmatik».

Für Jürgen Habermas lässt sich die Gesellschaft als sozialwissenschaftliches Konstrukt nur untersuchen, wenn diese auf den zwischenmenschlichen Austausch zurückgeführt wird (Ha­bermas 1971, S. 11ff.). Diesbezüglich zeigt sich, dass jedes Sprechen mit einem Handeln zusammengeht oder auf irgendeine Art und Weise damit verbunden ist: George Herbert Mead stellt fest, dass sich menschliches Verhalten in Symbole zerlegen lässt und so wie eine Sprache interpretierbar ist (Mead & Morris 1973). Dadurch wird nachvollziehbar, wes­halb sich der Ausdruck mit Mimik und Gestik verbindet, und warum sich manche Symbole nur in gewissen Kulturen verstehen lassen. Ludwig Wittgenstein weist mit Beispielen darauf hin, dass Worte und Sätze für andere Menschen nur verständlich sind, wenn ein bestimmtes Tun damit einhergeht (Wittgenstein 2015). So ist auch die Sozialisation darauf zurückführen, dass sich Sprechen sowie Handeln gegenseitig aufeinander beziehen. Deshalb nimmt Ha­bermas die «Sprechakttheorie» nach John L. Austin auf und entwickelt diese im Rahmen der «Universalpragmatik» weiter (Habermas 1976b, S. 385), was den Gebrauch des Terminus ‘Sprechhandlung' erklärt. Der zwischenmenschliche Austausch - und damit die Gesellschaft als sozialwissenschaftliches Konstrukt - lässt sich danach also nur verstehen, wenn sowohl das Sprechen als auch das Handeln der Menschen untersucht wird.

Kontrafaktizität - Transzendentalität

Menschen begegnen sich gemäss Jürgen Habermas nicht unvoreingenommen, sondern ge­hen davon aus, dass eine Verständigung sowie Einigung möglich sind. Dabei wird die von George Herbert Mead vorgebrachte Metapher «universe of discourse» aufgenommen, wel­che die Idee einer Unendlichkeit von Interaktion und Kommunikation darstellt (Corsten 2011, S. 94). Demnach verhalten sich Menschen in einer Begegnung so, als könnte man sich ver­ständigen und einigen, und würden deshalb eine «ideale Situation des Sprechhandelns» an­tizipieren, obwohl dies nicht unbedingt mit der Wirklichkeit übereinstimmen müsste. Dies stellt ein Teil der mit der Theorie des Diskurses einhergehenden «transzendental pragmati­sche Bedingungen» dar und wird von Habermas deshalb als «kontrafaktisch» bezeichnet - die Beteiligten sind sich sehr wohl bewusst, dass davon abweichendes Verhalten im zwi­schenmenschlichen Austausch vorkommt (Corsten 2011, S. 94). So lässt sich nachvollzie­hen, weshalb die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen, vorhanden ist: Die Menschen hoffen auf die Möglichkeit einer Verständigung sowie Einigung. Die von Habermas vorge­brachte «ideale Situation des Sprechhandelns» geht also mit Normativität einher, weil der zwischenmenschliche Austausch sich an spezifischen Kriterien orientiert (Keller 2011, S. 121), dadurch zeigt sich die Transzendentalität der Theorie des Diskurses.

Verständigung und Einigung

Für Jürgen Habermas müssen Menschen ihr Handeln mit anderen abstimmen, über das Sprechen findet diesbezüglich eine Vermittlung statt: «Also sind die Grenzen des Handelns durch die Grenzen der Sprache gezogen» (Habermas 1970, S. 161). Doch nach welchen spezifischen Kriterien lässt sich im zwischenmenschlichen Austausch eine solche Verständi­gung und Einigung zwischen den Beteiligten einschätzen? Habermas formuliert dazu ein an­lässlich des Bemühens um eine «Kommunikationstheorie» vorgebrachtes Desiderat: «Ich habe ‘Universalpragmatik' als Name für das Forschungsprogramm vorgeschlagen, das da­rauf gerichtet ist, die universale Geltungsbasis der Rede zu rekonstruieren» (Habermas 1976b, S. 357). So wird der Gebrauch der Sprache im Rahmen der Gesellschaft nachge­zeichnet - bezugnehmend auf das interdependente Verhältnis von Sprechen und Handeln: Erstens hat der Anspruch «sich verständlich auszudrücken» Gültigkeit, was bedingt, dass die Beteiligten dieselbe Sprache verwenden. Dies als «Verständlichkeit» bezeichnete Erforder­nis verweist auf grammatische und semantische Regeln, welche in der Rede gelten. Dabei wird von den Beteiligten erwartet, dass ihnen diesbezüglich ein Austausch möglich ist, weil die dafür notwenigen sprachlichen Kenntnisse vorhanden sind (Habermas 1971). Zweitens gilt der Anspruch «etwas zu verstehen zu geben» und führt dazu, dass jede Aussage mit der Darstellung eines Gegenstands oder Sachverhalts einhergeht - es wird eine Proposition vor­genommen. Von den Beteiligten des Austauschs wird erwartet, dass dies der «Wahrheit» entspricht: Was ausgesagt wird, lässt sich auf die «Objektivität der äusseren Natur» zurück­führen und ist mit ihr vereinbar (Habermas 1971). Drittens hat der Anspruch «sich dabei ver­ständlich zu machen» Gültigkeit, was bedingt, dass sich die Beteiligten intentional wahrhaftig mitteilen. Dies auf die «Subjektivität der inneren Natur» zurückzuführende Erfordernis schliesst sowohl das Lügen als auch das Täuschen aus. Diese «Wahrhaftigkeit» geht mit ei­nem ehrlich gemeinten Austausch einher, in dem die Beteiligten sich offen begegnen (Haber­mas 1971). Viertens gilt der Anspruch «sich miteinander zu verständigen» und führt dazu, dass jede Aussage etwas zur zwischenmenschlichen Beziehung beiträgt - es wird eine Re­lation vorgenommen. Von den Beteiligten des Austauschs wird erwartet, dass dies der «Richtigkeit» entspricht: Was ausgesagt wird, lässt sich auf die «Normativität der Gesell­schaft» zurückführen und ist mit ihr vereinbar (Habermas 1971). Für Habermas folgt aus ei­ner solchen Verständigung im Sprechen und Handeln die Möglichkeit, diesbezüglich auch eine Einigung zu erreichen: Die universale Geltungsbasis der Rede zeigt eine ideale Situa­tion auf, durch welche der zwischenmenschliche Austausch zu einem Konsens der Beteilig­ten führt (Habermas 1971, S. 104). Die dafür geltenden Prämissen werden bezüglich der Vernunft zusammengefasst: «Verständlichkeit, Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit. Diese Ansprüche [der universalen Geltungsbasis der Rede; P.S.] konvergieren in einem ein­zigen: dem der Vernünftigkeit» (Habermas 1971, S. 104). Die «Kommunikationstheorie» ba­siert also einerseits auf einer Idealität, bei der nachzuprüfen ist, wie sich dies in die menschli­che Lebenswelt übertragen lässt. Andererseits rekurriert die «Universalpragmatik» auf die Rationalität, für die zu untersuchen ist, ob sich dies im Sprechen und Handeln ebenso zeigt. «Es lässt sich kein anderer letzter Bezugspunkt [als die Vernünftigkeit; P.S.] für den denken­den, handelnden und sprechenden Menschen in Alltag und Wissenschaft ausmachen. Wir alle argumentieren rational, jedenfalls versuchen wir es» (Horster 2001, S. 58). Diesbezüg­lich bringt Habermas - von ihm als Behauptung formuliert - vor, «dass die in der sprachli­chen Kommunikation selbst angelegten Idealisierungen keineswegs nur eine bestimmte his­torische Gestalt der Vernunft zum Ausdruck bringt» (Habermas 1971, S. 105), sondern sich aus der Struktur und dem Prozess der Rede sowie derer Bezug auf die Lebenswelt begrün­den lassen.

Kommunikatives versus strategisches Handeln

Nach Jürgen Habermas geht der Gebrauch der Sprache im Rahmen der Gesellschaft sowohl mit einem propositionalen als auch relationalen Gehalt einher (Habermas 1976b, S. 404ff.): Die Beteiligten tauschen sich nicht bloss «über etwas» aus und stellen einen Gegenstand o­der Sachverhalt dar, sondern verhalten sich auch «zu etwas», so dass die zwischenmensch­liche Beziehung gepflegt wird. Jede Aussage enthält also propositionale und relationale Ele­mente, so dass Sprache in sich reflexiv angelegt ist (Habermas 1976b, S. 407). In der «Sprechakttheorie» nach John L. Austin wird diese Analyse genutzt, um die Wirkung einer Aussage zu charakterisieren, was in dieser Arbeit aber nicht weiter ausgeführt wird. Stattdes­sen lässt sich auf eine andere, darauf zurückführende Unterscheidung verweisen, welche für ein Verständnis des Diskurses unabdinglich ist: Nach Habermas findet die Rede einerseits auf einer sachlichen Ebene statt, was mit der «erkenntniskonstituierender Darstellung» in Sprache einhergeht (Habermas 1971, S. 59ff.): Der propositionale Gehalt eine Aussage lässt sich demnach einem kognitiven Gebrauch der Sprache zuordnen - es geht um empirische Tatsachen (Habermas 1971, S. 80). Nicht unabhängig davon findet die Rede andererseits auf einer Ebene der Intersubjektivität statt, was auf eine sinnkonstituierende Beziehung in Sprache zurückzuführen ist (Habermas 1971, S. 59ff.): Der relationale Gehalt einer Aussage lässt sich damit auf einen kommunikativen Gebrauch der Sprache zurückführen - es geht um soziale Tatsachen (Habermas 1971, S. 81). Habermas schlägt dazu eine «generative Theorie der Sprache» vor, um die Regelsysteme zu rekonstruieren, nach denen «die symbo­lische Realität der Gesellschaft» durch die Beteiligten selbst erzeugt wird (Habermas 1971, S. 82). In dieser Arbeit werden die erwähnten Ansätze jedoch nicht weiter ausgeführt, statt­dessen dient dieses Modell für die Interaktion und Kommunikation dazu, ein Verständnis für die Theorie des Diskurses nach Habermas zu erlangen. Eine weitere Analyse betrifft diesbe­züglich die Unterscheidung zwischen einem kommunikativen und strategischen Gebrauch der Sprache - was in der «Universalpragmatik» ebenso als Handlung bezeichnet wird (siehe S. 23): Strategisches Handeln lässt sich als Grenzfall des kommunikativen Handelns auffas­sen, welcher eintritt, «wenn zwischen den Partnern die umgangssprachliche Kommunikation als Mittel der Konsenssicherung zusammenbricht [...]. Denn dem strategischen Handeln lie­gen Regeln einer zweckrationalen Mittelwahl zugrunde, die jeder Handelnde prinzipiell für sich alleine vornimmt» (Habermas 1971, S. 23). Als kommunikativ lässt sich dagegen ein Gebrauch der Sprache bezeichnen, bei dem «die Verständigung über Gegenstände (oder Sachverhalte) der Herstellung einer interpersonalen Beziehung dient» (Habermas 1971, S. 94). «Der Begriff des kommunikativen Handelns nötigt dazu, die Aktoren auch als Sprecher und Hörer zu betrachten, die sich auf etwas in der objektiven, sozialen oder subjektiven Le­benswelt beziehen und dabei gegenseitig Geltungsansprüche erheben, die akzeptiert und bestritten werden können» (Habermas 1982, S. 588). Für strategisch handelnde Menschen stellt die sprachliche Kommunikation ein blosses Mittel zum Zweck dar - es zeigt sich eine rationale Orientierung an der Folge einer Handlung. «Rentabilität bildet den Massstab, nach dem der Erfolg kalkuliert werden kann. [...] Allein, dieser konsequenzorientierte Sprachge­brauch verfehlt das in der Sprache selbst angelegte Telos eines Einverständnisses, das Kommunikationsteilnehmer miteinander über etwas erzielen können» (Habermas 1980, S. 579). Habermas wertet also den kommunikativen gegenüber dem strategischen Gebrauch der Sprache auf, damit geht Normativität einher: Demnach lässt sich Gesellschaft nur verste­hen, wenn Handelnde sich austauschen und dabei nicht nur eigene Interessen verfolgen, sondern sich um eine Verständigung sowie Einigung bemühen.

Diskurs

Nach Jürgen Habermas geht kommunikatives Handeln davon aus, «dass die Beteiligten sich wechselseitig für zurechnungsfähig halten, also unterstellen, dass sie den [...] Egozentrismus überwunden haben und zwischen der Intersubjektivität der Sprache, der Objektivität der äusseren Natur, der Subjektivität der inneren Natur und der Normativität der Gesellschaft un­terscheiden können und dass sie sich wechselseitig für verständigungsbereit halten, sich also gegenseitig die Disposition unterstellen, auf der Grundlage eines Konsenses über die [...] redeimmanenten Geltungsansprüche [...] zu handeln bzw. einen solchen Konsens herzu­stellen [...]» (Habermas 1974a, S. 245). Bezüglich des kommunikativen Handelns lässt sich damit gemäss Habermas ein Diskurs formulieren, welcher sowohl auf Idealität basiert als auch auf Rationalität rekurriert (siehe S. 25): Bei der Antwort auf die Frage «Was verstehen wir unter einem Diskurs?» zeigt sich, dass diesbezüglich auf den kognitiven Gebrauch der Sprache eingegangen wird, weil sich nur der propositionale Gehalt einer Aussage der als Ar­gumentation bezeichneten Form der Kommunikation - dem Diskurs - zugänglich machen lässt (Habermas 1971, S. 114). Damit dieser aber möglichst angemessen verhandelt wird, sorgt die Geltungsbasis der Rede dafür, dass der relationale Gehalt einer Aussage feststeht - und damit neutralisiert wird (siehe S. 25f.). So lässt sich der Diskurs als Modell für den kommunikativen Gebrauch der Sprache darstellen, denn sogar über die Ansprüche der Gel­tungsbasis der Rede selbst lässt sich debattieren. Argumente haben demnach eine begrün­dende Funktion, welche die Anerkennung eines bestimmten Inhalts befördert - Habermas verweist einerseits auf eine «rationale Motivation» in der «Logik des Diskurses» (Habermas 1971, S. 115) und dem damit einhergehenden «zwanglose[n] Zwang des besseren [...] Argu­mentes» (Habermas 1971, S. 116). «Die Idee des [...] Konsensus verlangt von den Teilneh­mern eines Diskurses die Fähigkeit, zwischen Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, Sein und Sollen zuverlässig zu unterscheiden [...]» (Habermas 1971, S. 117) - dies lässt sich nicht an endgültigen, unabhängigen Kriterien festmachen, sondern hat ebenso aus in Diskursen bestimmten Konsensen zu folgen. Eine abschliessende Wahrheit oder Richtigkeit besteht gemäss Habermas im zwischenmenschlichen Austausch also nicht, stattdessen stellt das kommunikative Handeln eine Möglichkeit dar, sich über eine strittige Deutung oder Wertung zu verständigen sowie zu einigen (Horster 2001, S. 21).

Theoretischer und praktischer Diskurs

Doch die Möglichkeit, die in einer «ideale Situation des Sprechhandelns» implizite Geltungs­basis der Rede im Rahmen eines Diskurses explizit abzuhandeln, ist begrenzt. Nach Roland Reichenbach lassen sich sowohl die Verständlichkeit, ohne die der Gebrauch der Sprache überhaupt unmöglich wäre, als auch die Wahrhaftigkeit, welche schlichtweg unüberprüfbar ist, nicht der als Argumentation bezeichneten Form der Kommunikation - dem Diskurs - zu­gänglich machen (Reichenbach 1994, S. 72ff.). So verbleibt einerseits der Fall, sich über den Geltungsanspruch der Wahrheit auszutauschen: Die in einer Aussage erfolgte Darstellung eines Gegenstands oder Sachverhalts wird bestritten, so dass Gründe vorzubringen sind, wie sich die Proposition unterstützen oder widerlegen lässt - was von Habermas als «theore­tischer Diskurs» (Habermas 1974b) bezeichnet wird. Andererseits verbleibt der Fall, sich über den Geltungsanspruch der Richtigkeit auszutauschen: Der in einer Aussage vorge­brachte Beitrag zur zwischenmenschlichen Beziehung wird angezweifelt, so dass zu bespre­chen ist, auf welche gesellschaftlichen Normen sich die Relation stattdessen gründet - was von Habermas als «praktischer Diskurs» (Habermas 1974b) bezeichnet wird. Der kommuni­kative lässt sich also in gewissem Masse in einen kognitiven Gebrauch der Sprache überfüh­ren, welcher erlaubt, sich durch Argumente zu verständigen und zu einigen - über den Dis­kurs lässt sich der relationale zugunsten des proportionalen Gehalts eine Aussage neutrali­sieren.

Lebenswelt

Für Jürgen Habermas findet kommunikatives Handeln im Rahmen einer Lebenswelt statt, welche den Gebrauch der Sprache durch die Menschen prägt: Diese wird nämlich durch eine in den Diskurs eingebrachte Aussage mitthematisiert: Argumente haben den Charakter von «in ihrem Kontext verständlichen Handlungen», mit denen sich die Menschen auf ihre - ge­teilte - Lebenswelt beziehen (Horster 2001, S. 72). Den kommunikativ Handelnden ist es aber nur bedingt möglich sich damit auseinanderzusetzen, weil sich darin ein implizites Wis­sen zeigt, «das nicht in endlich vielen Propositionen dargestellt werden kann; es ist ein holis­tisch strukturiertes Wissen, dessen Elemente aufeinander verweisen, und es ist ein Wissen, das uns insofern nicht zur Disposition steht, als wir es nicht nach Wunsch bewusst machen und in Zweifel ziehen können. Die Lebenswelt ist im Modus von Selbstverständlichkeiten ge­genwärtig, mit denen die kommunikativ Handelnden intuitiv so vertraut sind, dass sie nicht einmal mit der Möglichkeit ihrer Problematisierung rechnen. Die Lebenswelt wird nicht im strikten Sinne ‘gewusst', da explizites Wissen dadurch charakterisiert ist, dass es bestritten und begründet werden kann» (Habermas 1982, S. 591). Den Menschen bleibt also die Le­benswelt teils unverfügbar, trotzdem wird das kommunikative Handeln dadurch geprägt, weil ihre Deutungs- und Wertungsmuster davon abhängen - die Lebenswelt stellt deshalb eine Ressource für die Interpretation dar (Habermas 1982, S. 591).

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die Theorie des Diskurses nach Jürgen Ha­bermas - wie dargestellt - wesentlich von der Idee der Lebenswelt abhängt, deshalb wird anschliessend mit Albrecht Wellmer ein Beitrag miteinbezogen, welcher versucht, die Idee der Lebenswelt zu deuten: Diese lässt sich demnach als Kontext auffassen, in welchem die Geltungsbasis der Rede geklärt wird. Über Verständlichkeit, Wahrheit, Richtigkeit und Wahr­haftigkeit ist also nur in einem Kontext zu entschieden - diesbezüglich stellt die Lebenswelt eine Ressource für die Interpretation dar.

Immanenz - Transzendenz

Für Albrecht Wellmer (1992) zeigt sich im kommunikativen Handeln, wie die Bedeutung und die Geltung von Aussagen miteinander verbunden sind. Mit der Diskursivität und Performati- vität von Sprache geht einher, dass ein Verstehen möglich wird, wenn man weiss, was ein Anerkennen bedingt (S. 19). Die Verständigung im Rahmen des kommunikativen Handelns hängt deshalb von der Einigung über die Gültigkeit von Aussagen ab: Sprachlicher Sinn er­schliesst sich nur über eines an Geltung orientierten Verstehens - aus einem solchen Aner­kennen folgt dann die Bedeutung (S. 22). Nach Wellmer transzendieren die von Jürgen Ha­bermas diesbezüglich dargestellten Ansprüche von Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaf­tigkeit und Richtigkeit (siehe S. 24ff.) die Kontexte, in denen darauf Bezug genommen wird, weil die Diskurse darüber, sich sowohl von den beteiligten Personen als auch den betreffen­den Situationen ablösen lassen (S. 23). «Dass sie [die Ansprüche; P.S.] zu Recht erhoben werden, heisst nichts anderes, als dass jeder, der sie verstehen könnte und in der Lage wäre sie zu überprüfen, ihnen mit Gründen müsste zustimmen können. Dies - und nichts anderes - meint die These (oder kann die These meinen), dass mit jedem [...] Anspruch die Möglich­keit eines [...] rationalen Konsenses antizipiert wird» (S. 23). Die auf einer solche Einigung basierende Verständigung bedingt für Wellmer aber, dass von einer in sich geschlossenen Lebenswelt ausgegangen wird, in welcher die Auswahl an Gründen begrenzt ist: Ansprüche müssen in den Kontexten, in denen sie erhoben werden, «und mit den Mitteln, die in solchen Kontexten zur Verfügung stehen, begründet [...] werden» (S. 24). Die Gültigkeit von Aussa­gen wird deshalb nach einer Vernünftigkeit beurteilt, welche der jeweiligen Lebenswelt imma­nent ist - trotzdem scheint «eine regulative Idee» darüber hinaus zu reichen, an welcher man sich orientiert, wenn Selbstverständlichkeiten bezweifelt werden (S. 25ff.).

Für Wellmer zeigt sich im kommunikativen Handeln deshalb eine Dialektik von Kontextimma­nenz und -transzendenz, weil sich die Geltungsbasis der Rede zwar in der jeweiligen Situa­tion zu entscheiden hat - die Überlegungen dazu jedoch darüber hinausgeht.

[...]

Excerpt out of 91 pages

Details

Title
Soziale Arbeit im schulischen Kontext. Die Ironikerin und der Metaphysiker
College
University of Zurich  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Grade
6.0
Author
Year
2020
Pages
91
Catalog Number
V1183724
ISBN (eBook)
9783346607119
ISBN (Book)
9783346607126
Language
German
Keywords
Schulsozialarbeit
Quote paper
Patrick Sprecher (Author), 2020, Soziale Arbeit im schulischen Kontext. Die Ironikerin und der Metaphysiker, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183724

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