Das neue NATO-Konzept in der Feuerprobe Afghanistan

Eine kritische Diskursanalyse NATO-interner Sprache


Term Paper (Advanced seminar), 2008

21 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung

2.0 Das Strategische Konzept des NATO-Bündnisses von 1999

3.0 Kritische Diskursanalyse des Strategischen Bündniskonzepts
3.1 Causal Power
3.2 Genre
3.3 Repräsentation
3.4 Stil

4.0 Das NATO-Konzept in der Feuerprobe

5.0 Bewertung

6.0 Literatur / Quellenangabe

1.0 Einleitung

Die Form des Weltsystems bedingt immer auch eine bestimmte Form zumindest der Außenpolitik. Lag das Hauptaugenmerk der North Atlantic Treaty Organization (NATO) zu Zeiten des Kalten Krieges vornehmlich auf der atomaren Strategie, wie z.B. der „Flexible Response“ (vgl. Varwick, Woyke, 2000: 14f.), so begann mit dem Ende der bipolaren Weltordnung auch eine latente Umbruchsphase für die Organisation. Diese endete mehr oder weniger im „Strategischen Konzept des Bündnisses“ von 1999. Wohl auch unter den damals aktuellen Eindrücken der Humanitären Intervention im Kosovo verstand sich die NATO nun mehr als Interventionsbündnis dessen „security […] remains [a] subject to a wide variety of military and non-military risks which are multi-directional and often difficult to predict. These risks include uncertainty and instability in and around the Euro-Atlantic area and the possibility of regional crises at the periphery of the Alliance, which could evolve rapidly” (NATO, 1999: Abschnitt 20). Weiterhin heißt an selber Stelle, dass ethnische und religiöse Konflikte, territoriale Streitigkeiten, gescheiterte oder schwache Reformen, Menschenrechtsverletzung und die Auflösung von Staaten zu Instabilität führen können, die sich kausal auch zu bewaffneten Konflikten auswachsen können, die das euro-atlantische Bündnis betreffen – ein offenes Konzept, das nur wenig Konkretes bietet, gleichzeitig aber auch sehr umfassend, z.B. ihm Rahmen militärischer Interventionen, gedeutet werden kann.

Genau dieses neue Konzept der NATO, als Reaktion auf die veränderten globalen Bedingungen, und dessen Rückwirkung auf Politik und militärische Einsatzformen sind Gegenstand dieser Arbeit. Hier kann bereits an dieser Stelle der Arbeit festgestellt werden, dass trotz breiter Zielformulierung keine klaren strategischen oder taktischen Formulierungen oder etwaige Einsatzkriterien vorliegen – vielmehr wird die Politik der NATO durch ad hoc Entscheidungen geprägt (vgl. Hippler, 2006: 24 – 30).

Politik bedient sich immer der Sprache, steht mit ihr aber in einem wechselseitigen Verhältnis. Dieses soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden: Wie wird Sprache durch Politik geformt und wie formt Sprache im Rückschluss als Handlungszwang die Politik? Dies soll exemplarisch am Beispiel des immer noch gültigen Strategischen Konzepts der NATO von 1999 und ihrem Einsatz in Afghanistan aufgezeigt werden. Der damalige Kurswechsel der NATO, beschrieben im Strategischen Konzept, wurde nur kurze Zeit vor 9/11 vollzogen, so dass er sich nur wenig später in einer neuen Staatenpraxis bewähren musste.

Methode dieser Arbeit ist die Textanalyse mit Hilfe des Ansatzes der 'Critical Discourse Analysis' von Norman Fairclough. Nach diesem Konzept werden Texte auf ihre Konditionen (Causal Power) und inhärente Bedürfnisse (Genre), ihre Repräsentationen und Selbstdarstellung (Stil) untersucht. Kondition meint in diesem Zusammenhang die Bedingungen des Weltsystems und der Verfasser des Konzepts. Die Bedürfnisse artikulieren sich in Forderungen nach Handlungen in Politik und Gesellschaft. Repräsentation meint die theoretische Produktion von Bedeutung durch Sprache. Die Selbstdarstellung gibt Aufschluss über die verfassenden Akteure. Alle Analysekategorien stehen dabei in einem wechselseitigen Verhältnis. Darüber hinaus lässt das Strategische Konzept nicht nur eine rückwirkende Analyse zu, sondern kann konkret am Beispiel Afghanistans zur Untersuchung des Umschlags der theoretischen Produktion in praktische Handlungen herangezogen werden. Die Herangehensweise ist problemorientiert, d.h. es soll untersucht werden, welche negativen Konsequenzen sich aus einem solch offenen Konzept ergeben können.

Die These, dass sich negative Konsequenzen aus einem solchen Konzept ergeben, begründet das Interesse des Autors an diesem Thema. Fairclough bietet mit seiner kritischen Diskursanalyse ein grundlegendes Instrument zur Textanalyse. Zum NATO-Einsatz in Afghanistan finden sich ausreichend Werke, die eine kritische Stellung beziehen – hier wäre z.B. Antonio Giustozzos Analyse „Koran, Kalashnikov, and Laptop“ zu nennen, in der die NATO-Mission von diversen Standpunkten betrachtet wird. Der linguistische Ansatz soll in dieser Arbeit mit der analytisch-deskriptiven Betrachtung in Deckung gebracht werden.

Zu Beginn dieser Arbeit, in Kapitel 2.0, wird das neue Strategische Konzept in aller gebotenen Kürze dargestellt. Es folgt die sprachwissenschaftliche Analyse dieses neuen NATO-Konzepts nach der Methode Faircloughs. Der Umschlag der theoretischen Produktion in die Praxis wird in Kapitel 4.0 untersucht, und abschließend in 5.0 bewertet.

2.0 Das Strategische Konzept des NATO-Bündnisses von 1999

Auf dem NATO-Treffen am 23. und 24. April 1999 in Washington D.C. wurde das neue Bündniskonzept beschlossen (vgl. NATO, 1999: The Alliance’s Strategic Concept). Grundlage dessen „waren die anhaltende Kosovo-Krise sowie die Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit der künftigen Stabilität in Südosteuropa“ (NATO, 2001: 4). Die NATO musste sich unter den veränderten globalen Bedingungen nicht zuletzt völkerrechtlich legitimieren. Dazu verfasste sie ihr neues Bündniskonzept. Hier heißt es in der Einleitung, dass die Organisation erfolgreich während des Kalten Krieges die Freiheit ihrer Mitglieder gesichert und einen Krieg in Europa verhindert hatte. Weiter heißt es, dass sich das euro-atlantische Bündnis nun neuen Herausforderungen, Möglichkeiten und Risiken stellen muss. In diesem Zusammenhang ist es die Hauptaufgabe der NATO, die gemeinsamen Sicherheitsinteressen zu gewährleisten.

Im ersten Teil werden die Absichten und Aufgaben der NATO beschrieben. Hierbei bezieht man sich auf das Washington-Abkommen, in dem die Solidarität und Kooperation der Mitglieder im Angriffsfall geregelt ist (vgl. NATO, 1949: Artikel 5). Darüber hinaus wird aber nicht nur die kollektive Verteidigung neu geregelt. „The Alliance […] ensures not only the defence of its members but contributes to peace and stability in this region“ (NATO, 1999: Abschnitt 6). Das Einsatzgebiet beschränkt sich dabei nicht ausschließlich auf den Raum, den die NATO-Mitgliedsstaaten einnehmen. Vielmehr muss dem globalen Kontext Rechnung getragen werden, so dass NATO-Truppen auch außerhalb des euro-atlantischen Gebiets’ eingesetzt werden können (vgl. NATO, 1999: Abschnitte 20, 24, 43, 52, 53 und 59). So wie das Einsatzgebiet eine Ausdehnung erfährt, so werden auch die Einsatzgrundlagen vielfältiger. Zur Zeit des Kalten Krieges konnte ein Eingreifen der NATO durch die Bedrohung und Verletzung der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit möglich werden. Heute sind es andere Risiken, wie Terrorismus, Sabotage, organisiertes Verbrechen, die Unterbrechung der Zufuhr vitaler Rohstoffe und Bewegungen großer Menschenmassen, die die Stabilität und Sicherheit im euro-atlantischen Raum gefährden (vgl. NATO, 1999: Abschnitt 24). Um diese Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten gehört auch das Krisenmanagement inklusive Operationen der Krisenreaktion in das Aufgabenspektrum des Bündnisses (vgl. NATO, 1999: Abschnitt 10).

Bis hier hin die auszugsweise Darstellung des neuen NATO-Konzepts von 1999, soweit relevant für diese Arbeit – bereits an dieser Stelle kann festgestellt werden, dass dieses strategische Konzept wenig Konkretes bietet und einen großen Interpretationsspielraum lässt. Die nähere Betrachtung dessen erfolgt im nächsten Kapitel mit Hilfe der Kritischen Diskursanalyse.

3.0 Kritische Diskursanalyse des Strategischen Bündniskonzepts

3.1 Causal Power

Texte haben immer einen Entstehungsgrund, welcher in der Einleitung dieser Arbeit mit 'Kondition' umschrieben ist. Fairclough spricht hier von 'Causal Power' – „We can broadly distinguish two causal powers which shape texts: on the one hand social structures and social practices; on the other hand, social agents, the people involved in social events“ (Fairclough, 2003: 22). Will man die Ereignisse untersuchen, die zur Entstehung des neuen NATO-Konzepts geführt haben, muss die Geschichte dieser Institution herangezogen werden. Demnach war die NATO als ein Instrumentarium der euro-atlantischen Bündnispartner im Kalten Krieg konzipiert worden. Ihre hauptsächliche Wirkungsmacht ergründet sich aus Artikel 5 des Nordatlantikvertrags von 1949: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen alle angesehen wird“.

Mit dem Fall der Berliner Mauer setzte auch ein Reformprozess der NATO ein, der im Strategischen Konzept von 1991 resultierte. Allerdings ging man da noch von der Existenz der Sowjetunion aus, die sich wenig später auflöste. Dennoch wurden unter diesem Konzept auch NATO-Einsätze im Balkankonflikt absolviert. Gleichzeitig baute sich aufgrund der falschen Konzeption ein Reformdruck auf und „die raschen Veränderungen der NATO im Laufe der 90er Jahre veranlaßten einen scharfsinnigen Beobachter einmal zu der Bemerkung, die NATO definiere sich inzwischen längst nicht mehr allein durch das, was sie sei, sondern vor allem durch ihr konkretes Handeln“ (Rühle, 2000: ohne Seitenangabe). Das Scheitern der Friedensverhandlungen von Rambouillet führte 1998 zur NATO-Operation „Allied Force“ im Kosovo-Konflikt. Dieser Einsatz war der erste Kampfeinsatz der NATO gegen einen souveränen Staat, ohne dass ein Verteidigungsfall vorgelegen hätte, und zudem ohne UN-Mandat (vgl. Reuter, 2000: 326 – 332).

Aus diesen Ereignissen heraus ergaben sich zahlreiche Fragen zur Politik und Konzeption der NATO, aber auch zur Eingliederung dessen in internationales Recht. Um das Bündnis auch weiterhin legitimieren zu können, war ein neues Strategisches Konzept zwingend erforderlich. Soweit die Analyse der Social Events, die zur Entstehung des Strategischen Konzepts von 1999 führten. Die Social Agents sind klar in den Mitgliedern der NATO und deren Vertretern im Nordatlantikrat unter dem damaligen Generalsekretär Javier Solana zu identifizieren. Diese Social Agents sind an sich nicht unabhängig, sondern unterliegen gewissen Handlungs- und Sachzwängen, die sich aus Sozialen Strukturen und Handlungen ergeben. Diese wiederum werden geformt durch unterschiedlichste Akteure, im Falle des Strategischen Konzepts von 1999 sind hier Politiker innerhalb und außerhalb der NATO zu nennen, aber auch Medien und Zivilgesellschaft. Da der Fokus dieser Arbeit aber nicht auf der Entstehung dieses Konzepts liegt, sondern auf der diskursanalytischen Betrachtung desselben, soll den Social Agents an dieser Stelle mit dem Hinweis genügen, dass sie zwar nicht vollkommen unabhängig sind, dennoch eine eigene Causal Power besitzen. Diese gründet sich beispielsweise auf strategischen Eigeninteressen oder der persönlichen Interpretation von Ereignissen (vgl. Fairclough, 2003: 22).

3.2 Genre

Die NATO ist primär ein politisches Bündnis, dessen Ziel und Aufgabe es ist, „die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten“ (NATO, 1949: Präambel). Hierzu ist das Bündnis aber, auch im Falle Afghanistans, zu einem großen Teil auf ein militärisches Instrumentarium angewiesen. Allein der Name 'The Alliance’s Strategic Concept' lässt daher eine Militärstrategie vermuten. Dies wird im Abschnitt 5 des Konzepts bestätigt: „This new Strategic Concept will guide the Alliance as it pursues this agenda. It […] provides guidelines for the further adaptation of its military forces“ (NATO, 1999: Abschnitt 5). Folgt man dem Ansatz Faircloughs, betrachtet man zur Analyse des Genres, also zur generellen Einordnung des Textes, was Menschen mit dem Text beabsichtigen oder machen sowie die Beziehungen zwischen den Menschen, die dieser Text verbindet (vgl. Fairclough, 2003: 70). Es werden also Verfasser und Adressat mit in die Untersuchung einbezogen.

Die Verfasser finden sich in den Staatsoberhäuptern und anderen Politikern der Vertragsstaaten. Das Konzept ist rückadressierend, d.h. es erreicht seine Verfasser als verbindliche Handlungsvorgabe. Darüber hinaus werden weitere Rezipienten erreicht, die auf den unterschiedlichsten Ebenen der NATO und in deren Peripherie angesiedelt sind, wie z.B. der Nordatlantikrat, militärische Führungsebenen oder die Außen- und Innenpolitik der Vertragsstaaten. In diesem Sinne ist dieses Konzept, in Deckung mit Abschnitt 5 eine Handlungsanweisung. Diesem entspricht auch die Definition des Wortes Konzept: „Klar umrissener Plan, Programm für ein Vorhaben“ (Braun / Varnhorn et al., 2004: Konzept). Betrachtet man das Bündniskonzept von 1999 allerdings näher, so lässt sich jedoch nur wenig Konkretes finden, dass im Falle Afghanistans herangezogen werden könnte. Allenfalls im Abschnitt 10 finden sich 'Maßnahmen des Krisenmanagements'. Diese sind 'fallweise' und 'einstimmig' zu beschließen und 'beinhalten Krisenreaktionsoperation'. Später im Abschnitt 29 wird näher definiert, dass dieses Krisenmanagement auch in Nicht-Artikel 5 Krisenreaktionsoperationen stattfinden kann. Gemeint sind damit Operationen der NATO, die nicht als Reaktion auf einen Angriff gegen einen Vertragsstaat erfolgen. Mit solch offenen Beschreibungen lässt es sich nur schwerlich von einem Konzept oder Handlungsrichtlinie als Genre sprechen.

Nach Faircloughs Methode entpuppt sich das Bündniskonzept bei näherer Betrachtung nicht als das, was es sich ausgibt: als ein auch militärstrategisches Konzept. Es bleibt also zu klären welchem Genre man diese Textgattung zuordnen kann. Mit dem Ende des Kalten Krieges hat die NATO ihre Daseinsberechtigung verloren, als Verteidigungsbündnis Schutz gegen einen militärischen Angriff von Außen zu bieten. Nimmt man dies als Grundannahme, die zum Beschluss des neuen Strategischen Konzepts geführt hat, dann lässt sich postulieren, dass es derzeit das vorrangige Anliegen der NATO war, sich eine neue Legitimationsgrundlage zu schaffen. Tatsächlich lassen sich in dieser Lesart zahlreiche Hinweise finden, die einen Legitimationsanspruch aufbauen. So heißt es im Abschnitt 2: „NATO has successfully ensured the freedom of its members and prevented Europe during the 40 years of the Cold War. By combining defence with dialogue, it played an indispensable role in bringing East-West confrontations to a peaceful end” (NATO, 1999: Abschnitt 2). Legitimationsgrundlage ist an dieser Stelle die erfolgreich bewältigte Vergangenheit. Auch heranziehen lässt sich das Webersche Konzept von Herrschaft durch Tradition (vgl. Weber, 2006: § 6). Dieser Anspruch auf Bewährung in der Vergangenheit wird im Bündniskonzept auch an anderen Stellen benutzt, indem man sich ein um das andere Mal auf die erfolgreiche Intervention im Balkankonflikt bezieht (vgl. NATO, 1999: Abschnitte 3, 12, 16, 31).

Da die NATO jedoch ein in die Zukunft gerichtetes Bündnis ist, kann dieser Legitimationsversuch nicht erfüllend sein. Wie oben beschrieben, ist der Daseinszweck, wie er sich aus Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ableitet, nicht mehr gewährleistet. Dieser Punkt, der in der Einleitung mit 'Bedürfnis' umschrieben wurde, entpuppt sich hier als eine Forderung mit dualem Charakter. Zum einen, wie oben schon angeklungen, ist dies der Bedarf nach einer neuen Legitimationsgrundlage, zum anderen ergibt sich der Bedarf nach Antworten auf neue Operationsnotwendigkeiten. Folglich muss nach den neuen Herausforderungen gefragt werden. Im Strategischen Konzept von 1999 werden hier Unterdrückung, ethnische Konflikte, ökonomische Gefahren, der Zusammenbruch der politischen Ordnung und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen identifiziert (vgl. NATO, 1999: Abschnitt 3). Somalia, Ruanda und der Balkan waren derzeit jüngste Vergangenheit und dürften durchaus diese Auswahl mitbestimmt haben. Im weiteren Verlauf werden im Abschnitt 24 auch andere Einsatznotwendigkeiten formuliert. An dieser Stelle heißt es:

„Any armed attack on the territory of the Allies, from whatever direction, would be covered by Articles 5 and 6 of the Washington Treaty. However, Alliance security must also take account of the global context. Alliance security interests can be affected by other risks of a wider nature, including acts of terrorism, sabotage and organised crime, and by the disruption of the flow of vital resources” (NATO, 1999: Abschnitt 24).

Bereits im ersten Satz wird der Mangel einer solchen Formulierung deutlich: 'Jeder bewaffnete Angriff auf das Territorium der Alliierten, von welcher Richtung auch immer'. Unter 'bewaffnet' versteht man allgemein das Ausgerüstet sein mit einer Waffe. Die Waffe an sich ist jedes Instrument, welches zur Verletzung oder Zerstörung eines Gegners benutzt werden kann (vgl. Braun / Varnhorn et al., 2004: Waffen). Da so, zugespitzt formuliert, selbst eine Büroklammer oder ein Wollfaden als Waffe missbraucht werden kann, gibt es weder hinreichende Einschluss-, noch Ausschlusskriterien für eine präzise Definition – der Begriff Waffe ist amorph. Verstärkt wird diese Nicht-Aussage durch den Zusatz 'von welcher Richtung auch immer'. An dieser Stelle hätte man die Quelle eines solchen bewaffneten Angriffs, beispielsweise ein anderer Staat oder fremdes Militär, benennen und damit Aufschluss geben können, welcher Art dieser Angriff sein muss, um den Bündnisfall auszulösen.

Weiter unten in Abschnitt 24 erfolgt eine gewisse Eingrenzung des zuvor mehr als undeutlich Beschriebenen. Im speziellen werden hier die 'Sicherheitsinteressen' genannt, die durch verschiedene feindliche oder störende Einflusse betroffen sein können. Selbst wenn hier konkrete Ereignisse beschrieben werden, bleibt der Begriff 'Sicherheitsinteresse' schwer fassbar. Er wird in keiner Weise eingegrenzt, weder auf einen Bereich (z.B. Sicherheit vor Krieg, ökonomische Sicherheit usw.), noch auf einen Ort oder bestimmbare Personen (z.B. Institutionen, Städte, Nationen, Politiker, Wirtschaftsfunktionäre u.Ä.). Dennoch kommt dem Sicherheitsbegriff im Strategischen Konzept der NATO von 1999 eine zentrale Rolle zu. Er ist, nach der Beendigung der Ost-West-Konfrontation im Kalten Krieg, nun der tragende Ansatz für eine neue NATO. Dementsprechend wird der Begriff in nahezu jedem Abschnitt des Strategischen Konzepts wie ein Mantra wiederholt, eine nähere Definition oder Hinterfragung sucht man vergebens.

Fragt man nun, mit dem Ansatz Faircloughs, was die Verfasser dieses Papiers damit beabsichtigen, so wäre eine Lesart, dass mit dem Bündniskonzept eine neue Grundlage für Zusammenhalt geschaffen werden sollte. „Die neuen weltpolitischen Risiken und die vielfältiger gewordenen Interessen ihrer Mitglieder erfordern jedoch flexiblere Strukturen“ (Haftendorn, 2005: 5). Einen Konsens innerhalb dieses Bündnisses herzustellen, insbesondere zwischen dem „alten Europa“ und den USA, ist um einiges schwieriger geworden, als zu Zeiten des Ost-West-Konflikts. Von dieser Position heraus muss das Strategische Konzept von 1999 eine Art Minimalkonsens sein, die die Brücke zwischen der Bündnisverpflichtung und der Freiheit der einzelnen Nationen schlägt. Das Genre unter dieser Betrachtungsweise wäre weniger eine Militärstrategie, als ein Legitimationsbestreben.

3.3 Repräsentation

Die Analyse des Diskurses, nach Fairclough, beschäftigt sich auch mit den Elementen, die von Texten repräsentiert werden. Hierzu werden konkret die Elemente „Prozess“, „Akteure“ und „Umstände“ unterschieden (vgl. Faircloug, 2003: 135). Dieses Analyseverfahren bezieht sich i.d.R. auf den Satz an sich. Dennoch soll an dieser Stelle mehr eine Aussage über den gesamten Text des Strategischen Konzepts getroffen werden, soweit für den Fall Afghanistan relevant, welche mit beispielhaften Belegen durch Kernsätze gestützt werden soll.

Die Einsatzberechtigung soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden, da sie im gewissen Sinne der erklärten Daseinsberechtigung der NATO gleichkommt und deshalb bereits in der Genre-Einordnung analysiert wurde. Vielmehr soll an dieser Stelle die potentielle Einsatzdurchführung, wie sie durch das Bündniskonzept von 1999 ermöglicht wird, untersucht werden. Dies ist dem, in der Einleitung formulierten Punkt 'theoretische Produktion durch Sprache' gleichzusetzen. Wie oben schon angemerkt, finden sich nur wenig konkrete Vorgaben für NATO geführte Militäroperationen. Im Abschnitt 10 heißt es: „[NATO] contribute[s] to effective conflict prevention and to engage actively in crisis management, including crisis response operations” (NATO, 1999: Abschnitt 10). Die NATO tritt hier als alleiniger Akteur auf, ein weiterer Akteur, an den ihr 'Beitrag' gerichtet wäre, wird nicht formuliert. Die Einsatzformen, die nach Fairclough als 'Umstände' gelten, ergeben sich aus den Begriffen Konfliktprävention, Krisenmanagement und Krisenreaktionsoperationen. Im 11. Abschnitt erfolgt eine Beschränkung dieser Maßnahmen, indem „the Alliance will continue to respect the legitimate security interests of others […]“ (NATO, 1999: Abschnitt 11). Dem scheinbar konträr entgegen steht die Aussage in Abschnitt 59, wo es heißt: „Mounting and sustaining operations outside the Allies’ territory, where may be little or no host-nation support, will pose special logistical challenges“ (NATO, 1999: Abschnitt 59). Beide Aussagen behandeln unausgesprochen die Frage der Souveränität. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass in Abschnitt 11 der zweite Akteur 'Others' abstrakt beschrieben wird (vgl. Fairclough, 2003: 145f). Konkreter wird Abschnitt 59 in dem der zweite Akteur als 'host-nation' deklariert wird. Dessen Haltung oder Handlung, nach Fairclough 'Process', wird an dieser Stelle aber nicht weitergehend ausdifferenziert – die Alliierten werden lediglich nicht oder wenig unterstützt. Was die genaue Bedeutung von 'support' ist, bleibt offen (vgl. Fairclough, 141 - 143). Mögliche Deutungen wären hier das Unvermögen, Soldaten für einen Feldzug bereitzustellen oder eine generelle Ablehnung des fremden Kontingents im eigenen Land etc.

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Details

Title
Das neue NATO-Konzept in der Feuerprobe Afghanistan
Subtitle
Eine kritische Diskursanalyse NATO-interner Sprache
College
Otto-von-Guericke-University Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Course
The language of violence, peace and conflict
Grade
1,0
Author
Year
2008
Pages
21
Catalog Number
V118338
ISBN (eBook)
9783640214839
ISBN (Book)
9783640214921
File size
636 KB
Language
German
Notes
Die Aufarbeitung NATO-interner Sprache im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in Afghanistan nach dem 11. September 2001 wurde logisch strukturiert. Die Argumentation um die Konzepte 'Causal Power', 'Genre', 'Representation' und 'Style' wurden mit guten Beispielen aufbereitet. Das Wechselseitige Verhältnis von Politik und Sprache wurde diskursanalytisch gut aufbearbeitet. Der Schreibstil ist flüssung und macht das eigene Durchdringen der Themenstellung deutlich.
Keywords
NATO-Konzept, Feuerprobe, Afghanistan, NATO, Diskursanalyse, Fairclough
Quote paper
Jens Engel (Author), 2008, Das neue NATO-Konzept in der Feuerprobe Afghanistan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118338

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Title: Das neue NATO-Konzept in der Feuerprobe Afghanistan



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