„Wie kann man ein Unternehmen so organisieren, dass dieses erstens seine eigene
(interne) Komplexität und zweitens die Komplexität seiner Umwelt angemessen
bewältigen kann?“
Diese Fragen sollen im Laufe dieser Arbeit beantwortet werden. Doch hierzu bedarf es
erst einmal einer kleinen Einführung in die Komplexität von Systemen. Komplexe
System sind Systeme, welche sich der Vereinfachung verwehren und vielschichtig
bleiben. Sie sind dazu im Stande, sich an ihre Umgebung anzupassen und sich selbst zu
organisieren, denn Selbstorganisation ist notwendig, um die zunehmende Komplexität
zu bewältigen,2 wie später in der Arbeit noch offensichtlich wird.
Hierzu wird im sechsten Kapitel das Konzept der Autopoiesis näher erläutert. Die
Theorie der lebenden Systeme soll dann knapp in die Soziologie, sowie auf
Organisationen übertragen werden, wobei geklärt werden soll, ob eine Übertragung von
der Biologie auf Unternehmungen überhaupt vorstellbar ist.
Zunächst wird jedoch mit den Grundlagen dynamischer Entscheidungen, sowie mit der
Problematik der strategischen „Engsicht“ begonnen, was dann zu der Einführung der
Themengebiete Interaktion und Emergenz führt, welche für das Verständnis der
Autopoiesis bedeutend sind.
Entscheidungsverhalten findet unter den Bedingungen von Komplexität statt. Doch die
Entscheidungstheorie betrachtet in der Regel nur in sich abgeschlossene Modelle, die
meist nur einfache, statische Probleme abbilden, in denen Kriterien und Alternativen
dargestellt, verglichen und bewertet werden, um somit die optimale Lösung zu einer
Problemstellung zu identifizieren. Diese Vereinfachung wird jedoch der Komplexität
einer dynamischen Umgebung nicht ganz gerecht und birgt die Gefahr, dass die
Lösungen nicht der Realität entsprechen. Folglich werden die Fehler in der
Vorgehensweise gesucht, obwohl die Ursachen meist viel tiefer liegen, nämlich in der
Emergenz von Entscheidungen oder in der Resistenz des autopoietischen Systems.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Dynamische Entscheidungen
3. Strategische Engsicht
3.1 Problembeschreibung
3.2 Die Theorie des „Durchwurstelns“
3.3 Schlussfolgerung und Implikationen
4. Interaktion
5. Emergenz
5.1 Phänomenbeschreibung
5.2 Beispiel: Das Kugelspiel „Life“ von J.H. Conway
5.2.1 Einführung und Spielregeln
5.2.2 Einige interessante Anfangskonstellationen und deren Entwicklung
5.3 Schlussfolgerung
6. Autopoiesis
6.1 Die Organisation lebender Systeme
6.2 Übertragung in die Soziologie
6.3 Übertragung auf Organisationen
6.4 Einblick in die Realität
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: der „Gleiter“
Abb. 2: der „Blinker“ – Entwicklung einer Triplett- Konstellation
Abb. 3 „Stillleben“
Abb. 4 Selbstreproduktion und Autonomie
1. Einleitung
„ Wie kann man ein Unternehmen so organisieren, dass dieses erstens seine eigene (interne) Komplexität und zweitens die Komplexität seiner Umwelt angemessen bewältigen kann?“[1]
Diese Fragen sollen im Laufe dieser Arbeit beantwortet werden. Doch hierzu bedarf es erst einmal einer kleinen Einführung in die Komplexität von Systemen. Komplexe Systeme sind Systeme, welche sich der Vereinfachung verwehren und vielschichtig bleiben. Sie sind dazu im Stande, sich an ihre Umgebung anzupassen und sich selbst zu organisieren, denn Selbstorganisation ist notwendig, um die zunehmende Komplexität zu bewältigen,[2] wie später in der Arbeit noch offensichtlich wird.
Hierzu wird im sechsten Kapitel das Konzept der Autopoiesis näher erläutert. Die Theorie der lebenden Systeme soll dann knapp in die Soziologie, sowie auf Organisationen übertragen werden, wobei geklärt werden soll, ob eine Übertragung von der Biologie auf Unternehmungen überhaupt vorstellbar ist.
Zunächst wird jedoch mit den Grundlagen dynamischer Entscheidungen, sowie mit der Problematik der strategischen „Engsicht“ begonnen, was dann zu der Einführung der Themengebiete Interaktion und Emergenz führt, welche für das Verständnis der Autopoiesis bedeutend sind.
Entscheidungsverhalten findet unter den Bedingungen von Komplexität statt. Doch die Entscheidungstheorie betrachtet in der Regel nur in sich abgeschlossene Modelle, die meist nur einfache, statische Probleme abbilden, in denen Kriterien und Alternativen dargestellt, verglichen und bewertet werden, um somit die optimale Lösung zu einer Problemstellung zu identifizieren. Diese Vereinfachung wird jedoch der Komplexität einer dynamischen Umgebung nicht ganz gerecht und birgt die Gefahr, dass die Lösungen nicht der Realität entsprechen. Folglich werden die Fehler in der Vorgehensweise gesucht, obwohl die Ursachen meist viel tiefer liegen, nämlich in der Emergenz von Entscheidungen oder in der Resistenz des autopoietischen Systems.
2. Dynamische Entscheidungen
Dynamische Entscheidungsmodelle betreffen Entscheidungen, die in Interdependenzen stehen und hintereinander zu treffen sind.[3] Die Entscheidungen stehen also in wechselseitiger Abhängigkeit. Anders als bei statischen Analysen[4], bei denen nur Variablen einbezogen werden, die sich auf den selben Zeitpunkt beziehen, spricht man von dynamischen Beziehungen, wenn Variablen eines Zeitpunkts funktional mit Variablen eines anderen Zeitpunkts verknüpft sind; es besteht also eine intertemporal-kausale Beziehung[5]. Dynamische Beziehungen werden üblicherweise mit Hilfe von Differenzgleichungen formuliert. Hierbei wird den Variablen jeweils ein Index beigefügt, um so ihre zeitliche Zuordnung darzustellen.[6] Hängt beispielsweise die Höhe des Lagerbestandes zum derzeitigen Zeitpunkt direkt und ausschließlich von der Höhe des Lagerbestandes der Vorperiode ab, so schreibt man: Lt+1 = f (Lt).
Wenn weitere Einflussfaktoren bestehen, wie z.B. Temperatur, Verderbsquote, Abgänge und Zugänge, können diese problemlos hinzugefügt werden: Lt+1 = f (Lt, Tt, Vt, At, Zt) Die Größe L hängt nun dynamisch von den Größen L, T, V, A, Z…ab, wenn der Wert Lt+1 zum Zeitpunkt t+1 eindeutig determiniert ist durch die Werte Lt, Tt, Vt, At, Zt zum Zeitpunkt t.[7]
Sowohl statische, als auch dynamische Entscheidungsmodelle lassen sich bezüglich des Informationsstandes des Entscheidungsträgers in Entscheidungen unter Sicherheit, Risiko, sowie Ungewissheit unterscheiden.[8] Bei Sicherheit können so bereits in der ersten Periode die Handlungen für alle folgenden Perioden festgelegt werden. Bei Risiko kann dieser Plan nur bedingt erfolgen, da die Entscheidungen der Zukunft von den Ereignissen abhängen, die bis dahin noch eintreten. Bei Unsicherheit, insbesondere wenn zu Beginn nicht alle möglicherweise eintretenden Ereignisse bekannt sind, ist das Kontrollieren und gegebenenfalls daraus resultierende Anpassen des erstellten Plans in jeder Periode erforderlich.
3. Strategische Engsicht
3.1 Problembeschreibung
Jeder Entscheidungsträger weist eine subjektive Sicht auf ein Geschehen auf. Dies kann wiederum zum Vorteil genutzt werden, da somit Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden können. Problematisch wird es aber, wenn sogenannte Systemzwänge[9] bestehen, die den Beteiligten eine gleiche Perspektive aufdrängen. Hierbei geht das Spektrum der verschiedensten Sichtweisen verloren, was dann folglicherweise zu einer engsichtigen Gesamtsicht führt.[10]
Doch vorerst ist an dieser Stelle der Begriff der strategischen Entscheidung kurz zu definieren.
Entscheidungen, die die Erfolgspotenziale einer Organisation prägen und demnach signifikant die Zukunft dieser Institution beeinflussen, sind als strategisch zu bezeichnen.
Strategische Entscheidungen weisen als wichtigstes charakteristisches Merkmal die inhärente Komplexität auf. Diese fordert bei strategischen Entscheidungen eine Perspektivenvielfalt, die durch viele unterschiedliche Entscheidungsträger zustande kommt.[11]
Die „Engsichtigkeit“ stellt RADETZKI in seinem system- kybernetischen Problemmodell abstrahiert da, welches konkrete Wirkungsbeziehungen innerhalb der Entscheidungsfindung beschreibt.[12]
Im folgenden soll nun ein theoretische Ansatz vorgestellt werden, der auf die Begrenztheit jeglicher Ganzheitsbetrachtung beruht.
3.2 Die Theorie des „Durchwurstelns“
Der Begriff „Muddling Through“ oder zu Deutsch „Durchwursteln“ beruht auf CHARLES E. LINDBLOM.
Ausgangspunkt für Lindbloms’ Überlegungen war eine restriktive bzw. „engsichtige“ Ganzheitsbetrachtung sozialer Systeme. „Muddling Through“ wird begründet nach SIMON’s Ansatz der beschränkten Rationalität.[13] So stellt SIMON ein Verhalten als beschränkt rational dar, wenn man sich in einer Entscheidungsfindung für die erstbeste Möglichkeit entscheidet, die den angestrebten Zweck erfüllt, ungeachtet dessen, ob es darüber hinaus noch eine bessere Alternative gibt.[14]
Im Sinne der Theorie des Durchwurstelns legt der Entscheidungsträger keine weitgesteckten Ziele fest und erwägt lediglich kleine Änderungen, die sich vom gegenwärtigen Zustand nicht allzu weit entfernen. Weiterhin passt er die Problemdefinitionen an neue Möglichkeiten an, was dazu führt, dass das Problem ständig neu definiert wird und nie zu einer endgültigen Lösung führt. Vielmehr führt es dazu, dass Nachfolgeprobleme durch Vernachlässigung von bedeutenden Kriterien und Konsequenzen entstehen.[15]
3.3 Schlussfolgerung und Implikationen
Das „Durchwursteln“ kann als ein Verhaltensmerkmal von Entscheidungsträgern in Entscheidungsprozessen angesehen werden, das aber keineswegs zu befürworten ist.
Es bringt Trägheit und Ideenlosigkeit mit sich[16] und lässt kaum kreative Innovationen zu. Der Mensch sucht hier nur nach befriedigenden oder brauchbaren Lösungen, die lediglich gut genug sind, aber die Entscheidungssituation keineswegs in ihrer gesamten Komplexität abbildet[17]. Sie beeinflussen die Optimalität der Entscheidungen.
Strategische Entscheidungen haben demnach zukunftsbestimmenden Charakter und weitreichende Nachwirkungen, da sie einen wichtigen Faktor für zukünftige Erfolge einer Organisation darstellen.[18]
4. Interaktion
Wechselwirkungen, sogenannte Interaktionen, sind eine Eigenschaft komplexer Systeme.
Die Interaktion kann dabei von der Einwirkung einer Variable auf sich selbst bis hin zu einer simultanen Einwirkung aller im System vorhandenen Variablen aufeinander reichen. Werden zudem noch externe, nicht zum System gehörige Größen berücksichtigt, die zwar auf das System einwirken, aber selbst von diesem nicht beeinflussbar sind, so ergibt sich schnell ein komplexes System zahlreicher Variablen, die in verschiedenen Relationen stehen.
Die Gleichung aus Kapitel zwei wird nun zu einem neuen Gleichungssystem zusammengefasst, indem L(k) jeweils die systemimmanenten Größen und E(m) die externen Einflüsse darstellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit dieser Gleichung ist es nun möglich, alle wechselseitigen Beziehungen der Variablen darzustellen.[19]
Der theoretische Definitionsansatz von Interaktion ist zugegebenermaßen sehr abstrakt und soll nun am Beispiel des Investitionsgütermarketing noch einmal verdeutlicht werden.
Als Ausgangspunkt dienen komplizierte Investitionsanlagen, deren Transaktion mit hoher Problemkomplexität verbunden ist. Die Komplexität bezieht sich dabei auf Probleme, die im Rahmen der Transaktion zu bewältigen sind. Abhängig von diversen Einflussfaktoren kann ein Investitionsgut ganz unterschiedlich komplexe Entscheidungssituationen und – probleme hervorrufen. Dabei können nicht nur technologische, sondern auch eine Vielzahl organisatorischer Probleme in der Aufbau- bzw. Ablauforganisation auftreten.
Die Problemkomplexität hängt vom relativen Wert, der Neuartigkeit, sowie vom organisatorischen Wandel des Investitionsobjektes ab.
Repräsentanten mehrerer Organisationen interagieren also miteinander innerhalb von Transaktionsepisoden. Dabei werden alle Handlungen in Transaktionsepisoden einbezogen, die mit der Anbahnung, Vereinbarung und Realisation der Transaktion verbunden sind. Dementsprechend stehen Interaktionen in einem engem Zusammenhang mit kollektiven Entscheidungs- und Verhandlungsprozessen. Gegenstand dieser Interaktionen sind Transaktionsbedingungen, wie z.B. Preis- und Produktgestaltung, sowie Vertragskonditionen. Viele klassische Absatzentscheidungen müssen im Rahmen von Entscheidungsprozessen getroffen werden. Innerhalb einer Transaktionsepisode kommt es zu häufigen Einzeltransaktionen. Hier werden z.B. Entwicklungs-, Liefer- und Wartungsverträge abgeschlossen. Weiterhin finden auch sekundäre Transaktionen statt, wie z.B. Finanzierungs- oder Transportverträge, wobei die sekundären sehr eng im Zusammenhang mit den primären Transaktionen stehen. Im sogenannten „Joint- Decision- Process“ interagieren mehrere Entscheider, die eigentlich nur die Bewältigung ihrer eigenen Aufgaben anstreben, doch gleichzeitig aktiv Einfluss auf die übrigen Entscheider nehmen.
Ablauf und Ergebnis der Transaktionen sind außerdem abhängig vom sozio- ökonomischen Umfeld.
[...]
[1] Vgl. Milling, 2000, S. 333.
[2] Vgl. http://www.integrative-wissenschaft.de/Archiv/dokumente/Mainzer-14_10_04.pdf (Abruf vom 04.05.2008)
[3] Bamberg/ Coenenberg 1994, S. 37
[4] um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sei hier bei statischen Modellen auf die Literatur ( Vgl. z.B. Kahle 2001)
verwiesen
[5] Kahle 2001, S. 143
[6] Kahle 2001, S. 145
[7] Vgl. Krohn/ Küppers, 1992, S. 61
[8] Vgl. Bamberg/ Coenenberg 1994, S. 36
[9] Vgl. Radetzki, 1999, S. 9.
[10] Vgl. Kirsch (Unternehmenspolitik 1991), S. 335f.
[11] Vgl. Radetzki, 1999, S. 28 ff.
[12] Dieses Modell wird hier nicht weiter erläutert. Verweis auf Radetzki, 1999, S. 139ff.
[13] Vgl. Radetzki, 1999, S. 24 ; auf die beschränkte Rationalität wird hier nicht weiter eingegangen. Der interessierte Leser sei auf
die Literatur von Simon, 1992 verwiesen.
[14] dieses Phänomen wird auch „Satisficing“ genannt, Vgl. Simon, 1992, S 50.
[15] Vgl. Kahle, 2001, S. 105ff.
[16] Vgl. Kahle, 2001, S. 107 mit Referenz auf Dror, 1964, S.155
[17] Vgl. Radetzki, 1999, S. 24 mit Referenz auf Schreyögg, 1984, S. 155f.
[18] Vgl. Simon, 1992, S. 5.
[19] Vgl. Krohn/ Küppers, 1992, S. 60 ff.
- Quote paper
- Katja Eckert (Author), 2008, Das Problem der strategischen „Engsicht“ und Möglichkeiten seiner Lösung Interaktion, Emergenz und Autopoiesis von Lösungen bei dynamischen Entscheidungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118335
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