Colin Crouch beschreibt in seinem Werk Postdemokratie den Verlauf der Demokratie hin zu einer Postdemokratie. Dabei bezieht er den Zusatz Post- sowohl auf die Bedeutung danach, als auch kategorisch auf die Bedeutung nicht mehr. Wie genau Crouch den Begriff der Postdemokratie diagnostiziert und welchen Einfluss dieser auf die heutige Soziale Arbeit hat, wird im Folgenden erläutert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition der Postdemokratie nach Colin Crouch Stellen Sie Crouchs Diagnose der Postdemokratie vor.
3 Postdemokratie und die Soziale Arbeit Überlegen Sie, welche Relevanz seine Diagnose für die Soziale Arbeit beanspruchen kann.
4 Postdemokratiediagnose in der heutigen Zeit Diskutieren Sie, inwiefern seine Diagnose im Blick auf die Gegenwart weiterhin angemessen ist oder nicht.
5 Schlussbetrachtung
6 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die Demokratie erfreut sich heute einer nie dagewesenen weltweiten Popularität und ist gleichzeitig nie zuvor konzeptionell vager beziehungsweise substanzärmer gewesen. […] wie Barack Obama ist sie ein leerer Signifikant, an den jeder seine Träume und Hoffnungen knüpfen kann. […] Das Loblied der Demokratie wird heute nicht nur rund um den Globus, sondern auch durch das gesamte politische Spektrum hindurch gesungen. […] Berlusconi und Bush, Derrida und Balibar, italienische Kommunisten und Hamas – wir sind jetzt alle Demokraten. Aber was ist von der Demokratie übrig geblieben?“ (Brown 2012: 55f).
Colin Crouch beschreibt in seinem Werk Postdemokratie den Verlauf der Demokratie hin zu einer Postdemokratie. Dabei bezieht er den Zusatz Post- sowohl auf die Bedeutung danach, als auch kategorisch auf die Bedeutung nicht mehr (vgl. Meyer 2009: S. 195). Wie genau Crouch den Begriff der Postdemokratie diagnostiziert und welchen Einfluss dieser auf die heutige Soziale Arbeit hat, wird im Folgenden erläutert.
2. Definition der Postdemokratie nach Colin Crouch
Der Begriff der Postdemokratie nach Colin Crouch kann als eine weiterführende bzw. fortlaufende oder auch rückschrittige Form der Demokratie beschrieben werden. Hier erscheint es zunächst relevant, Crouchs Form der Demokratie zu veranschaulichen, bei welcher er „(halbwegs) freie und faire Wahlen“ (Crouch 2008, S.7) als ein elementares Merkmal neben der aktiven Beteiligung und Gestaltung des öffentlichen Lebens sieht. Er beschreibt, dass die Demokratie nur dann gedeihen kann, „wenn die Masse der normalen Bürger wirklich die Gelegenheit hat, sich durch Diskussionen und im Rahmen unabhängiger Organisationen aktiv an der Gestaltung des öffentlichen Lebens zu beteiligen – und wenn sie diese Gelegenheit auch aktiv nutzt.“ (ebd. S. 8 f.).
Der Begriff der Demokratie wird im Deutschen Grundgesetz wie folgt verankert: „(2) [1]Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. [2] Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ (Art. 20 Abs. 2 GG). Somit lässt sich hier ein Zusammenhang zwischen Crouchs Verständnis der Demokratie und der deutschen, gesetzlichen Ausführung der Demokratie ziehen. Jedoch kritisiert Crouch, dass eben diese beschriebene Art der Demokratie nicht mehr der heutigen Demokratie entspricht, sondern in seine Vorstellung der nachdemokratischen Phase, die Postdemokratie, verfällt. Die Wirtschaft wandelt sich, von einer Industriellen- zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Crouch veranschaulicht dies anhand der geometrischen Form einer Parabel. Ein vordemokratisches System entwickelt sich hin zu einem demokratischen Höhepunkt/Scheitelpunkt. Der Höhepunkt der Demokratie ist gekennzeichnet durch den Enthusiasmus aller Bürger_Innen, sowie durch großes Interesse an Partizipation aller Bürger_Innen. Dies tritt meist zum Zeitpunkt nach einer bewältigten Krise oder eines Regimewechsels auf, wie zum Beispiel nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Neue zivile und politische Gruppen entstehen, um ihre Interessen zu vertreten und mitwirken zu können. Jedoch flaut der Enthusiasmus der Bürger_Innen wieder ab und wandelt sich in den postdemokratischen Zustand. Hier definiert Crouch Langeweile, Vertrauens- und Legitimitätsverlust politischer Institutionen, Politikverdrossenheit, politische Apathie, Frustration oder Desillusionierung der Bürger_Innen als Symptome für den Wandel der Demokratie hin zur Postdemokratie. Er beschreibt das Konzept der Demokratie mit den Aspekten der Wahlbeteiligung zur Partizipation, aber auch mit ebenso großen Spielräumen für Lobbyisten und dem Verzicht auf Interventionen in die kapitalistische Ökonomie, wobei die Beteiligung der Bürger_Innen nur eine außenstehende Rolle spielen (vgl. Crouch 2008, S. 10). Entsprechend bestimmt er den Begriff der Postdemokratie als „ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, […], in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß [sic!] sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagiert nur auf Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.“ (Crouch 2008, S. 10).
Crouch diagnostiziert somit, dass in der Postdemokratie die formalen Aspekte der Demokratie, wie Wahlen oder Grundrechte, bestehen bleiben, aber gleichzeitig wieder mit vordemokratischen Elementen, wie z.B. einer großen Passivität der Bevölkerung gegenüber dem politischen System, verknüpft werden, wodurch politisch-wirtschaftliche Unternehmen einen immer größeren Stellenwert erhalten. Ebenso greift er den vorherrschenden Lobbyismus auf, welcher besonders durch wirtschaftliche Expert_Innen geprägt wird. Auch hier werden die öffentlichen Stimmen der Bürger_Innen nicht mehr gehört. Die Politik wird ausgerichtet anhand der Weisungen von Expert_Innen ohne Transparenz und der Möglichkeit der Mitbestimmung der Bürger_Innen.
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- Anja Diefenbach (Author), 2020, Die Diagnose der Postdemokratie nach Colin Crouch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1182103
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