Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Trauer jüngerer Kinder, speziell aber mit Kindern, die einen Elternteil verloren haben. Dieser Verlust stellt ein erschütterndes Erlebnis dar und ist eine Überforderung ihrer Gefühle. Es soll aufgezeigt werden, wie Kinder der Altersstufe von etwa 3-6 Jahren trauern, welches Todeskonzept und welche Vorstellung vom Tod sie haben, welche Trauerphasen sie durchlaufen und vor allem auch, wie sie sie durchlaufen. Und es soll aufgezeigt werden, dass die Begleitung von Kindern, die trauern, essentiell wichtig ist, um die Folgen nicht bewältigter Trauer zu vermeiden. Hierfür wird zunächst auf die Bedeutung der Eltern-Kind-Bindung eingegangen.
Im weiteren Verlauf wird aufgezeigt, wie entscheidend die Art der Kommunikation mit dem trauernden Kind ist und dass es absolut notwendig ist, die zu bewältigenden Traueraufgaben der kognitiven, personalen, sozialen und emotionalen Entwicklung des Kindes gemäß zu sehen und dahingehend zu modifizieren. Die Bachelorarbeit wird durch Literaturanalyse aufzeigen, dass bei Kindern die Trauerprozesse nicht kontinuierlich ablaufen, die Trauer sozusagen in Schüben kommt, sie „auf Raten „ trauern. Erzieher – darauf geht die Bachelorarbeit des Weiteren ein - müssen eine Art Spagat leisten – auf der einen Seite dem trauernden Kind (und auch den anderen Kindern der Einrichtung) Normalität und Alltag bieten und auf der anderen Seite die Trauerreaktionen des Kindes rechtzeitig erkennen und das Kind pädagogisch begleiten.
Kinder trauern anders als Erwachsene – können dann die gängigen Trauermodelle angewendet werden? Auch hierauf geht die Bachelorarbeit ein. Gleichzeitig werden Wege aufgezeigt, wie gute pädagogische Unterstützung dennoch gelingen kann. Die Bachelorarbeit wird deutlich machen, dass berufliches Handeln nur dann professionell gestaltet und reflektiert werden kann, wenn eine persönliche Auseinandersetzung mit Tod und Trauer stattgefunden hat. Dies gilt sowohl für den verbliebenen Elternteil des Kindes (bzw. seine familiären Bezugspersonen) als auch für die pädagogischen Fachkräfte der Einrichtung die das Kind besucht. Hier nun wieder stellt die Bachelorarbeit die Frage, ob ein Erzieher bereits in seiner Ausbildung genügend Hintergrundwissen erlangen kann für einen einfühlsamen Umgang in der Begleitung von trauernden Kindern. Um dies etwas genauer beurteilen zu können, wird am Ende der Bachelorarbeit eine Umfrage unter Erziehern ausgewertet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Motivation zur Themenauswahl
2. Einführung
2.1. Definition Trauer
3. Trauer von Kindern
3.1. Bindungstheorie
3.2. Das Todeskonzept des Kindes in verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen
3.3. Phasen der Trauer
3.4. Trauerprozess von Kindern
3.5. Komplizierte Trauer
3.6. Begleitung trauernder Kinder
3.7. Angebote für betroffene Kinder
4. Umfrage unter Erziehern zum Thema „Trauer bei Kindern“
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anlage(n)
Executive Summary
Verlust und Tod gehören zu den wichtigsten Entwicklungsschritten eines jeden Menschen. Der Tod ist allgegenwärtig, wird jedoch häufig tabuisiert. Ein erwachsener Mensch hat durch seine Lebenserfahrung im besten Fall Ressourcen entwickeln können um mit Tod und Trauer umgehen zu können. Die vorliegende Bachelorarbeit zeigt auf, dass Kinder (hier im Alter von drei bis sechs Jahren) anders trauern als Erwachsene. Kinder haben für den Tod eines Elternteiles keinerlei Verarbeitungskapazität. Die Begleitung durch den Trauerprozess ist für Kinder in Bezug auf ihr weiteres Leben, ihre weitere Entwicklung von essentieller Wichtigkeit. Neben der Familie kommt dem Erzieher bei diesem Prozess der Trauerverarbeitung ein großer Stellenwert zu. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden bedarf es eines umfangreichen Wissens über Tod, den verschiedenen Trauermodellen, Trauerphasen und Trauerreaktionen die in der Bachelorarbeit eingehend beschrieben werden. Dass dieses Wissen während der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher vermittelt wird, wurde durch eine Umfrage versucht zu klären. Diese Umfrage ergab, dass sich der größte Teil der Erzieher durch die Ausbildung nicht genügend auf das Thema Tod und Trauer vorbereitet fühlte und sich sein Wissen durch Eigeninitiative aneignen musste. Die Bachelorarbeit macht deutlich, dass berufliches Handeln nur dann professionell gestaltet und reflektiert werden kann, wenn eine persönliche Auseinandersetzung mit Tod und Trauer stattgefunden hat.1
1. Einleitung
„Kinder trauern anders als Erwachsene“
Im Jahr 2018 verloren alleine in Deutschland rund 56.000 Kinder und Jugendliche einen oder sogar beide Elternteile und wurden damit zu Halb-bzw. Vollwaisen. Insgesamt leben in Deutschland (Stand 2018) rund 300.000 Kinder als Halb-oder Vollwaisen, müssen den Tod einer so wichtigen Bezugsperson verkraften und verarbeiten. Zwar lag das Durchschnittsalter der 56.000 neu hinzugekommenen Waisen bei 16,39 Jahren, aber auch rund 4.400 Kinder im Alter bis zu 6 Jahren wurden allein 2018 mit dem Tod eines Elternteils konfrontiert.
Genau mit der Trauer dieser jüngeren Kinder beschäftigt sich die vorliegende Bachelorarbeit, speziell aber mit Kindern die einen Elternteil verloren haben. Dieser Verlust stellt ein erschütterndes Erlebnis dar und ist eine Überforderung ihrer Gefühle. Es soll aufgezeigt werden, wie Kinder der Altersstufe von ca. 3-6 Jahren trauern, welches Todeskonzept bzw. Vorstellung vom Tod sie haben, welche Trauerphasen sie durchlaufen und vor allem auch, wie sie sie durchlaufen. Und es soll aufgezeigt werden, dass die Begleitung von Kindern, die trauern essentiell wichtig ist, um die Folgen nicht bewältigter Trauer zu vermeiden. Hierfür wird zunächst auf die Bedeutung der Eltern-Kind- Bindung eingegangen. Im weiteren Verlauf wird aufgezeigt, wie entscheidend die Art der Kommunikation mit dem trauernden Kind ist und dass es absolut notwendig ist, die zu bewältigenden Traueraufgaben der kognitiven, personalen, sozialen und emotionalen Entwicklung des Kindes gemäß zu sehen und dahingehend zu modifizieren (Worden 2018:S.225). Oft jedoch ist der verbliebene Elternteil nicht in der Lage die angemessene Unterstützung zu geben, da er selbst mit seinen Gefühlen kämpfen muss. Auch wird das Kind häufig nicht mit in den Trauerprozess mit einbezogen, da Eltern wie auch Pädagogen in der Konfrontation mit dem Thema Tod und Sterben sich hilflos fühlen. Es wird sich nach wie vor wenig oder gar nicht mit diesem Thema beschäftigt und daher kann auch kein angemessener Umgang vorausgesetzt werden. Durch einen offenen Umgang aber und genügend Hintergrundwissen, kann man ein Kind in so einer schwierigen Lebenssituation, stärken, es auffangen und ihm Halt geben. All diese Aufgaben muss entsprechend nicht nur die Familie des trauernden Kindes, sondern nicht zuletzt auch die pädagogische Fachkraft leisten. Denn Kinder der Altersstufe zwischen drei bis sechs Jahren werden in Deutschland häufig tagsüber für mehrere Stunden in Kindertagesstätten betreut. Somit stellt sich die grundlegende Frage, ob einem Erzieher bereits durch seine Ausbildung „Werkzeug“ und genügend Wissen an die Hand gegeben wird, um in diesen Ausnahmesituationen professionell handeln zu können?
Gerade kleinere Kinder zeigen häufig ein Trauerverhalten, welches Erwachsene irritieren kann, sie lachen und zeigen Freude, sind aber im nächsten Moment verschlossen oder wütend.
Bis zum Alter von etwa drei Jahren empfindet das Kind den Tod eines so nahestehenden Menschen als sehr bedrohlich. Erst viel später, mit neun oder zehn Jahren können Kinder realisieren dass der Tod das unumkehrbare Ende des Lebens bedeutet. Die vorliegende Bachelorarbeit wird durch Literaturanalyse aufzeigen, dass bei Kindern die Trauerprozesse nicht kontinuierlich ablaufen, die Trauer sozusagen in Schüben kommt, sie „auf Raten „ trauern.
Die Autorin Astrid Lindgren hat es sehr treffend formuliert
„Die Trauer der Erwachsenen ist wie das Waten durch einen Fluss. Kinder dagegen stolpern in Pfützen der Trauer und springen dann wieder heraus“.
Ist die pädagogische Fachkraft, der Erzieher bereits durch seine Ausbildung hierauf vorbereitet? Kann ein Erzieher nach durchlaufen seiner Ausbildung die komplexen Trauerreaktionen bei Kindern, die sprunghaft wechseln können und doch auch miteinander verknüpft sind einordnen und adäquat darauf reagieren?
Das Zitat von Astrid Lindgren macht deutlich, wie anders Kinder trauern. Sie trauern bunt und vielfältig. Hierauf wird in der Bachelorarbeit auch besonderes Augenmerk gelegt. Denn in ihrer Trauer sind Kinder abhängig von der Toleranz der Erwachsenen. Trotz ihrer Sprunghaftigkeit der Gefühle (s. Zitat Astrid Lindgren) müssen sie in ihrer Trauer ernst genommen werden. Nur so kann verhindert werden, dass Gefühle wie Schmerz, Wut, Leere, Verlassensein und Hoffnungslosigkeit nicht unterdrückt werden. Denn die Sprunghaftigkeit des kindlichen Trauerns ist ein natürlicher Schutzmechanismus. Auf diese Weise können Kinder die Trauer Stück für Stück, so wie sie es aushalten können, zulassen und trotz des großen Verlustes glücklich und gesund aufwachsen. Der Sprung hinein in die Pfütze und wieder hinaus schützt sie vor Überbeanspruchung.
Erzieher – darauf geht die Bachelorarbeit des Weiteren ein, müssen eine Art Spagat leisten – auf der einen Seite dem trauernden Kind (und auch den anderen Kindern der Einrichtung) Normalität und Alltag bieten und auf der anderen Seite die Trauerreaktionen des Kindes rechtzeitig erkennen und das Kind pädagogisch begleiten.
Kinder trauern anders als Erwachsene – können dann die gängigen Trauermodelle angewendet werden? Auch hierauf geht die Bachelorarbeit ein und wird zeigen, dass genau diese Trauermodelle nur bedingt angewendet werden können. Gleichzeitig werden Wege aufgezeigt, wie gute pädagogische Unterstützung dennoch gelingen kann.
In Anbetracht der komplexen Trauerreaktionen bei Kindern, die sprunghaft wechseln können und auch miteinander verknüpft sind, ist es wichtig einen ressourcenorientierten Blick auf das trauernde Kind zu haben.
Die Bachelorarbeit wird deutlich machen, dass berufliches Handeln nur dann professionell gestaltet und reflektiert werden kann, wenn eine persönliche Auseinandersetzung mit Tod und Trauer stattgefunden hat. Dies gilt sowohl für den verbliebenen Elternteil des Kindes (bzw. seine familiären Bezugspersonen) als auch für die pädagogischen Fachkräfte der Einrichtung die das Kind besucht.
Hier nun wieder stellt die Bachelorarbeit die Frage, ob ein Erzieher bereits in seiner Ausbildung genügend Hintergrundwissen erlangen kann für einen einfühlsamen Umgang in der Begleitung von trauernden Kindern. Um dies etwas genauer beurteilen zu können, wird am Ende der Bachelorarbeit eine Umfrage unter Erziehern ausgewertet. Insgesamt wurden 42 Erzieher aller Altersstufen unter anderem befragt, in wie weit sie bereits durch die Ausbildung auf den professionellen Umgang mit trauernden Kindern dieser Altersstufe vorbereitet wurden, ob sie in Ihrem Arbeitsalltag bereits mit solche extremen Situationen umgehen mussten, ob sie sich der Situation gewachsen fühlten etc. Diese Umfrage wird am Ende der Bachelorarbeit ausgewertet und zeigt sehr deutlich, dass die befragten Erzieher sich wünschten, mehr und besser auf das Thema „Trauer bei Kindern“ vorbereitet zu werden.
In der Bezeichnung von weiblichen und männlichen Personen bezieht sich die Arbeit auf beide Geschlechter, auch wenn nur die männliche Form verwendet wurde.
1.1. Motivation zur Themenauswahl
„Der Tod gehört zum Leben dazu“- ganz sicher wurden diese Worte auch von mir im Laufe meines Lebens mehrfach ausgesprochen. Aber dass das reine Aussprechen dieser Worte noch lange nicht bedeutet, dass man den Tod auch wirklich in all seiner Tragweite begreifen und akzeptieren kann, wurde mir im Jahr 2016, während meiner Ausbildung zur Erzieherin schmerzlich bewusst.
Die erste Situation erlebte ich in meiner Einrichtung. Direkt nachdem ich morgens früh die Kita betrat, wurde ich in das Büro meiner Leitung „zitiert“. Dort teilte sie mir mit, dass der Vater eines unserer Kinder durch einen Unfall tödlich verunglückt sei und dass ich mich nun „ professionell angemessen“ verhalten solle. Ich war wie vor den Kopf geschlagen – und wie verhält man sich in solch einer Situation professionell angemessen? Diese Frage beschäftigte mich immer mehr. Und ich konnte noch nicht wissen, dass mich zum Ende des Jahres das gleiche Schicksal ereilen würde. Plötzlich und völlig unerwartet verstarb mein Mann. Meine drei Kinder hatten keinen Vater mehr und die Welt wie wir sie kannten gab es auf einmal nicht mehr. Die Menschen um uns herum waren mit dieser Situation zum größten Teil überfordert, denn sie wussten nicht wie sie mit uns umgehen sollten. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema Tod und Trauer bei Kindern. Ich bin der Meinung, dass es unbedingt notwendig ist, dass sich Pädagogen mit dem Thema auseinandersetzen, um Kinder in solch einer Ausnahmesituation wirklich professionell begleiten zu können. Ohne Hintergrundwissen und einer persönlichen Auseinandersetzung mit Tod, Trauer, Trauerverarbeitung kann es keine angemessene Begleitung geben.
„Trauern lässt uns heilen, mit Liebe eher als mit Schmerz erinnern.
Es ist ein Prozess des Ordnens.
Eines nach dem anderen lässt man Dinge los, die vergangen sind und trauert um sie.
Eines nach dem anderen greift man nach den Dingen, die ein Teil von dem geworden sind, wer man ist, und baut wieder auf“ Rachel Naomi Remen, aus dem Buch von Worden
2. Einführung
2.1. Definition Trauer
Trauer kann, nach Sichtung vielfältiger Literatur, nicht genau definiert werden. Trauer hat viele Gesichter und Facetten, jeder Mensch geht anders mit Trauer um, versucht auf seine Art und Weise damit zurecht zu kommen.
Trauer bedeutet im Sprachgebrauch nichts anderes als matt- und kraftlos werden, die Augen niederschlagen, den Kopf sinken lassen, niederfallen (Specht-Tomann & Tropper 2011: S.14).
Trauer hat immer etwas mit Verlust zu tun. So definierte schon Sigmund Freud, dass Trauer eine „Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihrer Stelle gerückten Abstraktion“ (Freud 1975: S. 197) sei.
Die Psychologin T. A. Rando setzt mit dem Wort „Kummer“ den psychischen Prozess des Trauerns gleich. „Kummer ist jener Prozess, in dem die intrapsychischen, verhaltensmäßigen, sozialen und körperlichen Reaktionen auf die Wahrnehmung eines Verlustes erlebt werden“ (Rando 2003, zit. in Josst 2014: S.14-15).
Der Trauerforscher J. Canacakis definierte Trauer: „Trauer ist eine gesunde lebensnotwendige und kreative Reaktion auf den Verlust und Trennungsereignisse. Trauer ist angeboren und eine Antwort der Seele und des Körpers.“ (Canacakis 2005: S. 27-28). In seinem Buch Ich sehe deine Tränen versucht er die Trauer zu verbildlichen. (Canacakis 1992: S. 25). Es ist schwierig, eine genaue Definition zu finden sowie Merkmale und Eigenschaften von Trauer klar abzugrenzen. Dennoch ist es wichtig ein Verständnis für Trauer und der damit verbundenen Arbeit zu erlangen. Canacakis beschreibt die Vielfalt von menschlicher Trauer mit einem Gebirgssee der in einer wunderschönen Gebirgslandschaft liegt. Der See, der unsere Gefühlswelt darstellt, wird beeinflusst durch Jahreszeiten. Bei Regenfällen zum Beispiel steigt der Pegel im Gebirgssee an und auch die ihm zulaufenden Bäche bringen mehr Wasser in den See. Die zufließenden Bäche stellen im übertragenen Sinne Wege dar um verschiedene Gefühle auszudrücken. Wird einer dieser Wege blockiert, so kommt es zu einer Veränderung des Zuflusses, was wiederum zur Folge hat, dass das Gleichgewicht des Sees im Ganzen gestört wird. Für den Menschen bedeutet dieses Gefühl einer Blockade Schmerzen, in Folge dessen ist er bedrückt. Der See würde bei einer dauerhaften Blockade mit einem Dammbruch reagieren, der alles um sich herum zerstört. Auch ein Mensch kann nach dauerhafter Blockade seiner Gefühle mit solch einem extremen Ausbruch reagieren und dabei sich und seine Umwelt zerstören. Genauso wie ein See durch die dauerhafte Ablage des Schlammes auf seinem Grund die Lebensfähigkeit verliert, so verliert auch der Mensch durch solche dauerhaften Blockaden der Gefühle seine Lebensfreude (vgl. ebd., S. 25 ff.). Das Gefühl der Trauer wird meist sehr intensiv wahrgenommen, sie ist besonders schmerzlich, wodurch auch körperliche und seelische Reaktionen hervorgerufen werden können (vgl. ebd., S. 27). Canacakis abschließende Definition von Trauer bedeutet: „Trauer ist eine spontane, natürliche, normale und selbstverständliche Antwort unseres Organismus, unserer ganzen Person auf Verlust“(ebd., S. 28).
2.1.1 Der aktuelle Umgang mit Tod und Trauer
Der Tod ist Teil des Lebens – im Laufe der Geschichte ist das Wissen über den Tod nicht geringer geworden und dennoch kann er weder vollständig ins Leben integriert noch vollständig ausgeschlossen werden (Mischke 1996, S. 2f.).
„Das Leben in der Industriegesellschaft wirkt so, als ob niemand stirbt“ (Mischke 1996, S.140).
Der Tod wird zum großen Teil verdrängt und dieses Zitat spiegelt genau diesen Umgang wieder, den man in unserer Gesellschaft nur allzu häufig findet. Die Themen „Sterben“, „Tod“ und „Trauer“ finden kaum einen Platz mehr in der Gesellschaft und es wurde im Laufe der Geschichte verlernt mit dem Tod und dem Schmerz umzugehen (Hinderer & Kroth 2012, S.7ff).
Nahezu selbstverständlich ist es geworden, dass der Tod in Krankenhäuser oder Altenheime verlagert wird. Intensivmedizinische Behandlungen verlängern das Leben über die natürliche Grenze hinaus, Krankheiten sind schon lange nicht mehr gottgewolltes Schicksal sondern ein „Feind“ den es zu bekämpfen und zu besiegen gilt. Und gleichzeitig ist auch so der Tod zum Feind geworden.
„Die frühere Vorstellung, dass sich Leben und Tod austauschen, wird in der verwissenschaftlichen Gesellschaft von heute nicht mehr akzeptiert ‚“ (Mischke 1996, S.111). Mit dieser Tabuisierung des Todes geht die Tabuisierung der Trauer einher und das, obwohl die Psychologie die Wichtigkeit der Trauer für die eigene Gesundheit aufzeigt.
Um Tod und Trauer zu enttabuisieren gibt es verschiedene Unternehmungen. So zum einen aus medizinischer Sicht, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten um diesen so , je nach Wille des Patienten, ein würdevolles Sterben (ohne aufgezwungene lebensverlängernde Maßnahmen) zu ermöglichen. Zum anderen versucht die Hospiz-Idee zwei Grundängste in Bezug auf Sterben zu lindern: Sterben mit großen Schmerzen und Sterben in Einsamkeit. Die Hospiz-Idee bedeutet, dass ein Mensch in Würde bis zuletzt leben kann. Und auch die Angehörigen werden in ihrer Trauer und ihren Sorgen und Ängsten begleitet (Mischke 1996, S.157ff.).
Und dennoch haben Kinder von heute im Allgemeinen keine Erfahrungen mit dem Umgang mit Sterbenden da Sterbebegleitung, also „Zuhause sterben dürfen“ den älteren Angehörigen kaum noch erlaubt wird. Gemeinsames Abschied nehmen und den Tod dadurch auch als Teil des Lebens wahrnehmen – diese Chance haben nur wenige Kinder (Freese 2001, S.146). Das liegt nicht zuletzt daran, dass gerade die Erwachsenen selbst dazu tendieren, den Tod als Teil des Lebens zu verdrängen und nicht wahrhaben zu wollen. Die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Tod aber ist Voraussetzung für die Kommunikation und die aus dem Tod resultierende Trauerarbeit mit anderen Menschen – besonders mit Kindern.
2.1.2. Gesunde Trauer – Gestörte Trauer?
Trauer ist eine Zeit voller extremer Gefühlsschwankungen, ungewöhnlichen Bedürfnissen, übersteigerten Reaktionen sowie unbekannten Verhaltensweisen. Das macht es oftmals schwer zwischen „gesunder“ und „gestörter“ Trauer zu unterscheiden.
„Das Leben danach wird nie mehr so sein wie davor, aber es wird wieder Leben sein, ein neues, eigenständiges „ (Monika Müller)
Das Ziel der gesunden Trauer besteht darin, den Verlust zu überwinden. Dieser Weg ist oft lang, mühevoll und auch voller Hindernisse. Das innere Chaos muss durchlebt werden. Schmerz, Traurigkeit, Verzweiflung, Sehnsucht, Hoffnungslosigkeit, Verlassenheit, Überforderung, Angst und Schuldgefühle gehören dazu. Aber ganz allmählich lernt der Trauende sich zurechtzufinden. Ca. 70 Prozent der Trauenden gelingt dieser Prozess.
Ist die Trauer jedoch so absolut, dass sie keinen Raum mehr für anderes lässt, dann läuft die natürliche, gesunde Trauerreaktion aus dem Ruder. An dieser Stelle spricht man von gestörter Trauer. Diese gestörte Trauer wird gekennzeichnetes durch:
- keine allmähliche Abnahme der Trauerintensität
- starke anhaltende Schuldgefühle
- keine oder kaum Anpassung an die neue Wirklichkeit
- Depression, langfristige Schlaf-bzw. Essstörungen
- Vernachlässigung des sozialen Netzes und Vereinsamung
In aller Regel benötigen die Betroffenen therapeutische Unterstützung und/oder Trauerbegleitung um diesen Kreislauf zu durchbrechen. In eher seltenen Fällen entwickelt sich aus einer erschwerten Trauer sogar eine sogenannte komplizierte oder traumatische Trauer. Bei diesen besonders schweren Formen des Trauerprozesses benötigt der Betroffene spezielle Traumatherapeuten um Stabilität in seinem Lebensalltag wiederzuerlangen.
3. Trauer von Kindern
Für Kinder spielt die Todesart eine besondere Rolle und auch die Möglichkeit, sich von dem Toten verabschieden zu können. Nach Piaget ist das Verständnis für den Tod und die Sterblichkeit nicht angeboren, sondern eng an die geistige und emotionale Entwicklung des Kindes gekoppelt und wird von der Umwelt des Kindes beeinflusst. Die Annahme Kinder könnten den Tod und das Sterben nicht verstehen ist darin begründet, dass man den Verstehensprozess des Kindes nicht erfassen kann. Häufig wird das Thema Tod in Familien den Kindern gegenüber generell verschwiegen oder es wird versucht es zu umgehen, da die Erwachsenen selbst in ihrer Kindheit eventuell schlechte Erfahrungen im Umgang mit dem Tod erlebt haben (Wempe 2019: S. 112).
Trauern ist kein linearer Vorgang mit einem Anfang und einem Ende, eher ein zyklisch verlaufendes Geschehen. Trauer hat ein Ziel vor Augen, es will uns den Verlust eines Menschen begreifen lassen und diesem Ergebnis einen Platz in unserem Inneren einräumen. Dies geschieht nicht von heute auf morgen. Bei allen Prozessen des Abschied- Nehmens, kommt es darauf an, sich den Bewegungen der Trauer anzuvertrauen. Wenn dies gelingt, kann man darauf vertrauen, dass sich die Trauer wieder zurückzieht, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat (Ennulat 2015: S.55).
Kinder trauern anders als Erwachsene. Bei ihnen geht es in erster Linie um die Art eines Verlustes und ihre Begleitumstände, den kulturellen Hintergrund oder aber auch den religiösen Hintergrund innerhalb einer Familie. Die Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen, das soziale Umfeld mit ihren Netzwerken und auch die Persönlichkeitsstruktur und der Abwehrmechanismus der Kinder spielen eine Rolle. Sein Alter, die individuellen Entwicklungsbedingungen auf kognitiver und emotionaler Ebene sind entscheidende Einflussfaktoren um Trauer zu bewältigen (Rösberg & Müller 2014: S. 427).
Kinder agieren in ihrer Trauer oft spontan, da sie noch in einer ganzheitlichen, gefühlsbetonten Welt leben. Einige Kinder ziehen sich zurück, sitzen bedrückt oder weinend in einer Ecke. Andere wiederum sind albern, lustig, fröhlich, ausgelassen und benehmen sich gerade so, als sei nichts geschehen. Jedes Kind trauert auf seine eigene Weise, da es diese Situation anders erlebt und auch wahrnimmt. Der Tod bringt für Kinder häufig sehr große Veränderungen mit sich, besonders wenn ein Elternteil stirbt. Nun nämlich verändert sich die komplette Familienstruktur, oft kommen finanzielle Veränderungen dazu. Sehr häufig überwinden Kinder selbst diese dramatischsten Verlusterlebnisse wenn der Mensch an ihrer Seite verständnisvoll, liebevoll und ermutigend ist. Dann lernen die Kinder sich mit der veränderten Lebenssituation zu arrangieren. Kinder aber, die sich in ihrem Schmerz nicht angenommen fühlen erleiden einen „doppelten Verlust“. Diese Kinder fühlen sich oft einsam und mit ihrer Trauer allein gelassen (Franz 2017: S. 86).
Kinder trauern bunt und vielfältig, dabei sind sie abhängig von der Toleranz der Erwachsenen. Sobald sie spüren, dass eine Offenheit herrscht, findet ihr Erfindungsreichtum keine Grenzen. Kinder werden durch die Sprunghaftigkeit ihrer Gefühle oft falsch eingeschätzt und in ihrer Trauer nicht erst genommen. Dies kann dazu führen, dass die Kinder Gefühle wie Schmerz, Wut, Leere, Verlassensein und Hoffnungslosigkeit unterdrücken. Dies wiederum bestätigt den Erwachsenen in seiner Meinung, dass das Kind den Tod gut wegsteckt. Doch diese Sprunghaftigkeit des kindlichen Trauerns ist ein natürlicher Schutzmechanismus. Auf diese Weise können sie die Trauer Stück für Stück, so wie es aushalten, zulassen. Es schützt sie vor Überbeanspruchung.
Den Trauerprozess kann man am Beispiel einer Pfütze gut erklären. Kinder stolpern in Pfützen hinein und springen wieder weiter. Längere Trauerzustände wären eine zu große Bedrohung. Mit der Dynamik der Pfütze wird gezeigt, wie die Trauer in einem Kind aussehen könnte. Kinder haben in dieser Phase einen erhöhten Fragebedarf und wollen immer wieder hören wie z.B. der Papa gestorben ist. Für sie ist es eine Art der Trauerverarbeitung und gleichzeitig geben sie dem Erwachsenen darüber Aufschluss, dass in ihnen das Gefühl von Unsicherheit und Durcheinander sein noch anhält. Viele Erfahrungen die mit Trauer verbunden sind, laufen darauf hinaus, unsere eigenen Grenzen wahrzunehmen. Dies geschieht auch bei einem trauernden Kind. Anderseits ist es auch eine natürliche Erfahrung, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen durchleben. Für Kinder wird es nur bedrohlich, wenn sie nicht von einem Erwachsenen unterstützt werden. Diese Kinder geraten in den Sog des Todes und der Trauer, denn ihnen fehlt die innere Instanz, die sie schützt, sie entwickeln keine innere Schutzmacht. Kinder die jedoch gut in ihrer Trauer begleitet werden, können ein inneres Ordnungssystem entwickeln und somit nur kurze Zeit in der Trauer halt machen (Ennulat 2015: S. 58 ff).
3.1. Bindungstheorie
3.1.1. Begründer der Bindungstheorie
Die Bindungstheorie wurde von John Bowlby (britischer Kinderpsychiater, 1907-1990) und Mary Ainsworth (kanadische Psychologin, 1913-1999) entwickelt. Sie geht von den Grundbedürfnissen des Menschen aus um enge und intensive Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Das Modell der Mutter- Kind- Beziehung gilt als Ursprung der Bindungstheorie. Bowlby war der Meinung, dass sich das Bedürfnis nach enger emotionaler Bindung bis ins hohe Alter zieht. Gemeinsam mit Mary Ainsworth erarbeiteten sie Aspekte zum Bindungsverhalten und der Bindungsqualität. Sie konnten verdeutlichen das sich Bindungssysteme durch das Älter werden, durch Bindungsstörungen und vor allem auch durch Verlust verändern können. Bowlby definiert Bindung „als natürliches vom Nahrungs- uns Sexualtrieb abzugrenzendes Überlebensmuster“ (Bowlby 2008: S.21), als ein imaginäres emotionales Band das über Zeit und Raum zwei Menschen miteinander verbindet.
Wie Kinder und Erwachsene in ihrem Leben mit Tod und Trauer zurechtkommen, hängt nicht unerheblich von der Art ihrer Bindungsfähigkeit ab.
3.1.2. Was ist Bindung?
Bindung ist essenziell für die gesunde psychische und soziale Entwicklung des Menschen. Säuglinge binden sich automatisch an die Person, die sich hauptsächlich mit ihnen beschäftigt, können aber auch mehrere Bindungen zu nahestehenden Personen eingehen. Säuglinge sind in der Lage verschiedene Qualitäten von Bindung zu entwickeln. So ist zum Beispiel die Qualität zu nahen Familienmitgliedern anders ausgerichtet wie zu einer pädagogischen Fachkraft und doch kann eine stabile Bindung aufgebaut werden. Bindung ist eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen können. Der Aufbau einer primären Bindung beginnt in den ersten Lebensmonaten und dauert etwa bis zum Ende des zweiten Lebensjahres (Vollmer 2017: S.62).
Bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben, dient die Mutterbindung eher der Sicherheit, die Vaterbindung mehr der Exploration, die Beziehung zu einer pädagogischen Fachkraft dem Vertrauen in die weitern Sozialangebote. Zuverlässigkeit und Kontinuität, bei liebevoller Pflege spielen eine große Rolle hierbei. Ein Gefühl der Geborgenheit verinnerlicht ein Kind im Laufe seiner Entwicklung. Kinder sind dann in der Lage, ihre sichere Umgebung mit der ihnen vertrauten Person immer öfter und länger zu verlassen, um eine neue Welt dort draußen zu entdecken (Bensel & Haug- Schnabel 2017: S.58 ff).
3.1.3. Das Konzept der Feinfühligkeit
Mary Ainsworth hat durch ihre Forschungsarbeiten das Konzept der Feinfühligkeit der Bindungsperson gegenüber den Signalen des Kindes entdeckt. Für die Entwicklung einer sicheren Bindung ist es wichtig, dass sich die Bindungsperson feinfühlig verhält, dies bedeutet – die kindlichen Verhaltensweisen wahrnehmen, Signale des Kindes richtig deuten und angemessen darauf reagieren, immer im Hinblick auf das Alter des Säuglings. Das Kind entwickelt durch die angemessene Reaktion auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse ein Gefühl der Tüchtigkeit und Selbstbestimmung. Eine feinfühlige Bindungsperson ist in der Lage die kindlichen Signale wahrzunehmen unabhängig von seiner eigenen Bedürfnislage und richtig einzuschätzen. Da die Regulierungsfähigkeit des Kindes mit dem Alter kontinuierlich zunimmt, muss sich das Unterstützungsverhalten der Eltern dem anpassen. Unter diesen Voraussetzungen entwickelt das Kind eine sichere Bindung an die Mutter. URL:https://www.erzieherin-ausbildung.de/praxis/fachtexte-alltagshilfen-u3/bindung-und-bindungstheorien (Abruf 10.04.2020).
3.1.4. Bindungsmuster
In der kindlichen Entwicklung bindet man sich mindestens an eine Person. Ob sich daraus eine stabile, sichere Bindung entwickelt oder von Unsicherheit und Verlustängsten geprägt ist, hängt von dieser Bezugsperson ab. Bindungsqualität wird von der Feinfühligkeit und der emotionalen Verfügbarkeit der Eltern bestimmt. Die Qualität einer Bindung zeigt sich im Vertrauen eines Kindes in die Zuwendung und Beruhigungsfähigkeit der Bezugsperson in stressigen Situationen. Mit verschiedenen Bezugspersonen können Kinder verschiedene Bindungsqualitäten eingehen. Bindungsmuster sind sicher gebundene Kinder und unsicher gebundene Kinder und das Fremdeln.
Sicher gebundene Kinder können ihre Gefühle offen zeigen, auch in Situationen mit emotionalen Belastungen, können ohne Angst und unbefangen spielen und spontan in ihre Umgebung explorieren, haben gelernt sich in stressigen und verunsicherten Augenblicken vertrauensvoll an ihre Bezugsperson zu wenden und erhalten dort Trost und Zuspruch. Im zweiten Lebensjahr protestieren sie gegen eine Trennung, lassen sich aber problemlos von der Mutter beruhigen. Das sicher gebundene Kind verfügt über ein inneres Arbeitsmodell in dem die Bezugsperson als zuverlässig dargestellt wird (Bensel & Haug- Schnabel 2017: S.61). Im Erwachsenenalter entspricht dies einem sicher- autonomen Bindungsstil.
Unsicher gebundenen Kindern fehlt das Vertrauen in die Bindungsperson in Zeiten der Bedürftigkeit. Ihr Verhalten stellt eine Strategie dar, um den Erwartungen der Bindungsperson zu entsprechen. Auch hier finden sich unterschiedliche Bindungsarten:
- unsicher- vermeidende Bindung – wenn Kinder in einer stressigen Testtrennungssituation nicht ihre Gefühle zeigen und auch bei der Rückkehr der Bindungsperson gar nicht ihre Nähe suchen um Enttäuschungen zu vermeiden, sie wirken desinteressiert und vermeiden Kontakt; stattdessen spielen sie allein und wirken betont unbelastet, scheinen ohne Einschränkungen zu explorieren, zeigen wenig Bindungsverhalten und akzeptieren die fremde Person als Ersatz. innerlich sind diese Kinder sehr aufgewühlt, was zu einer hohen emotionalen Belastung führt. Diese Kinder haben ihre Bindungsperson als zurückweisend verinnerlicht, in dieser Bindung können Kinder kein Vertrauen auf Unterstützung entwickeln, sondern rechnen immer mit Zurückweisung. Bei Erwachsenen ist dieser Bindungsstil mit hoher Distanz zu Bindungsthemen zu erkennen, in Beziehungen werden Widersprüche nur schwer erkannt.
- unsicher- ambivalente Bindung – Kinder zeigen auffällig übertriebenes Verhalten bei Trennung, haben Angst ihre Bindungsperson zu verlieren, lassen diese kaum aus den Augen, reagieren mit lautem Geschrei, weinen und klammern sich an die Bindungsperson, lassen sich auch nach Rückkehr der Bindungsperson kaum beruhigen, da sie nicht wissen wie diese reagieren wird. Diese Unsicherheit lässt kein entspanntes Spielen und auch keine Exploration zu, genauso wenig eine erfolgreiche Selbstständigkeit. Erwachsene scheinen in früheren Beziehungen gefangen, dieser Bindungsstil wird auch als bindungsverstrickt bezeichnet
- unsicher- desorganisierte Bindung - Kinder zeigen höchst widersprüchliches und kaum zu interpretierendes Verhalten in Belastungssituationen. Verhaltenswechsel wie plötzliches Erstarren oder Grimassieren könnten darauf hinweisen, ständiger Konflikt zwischen Kontaktwunsch und der Angst der Ablehnung lassen das Kind die Nähe der Bindungsperson suchen. Exploration ist stark eingeschränkt, da sie die Bindungsperson nicht als sicheren Hafen nutzen können (Bensel & Haug- Schnabel 2017: S.62). Dieses Bindungsmuster wird als Steckenbleiben zwischen zwei Verhaltenstendenzen bezeichnet, es gibt nur Nähe oder Abwendung zur Bindungsperson. Die emotionale Kommunikation ist gestört, da die Bindungsperson gleichzeitig Quelle und Auflösung für Angst ist. Dieses Bindungsmuster wird auch als Zusammenbrechen von organisierten Strategien in bindungsrelevanten Situationen bezeichnet. Bei Erwachsenen zeigt sich ein gedanklich- mangelnder Zusammenhang oder auch Irrationalität bei bestimmten Themen wie Tod/Trauer und Trennung.
Das Fremdeln – beginnt im Alter von sechs bis acht Monaten, Kinder fangen an ihre Bindungsperson zu vermissen, es entwickelt sich ein inneres Modell von Bindung, sie lächeln nicht mehr jeden freundlich an, reagieren teilweise mit heftiger Abwehr auf Fremde (Bensel & Haug- Schnabel 2017: S.63).
- das Bedürfnis des Menschen, eine enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehung zu Mitmenschen aufzubauen
- Konzept für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen
- durch eine sichere emotionale Bindung sucht das Kind bei Gefahr Schutz und Beruhigung bei der Bezugsperson und kann bei Erfüllung seiner Bedürfnisse die Grundlage für gelingende Entwicklungsphasen legen
- Fähigkeit stabile und soziale Beziehungen zu führen und aufrecht zu erhalten
3.2. Das Todeskonzept des Kindes in verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen
Um ein besseres Verständnis zu vermitteln in welchen Dimensionen Kinder den Tod verstehen, werden teilweise Entwicklungskonzepte die an Piaget angelehnt sind mit zur Bearbeitung herangezogen. Diese sollen verdeutlichen, dass Kinder in allen Alters- und Entwicklungsstufen eine Vorstellung von Tod und Sterben haben, ihre Empfindungen damit und welche Reaktionen damit verbunden sind. Es gibt alterstypische Vorstellungen vom Tod. Diese bilden sich durch innere und äußere Einflüsse, durch persönliche, direkte und indirekte Erfahrungen, die in den individuellen Kontext der Entwicklung, der Gesellschaft, der Religion und der Kultur der Kinder eingebettet sind. Die Bedeutung der Begriffe „Tod“ und „Leben“ sind den Kindern nicht angeboren, diese entwickeln sich in einem langen Prozess, in dem das Verhalten der Eltern und die bestehende Bindungsqualität eine große Rolle spielen. Ihr Bild vom Tod und der Umgang damit, werden geprägt durch ihre soziale Interaktion mit Erwachsenen und deren Umgang damit. Die Wahrnehmung und die Vorstellung vom Tod sind eng miteinander verbunden, daher ist es wichtig mit Kindern vorbereitend darüber zu reden und sie dann in ihrer Trauer einfühlsam und aufmerksam zu begleiten. Die Ansichten über den Tod sind sehr unterschiedlich und richten sich nach Alters- und Entwicklungsstand der Kinder. Somit ergibt sich keine allgemein gültige, auf alle Kinder eines Alters zugeschnittene Vorstellung vom Todeskonzept, da Kinder in jeder Entwicklungsphase die Welt und somit auch den Tod anders verstehen (Franz 2017: S.60).
Jean Piaget (1896-1980) schrieb in seinen Arbeiten und Annahmen zur Entwicklung des Denkens, dass sich Denken in unterschiedlichen Phasen entwickelt. Die altersspezifische Strukturierung des Todeskonzeptes lehnt sich an die Grundannahme zur Denkentwicklung Piagets an. Im Verlauf der kindlichen Entwicklung können sich vier Dimensionen des Todesbegriffes herausbilden:
- Nonfunktionalität : Der Tod bedeutet völligen Stillstand der Körperfunktionen.
- Irreversibilität : Der Tod ist nicht mehr rückgängig zu machen.
- Universalität : Alle Lebewesen müssen einmal sterben.
- Kausalität : Die Ursachen des Todes sind biologisch.
Erwachsene sind sich dieser Dimension bewusst, Kinder müssen sich diese im Laufe ihrer Kindheit und Jugend erarbeiten (Joost 2014: S.26).
3.2.1. Kinder im Alter bis max. 2 Jahren
Man glaubt, dass je kleiner die Kinder sind, desto weniger bekämen sie von einer zeitweiligen (Trennung) oder endgültigen Verlust (Tod) eines nahestehenden Menschen mit. Dies ist nicht richtig. Sie nehmen wahr, dass sich die Situation verändert hat, erkennen aber keine Einzelheiten oder Zusammenhänge. Vielmehr spürt das Kind, dass sich die gewohnte Atmosphäre, die lieb gewonnenen Rituale, gewisse Selbstverständlichkeiten, die vertraute Stimmung und das emotionale Klima verändert haben. Vieles was dem Kind an Sicherheit, Wohlbefinden, Geborgenheit, Schutz, Stabilität und Liebe gab, ist nicht mehr so wie es einmal war. Da Säuglinge zwischen Tod und vorübergehender Trennung noch nicht unterscheiden können und sich in völliger Abhängigkeit zu ihrer Bezugsperson begeben, empfinden sie den Verlust als existentiell bedrohlich.
Die primäre Bezugsperson, in den meisten Fällen die Mutter, ist für den Säugling die innigste Beziehung und die wichtigste Person in seinem Leben. Nach Untersuchungen betrauern Kinder bereits ab dem 6. Lebensmonat den Verlust ihrer primären Bezugsperson. Dies äußert sich durch Unwohlsein, Schlaflosigkeit, lang anhaltender Weinerlichkeit, Unruhe, Reizbarkeit, Verdauungsstörungen oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme, es kann bis hin zu einer Apathie führen. Diese Trauer kann so intensiv sein, dass es zu Krankheiten und im schlimmsten Fall sogar bis zum Tod führen kann (Franz 2017: S. 62).
Um den achten Lebensmonat herum, entwickelt das Kind eine innere Vorstellung von Menschen und Gegenständen. In diesem Zeitraum bildet sich die Fähigkeit aus, Belebtes von Unbelebtem zu unterscheiden, Piaget meinte, dass das Kind über eine sogenannte „Objektpermanenz“ verfügt. Dies bedeutet, das Kind weiß, dass eine Person oder ein Gegenstand auch dann noch vorhanden ist, wenn es diesen gerade nicht sieht. In der Herausbildung der Objektpermanenz spielt die erfahrene Beziehungsqualität eine wesentliche Rolle. Ein Kind mit positiven Erfahrungen, einer sicheren, liebevollen, zuverlässigen, fürsorglichen Bindung entwickelt nach Eriksons Worten ein „Urvertrauen“. Urvertrauen setzt den Aufbau eines stabilen, gesunden Selbst voraus. Die frühkindlichen Beziehungs- und Bindungserfahrungen beeinflussen somit nachhaltig die Bewältigung von Trennung und Verlust (Franz 2017: S. 65).
Zwischen zwölf und achtzehn Monaten entwickeln sich die geistigen und sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes. Mit zunehmender Sprachentwicklung vertieft sich die Unterscheidungsfähigkeit zwischen belebt und unbelebt und das Kind kann dies auf verbaler Ebene kommunizieren. Gegenstände die dem Kind keine Resonanz geben, werden als dialogunfähig und somit als leblose, oder sogar „tote Objekte“ angesehen. Tiere, Menschen, was sich bewegt und mit dem Kind „redet“, werden als „lebendige Objekte“ wahrgenommen (Franz 2017: S. 66 ff).
Kleinkinder interessieren sich insbesondere für geräusch- und bewegungsvolle Gegenstände, sowie krabbelnde Tiere. So beobachten sie beispielsweise einen Käfer und versuchen ihn zu greifen, sind dann aber verwundert darüber, dass er sich nicht mehr bewegt oder sogar tot ist. Mittels eigener Erfahrungen, die weitestgehend reflektiert und auch korrigiert werden können, entwickeln sich durch die fortschreitende Ausbildung des Denk- und Sprachvermögens, die einfachen Konzepte von „belebt“ und „unbelebt“. Ab dem achtzehnten Lebensmonat können Kinder einfache Worte benutzen um ihre Gefühle auszudrücken (Franz 2017: S. 67).
Kinder dieser Altersspanne haben kaum bis gar keine Vorstellung vom Tod, aber nach Bowlby spüren sie bei einer Trennung und sogar den Tod einer engen Bezugsperson einen Schmerz, der auch als trauern bezeichnet werden könnte (Bowlby 2006: S. 425).
3.2.2 Kinder im Alter von 2 bis 4 Jahren
Kinder von zwei bis vier Jahren verfügen noch nicht über die Fähigkeit empathisch auf ihre Umwelt zu reagieren und können eigene Vorstellungen noch nicht klar von der äußeren Realität abgrenzen. Kinder in diesem Alter sind komplett ichbezogen, erleben sich selbst als den Mittelpunkt ihres Lebens. Diese Phase wird als „Egozentrismus“ bezeichnet. Kinder in diesem Alter haben die Erwartung, dass ein jeder das gleiche denkt, hört, fühlt, liebt und ablehnt wie sie selbst. Die weitreichenden Folgen des Todes können Sie noch nicht erfassen, für sie bleibt demnach der Tod reversibel. Mit der Herausbildung des magischen Denkens und der Allmachtsfantasien versuchen die Kinder nun auf die Wirklichkeit, die Realität einzuwirken. Mit Hilfe von Gespenstern, Hexen und Zauberern erhoffen sie sich den Tod zu besiegen, und geliebte Menschen oder Dinge zurück zu bekommen. Diese Fantasien geben dem Kind ein Gefühl von Macht und Stärke können aber gleichzeitig Angst und Schuldgefühle hervorrufen, da sie sich als Verantwortlicher des Geschehens sehen.
In dieser Altersstufe haben Kinder zum Thema Tod keinen Bezug, da ihnen der dafür notwendige Erlebnishintergrund noch fehlt. Sie können sich noch keinen Begriff von diesem Begriff machen. Erst wenn Eltern mit ihren Kindern über den Tod sprechen, ihre Gefühle dazu preisgeben, wird dieser Begriff für sie begreifbar. Sie erkennen sehr schnell, dass in aller Regel der Tod mit negativen, traurigen Gefühlen besetzt und im Grunde unfassbar ist. An dieser Stelle ist es sehr wichtig, dem Kind zu vermitteln, dass man sich trotz aller Traurigkeit nicht im Bereich des Verbotenen befindet. Das Darüber reden kann Kindern helfen, den Tod sinnlich wahrzunehmen (Franz 2017: S.71).
3.2.3. Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren
In diesem Alter beginnen Kinder nach dem Ursprung eines Ereignisses zu fragen und auch danach zu suchen. Die Fähigkeit Dinge einzustufen und zu ordnen wird langsam entwickelt. Aber noch können die Kinder nicht die zugrunde liegenden Prinzipien verstehen. Tod bedeutet Trennung, das ist in diesem Alter Kindern häufig bereits klar. Dennoch gibt es für sie noch nicht die Vorstellung der Endgültigkeit. So z.B. kann der Tote verreist sein und irgendwann zurückkommen, schlafen und irgendwann wieder aufwachen oder aber sogar unter der Erde weiterleben. Für Kinder dieses Alters ist ein Lebewesen dann tot, wenn ihm die lebendigen (beweglichen) Eigenschaften fehlen. Sie bemühen sich den Tod in ihr bisheriges Verständnis von unbelebt und lebendig einzuordnen, was ihnen aber nicht immer gelingt (Franz 2017: S.71 ff). Der Tod kann sogar als Bestrafung oder Fehlverhalten vom Kind erlebt werden(„Mama ist gestorben, weil ich böse war“). Erst Vorschulkinder beginnen die Endgültigkeit des Todes immer mehr zu begreifen. Das Thema Tod ist für Kinder ein sehr elementares Thema. Auch Kinder die in ihrem bisherigem Leben noch keinerlei Erfahrungen mit Tod und Verlust machen mussten, beschäftigen sich immer wieder im Rollenspiel damit. In dieser Altersgruppe wird der Tod häufig personifiziert als der böse Mann, der Sensenmann, Skelett, Totenvogel (Röseberg & Müller 2014: S.22).
3.3. Phasen der Trauer
Der vorangegangene Abschnitt befasste sich mit dem Todeskonzept von Kindern im Alter von Null bis Sechs Jahren in verschiedenen Entwicklungsstufen. Beschrieben wurde, wie Trauer aussehen könnte. Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit Trauer konfrontiert werden. Wie Kinder aber den Tod und die Trauer verarbeiten und auch bewältigen können, wird in dem nachfolgenden Abschnitt beschrieben. Kinder trauern völlig anders als Erwachsene. Aber um deren Trauerreaktionen verstehen und richtig deuten zu können ist es wichtig, vorab auf die verschiedenen Phasen der Trauer einzugehen. Verschiedene gängige Modelle werden benannt, auf das Modell von Verena Kast wird genauer eingegangen. Insgesamt dienen diese Modelle nur zur Orientierung und Anlehnung und dem besseren Verständnis. Anwendung, wie vorab bereits erwähnt, finden die Trauerphasenmodelle jedoch vor allem bei Erwachsenen und zum Teil auch bei Jugendlichen, da diese ein ähnliches Trauerverhalten und Todeskonzept wie Erwachsene haben. Jüngere Kinder hingegen durchleben keinen phasenhaften Trauerprozess, sondern Zeiten unterschiedlichster Gefühlszustände, sie durchleben Aufgaben der Trauer, die bewältigt werden müssen.
3.3.1. Phasenmodell nach Elisabeth Kübler-Ross
Die Psychiaterin Elisabeth Kübler- Ross entwickelte ein fünf Phasen Modell, welches ursprünglich bei der Begleitung von Sterbenden Anwendung fand. Hierzu schrieb sie das Buch „Interviews mit Sterbenden“(1971). Diese Phasen wurden später dann auch auf den Trauerprozess übertragen. Gemäß Kübler-Ross gehen diese fünf Phasen gehen ineinander über.
Die fünf Phasen nach Kübler- Ross
1. Das Leugnen
2. Der Zorn
3. Das Verhandeln
4. Die Depression
5. Die Akzeptanz
Diese Aufteilung erwies sich als schwierig, da es die Erwartung implizierte, dass diese Phasen genauso durchlaufen werden müssen. In der Realität dann aber zeigt sich, dass Phasen auch ausgelassen werden oder „nicht in der richtigen Reihenfolge“ durchlebt werden (Worden 2018: S.43). Obwohl verschiedene Autoren aus diesem Grund dem Modell kritisch gegenüber stehen, setzte es wichtige Impulse für die Sterbe- und Trauerbegleitung.
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1 Gilt nur für Abschlussarbeiten (nicht für SiP!
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- Ines Schulz (Author), 2020, Trauerbegleitung bei Kindern. Rolle von Erzieher/-innen im Trauerprozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1181200
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