Diese Arbeit soll mögliche Waldgebiete in Niedersachsen ermitteln, die für eine Windkraftnutzung über Wald unter Berücksichtigung gängiger Restriktionen geeignet wären. Als Ergebnis einer umfangreichen, themenspezifischen Literaturrecherche werden Grundlagen im Bereich Windenergie, Wald und der Windenergienutzung in Wäldern geschaffen. Darüber hinaus werden die Vorarbeiten zur Eingrenzung des Untersuchungsgebietes (kurz UG) und zur ersten groben Ermittlung geeigneter Flächen vorgestellt. Eine konkrete Standortanalyse im Untersuchungsgebiet anhand verschiedener Faktoren und eines Bewertungskataloges zeigt das Flächenpotenzial in Teilen von Niedersachsen und gibt Aufschlüsse über zu beachtende Kriterien bei der Standortfindung. Besonders geeignete Flächen werden als Fallbeispiele inklusive einer fiktiven Windparkplanung und eine Fotodokumentation näher vorgestellt. Eine Befragung zum Thema Windenergienutzung in Waldgebieten beleuchtet abschließend die Akzeptanz in der Gesellschaft.
Die Ergebnisse dieser Arbeit können als Diskussionsgrundlage für eine Öffnung des Waldes in Niedersachsen für die Windkraft dienen und Anstoß für die Schaffung eines Leitfadens zur Ermittlung von Potenzialflächen für Windenergieanlagen in Waldgebieten in Niedersachsen und darüber hinaus sein.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen zur Windenergienutzung an Waldstandorten
2.1 Windenergie
2.1.1 Physikalische Grundlagen
2.1.2 Ausbausituation
2.1.3 Planungsgrundlagen
2.2 Wald
2.2.1 Ökosystem Wald
2.2.2 Waldentwicklung in Mitteleuropa
2.2.3 Wichtige Waldgesellschaften
2.2.4 Waldnutzung
2.2.5 Waldverteilung
2.2.6 Gefahren & Zukunft
2.3 Windenergienutzung an Waldstandorten
2.3.1 Technische Umsetzung
2.3.2 Konfliktpotenziale & Gefahren
2.3.2.1 Lichtimmissionen
2.3.2.2 Schallimmissionen
2.3.2.3 Flora & Fauna (Fokus Avifauna)
2.3.2.4 Raumwirksamkeit & Landschaftsbild
2.3.2.5 Boden
2.3.2.6 Rodun g
2.3.2.7 Waldbrandgefahr
2.3.3 Ausbausituation & Planungsgrundlagen
2.3.4 Beispiele
2.4 Resümee
3 Vorstudie
3.1 Hauptuntersuchungsgebiet
3.2 Einschränkung des Untersuchungsgebietes
3.3 Potenziale im Offenland und Wald
3.3.1 Auswertung - Offenland
3.3.2 Auswertung - Wald
3.4 Resümee
4 Potenzialstudie
4.1 Windhöffigkeit
4.1.1 Datengrundlage & Methodik
4.1.2 Auswertung
4.2 Relief
4.2.1 Datengrundlage & Methodik
4.2.2 Auswertung
4.3 Vorbelastungen
4.3.1 Datengrundlage & Methodik
4.3.2 Auswertung
4.4 Waldbestand
4.4.1 Datengrundlage & Methodik
4.4.2 Auswertung
4.5 Bewertungskatalog
4.5.1 Methodik
4.5.2 Auswertung
4.5.2.1 Steckbrief - ID 1 Kleiner Steinberg
4.5.2.2 Steckbrief - ID 21 Süntel
4.5.2.3 Steckbrief - ID 24 Munster
4.5.2.4 Steckbrief - ID 25 Amelinghausen
4.5.2.5 Steckbrief - ID 29 Evern
4.5.2.6 Steckbrief - ID 30 Seemoor
5 Fallbeispiele
5.1 Süntel (ID 21)
5.1.1 Gebietsbeschreibung
5.1.1.1 Allgemeine Daten
5.1.1.2 Naturraum, Landschaft
5.1.1.3 Baumbestand
5.1.1.4 Geologie
5.1.1.5 Windenergie
5.1.1.6 Natur- und Artenschutz
5.1.1.7 Vorbelastungen
5.1.2 Lokale Potenzialanalyse
5.1.3 Fotodokumentation
5.1.4 Fiktive Planung
5.1.5 Bewertung
5.2 Amelinghausen (ID 25)
5.2.1 Gebietsbeschreibung
5.2.1.1 Allgemeine Daten
5.2.1.2 Naturraum & Landschaft
5.2.1.3 Baumbestand
5.2.1.4 Geologie
5.2.1.5 Windenergie
5.2.1.6 Natur- und Artenschutz
5.2.1.7 Vorbelastungen
5.2.2 Lokale Potenzialanalyse
5.2.3 Fotodokumentation
5.2.4 Fiktive Planung
5.2.5 Bewertung
6 Akzeptanzbefragung
6.1 Methodik
6.2 Ergebnisse
6.3 Diskussion
7 Kritik
8 Schlussfolgerungen und Ausblick
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Wald (Eigene Abbildung 2018).
„Wenn man so ganz alleine im Wald steht, begreift man nur sehr schwer, wozu man in Büros und Kinos geht. Und plötzlich will man alles das nicht mehr.“ (KÄSTNER 1929).
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Wald (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 2: Ausstoß von Treibhausgasen (TAGESSPIEGEL 2018)
Abb. 3: Entwicklung der Globaltemperatur mit möglichen Entwicklungspfaden (QUASCHNING 2016)
Abb. 4: Atmosphärische Zirkulation (CLIMATE SERVICE CENTER 2008)
Abb. 5: Entwicklung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland (Bruttostromerzeugung in Milliarden kWh) (BMWI 2018)
Abb. 6: Planungsrechtliche und gesetzliche Grundlagen (Ausschnitt) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 7: Zuständigkeiten im Planungsprozess (Eigene Abbildung nach (HAU 2014, S. 777))
Abb. 8: Kohlenstoffkreislauf (WIKIMEDIA 2011)
Abb. 9: Postglaziale Waldentwicklung (SPEKTRUM o.J.c)
Abb. 10: Standortansprüche mitteleuropäischer Laubwaldgesellschaften (Eigene Abbildung nach (HOFMEISTER 1990))
Abb. 11: Waldverteilung in Niedersachsen (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2014)
Abb. 12: Waldbrandursachen 2017 (UBA 2017b)
Abb. 13: Windablenkung und Verwirbelung durch Wälder (FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR ENERGIEWIRTSCHAFT MBH 2015)
Abb. 14: Änderung der Windlinie über Wald (MKULNV NRW 2012)
Abb. 15: Kranstellfläche an einem Waldstandort (MKULNV NRW 2012)
Abb. 16: Brennende Windenergieanlage im Wald in Lahr (Baden-Württemberg) (NATIONAL WIND WATCH 2013)
Abb. 17: Ausgleichmaßnahme (Ersatzaufforstung) zur Kompensation von Rodungen (WINDWÄRTS ENERGIE GMBH o.J.)
Abb. 18: Windpark Lauterstein (STUTTGARTER NACHRICHTEN 2016)
Abb. 19: Verteilung von Schutzgebieten und -bereichen in Niedersachsen (Restriktion) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 20: Waldanteil in Niedersachsen nach Landkreisen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 21: Bestandsanlagen in Niedersachsen (Anteil) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 22: Waldanteil in Niedersachsen nach Landkreisen (über 25%) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 23: Diagramm Arbeitsschritte Vorstudie (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 24: Potenzialfläche LK Hameln-Pyrmont (Offenland über 20 ha) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 25: Potenzialfläche LK Hameln-Pyrmont (Wald bereinigt) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 26: Potenzialfläche (Wald) mit Überschneidung von Windgeschwindigkeit von < 6.0 m/s (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 27: Windgeschwindigkeit in 135m Höhe im Untersuchungsgebiet (UG) Nord (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 28: Windgeschwindigkeit in 135m Höhe im Untersuchungsgebiet (UG) Süd (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 29: Potenzialflächen (Wald) mit einer Windgeschwindigkeit von > 6.0 m/s (über 20ha) im Untersuchungsgebiet (UG) Nord (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 30: Potenzialflächen (Wald) mit einer Windgeschwindigkeit von > 6.0 m/s (über 20ha) im Untersuchungsgebiet (UG) Süd (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 31: Höhenmodell (DGM) im Untersuchungsgebiet Süd (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 32: Bereiche mit Neigung über 30 Grad im Untersuchungsgebiet Süd (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 33: Potenzialflächen im Untersuchungsgebiet (Neigung unter 30°, Windgeschwindigkeit über 6.0 m/s, Fläche über 20ha) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 34: Altablagerungen und Rüstungsaltlasten in Niedersachsen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 35: Potenzialflächen mit Vorbelastung (in max. 100m Entfernung) im Untersuchungsgebiet Nord (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 36: Potenzialflächen mit Vorbelastung (in max. 100m Entfernung) im Untersuchungsgebiet Süd (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 37: Dominierende Baumart im Untersuchungsgebiet (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 38: Dominierende Baumart auf den Potenzialflächen im Untersuchungsgebiet Nord mit ID der Potenzialflächen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 39: Dominierende Baumart auf den Potenzialflächen im Untersuchungsgebiet Süd mit ID der Potenzialflächen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 40: Potenzialflächen im Untersuchungsgebiet Nord (mit Nummerierung) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 41: Potenzialflächen im Untersuchungsgebiet Nord (mit Nummerierung) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 42: Potenzialflächen mit einer Bewertung von 80 oder mehr im Untersuchungsgebiet (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 43: Arbeitsschritte Potenzialstudie (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 44: Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 45: Fagus (Buchen) im Süntel (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 46: Picea (Fichten) im Süntel (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 47: Pinus (Kiefern) im Süntel (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 48: Fraxinus (Eschen) im Süntel (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 49: Bestandsanlagen um Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 50: Schutzgebiete Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 51: Avifauna Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 52: Altablagerung auf der Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018) 125 Abb. 53: Altablagerung Süntel Übersicht (UMWELTAMT LANDKREIS HAMELN-PYRMONT 1993)
Abb. 54: Altablagerung Süntel Detailübersicht (UMWELTAMT LANDKREIS HAMELN-PYRMONT 1993)
Abb. 55: Luftbild Altablagerung Süntel (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 56: Luftbild Hohe Egge & Eulenflucht (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 57: kV-Leitungen um Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 58: Fotodokumentation Süntel - mögliche (Vor-)Montagefläche am Waldrand (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 59: Fotodokumentation Süntel - Zuwegung mit Süntelbuche (rechts) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 60: Fotodokumentation Süntel - Zuwegung Abmessung mit 2m Zollstock (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 61: Fotodokumentation Süntel - Zuwegung (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 62: Fotodokumentation Süntel - Anzeichen für Forstwirtschaft (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 63: Fotodokumentation Süntel - Zuwegung Altablagerung (rechts) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 64: Fotodokumentation Süntel - Verbotsschild Altablagerung (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 65: Fotodokumentation Süntel - Altes Schottwerk im Wald (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 66: Fotodokumentation Süntel - Relikte aus der aktiven Zeit des Steinbruchs (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 67: Fotodokumentation Süntel - Blick auf Fläche der Vorbelastung (aufgeschüttet) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 68: Fotodokumentation Süntel - Buchenbestand (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 69: Fotodokumentation Süntel - Hohe Egge 1 (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 70: Fotodokumentation Süntel - Hohe Egge 2 (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 71: Luftbild Süntel Sommer (Aufnahmedatum: 05.09.2013) (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 72: Luftbild Süntel Winter (Aufnahmedatum: 31.12.2010) (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 73: Planung Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 74: Höhenprofil Zuwegung Süntel (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 75: Sichtbarkeitsanalyse (Radius: 50km) Potenzialfläche Süntel (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 76: Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 77: Hohe Heide (BFN 2012b)
Abb. 78: Luheheide (BFN 2012c)
Abb. 79: Pinus sylvestris (Waldkiefer) Amelinghausen (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 80: Fagus (Buchen) Amelinghausen (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 81: Betula (Birken) Amelinghausen (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 82: Quercus robur & Quercus patraea (Stiel-/Traubeneichen) Amelinghausen (prozentualer Anteil an Landfläche) (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 83: Glaziale Phase (KLETT o.J.)
Abb. 84: Bestandsanlagen um Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 85: Schutzgebiete Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 86: Avifauna Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 87: Altablagerung auf der Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 88: Luftbild Altablagerung Amelinghausen (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 89: Luftbild Einzelhäuser & Kronsbergheide (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 90: Neuer Flächenzuschnitt Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 91: Fotodokumentation Amelinghausen - Zufahrt zur Fläche links (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 92: Fotodokumentation Amelinghausen - Messung der Wegbreite (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 93: Fotodokumentation Amelinghausen - eingezäuntes Gebiet mit Jungwuchs (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 94: Fotodokumentation Amelinghausen - mögliche (Vor-)Montagefläche 1 (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 95: Fotodokumentation Amelinghausen - Waldkiefern im Untersuchungsgebiet (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 96: Fotodokumentation Amelinghausen - Forsttätigkeit im Untersuchungsgebiet (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 97: Fotodokumentation Amelinghausen - mögliche (Vor-)Montagefläche 2 (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 98: Fotodokumentation Amelinghausen - Heidschnuckenstall und Kronsbergheide (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 99: Fotodokumentation Amelinghausen - Restaurant „Zum Alchemisten“ außerhalb des Gebietes (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 100: Planung Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 101: Höhenprofil Zuwegung Amelinghausen (GOOGLE EARTH PRO 2018)
Abb. 102: Sichtbarkeitsanalyse (50km) Potenzialfläche Amelinghausen (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 103: Vergleich Frage 1 und Frage 9 (Eigene Abbildung 2018)
Abb. 104: Brutto-Stromverbrauch und Ausbau der regenerativen Stromerzeugungskapazitäten unter Berücksichtigung eines Emmissionsminderungs- Szenario von 95% gegenüber 1990 (WWF DEUTSCHLAND 2018)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kumulierte Leistung und Anlagenanzahl im Bundeslandvergleich (Eigene Darstellung nach (DEUTSCHE WINDGUARD 2018))
Tabelle 2: Funktionen des Waldes (Eigene Darstellung nach (LESER 2011))
Tabelle 3: Landesfläche und Waldfläche der deutschen Bundesländer (BMEL 2016b)
Tabelle 4: Beispiele für die Mindestanforderung der Zuwegung (Eigene Darstellung nach (MKULNV NRW 2012))
Tabelle 5: Pro und Kontra Windenergie (Eigene Darstellung nach (FREINATUR 2015) & (HEIER 2016))
Tabelle 6: Beispiele für windenergiesensible Arten (Eigene Darstellung nach (MKULNV NRW 2012))
Tabelle 7: Ausbausituation von Windenergieanlagen in Waldgebieten im Bundesländervergleich (Stand: Ende 2017) (Eigene Darstellung nach (FA WIND 2018c) & (FA WIND o.J.))
Tabelle 8: Auszug aus Tabelle für genehmigungsbedürftige Anlagen (Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Eigene Darstellung nach (4. BIMSCHV 2013))
Tabelle 9: Ablauf ASP (Eigene Darstellung nach (MKULNV NRW 2012, S.27-40))
Tabelle 10: Ablauf FFH-VP (Eigene Darstellung nach (MKULNV NRW 2012, S.27-40))
Tabelle 11: Datengrundlagen und Quellen Schutzgebiete (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 12: Datengrundlage & Quellen Wald (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 13: Datengrundlage & Quellen Windenergieanlagen (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 14: Datengrundlage & Quellen Potenzialstudie (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 15: Ausschlussgebiete mit Abständen (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 16: Ergebnisse Potenzialflächenanalyse (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 17: Datengrundlage & Quellen Windhöffigkeit (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 18: Rauigkeitslänge z0 in Abhängigkeit der Geländeoberfläche (Eigene Darstellung nach (SUISSE EOLE o.J.))
Tabelle 19: Prozentualer Anteil von windhöffigen (über 6.0 m/s) Gebieten im UG (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 20: Anzahl von Potenzialflächen mit einer Windgeschwindigkeit von mind. 6.0 m/s (über 20 ha) im UG (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 21: Datengrundlage & Quellen Relief (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 22: Gebiete mit Geländeneigung über 30 Grad im Untersuchungsgebiet (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 23: Datengrundlage & Quellen Vorbelastungen (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 24: Datengrundlage & Quellen Wald (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 25: Dominierende Baumarten auf Potenzialflächen - Flächengrößenvergleich (Eigene Darstellung 2018)
Tabelle 26: Bewertungsskala (Eigene Darstellung 2018)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Die Realität, die wir jetzt sehen, fleht uns an, zu handeln.“ (GORE o.J.).
Das Weichsel-Glazial, etwa 80.000 bis 10.000 Jahren vor heute, bedeckte weite Teile Nordeuropas unter einer dicken Eisschicht (KÜSTER 2013). Die Erde erlebte in den darauffolgenden Jahrtausenden eine deutliche Klimaveränderung mit einem Temperaturanstieg von etwa 3,5°C und einem Schmelzen von großen Meer- und Landeismassen, verbunden mit der Erhöhung des weltweiten Meeresspiegels um über 100 Meter. Den Zeitraum ab 5.000 v. Chr. prägte eine stabile Temperatur und ein konstanter Meeresspiegel - ein klimahistorisch seltener Zustand, der auch als Grundlage für die Entwicklung von Hochkulturen aufgrund der vorherrschenden stabilen Lebensbedingungen angeführt wird (QUASCHNING 2013).
Der Ausstoß von Treibhausgasen (Abb. 2), vor allem durch fossile Energieträger, brachte das Gleichgewicht stark durcheinander und führte zu einer Temperaturerhöhung um 1°C seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts - siehe Abbildung 3. Eine weitere Eisschmelze und die Zunahme von Extremwetterereignissen sind das Resultat (QUASCHNING 2013). Renommierte Klimaforscher prognostizieren einen weiteren Temperaturanstieg von 4°C oder 5°C bis zum Jahr 2100 bei einer anhaltenden Klimabelastung durch den Treibhausgasausstoß von etwa Kohlendioxid oder Methan (UBA 2016). Vor allem Küstenregionen und Inselstaaten sind durch einen drohenden weiteren Meeresspiegelanstieg existenziell betroffen - etwa 100 Millionen Menschen leben in einem Gebiet, das zwischen null und einem Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen auch die Wasserversorgung und die Landwirtschaft. Insbesondere Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, sind bereits heute spürbar und können in Zukunft noch drastischer ausfallen (QUASCHNING 2013) & (UBA 2017a).
Anmerkung der Redaktion: Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ausstoß von Treibhausgasen (TAGESSPIEGEL 2018).
Eine Begrenzung der globalen Erwärmung ist entscheidend, um die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu reduzieren. Das Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015 stellt als Vereinbarung der 195 Mitgliedsstaaten der UNFCC 1 die Weichen für ein globales Klimaschutzkonzept mit dem Ziel der Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau, wenn möglich sogar auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau. Insbesondere eine Wende in der Energiepolitik soll ein entscheidender Faktor für die Eindämmung des Klimawandels sein (UBA 2017a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Entwicklung der Globaltemperatur mit möglichen Entwicklungspfaden (QUASCHNING 2016).
Einen bedeutenden Anteil an der Energiewende kann die Windenergie einnehmen. Schon zur Jahrtausendwende waren 9.359 Windenergieanlagen (kurz WEA) in Deutschland in Betrieb. Die Anzahl steigerte sich kontinuierlich, insbesondere nach dem beschlossenen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie in Folge der verheerenden Nuklearkatastrophe von Fukushima im März 2011 (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2011). Der Ausstieg aus der Atomenergie führte zu einem starken und anhaltenden Zuwachs aller regenerativen Energieträger. Bis 2014 waren bereits 24.867 (DEUTSCHE WINDGUARD 2014) und bis Mitte 2018 29.071 Anlagen in der Bundesrepublik errichtet worden (DEUTSCHE WINDGUARD 2018).
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der für die Zukunft der Stromversorgung unverzichtbaren sauberen und sicheren Energiequelle Wind nehmen auch kritische Meinungen zu. Vor allem der Natur- und Artenschutz sowie die Akzeptanz der raumbedeutenden Anlagen hinsichtlich ihrer Wirkung in der Landschaft („Verspargelung“) sind kontrovers diskutierte Themen in der Gesellschaft.
Das Bundesland Niedersachsen gilt schon lange als Vorreiter in Hinblick auf den Windenergieausbau in Deutschland. Mitte 2018 waren bereits 6.277 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 10.981 MW erbaut (DEUTSCHE WINDGUARD 2018). Der weitere Ausbau gerät allerdings immer häufiger ins Stocken, da viele Flächen im Offenland bereits beplant, nicht realisierbar oder durch schlechte Windverhältnisse unwirtschaftlich für die Betreiber sind. Neue Flächenpotenziale müssen daher geschaffen werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben. „Um einem regional möglichen Flächenmangel für den Ausbau von Windenergieanlagen zu begegnen, sind auch Waldflächen als Standortflächen für Windenergieanlagen in Betracht zu ziehen.“ (KLÖCKER 2013, S. 328). Eine Öffnung von bisher unberührten Standorten muss diskutiert werden, um den Klimawandel mit einer zielgerichteten Energiepolitik unter anderem in Form eines Ausbaus der Windenergie an Land entgegenzuwirken (DEUTSCHE WINDGUARD 2017).
Die folgende Ausarbeitung „Wissensbasierte Daten zur Windkraftnutzung in niedersächsischen Wäldern“ soll mögliche Waldgebiete in Niedersachsen ermitteln, die für eine Windkraftnutzung über Wald unter Berücksichtigung gängiger Restriktionen geeignet wären. Als Ergebnis einer umfangreichen, themenspezifischen Literaturrecherche werden Grundlagen im Bereich Windenergie, Wald und der Windenergienutzung in Wäldern geschaffen. Darüber hinaus werden die Vorarbeiten zur Eingrenzung des Untersuchungsgebietes (kurz UG) und zur ersten groben Ermittlung geeigneter Flächen vorgestellt. Eine konkrete Standortanalyse im Untersuchungsgebiet anhand verschiedener Faktoren und eines Bewertungskataloges zeigt das Flächenpotenzial in Teilen von Niedersachsen und gibt Aufschlüsse über zu beachtende Kriterien bei der Standortfindung. Besonders geeignete Flächen werden als Fallbeispiele inklusive einer fiktiven Windparkplanung und eine Fotodokumentation näher vorgestellt. Eine Befragung zum Thema Windenergienutzung in Waldgebieten beleuchtet abschließend die Akzeptanz in der Gesellschaft.
Die Ergebnisse dieser Arbeit können als Diskussionsgrundlage für eine Öffnung des Waldes in Niedersachsen für die Windkraft dienen und Anstoß für die Schaffung eines Leitfadens zur Ermittlung von Potenzialflächen für Windenergieanlagen in Waldgebieten in Niedersachsen und darüber hinaus sein.
Alle in der Arbeit gezeigten selbsterstellten Karten befinden sich auf der beigefügten CD im Anhang - ausgewählte Karten und Tabellen sind außerdem als Ausdruck im DIN A3- oder A4-Format beigelegt (siehe Verzeichnis Anhang).
Als Gerüst der Arbeit dienen folgende Leitfragen, die in den weiteren Ausführungen behandelt und beantwortet werden:
- Wie ist die aktuelle Ausbausituation der Windenergie?
- Welche Aspekte sind bei der Planung von Windenergieanlagen zu berücksichtigen und welche Konflikte gibt es an Waldstandorten?
- Wie ist die Waldverteilung in Niedersachsen?
- Welche Potenziale bietet Niedersachsen für die Errichtung von Windenergieanlagen im Offenland und an Waldstandorten unter Berücksichtigung der gängigen Restriktionen?
- Welche speziellen Gebiete im UG eignen sich besonders für die Errichtung von Windenergie über Wald? (Hinsichtlich der gängigen Restriktionen)
- Wie ist die Akzeptanz in der Bevölkerung zum Thema Windenergie über Wald?
2 Grundlagen zur Windenergienutzung an Waldstandorten
Das Kapitel vermittelt die Grundlagen zu den Aspekten Windenergie, Wald und explizit der Windenergienutzung an Waldstandorten. Ein Resümee fasst am Ende die wichtigsten Inhalte zusammen. In diesem einführenden Kapitel werden die zum Verständnis der weiteren Ausarbeitung wichtigen Themen erläutert.
2.1 Windenergie
Der folgende Abschnitt gibt eine Einführung und einen Überblick in das Thema Windenergie. Hierfür werden kurz die physikalischen Grundlagen und die Entwicklungsgeschichte der Windenergie beschrieben. Anschließend werden der aktuelle Stand des Ausbaus und die räumliche Verteilung von Windkraftanlagen weltweit sowie in Deutschland dargestellt und planungsrechtliche Grundlagen erläutert. Abschließend wird dargestellt, welchen Herausforderungen die Windenergie gegenübersteht und welche möglichen Lösungsansätze es für die jeweiligen Konfliktpotenziale gibt. Das Kapitel vermittelt die für die spätere methodische Beurteilung wichtigen Informationen in diesem Themenfeld.
2.1.1 Physikalische Grundlagen
In der Atmosphäre laufen zahlreiche physikalische Vorgänge ab, die das Wetter beeinflussen, horizontale und vertikale Bewegung von Luft hervorrufen und spürbaren Wind auf der Erdoberfläche erzeugen. Die Winde resultieren dabei aus Unterschieden der Lufttemperatur in Folge einer ungleichmäßigen Strahlungsbilanz an der Erdoberfläche. Die Entstehung eines Tiefdruckgebiets an der Oberfläche durch den Aufstieg der erwärmten und somit leichteren Luft führt zu Ausgleichsströmungen aus einer Region mit hohem Druck (Hochdruckgebiet). Die Luft ist daher in ständiger Bewegung, um die Unterschiede auszugleichen. Neben den Temperaturunterschieden beeinflussen weitere Faktoren, wie etwa die Erddrehung, die Corioliskraft, Ozeane, Meeresströmungen und Gebirge, die Luftbewegungen und das Wetter (HÄCKEL 2012) & (HEIER 2016).
Ein globales Zirkulationssystem (Abbildung 4) umspannt die Erde und führt zu beständigen Bewegungen von Luftmassen. Im Bereich des Äquators, wo die stärkste Sonneneinstrahlung herrscht 3 , steigt warme und gesättigte Luft auf und bildet die äquatoriale Tiefdruckrinne am Boden. Zum Ausgleich strömt Luft von Süden und Norden nach - die sogenannten Passatwinde entstehen. Die aufgestiegenen Luftmassen vom Äquator strömen polwärts und schließen den Kreislauf etwa am 30. Breitengrad (Nord und Süd) am subtropischen Hochdruckgürtel. Diese Zirkulation wird auch Hadley-Zirkulation genannt (HEIER 2016).
Der feste Erdkörper und die Lufthülle rotieren mit identischer Geschwindigkeit. „Luftteilchen bewegen sich deshalb wie der Erdkörper am Äquator mit einer Geschwindigkeit von 40.000 km/Tag oder 1666 km/h, in 40° Breite von 1277 km/h und am Pol von 0 km/h. Wegen der Massenträgheit behalten Luftteilchen bei horizontalen und vertikalen Bewegungen ihren Ausgangsimpuls bei.“ (sPEKTRUM o.J.a). Luftteilchen werden durch die daraus resultierenden Corioliskräfte abgelenkt - auf der Nordhemisphäre bei Nordströmung ostwärts und bei südströmung westwärts (LEsER 2011). Es wird deshalb auch von einem Nordostpassat bzw. einem südostpassat (südhemisphäre) gesprochen. Über dem 30. Breitengrad wird die polwärts wehende Luft durch die Corioliskraft in Westwinde umgelenkt. Die Gebiete an den Polen sind von Ostwinden geprägt. Auf der südhalbkugel sind die Windrichtungen genau entgegengesetzt.
Neben der planetarischen Zirkulation haben auch regionale Winde Auswirkungen auf die örtlichen Windverhältnisse, wie etwa das Land-see-Windsystem oder das Berg-TalWindsystem (HEIER 2016).
Die Nutzung der Windenergie bot für die Menschheit neue Möglichkeiten und reicht viele Jahrhunderte zurück - der Ausgangspunkt liegt vermutlich sogar bis zu 3.000 Jahre zurück im Nahen und Mittleren Osten. „Überlieferungen über die Ursprünge zur Anwendung von Windmühlen sind allerdings sehr widersprüchlich.“ (HEIER 2016, s.33). so wird noch heute spekuliert, ob die Anfänge auf die Ägypter, die Phönizier, die Mesopotamier, die Griechen oder die Römer zurückzuführen sind (HEIER 2016).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.2 Ausbausituation
Das folgende Kapitel stellt die Ausbausituation der Windenergie weltweit und in Deutschland dar. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Niedersachsen als Untersuchungsgebiet dieser Ausarbeitung gelegt. Durch eine eigens erstellte Analyse soll der Ausbaustand später in Kapitel 3.2 auch visuell nachvollzogen werden können.
Weltweit
Etwa dreiviertel der weltweit installierten Windenergieleistung verteilt sich auf fünf Länder - China, USA, Deutschland, Spanien und Indien. Ein Blick auf die Landesgröße zeigt, dass Dänemark und Deutschland die größte Windenergieleistungsdichte mit 110 kW/km 2 aufweisen (HEIER 2016). Global waren Ende 2017 etwa 540 Gigawatt (GW) Windenergieleistung installiert (BWE 2017). Vor allem die Volksrepublik China sticht mit einem Jahreszubau von etwa 31 GW im Jahr 2015 und prognostizierten Installationszahlen von 20 GW pro Jahr bis 2030 heraus (BWE o.J.a).
In Europa waren vor allem staatliche Förderungen und unterschiedliche Gesetzgebungen Grund dafür, dass die Windenergie in manchen Ländern erfolgreich genutzt wurde und in anderen Ländern nur wenige Anlagen errichtet wurden. Deutschland nimmt hierbei die Vorreiterrolle ein, gefolgt von Spanien und Großbritannien - gemessen an der installierten Gesamtleistung (HEIER 2016).
In Nordamerika befinden sich in Texas und Kalifornien große Windparks - insgesamt sind in den USA 89.077 MW Windenergieleistung installiert (BWE 2017). Dem Boom der Windenergie aus den 1980er Jahren folgte im darauffolgenden Jahrzehnt allerdings ein Einbruch, da es an einer stabilen Gesetzgebung in Bezug auf die Windkraft mangelte. Gebiete mit extremen Wetterbedingungen wie Alaska und Kanada wird ein exzellentes Windenergiepotenzial aufgrund hoher Windgeschwindigkeiten vorausgesagt - bisher sind diese entlegenen Gebiete in Hinblick auf Windenergie allerdings noch wenig erschlossen.
Auf dem asiatischen Kontinent sind die beiden bevölkerungsreichsten Länder China und Indien führend. Während in Indien (22,5 GW installierte Windenergieleistung) vor allem die Küstenregionen ein gutes Windenergiepotenzial bieten, ergaben Berechnungen für China ein Windpotenzial von über 250 GW an Land und 750 GW auf See. (HEIER 2016). Ende 2017 betrug die installierte Leistung in China bereits 188 GW (BWE 2017).
In Südamerika, Afrika und Ozeanien ist die installierte Leistung im Vergleich zu den zuvor vorgestellten Regionen eher gering. Größere Windparks sind vor allem in Brasilien, Marokko, Ägypten, Australien und Neuseeland in Betrieb oder in Planung. Auch weitere Länder haben sich ehrgeizige Ausbauziele gesetzt. Insbesondere Regionen mit hervorragenden Windverhältnissen - wie beispielsweise Neuseeland, Argentinien oder Alaska - bergen große Potenziale (HEIER 2016).
Deutschland
Zur Förderung regenerativer Energieträger wurde von der Bundesregierung Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (kurz EEG) verabschiedet, das in seiner erster Form bereits im April 2000 in Kraft trat (BMWI 2014). Die aktuellste Novellierung stammt vom Juni 2018 (EEG 2018).
Grundlegende Zielsetzung dieses Förderungsinstruments ist der Umbau der Stromversorgung von fossilen hin zu regenerativen Energieträgern, um Umwelt und Klima zu schonen und für eine Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu sorgen (BMWI o.J.). Bis 2050 sollen somit 80% des Stroms in Deutschland durch Wind-, Wasser-, Solar- und Bioenergie - in sehr geringem Umfang auch Geothermie - gedeckt werden (BMWI 2014). Zentrales Mittel des EEG ist die Unterstützung des Ökostroms durch verschiedene Privilegien - unter anderem eine Abnahmegarantie, verbindliche Vergütungen (bis zur Novelle 2014) und die primäre Netzeinspeisung (BMWI o.J.).
Bereits im Jahr 2013 wurde ein Viertel (Bruttostromverbrauch) des stroms in Deutschland aus regenerativen Quellen gewonnen (BMWI 2016). Von 2000 - dem Jahr des Inkrafttretens des ersten EEG - bis 2014 hat sich die Bruttostromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland somit fast verfünffacht (BMWI 2018). Im Jahr 2017 betrug der Anteil der Erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch bereits 36,2% (UBA 2018). Dieser rasante Anstieg wurde auch durch das EEG beschleunigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Entwicklung der stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland (Bruttostromerzeugung in Milliarden kWh) (BMWI 2018).
Eine herausragende Rolle für das Gelingen der Energiewende nimmt die Windenergie ein, welche sich mehr und mehr zu der bedeutendsten regenerativen Energiequelle in Deutschland entwickelt hat - siehe hierzu Abbildung 5. Anfang 2018 hatte sie einen Anteil von 16,3% an der Bruttostromerzeugung in Deutschland (BMWI o.J.).
Ungefähr 30.000 mechanische Windmühlen gehörten bereits Anfang des vorletzten Jahrhunderts zur Landschaft in Deutschland. Das Verlangen nach Windenergie lies Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund von alternativen und günstigeren Quellen zur stromerzeugung stark nach und erholte sich erst wieder mit einem gestiegenen Bewusstsein für die Umwelt in Folge der Ölkrisen in den 1970er Jahren. Das Stromeinspeisegesetz (der Vorläufer des EEG) von 1990, das EEG selbst und vor allem der von der Bundesregierung für das Jahr 2022 angestrebte Atomausstieg führten zu einem rasanten Ausbau von Windkraftanlagen (BRAUN & ZIEGLER 2006).
Durch diverse Förderungsprogramme und der Privilegierung von Windkraftanlagen im Baugesetzbuch § 35 - mehr dazu im Kapitel 2.1.3 - wurde die Bundesrepublik Deutschland weltweit zum Vor- und spitzenreiter der Windenergienutzung im Jahr 2003 (BRAUN & ZIEGLER 2006). Ende 2017 lag Deutschland mit einer installierten Leistung (On- und Offshore) von 56.132 Megawatt (MW) hinter den USA (89.077 MW) und China (188.232 MW) auf Platz drei im weltweiten Vergleich (BWE 2017). In der Bundesrepublik wurden bis Mitte 2018 29.071 Onshore-Windenergieanlagen errichtet, was einer kumulierten Leistung von 52.282 Megawatt entspricht (DEUTSCHE WINDGUARD 2018).
Die Windenergie in Deutschland hat eine lange Tradition und gehört bereits seit vielen Jahren zur landesweiten Energielandschaft. Durch den enormen Ausbau in den letzten Jahrzehnten sind Windenergieanlagen fast in allen Landschaften präsent und somit für viele Menschen ein Thema, das auch kritisch betrachtet wird.
Niedersachsen
Im bundesweiten Vergleich nimmt Niedersachsen die Vorreiterrolle in Sachen Windenergie ein. Mit 10.981 MW (Stand 30.06.2018) installierter Gesamtleistung liegt das norddeutsche Bundesland deutlich vor Brandenburg (6.983 MW) und Schleswig-Holstein (6.894 MW) - siehe Tabelle 1 (DEUTSCHE WINDGUARD 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Kumulierte Leistung und Anlagenanzahl im Bundeslandvergleich (Eigene Darstellung nach (DEUTSCHE WINDGUARD 2018)).
Laut dem Windenergieerlass 2016 gibt Niedersachsen das Landesziel aus „[...] bis 2050 mindestens 20 Gigawatt (GW) Windenergieleistung Onshore zu installieren [...]“ (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE, BAUEN UND KLIMASCHUTZ 2016, S. 192). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen rund 3.000 zusätzliche Anlagen - zu den bereits über 6.277 errichteten - mit einer Leistung von je 3 MW installiert werden. Dieser Wert ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Landesziel von 20.000 MW und der bereits installierten Leistung von 10.981 MW sowie der anschließenden Division durch 3 MW - wenn von Anlagen der 3 MW Klasse ausgegangen wird. Nennleistungen moderner Anlagen wie der Enercon E-141 EP4 sind allerdings heutzutage schon höher (4,2 MW), wodurch theoretisch von einer geringeren Anzahl Anlagen ausgegangen werden kann (ENERCON GMBH o.J.).
2.1.3 Planungsgrundlagen
Der Errichtung einzelner Windkraftanlagen oder ganzer Windparks geht eine meist mehrjährige Planung voraus. Dabei sind zahlreiche Gesetze und Vorgaben - sowohl auf Bundes-, Landes- als auch auf Gemeindeebene - zu beachten, um auf eine (rechtlich) geeignete Potenzialfläche für Windenergie zu stoßen. Die wichtigsten - siehe Abbildung 6 - werden in den folgenden Zeilen kurz dargestellt. Für weitere Informationen sind die jeweiligen Gesetzestexte und Regelwerke maßgebend.
Der Windenergie wird im Baugesetzbuch (B AUGB) eine Privilegierung im Außenbereich eingeräumt. so heißt es in § 35 Abs. 1 satz 5: „Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es [...] der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient [...]“ (BAUGB 2014). Der Bau von Windenergieanlagen ist somit im Außenbereich prinzipiell zulässig, sofern keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 vorliegt und eine ausreichende Erschließung von Flächen erfolgt ist (sTADT BAD MÜNDER 2015).
Die Gemeinden besitzen die Möglichkeit, standorte für die Windenergie durch die Ausweisung von Eignungs- und Ausschlussgebieten im Flächennutzungsplan (FNP) planerisch zu steuern. Diese Planung wird in der Praxis „[...] auch als „Konzentrationsplanung“ oder „Ausschlussplanung“ bezeichnet.“ (FA WIND 2015, s.2). Hierbei müssen die Gemeinden ihre standortausweisungen ausreichend und schlüssig begründen und rechtfertigen. Es gilt, durch die Ermittlung von harten und weichen Tabuzonen, geeignete Potenzialflächen für die Windenergie zu finden. Harte Tabuzonen entsprechen dem Gemeindegebiet, welches nicht mit dem Bau von WEA vereinbar ist wie etwa siedlungsgebiete. Zu beachten gibt es außerdem Belange des Naturschutzes, die im Bundesnaturschutzgesetz (BN ATS CHG) vermerkt sind. Hierbei sind Eingriffe in das Landschaftsbild zu vermeiden und gegebenenfalls durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen (sCHÖBEL 2012).
Aus immissionsschutzrechtlichen Gründen (Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 Abs. 2) muss überdies zu gewissen Objekten ein Abstand eingehalten werden - näheres dazu wird im Kapitel 2.3.2.1 und 2.3.2.2 erläutert. Mit der Möglichkeit weiche Tabuzonen festzulegen, hat die Gemeinde darüber hinaus ein Mittel, „[...] Bereiche des Planungsgebietes aus städtebaulichen Erwägungen von Windenergieanlagen freizuhalten [...]“ (sTADT BAD MÜNDER 2015, s.3). Die Gemeinden können also durch eine gezielte Planung die Ausweisung von Flächen bewusst lenken, um das übrige Gemeindegebiet als Windenergiestandort auszuschließen (BRAUN & ZIEGLER 2006). Eine solche Ausschlussplanung wird in der Vorstudie (Kapitel 3) durchgeführt und näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Planungsrechtliche und gesetzliche Grundlagen (Ausschnitt) (Eigene Abbildung 2018).
Die Flächennutzungsplanung in Niedersachsen unterliegt dem Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP), das der Regionalplanung (Regionales Raumordnungsprogramm (RROP)) die Aufgabe gibt, geeignete Vorrangoder Eignungsgebiete für die Windenergie festzulegen. Eine Höhenbegrenzung für Windenergieanlagen ist in Niedersachsen nicht festgeschrieben. Das LROP gilt als „[...] Planungsvorgabe des Landes [...]“ (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE, BAUEN UND KLIMASCHUTZ 2014a, S.5).
In den Regionalplänen können drei grundlegende Kategorien von Gebieten (Raumordnungsgebiete) ausgewiesen werden.
Das Vorranggebiet für Windenergie besitzt eine Ausschlusswirkung für andere Nutzungen in diesem Gebiet, denen eine Raumbedeutsamkeit zugeordnet wird. Ein Vorbehaltsgebiet räumt der Windenergie keine Vormachtstellung ein. Hier können auch andere Nutzungen durch die kommunale Bauleitplanung genehmigt werden. Die Eignungsgebiete besitzen eine Ausschlusswirkung für die Nutzung an einem anderen Gemeindestandort. Das heißt, dass die Nutzung (in diesem Fall Windenergie) nur auf einer als Eignungsgebiet ausgewiesenen Fläche erlaubt ist und andere Flächen nicht in Betracht kommen (BRAUN & ZIEGLER 2006).
Die Aufstellung des RROP erfolgt durch die Landkreise (kurz LKs) - bzw. die Region Hannover oder den Zweckverband Großraum Braunschweig - und besitzt somit einen für die jeweiligen Gebiete großen Gestaltungsspielraum. Die Maßgaben des LROP gilt es zu beachten und um eine stets der Zeit entsprechende Regionalplanung gewährleisten zu können, muss laut Niedersächsischen Raumordnungsgesetz (NROG) alle zehn Jahre eine Überprüfung des RROP erfolgen (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ o.J.). Aktuell und in der näheren Vergangenheit wurden daher zahlreiche Raumordnungsprogramme für die Windenergie angepasst und aktualisiert.
Die Flächennutzungspläne unterliegen den Zielen des RROP. sowohl der FNP (auf Gemeindeebene) als auch der RROP (auf regionaler Ebene) sind für die Flächenausweisungen verantwortlich (NIEDERsÄCHsIsCHEs MINIsTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE, BAUEN UND KLIMAsCHUTZ 2015).
Im Genehmigungsverfahren ist eine allumfassende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen, die das Bauvorhaben auf Vereinbarkeit mit Naturschutz, Immissionsschutz und Auswirkung auf das Landschaftsbild untersucht (LUBW o.J.).
Überdies existieren noch zahlreiche weitere Vorgaben und Erlässe. Zu nennen ist hier vor allem der niedersächsische Windenergieerlass (stand Februar 2016), der die kommunalen Planungsträger unterstützen und Informationen über rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen geben soll. Ein bedeutender Punkt dieses Erlasses ist die 7,35%- Regel, die den Trägern der Regionalplanung und den Gemeinden vorschreibt, mindestens 7,35% der im Erlass ermittelten Potenzialflächen als Vorranggebiete auszuweisen, damit das Landesziel (bis 2050 mindestens 20 GW Windenergieleistung (Onshore)) erreicht wird. Als potenzielle Flächen gelten hierbei Flächen, die nicht im Wald liegen und nicht von harten Abstandskriterien betroffen sind. Insgesamt ist von einem Flächenbedarf von 1,4% der Landesfläche Niedersachsen auszugehen (NIEDERsÄCHsIsCHEs MINIsTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE, BAUEN UND KLIMAsCHUTZ 2016). Die Abbildung 7 stellt die verschiedenen Zuständigkeiten im Planungsprozess zusammenfassend dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Zuständigkeiten im Planungsprozess (Eigene Abbildung nach (HAU 2014, s. 777)).
2.2 Wald
Bevor geklärt werden kann, ob Wälder in Niedersachsen als standort für Windenergieanlagen in Frage kommen, muss zunächst der Begriff Wald definiert werden. Dabei kommt es sehr auf den Bedeutungszusammenhang an, unter dem Wald betrachtet wird - sei es ökologisch, alltagssprachlich oder juristisch.
Das Wort Wald beruht auf dem urgermanischen Begriff „walpu“ (Büschel, Zweige) und dem indogermanischen „wolt“ („Dichtbewachsenes“). Auch Ableitungen vom althochdeutschen Wort „walt“ (Urwald) und dem lateinischen „vellere“ (rupfen) sind möglich (KEHL 2016).
Im ökologischen Sinn ist Wald „[...] eine Vegetationsform und mehr als nur eine Ansammlung von vorherrschenden, geschlossen auftretenden Bäumen. [...] [Er] [...] ist ein vernetztes Sozialgebilde und Wirkungsgefüge seiner sich gegenseitig beeinflussenden und von voneinander abhängigen biotischen, physikalischen und chemischen Bestandteile, das praktisch von der obersten Krone bis hinunter zu den äußersten Wurzelspitzen reicht. Kennzeichnend ist die konkurrenzbedingte Vorherrschaft der Bäume. Dadurch entsteht auch ein Waldbinnenklima [...], das sich wesentlich von dem des Freilandes unterscheidet. Dieses kann sich nur bei einer Mindesthöhe, Mindestfläche und Mindestdichte der Bäume entwickeln.“ (ERLBECK ET AL. 2002, S. 768).
Für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (kurz FAO) ist Wald definiert durch eine mit Bäumen bewachsene Landfläche mit einer Mindestfläche von 0,5 Hektar, wobei nur 10% von Baumkronen überschirmt sein muss. Die Bäume müssen dabei mindestens fünf Meter hoch werden können - Jungbestände bei denen dies prinzipiell möglich ist, werden als Wald angesehen. Hierbei wird nicht zwischen natürlichem Baumbestand und angepflanzten Wäldern unterschieden 4 . Nicht als Wald angesehen werden allerdings Baumbestände in reinen „[...] agricultural production systems [...]“ (FAO 2012, S.3) wie beispielsweise Obstbaumplantagen oder Palmölplantagen (FAO 2012).
In der Bundesrepublik Deutschland gibt das Bundeswaldgesetz von 1975 in § 2 den juristischen Rahmen zur Definition von Wald: „Wald im Sinne dieses Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.“ (§ 2 BWALDG 1975). Nicht als Wald betrachtet werden Kurzumtriebsplantagen, Flächen agroforstlicher Nutzung, mit Forstpflanzen bestockte landwirtschaftliche Flächen und kleinere Gebiete mit Einzelbäumen, Hecken oder Baumschulen. Den Bundesländern ist es in Einzelfallprüfung freigestellt, Flächen dem Wald zuzurechnen bzw. auszunehmen (bspw. Weihnachtsbaumkulturen, Parks) (BWALDG 1975).
Auch das Bundesland Niedersachsen hat im Niedersächsischen Waldgesetz eine eigene Definition für Wald. Demnach ist Wald „[...] jede mit Waldbäumen bestockte Grundfläche, die aufgrund ihrer Größe und Baumdichte einen Naturhaushalt mit eigenem Binnenklima aufweist.“ (NWALDLG 2002 S.3). Weiter heißt es, dass von einem Wald gesprochen wird, wenn sich mindestens kniehohe Waldbäume entwickelt haben - sei es durch eine natürliche Ansamung oder durch Erstaufforstung - und die Fläche, wie zuvor erwähnt, eine gewisse Größe und Dichte aufweist (NWALDLG 2002).
Es lässt sich feststellen, dass eine einheitliche Definition schwer auszumachen ist und der Wald unter all seinen Gesichtspunkten betrachtet werden muss, um eine klare Abgrenzung zum Offenland zu finden. „Von Zeit zu Zeit bedeutete „Wald“ immer wieder etwas anderes.
Seine Zusammensetzung wandelte sich, und mehr und mehr prägte der Mensch selbst, was er und seine Zeitgenossen einerseits und seine Nachfahren andererseits als Wald empfinden sollten.“ (KÜsTER 2013, s. 235).
2.2.1 Ökosystem Wald
Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte des Ökosystems Wald dargestellt. Der Wald besitzt eine schicht- bzw. stockwerkstruktur als Folge der Anpassung verschiedener Arten an die unterschiedlichen Lichtverhältnisse. unterschieden wird hierbei zwischen schatten- und Lichtbaumarten, die unterschiedlich hohe Ansprüche an das Vorhandensein des sonnenlichts stellen und somit den stockwerkbau kreieren. Konkurrenzverhältnisse und physiologische Ansprüche (Licht, Wasser, Nährstoffversorgung) determinieren dabei das Auftreten oder Nichtauftreten einer Pflanzenart.
Das Ökosystem Wald zeichnet sich durch seine besondere Vielfalt, der hohen stabilität, einer ständigen Dynamik und der enormen Menge an Biomasse aus. Ein Ökosystem ist „[...] eine sich aus abiotischen und biotischen Faktoren eines Ökotops bzw. des Geosystems und des Biosystems aggregierte Funktionseinheit der hochkomplexen realen Umwelt.“ (LEsER 2011, s.645). Das Ökosystem Wald gilt vor allem wegen seiner Böden, der besonderen Grundwasserspeicherkapazität und durch seine klimaregulierenden Funktionen als das wertvollste terrestrische Ökosystem (BARBEY 2012). Die wichtigsten Funktionen des Waldes sind in Tabelle 2 zusammengefasst - unterschieden wird hierbei zwischen Nutz- und schutzfunktionen (LEsER 2011).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Funktionen des Waldes (Eigene Darstellung nach (LEsER 2011)).
Die vielfältigen Funktionen des Waldes, insbesondere die Bereitstellung eines abwechslungsreichen Erholungsraumes und eines großen Lebensraumes für unzählige Pflanzen- und Tierarten sowie die weitreichenden Einflüsse auf den Landschaftshaushalt, zeigen seine bedeutende Rolle für Mensch und umwelt. Nicht nur deshalb wird auch von der Wohlfahrtswirkung des Waldes gesprochen (scHuTZGEMEiNscHAFT DEuTscHER WALD 2016d). Einzelne Funktionen des Waldes können auch speziell ausgewiesen werden, wie etwa ein Lawinenschutzwald oder ein Erholungswald (BuERGER-ARNDT 2012).
Der Waldboden ist als Produktionsgrundlage für die Forstwirtschaft und für den Naturhaushalt von großer Bedeutung. Waldböden sind Lebensraum des Edaphons und Nährstofflieferant für die Vegetation. Als wichtige Schadstoff- und Säurepuffer sind sie bedeutend für die Lieferung von sauberem Trinkwasser bzw. Grundwasser (BMEL 2016a). „In den oberen 10 cm des Waldbodens, also der humusreichen Schicht, werden bis zu 50 Liter Niederschlagswasser pro Quadratmeter gespeichert.“ (DEUTSCHER FORSTWIRTSCHAFTSRAT o.J.a). Etwa ein Drittel der deutschen Wälder ist als Wasserschutzgebiet ausgewiesen (DEUTSCHER FORSTWIRTSCHAFTSRAT o.J.a).
Das Ökosystem Wald besitzt darüber hinaus ein eigenes Lokalklima, das sogenannte Waldoder Forstklima, welches das Klima unterhalb des Kronendaches beschreibt. Die mehr oder weniger starke Isolierung durch das Kronendach führt zu Besonderheiten im Strahlungs- und Wasserhaushalt. Der Hauptenergieumsatz findet daher bereits am Kronendach statt (SPEKTRUM o.J.b). Die Dichte des Bestands, die Baumart und die Baumhöhe sind somit wichtige klimabeeinflussende Faktoren. Insgesamt lässt sich im Vergleich zum Offenland eine verminderte Einstrahlung, eine erhöhte relative Feuchte, ausgeglichenere Temperaturverhältnisse im Tagesgang (homogenes Bestandsklima) und eine Abschwächung der Windgeschwindigkeit unterhalb der (geschlossenen) Vegetationsdecke des Waldes feststellen (LESER 2011). Zwischen dem Wald und der offenen Flur existieren schwache bodennahe Ausgleichsströmungen - das sogenannte Wald-Feldwind-System. Hierbei kommt es am Tag zum Fluss von Luft vom Wald zum Offenland aufgrund des bestehenden Temperaturgradienten - im Wald ist es tagsüber kühler als im Offenland. In der Nacht kehrt sich diese Ausgleichsströmung um (LESER 2011).
Der Wald hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf das lokale Klima, sondern besitzt beim Blick auf den Kohlenstoffkreislauf (Abbildung 8) eine große Bedeutung für das globale Klima. An Land ist Kohlenstoff (C) in der Vegetation und in den Böden gespeichert. Die größten Kohlenstoffspeicher sind die Weltmeere. Kohlenstoff wird insbesondere in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) mit der Atmosphäre ausgetauscht, wobei das Land und die Ozeane als Kohlenstoffsenken agieren, da sie mehr Kohlenstoff aufnehmen als abgeben. Die Wälder nehmen bei der Photosynthese CO2 direkt aus der Luft auf, speichern den enthaltenen Kohlenstoff in Form von Biomasse und setzen dafür Sauerstoff (O2) frei. Wälder sind daher natürliche Klimaregulatoren, deren Erhalt immens wichtig ist, um den globalen Klimawandel einzudämmen (BARBEY 2012) & (HIRSCHBERGER & WINTER 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Kohlenstoffkreislauf (WiKiMEDiA 2011).
Tropenwälder nehmen pro Jahr etwa eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff auf, was ungefähr zwei Fünftel der insgesamt vom Land absorbierten Menge an Kohlenstoff entspricht. in den gesamten Wäldern der Erde sind ca. 1.146 Milliarden Tonen Kohlenstoff gebunden - davon etwa 30% in der Waldvegetation und 70% im obersten Meter des Waldbodens. Bei einer Zerstörung des Waldes durch beispielsweise Brandrodungen oder Waldbrände entweicht der gebundene Kohlenstoff in Form von Kohlenstoffdioxid mit weiteren Treibhausgasen in die Atmosphäre und trägt zum globalen Klimawandel bei. ungefähr 15% des anthropogenen Treibhausgasausstoßes ist auf die Zerstörung von Wäldern und Waldböden zurückzuführen. Durch die daraus resultierenden Klima verändernden Effekte entsteht ein gefährlicher Kreislauf, der die Wälder durch eine erhöhte sturmgefahr, stärkeren Trockenstress und eine steigende Waldbrandgefahr weiter stark gefährdet und die zusätzliche Freisetzung von klimaschädlichen Gasen zur Folge hat (HiRscHBERGER & WiNTER 2018).
2.2.2 Waldentwicklung in Mitteleuropa
Einzelne Pflanzenarten sind von bestimmten standortfaktoren abhängig. Ein Wald hat sich über einen langen Entwicklungsprozess gebildet und unterliegt ständigen Veränderungen. Arten, die den am standort vorherrschenden Bedingungen am besten angepasst sind, besitzen Vorteile im Konkurrenzkampf und setzen sich durch.
Definition Pflanzengesellschaft: „Pflanzengesellschaften sind gesetzmäßige, standortabhängige und konkurrenzbedingte Kombinationen von Pflanzenindividuen, die sich mit ihrer Umwelt in einem dynamischen Gleichgewicht befinden.“ (HOFMEisTER 1990, s. 132).
Eine Waldgesellschaft stellt somit eine Pflanzengesellschaft dar, die von Bäumen beherrscht wird. in Bezug auf den Bestandsaufbau und der Artenkombination weist die Gesellschaft spezifische Merkmale eines natürlichen bzw. naturnahen Waldes auf.
Die Entwicklung der ursprünglichen Waldvegetation in Mitteleuropa nach der letzten Eiszeit lässt sich in eine Grundfolge der Waldentwicklung unterteilen - siehe hierzu Abbildung 9. Hierbei ist anzumerken, dass die Waldentwicklung zuerst natürlich verlief und später mehr und mehr vom Menschen beeinflusst wurde (KÜSTER 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Postglaziale Waldentwicklung (SPEKTRUM o.J.c).
Offenland und Pioniere
In der Späteiszeit vor rund 12.000 bis 11.000 v. Chr. war Mitteleuropa aufgrund der arktischen Bedingungen durch Offenland bzw. Grasland geprägt. Anzutreffen waren vor allem Süßgräser (Gramineae) und Korbblütler (Artemisia). Zu dieser Zeit gab es aber auch eine Dominanz der Pionierbaumarten Weide (Salix), Birke (Betula) und Kiefer (Pinus) - dies waren aber vor allem Zwergsträucher (Tundrenpflanzen).
Eine zunehmende Erwärmung führte zur weiteren Einwanderung von Birke und Kiefer, die sich nun nach und nach zu einem Wald formierten. Im Zuge dessen nahm auch die Konzentration der Süßgräser und Korbblütler ab, da durch den entstandenen Wald und dem daraus resultierenden mehr und mehr geschlossenen Kronendach zu wenig Licht auf den Boden gelang (KÜSTER 2013).
Haselzeit
In der borealen Phase ab etwa 8.000 v. chr. setzte ein Wandel ein. Es „[...] kam [...] zur Ausbildung von haselreichen Kiefernwäldern und nach einer verstärkten Einwanderung von Eichen und Ulmen zur Vorherrschaft haselreicher Eichenmischwälder.“ (HOFMEisTER 1990, s.151f). Diese Zeit wird auch als nut age bzw. Haselzeit bezeichnet. Grund für die starke Verbreitung der Hasel war, dass viele Haselnüsse zur Verpflegung verpflanzt wurden (KÜsTER 2013).
Im Zuge des Atlantikums wurde das Klimaoptimum erreicht - die Temperaturen lagen im Durchschnitt etwa 2,5 bis 4 °c höher als heutzutage. Nach und nach setzen sich anspruchsvolle Laubholzarten wie Esche, Ahorn und Linde durch und prägten zusammen mit ulme und Eiche als Eichenmischwälder für etwa 4.000 Jahre das Landschaftsbild in Mitteleuropa - Betula und Pinus wurden langsam verdrängt. Bis hierhin kann von einer natürlichen Waldentwicklung gesprochen werden (KÜsTER 2013).
Nicht permanente Besiedlung
In der späten Wärmezeit nahmen die Temperaturen wieder ab und das erstmalige Auftreten der Hain- und Rotbuche sowie der Tanne kennzeichneten den Übergang zur Buchenwaldzeit.
Ein weiteres Absinken der Temperaturen und erhöhte Niederschläge führten im subatlantikum zur Ausbreitung der Buche und zu Teilen auch der Hainbuche - vormals bestehende Eichenmischwälder oder von Fichten dominierte Bergwälder wurden langsam in Buchenwälder umgewandelt. im subatlantikum setzte außerdem die bäuerliche Besiedlung ein. Waldparzellen mussten für siedlungsflächen weichen - die siedlungen wurden zu dieser Zeit allerdings nach der Gründung häufig wieder aufgegeben. Der Eichenmischwald 5 und die Hasel haben an Bedeutung verloren, da zum einen freie Fläche für den Getreideanbau benötigt wurde, wofür die Eichenwälder gerodet 6 wurden und zum anderen die Buchenwälder zu schattig waren. im schatten der konkurrenzstarken Buche können nur wenige angepasste Pflanzen heranwachsen. Zu dieser Zeit lassen sich somit in Pollenanalysen auch erste Pollenkörner von Getreide und weiteren Kulturzeigern wie z.B. Gänsefußgewächsen (chenopidaceae) finden (KÜsTER 2013).
Permanente Besiedlung
Ab etwa 1.000 n.chr. kam es dann zur permanenten Besiedlung. Die Dörfer und Lager wurden nicht mehr aufgegeben, die Menschen wurden sesshaft und pflanzten Getreide- und süßgräser (Kulturzeiger) an. Die Wälder wurden zum Teil gerodet und Holzgewinnung fand nun immer wieder am gleichen Ort statt. Nur die Buche konnte ihre Dominanz ausbauen - was auf die sekundärsukzession durch aufgegebene Felder und Aufforstung zurückzuführen ist. Insbesondere in der Kolonialzeit intensivierte sich die Zerstörung von Wäldern enorm - eine Zurückdrängung von Wäldern fand in zahlreichen Gebieten statt (KÜSTER 2013).
Von etwa 11.000 v. Chr. bis heute fand somit eine Neuformung der Landschaft statt. Aus einem ehemaligen Gras- und Offenland wurde eine durch den Menschen geprägte und veränderte Kulturlandschaft mit einer Dominanz des Buchenwaldes (HOFMEISTER 1990). Die Entwicklung der Wälder fand allerdings nicht überall parallel statt und lief auch nicht in der gleichen Reihenfolge ab. Im tropischen Regenwald findet beispielsweise erst gegenwärtig eine massive Abholzung statt (KÜSTER 2013).
2.2.3 Wichtige Waldgesellschaften
Im Folgenden werden die wichtigsten Waldgesellschaften in Mitteleuropa vorgestellt - hauptsächlich orientiert nach HOFMEISTER (1990). In unseren Breiten lassen sich die Laubwaldgesellschaften anhand ihrer Standortfaktoren Klima, Boden und Mensch in diverse Vegetationseinheiten aufgliedern - siehe dazu Abbildung 10. Buchenwälder besitzen hierbei eine ausgedehnte ökologische Amplitude und kommen sowohl mit mäßig trockenen und sauren als auch mit feuchten und basischen Standorten zurecht. Im Folgenden werden kurz die häufigsten Waldgesellschaften vorgestellt (HOFMEISTER 1990).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Standortansprüche mitteleuropäischer Laubwaldgesellschaften (Eigene Abbildung nach (Hofmeister 1990)).
Die Buchen- und Buchenmischwälder sind im westlichen Mitteleuropa der dominierende Waldtyp. Nur auf Standorten mit extremen Bedingungen (sehr nass, sehr trocken, sehr nährstoffarm etc.) werden sie von anderen Waldgesellschaften substituiert. Am häufigsten kommen sie in den Mittelgebirgen vor - außerdem auch im Hügelland auf den landwirtschaftlich nicht wirtschaftlichen Kuppen. Die bis über 30 Meter hohen Bäume bilden ein sehr dichtes Kronendach und lassen somit nur wenig sonnenlicht auf den Boden, was meistens nicht für die Bildung einer strauchschicht ausreicht. Am Boden entwickelt sich eine Krautschicht - hier können vor allem Pflanzenarten gefunden werden, die früh im Jahr ihre vegetative Entwicklung abgeschlossen haben (HOFMEisTER 1990).
Die Buchen- und Buchenmischwälder sind eine ästhetisch ansprechende Pflanzengesellschaft mit einem hohen Erholungswert, die zahlreiche seltene und/oder gefährdete Pflanzenarten - insbesondere im seggen-Buchenwald - beinhalten. Der schutz und Erhalt von naturnahen Waldbeständen ist daher ratsam. Weitere Buchenwaldgesellschaften sind der der Haargersten-Buchenwald, der WaldmeisterBuchenwald und der Tannen-Buchenwald (HOFMEisTER 1990).
Eichen-Hainbuchen-Mischwälder sind vor allem im Hügel- und Flachland verbreitet, wo für die Rotbuche schlechte standortbedingungen vorherrschen. Das sind im Besonderen Gebiete mit schlecht durchlüfteten und wechselfeuchten Böden. in der oberen Baumschicht sind stiel- oder Trauben-Eichen anzutreffen, eine zweite schicht bilden Hainbuchen. insgesamt lässt das dichte Kronendach wenig Licht auf den Boden - bei stark vom Menschen beeinflussten Wäldern kann sich allerdings eine ausgeprägte strauchschicht bilden (HOFMEisTER 1990).
Die Baumarten weisen eine hohe Wuchsleistung auf und sind sehr gefragt als Bauholz. Aufgrund einer vielfältigen Flora und Fauna sind Eichen-Hainbuchenwälder besonders erhaltens- und schützenswert. Weitere Eichen-Hainbuchen-Waldgesellschaften sind der Waldabkraut-Eichen-Hainbuchenwald und der sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald (HOFMEisTER 1990).
Wärmeliebende Eichenmischwälder sind in Deutschland nur kleinräumig in den sommerwärmsten Gegenden verbreitet. sie werden als Restbestand aus dem Atlantikum und subboreal angesehen. Aufgrund ihrer seltenheit ist ein Erhalt und schutz dringend erforderlich. Weitere Eichenmischwald-Waldgesellschaften stellen der steinsamen- Elsbeeren-Traubeneichenwald und der Fingerkraut-Traubeneichenwald dar (HOFMEisTER 1990).
Die bodensauren Eichenmischwälder sind insbesondere im vom Atlantik geprägten Klimabereichen vertreten. „In Deutschland kommen sie hauptsächlich auf den nährstoffarmen pleistozänen Sanden der nordwestdeutschen Tiefebene und daneben auf basenarmen Verwitterungsböden des Berg- und Hügellandes vor.“ (HOFMEisTER s. 175). Bodensaure Eichenmischwälder sind sekundäre Waldtypen, die durch starke Beweidung oder durch Niederwaldwirtschaft aus ehemaligen Buchenwäldern entstanden. Der Waldtyp gehört zu Teilen zu den stark gefährdeten Pflanzengesellschaften - insbesondere der Birken-stieleichenwald. Auch seltene Pflanzen- und Tierarten können, vor allem im Hainsimsen-Traubeneichenwald, angetroffen werden. Eine Erhaltung naturnaher Bestände ist daher wünschenswert (HOFMEisTER 1990).
Verbreitungsschwerpunkte der edellaubholzreichen Hang- und Blockschuttwälder, wie der Ahorn-Eschen-Schatthangwald oder der Ahorn-Linden-Hangschuttwald, sind die Mittelgebirge an steilen und geneigten Schatthängen oder in Schluchten mit höherer Luftfeuchtigkeit. Auch auf Block- oder Felshalden sind sie anzutreffen. Sie sind Lebensraum von gefährdeten Arten und besitzen daher einen hohen Naturschutzwert (HOFMEISTER 1990). Die insbesondere von Erlen, Weiden und Eschen geprägten Auenwälder sind in Überflutungsbereichen von Bächen oder Flüssen sowie auf Gebieten mit hochanstehendem Grundwasser anzutreffen. Charakteristisch sind ein durch Ablagerungen (Auenlehm) entstandener, fruchtbarer Boden und eine daraus resultierende ausgeprägte Bodenflora. Arten von Auenwäldern sind der Winkelseggen-Erlen-Eschenwald, der HainmierenSchwarzerlenwald, der Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald, der Eichen-Eschen-Ulmen- Auenwald und der Silberweiden-Auenwald. Auenwälder sind vor allem durch Eindeichung, Umwandlung in Grünland oder durch Flussausbau bedroht. Aufgrund der vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt und ihres ästhetischen Erscheinungsbildes besitzen diese Wälder einen hohen Wert und sind äußerst schützenswert (HOFMEISTER 1990).
Bruchwälder weisen einen stark ausgeprägten organischen Oberboden (sog. Bruchwaldtorf) auf, der im Zuge einer Gewässerverlandung entstanden ist. Typisch ist an der Bodenoberfläche stehendes Grundwasser - insbesondere bei Birken-Moorwäldern. Erlen- Bruchwälder kommen hingegen auf Standorten mit einer ausreichenden Sauerstoff- und Nährstoffversorgung vor. Als bedeutendes Feuchtbiotop stellen besonders die Erlen- Bruchwälder schützenswerte Waldgesellschaften mit einer üppigen Vegetation und vielfältigen Tierwelt dar (HOFMEISTER 1990).
Natürliche Nadelwälder sind in Mitteleuropa eher selten und wenn auf höheren Mittelgebirgslagen anzutreffen. Große Vorkommen gibt es hingegen in den Alpen und in Nordeuropa. Bestände von Fichten und Kiefern, die auch im restlichen Deutschland häufig verbreitet sind, sind zumeist eine durch anthropogene Einflüsse entstandene Ersatzgesellschaften aus ehemaligen Laubmischwäldern. Insbesondere „[...] [d]ie Fichtenbestände vieler Mittelgebirge (z.B. Eifel, Weser-Bergland, Sauerland) stellen keine natürlichen Fichtenwälder dar [...]“ (HOFMEISTER 1990, S. 196), sondern sind durch Aufforstungen entstanden. Demgegenüber stellen im Besonderen der Tannenwald (östlicher Schwarzwald, Frankenwald) und der Weißmoos-Kiefernwald mit ihrer Seltenheit stark schützenswerte Nadelwälder dar. Auch Nadelholz-Moorwälder besitzen als Heimat seltener Tier- und Pflanzenarten einen hohen Schutzwert (HOFMEISTER 1990).
Insbesondere Laubwälder besitzen in Deutschland einen hohen Wert und bedürfen eines besonderen Schutzes. Viele Nadelwälder sind hingegen das Produkt anthropogener Einflussnahme und stellen als Ersatzgesellschaft nicht die potenzielle natürliche Vegetation 7 dar. In Einzelfallprüfungen sollte daher bei einer Windparkplanung an Waldstandorten die Waldgesellschaft berücksichtigt werden und wenn möglich auf bereits durch den Menschen stark beanspruchte Waldbestände - insbesondere (junge) Nadelwaldbestände - ausgewichen werden.
2.2.4 Waldnutzung
Das ursprünglich fast komplett bewaldete Mitteleuropa ist im Laufe der Zeit durch den anthropogenen Eingriff in die Landschaft stark umgeformt worden. Gebiete die ehemals von Wäldern dominiert wurden, sind heute ausgedehnte Acker- oder Grünlandflächen 8 . Der Wald wurde auf die Flächen, die für die Landwirtschaft nicht rentabel waren, zurückgedrängt und ist zumeist auch dort überformt oder verändert - es wird daher nicht von natürlichen sondern von naturnahen, naturfernen oder naturfremden Waldbeständen gesprochen. Zur Erhaltung des Offenlandes muss der Wald fortdauernd durch Beweidungs-, schlag- oder Brandmaßnahmen zurückgehalten werden. Vor allem die enormen Rodungen, die bis ins Mittelalter reichten, führten zu einer starken Waldumwandlung (HOFMEisTER 1990) & (KÜsTER 2013).
Hauptgrund war die Funktion des Waldes als Rohstofflieferant. Das Holz wurde für den Bau von schiffen, Häusern und anderen Alltagsgegenständen benötigt. Bestimmte Baumarten, wie die Eiche in der schweinemast, wurden eigens dafür gefördert. Darüber hinaus war es lange Zeit das einzige Heizmaterial, das neben der persönlichen Beheizung des Hauses auch in großen Mengen von diversen industriezweigen als Brennmaterial benötigt wurde. infolge der enormen Übernutzung und des Raubbaus konnte sich der Wald und der Waldboden nicht mehr regenerieren, was zu negativen Folgen für die Wälder führte (HOFMEisTER 1990) & (KÜsTER 2013).
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kam in Deutschland der Wunsch nach einer durchdachten und sachkundigen Bewirtschaftung des Waldes auf. „Aus dem Bestreben für nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder heraus wurden die Forstverwaltungen etabliert [...]“ (KÜsTER 2013, s. 234). in Folge dessen fand eine intensive Aufforstung (schaffung künstlicher Forste) statt, die allerdings in vielen Gebieten durch die schlechte standortqualität aufgrund der ehemaligen Übernutzung nur für die Anpflanzung von anspruchsloseren Nadelwäldern - vor allem Wald-Kiefer und Fichte - ausreichte. „ Diese beiden robusten Baumarten kommen mit den schwierigen ökologischen Bedingungen auf Kahlschlagflächen besser zurecht als frostempfindliche Baumarten wie Rotbuche und Weiß-Tanne [...] und liefern zudem schnell hohe Holzerträge. Auch während und nach den beiden Weltkriegen entstanden durch die Kriegszerstörungen, die Reparationshiebe und den Holzbedarf für den Wiederaufbau große Kahlflächen, die häufig mit Fichte und Kiefer wieder aufgeforstet wurden.“ (DEuTscHER FORsTWiRTscHAFTsRAT o.J.c). Der hohe Nadelwaldanteil in Deutschland ist dieser damaligen Aufforstungstätigkeit geschuldet. Aufgrund des weitreichenden Anbaus von Monokulturen kam es allerdings „[...] oft zum völligen Zusammenbruch des Waldes [...]“ (HOFMEisTER 1990, s.247) - Brände, Windwurf und schädlingsbefälle taten ihr Übriges.
Insbesondere der Aspekt der Nachhaltigkeit erhielt in der modernen Forstwirtschaft einen hohen Stellenwert. Somit sollen nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch die ökologischen Funktionen des Waldes und die Wohlfahrtswirkung berücksichtigt werden. Als nachwachsender Rohstoff ist Holz ein nachhaltiger Rohstoff, der auch mit seinen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten überzeugen kann. Ein enormer Holzbedarf und -verbrauch ist heutzutage zu verzeichnen - sei es für Zeitungen oder für die Möbelindustrie. Wirtschaftswälder werden unterschieden in Nieder-, Mittel- und Hochwälder, welche heute aufgrund ihrer Ergiebigkeit in der modernen Forstwirtschaft bevorzugt werden (HOFMEISTER 1990). In Deutschland arbeiten aktuell über eine Million Menschen im Cluster Holz und Forst. Der Wald ist somit als Rohstofflieferant auch eine wichtige direkte oder indirekte Arbeitsstätte für viele Menschen in Deutschland (BMEL 2016b).
2.2.5 Waldverteilung
Weltweit sind etwa ein Drittel (31% / 4 Milliarden Hektar) der Landoberfläche mit Wäldern bedeckt. Mehr als die Hälfte entfällt dabei auf nur fünf Länder: Russland, Brasilien, Kanada, USA und China. Demgegenüber stehen 50 waldarme Staaten mit einem Waldanteil von unter 10% - elf davon besitzen mit einem Waldanteil von </= 0,2% keinen oder so gut wie keinen Wald. Die waldarmen Staaten befinden sich insbesondere in Westasien, Nordafrika oder auf kleineren Inseln (BPB 2017). In der Europäischen Union sind 42% der Landoberfläche von Wald bedeckt, dies entspricht etwa 177 Millionen Hektar (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD 2016a).
Auf globaler Ebene kann ein andauernder Waldverlust verzeichnet werden, der aber in den vergangenen Jahren etwas an Tempo verloren hat. Am stärksten davon betroffen sind vor allem Länder im tropischen Klima, insbesondere in Afrika und Südamerika. Hauptursachen für den Waldverlust sind die Umwandlung von Wald- in Ackerflächen und Schäden durch Naturkatastrophen. In den Jahren 2010 bis 2015 konnte im Mittel ein globaler Waldschwund von jährlich 3,3 Mio. ha (netto) 9 bzw. 0,08% verzeichnet werden. Von 1990 bis 2015 hat sich die globale Waldfläche etwa um 129 Mio. ha reduziert. Aufforstungen und die natürliche Ausbreitung führen dagegen auch zu Waldzuwächsen, deren Werte weltweit aber nach wie vor unter den der Waldverluste liegen. Eine Zunahme der Waldfläche konnte allerdings zwischen 2010 und 2015 in Asien, Europa, Ozeanien und Nord-/Zentralamerika verzeichnet werden (BPB 2017).
Vereinfacht lassen sich global betrachtet drei bedeutende Waldökotypen voneinander unterscheiden:
- Boreale Nadelwälder (1,4 Milliarden ha) in den nördlichen Breiten
- Temperierte Wälder der gemäßigten Breiten (0,7 Milliarden ha)
- Subtropische und tropische Wälder - Regenwald (1,8 Milliarden ha) (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD 2016b).
Etwa 60 Prozent des weltweiten Waldbestandes sind natürliche Wälder, die allerdings stark durch anthropogene Einflüsse geprägt sind. Ein Drittel entfällt auf urwälder, wovon ungefähr die Hälfte in den Tropen liegt. Die restlichen sieben Prozent sind Waldplantagen - also aufgeforstete Waldbestände die einem produktiven oder protektiven Zweck dienen (BPB 2017).
Die Landesfläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt 35,7 Mio. ha. Etwa 13% davon entfallen auf siedlungs- und infrastrukturflächen, 52% sind landwirtschaftlich genutzte Fläche und 32% 10 werden von Wald bzw. der Forstwirtschaft beansprucht. in den zehn Jahren zwischen 2002 und 2012 hat die Waldfläche um etwa 50.000 ha zugenommen - 108.000 ha Waldzuwachs stehen hierbei 58.000 ha Waldverlust gegenüber (BMEL 2016b).
Zu den vier wichtigsten bzw. am weitesten verbreiteten Baumarten im Bundesgebiet zählen die Fichte, Kiefer, Eiche und Buche. insgesamt besitzt der deutsche Wald eine recht nadelbaumlastige Artenzusammensetzung. Mit einem Anteil von 25,4% an allen Baumarten ist die Fichte in Deutschland dominierend. Die Kiefer besitzt einen Anteil von 22,3%, die Eiche von 10,4% und die Buche von 15,4% (JOHANN HEiNRicH VON THÜNEN-iNsTiTuT 2012). Nach Angaben der dritten Bundeswaldinventur (kurz: BWi) besteht der deutsche Wald aus etwa 93 Millionen Bäumen, 224 Millionen m 3 Totholz und auf 5% der Waldfläche existieren geschützte Biotope. Der Wald in Deutschland ist fast zur Hälfte in privater Hand (48%). Etwa 29% sind im Eigentum der Bundesländer, 19% im Eigentum von Körperschaften und 4% im Eigentum des Bundes (BMEL 2016b).
Die Tabelle 3 zeigt die unterschiedliche Waldverteilung der Bundesländer. Einen über dem Bundesschnitt von 32% liegenden Waldanteil können hierbei Hessen, Rheinland-Pfalz, das saarland, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg/Berlin und Thüringen aufweisen. Den geringsten Waldanteil hat schleswig-Holstein vorzuweisen. insbesondere klimatische unterschiede, die Bodenbeschaffenheit und die Eignung als siedlungs- oder Ackerfläche sind hierbei Faktoren, die die unterschiedliche Verteilung erklären. insgesamt kann festgehalten werden, dass der Waldanteil in zahlreichen nord- und mitteldeutschen Tieflandregionen unter dem Bundesdurchschnitt liegt. in den Mittelgebirgsregionen in süd- und Westdeutschland sowie in Brandenburg ist ein höherer Anteil auszumachen (BMEL 2016b).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Landesfläche und Waldfläche der deutschen Bundesländer (BMEL 2016b).
Für Niedersachsen wurde durch die Bundeswaldinventur 3 eine gesamte Waldfläche von 1.204.591 ha ermittelt. Im bundesweiten Vergleich belegt Niedersachsen somit Platz drei. Im Vergleich zur Landesgröße kann Niedersachsen allerdings nur einen Waldanteil von 25% aufweisen und liegt somit unter dem Bundesdurchschnitt von 32%.
Die Waldverteilung im Land selbst fällt relativ heterogen aus - siehe Abbildung 11. Im Westniedersächsischen Tiefland liegt der Waldanteil bei nur 15% wohingegen das Niedersächsische Bergland mit 33% und allen voran das Ostniedersächsische Tiefland mit 41% einen erhöhten Anteil vorweisen können. Einzelne Gemeinden weisen sogar einen Anteil von fünf oder weniger Prozent auf, wohingegen andere eine fast vollständige Bewaldung aufzeigen. Auf den im Niedersächsischen Tiefland anstehenden Sandböden entwickelten sich an vielen Orten Wanderdünen und Heideflächen. Insbesondere eine andauernde Übernutzung führte zu einer Verarmung der Wälder. Lückenhafte Bestände im Bergland waren das Resultat einer übermäßigen Weidewirtschaft und großflächiger Abholzungen. Der Nährstoffabbau konnte hier allerdings im Vergleich zum Tiefland gut durch die allgemein besseren Bodenverhältnisse ausgeglichen werden (NIEDERSÄCHSISCHE MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2014).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11: Waldverteilung in Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2014).
Die vormals weit verbreiteten Buchen- und Eichenbestände in Niedersachsen entwickelten sich nach und nach zu parkartigen und kleinräumigen Wäldern ohne Jungwuchs - Ausnahmen gab es aber vor allem in südniedersachsen, wo sich eine Mittelwaldbewirtschaftung entwickelt hat. später führte eine Holznot zu einem umdenken und einer nachhaltigeren Bewirtschaftung, im Zuge dessen große Aufforstungsmaßnahmen umgesetzt wurden. innerhalb der vergangenen zweihundert Jahre konnte somit die Waldfläche im Niedersächsischen Tiefland verdoppelt werden. Das Niedersächsische Bergland, insbesondere die Waldbestände vom Harz, solling und Weser-Bergland, erlebte kaum große Rodungen, sodass der Bewaldungsanteil bis heute recht konstant blieb. Die vorhandenen Waldbestände in Niedersachsen sind somit wie in vielen Gebieten Mitteleuropas in großen Teilen systematisch aufgebaute Kulturwälder, die durch den Menschen aufgebaut und genutzt worden sind (NiEDERsÄcHsiscHE MiNisTERiuM FÜR ERNÄHRuNG, LANDWiRTscHAFT uND VERBRAucHERscHuTZ 2014). in den vergangenen zehn Jahren wurde eine Waldfläche von etwa 10.000 ha in eine andere Nutzungsform, wie beispielsweise Bebauungen oder landwirtschaftliche Fläche, überführt. Demgegenüber steht eine Waldmehrung von rund 22.000 ha durch natürliche sukzession oder durch eine aktive Erstaufforstung. Eine Waldzunahme kann im Besonderen in den Gebieten verbucht werden, wo ohnehin der Waldanteil schon recht hoch ist. Zusammengefasst konnte in Niedersachsen in den Jahren 2005 bis 2015 eine Waldmehrung von etwa 1% verbucht werden (NiEDERsÄcHsiscHE MiNisTERiuM FÜR ERNÄHRuNG, LANDWiRTscHAFT uND VERBRAucHERscHuTZ 2014).
Beim Blick auf die Eigentumsverhältnisse sticht der Privatwald mit 59% heraus. Geprägt wird diese Eigentumsart im Bergland von Realverbänden und Genossenschaften, im Tiefland von Genossenschaftswäldern. Nicht selten ist der klein strukturierte 11 Privatwald im bäuerlichen Besitz. Der Landeswald ist hauptsächlich im Eigentum der Anstalt öffentlichen Rechts Niedersächsische Landesforsten und vor allem im Bergland mit 43% stark verbreitet - im Ganzen nimmt er aber nur 28% ein. Eine weitere Eigentumsart stellt der Körperschaftswald, also der Wald von Stiftungen und Kommunen, dar. Er hat einen Anteil von 8%. Der Bundeswald (5%) ist insbesondere im östlichen Niedersachsen vertreten. Zu ihm gehören beispielsweise die Militärflächen in der Lüneburger Heide (NIEDERSÄCHSISCHE MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2014).
Eine genauere Untersuchung der prozentualen Waldverteilung in Niedersachsen erfolgt in der Vorstudie (Kapitel 3) - hier werden mittels Geodaten die Anteile des Waldes für die verschiedenen Landkreise berechnet und visuell dargestellt.
2.2.6 Gefahren & Zukunft
Das folgende Kapitel soll einen Überblick über die Gefahren, denen ein Wald ausgesetzt ist, zeigen und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung geben. Das Ökosystem Wald war schon immer zahlreichen Gefahren ausgesetzt, die aber weitestgehend eine räumliche und zeitliche Begrenzung aufwiesen. Massive Gefahren entstanden erst später und sind stets auf den anthropogenen Einfluss zurückzuführen.
Eine klassische Bedrohung stellen Waldbrände dar. Dieses, oft durch den Menschen 12 verursachte, Risiko ist in Deutschland eher regional verbreitet. Gefahrenzonen sind vor allem die auf Sandböden wachsenden Kiefernwälder Ostdeutschlands. Aber auch in Regionen Nordbayerns und Niedersachsens ist dieses Risiko präsent. Anderenorts ist die Gefahr durch dortige Boden-, Wald- und Klimaverhältnisse weit weniger ausgeprägt. Beispiele für vergangene große Waldbrandereignisse sind der Brand in der Lüneburger Heide 1975 und der Waldbrand bei Weißwasser in Brandenburg 1992 (PATZELT 2008).
Waldbrände entstehen entweder durch natürliche Ursachen (Selbstentzündung, Blitzschlag, vulkanische Aktivitäten) oder weit häufiger durch die Fahrlässigkeit von Waldbesuchern (Brandstiftung, Forstwirtschaft, Militärübungen) - siehe Abb. 12. Ohne den anthropogenen Einfluss wären große Waldbrände ein sehr seltenes Ereignis. (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD - LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN E.V. o.J.). Das größte Gefährdungspotenzial besitzen dichte Nadelholzmonokulturen - allen voran Kiefern - bis zu einem Alter von 40 Jahren. Alte Mischbestände sind demgegenüber am geringsten gefährdet. Die Anwesenheit eines Laubholzunterstandes kann sich positiv auf das Bestandinnenklimas auswirken und die Gefahr einer Entzündung in Nadelholzbeständen herabsetzen. Des Weiteren wirken sich Feuerschutzstreifen (Wundstreifen/Krautstreifen oder Waldbrandriegel/Laubholzstreifen) positiv auf die Ausbreitung eines potenziellen Waldbrandes aus. Waldbauliche Maßnahmen können somit aktiv die Waldbrandgefahr eines Standortes mindern (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD - LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN E.V. o.J.). Im Kapitel 2.3.2.7 wird erneut auf die Gefahr von Waldbränden (in Bezug auf Windkraftanlagen) eingegangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12: Waldbrandursachen 2017 (UBA 2017b).
Aufgrund ihres flachen Wurzeltellers und relativ schlanken Wuchses sind speziell Fichten anfällig für Windwurf infolge von Stürmen, die vielerorts große Schäden verursachen können und immer häufiger sowie extremer auftreten. Erhöhte Windgeschwindigkeiten (Orkane) lassen allerdings auch andere Baumarten unter der Energie des Windes brechen. Monokulturen erhöhen hierbei das Schadenpotenzial - aufgeforstete Fichtenreinbestände können somit eine Kettenreaktion von umfallenden Bäumen infolge eines Sturmereignisses auslösen und ganze Bestände vernichten (KÜSTER 2013). Mischbestände sind dahingegen resistenter gegen Windwurf, da „[...] die komplette Zerstörung eines ganzen Bestandes [...] durch andere Bäume mit Pfahlwurzeln verhindert [...]“ (KÜSTER 2013, S.223) werden kann. Weitere Gefahren, vorwiegend für Fichtenbestände, stellen Eisregen und Schneebruch dar. Aus Windwürfen oder anderen Schadensereignissen resultieren nicht selten Folgeschäden durch einen Insektenbefall der beschädigten Bäume. Eine massenhafte Vermehrung dieser Schädlinge kann später auch gesunde Bäume befallen und dem Wald großflächig schaden, es ist daher wichtig frühzeitig geschädigte Bäume aus dem Bestand zu entfernen. Besonders in Kiefernwälder ist ein Insektenbefall auch ohne Sturmschäden ein ernsthaftes Risiko. Die Gefahr des Schädlingsbefalls steigt, wenn aufgeforstete Bestände nur aus wenigen Gehölzarten bestehen. In reinen Fichtenmonokulturen kann sich beispielsweise der Buchdrucker 12 rasch vermehren, da ausreichend Nahrung für ihn zu finden ist. In Mischbeständen ist demgegenüber seine Vermehrung gehemmt, da weniger Nahrung zur Verfügung steht. Monophage Schädlinge befallen, als Folge des früheren Anbaus von Reinbeständen, auch viele andere Waldgesellschaften (Kiefer, Eichen etc.). Spezielle, mit Sexuallockstoffen gefüllte Fallen können heutzutage diese Schädlinge gezielt einfangen, ohne dabei andere Insekten zu gefährden, was für eine Vermeidung von Massenvermehrungen immens wichtig ist. Neben Insekten können allerdings auch Wildtiere wie Hirsche und Rehe durch den Verbiss von jungen Trieben oder dem Abnagen der Rinde die Entwicklung der Bäume stören und Waldschäden hervorrufen (KÜSTER 2013).
Sogenannte neuartige Waldschäden konnten ab den 1980er Jahren festgestellt werden. Zuerst die Tanne und später auch weitere Baumarten wurden von einem „Waldsterben“ erfasst, das damals auf sauren Regen infolge industrieller Schadstoffemissionen zurückgeführt wurde. Eine regelrechte Umweltbewegung erlebte ihren Anfang in dessen Folge intensive Maßnahmen zur Emissionsreduzierung eingeleitet wurden, wovon nicht nur die Wälder profitierten (Küster 2013). Später wurde allerdings diese Vermutung relativiert - heutzutage konnte noch nicht abschließend geklärt werden, „[...] inwieweit Emissionen der Industrie an den Baumschäden in großen Regionen beteiligt waren und sind.“ (KÜSTER 2013, S. 229). Inzwischen wird das Zusammenspiel vieler möglichen Faktoren für das Waldsterben angeführt. Auch ein natürliches Waldsterben wegen alternder Baumbestände, die im 19. Jahrhundert an ungünstigen Standorten aufgeforstet wurden, wird diskutiert (KÜSTER 2013).
Zu erkennen ist, dass der Aufbau von Mischbeständen einen effektiven Beitrag zum Schutz des Waldes leisten kann. Eine verstärkte Unterschutzstellung von Waldgebieten seit den 1970er Jahren führte teilweise zur Untersagung von menschlicher Nutzung in zahlreichen Wäldern - sogenannte Bann- oder Naturwälder entstanden, die allerdings nach wie vor von dem ehemaligen anthropogenen Einfluss geprägt sind (KÜSTER 2013).
Die langen Wachstumsphasen der Wälder bedingen lange Reaktionszeiten auf etwaige Veränderungen - insbesondere der Klimawandel stellt den Wald und die Forstwirtschaft vor neue Herausforderungen. Insgesamt kann eine Veränderung der Standortbedingungen erfolgen, woran sich das Ökosystem Wald anpassen muss. Klimatische Schwankungen können besonders schon jetzt beeinträchtigte Standorte mit einer schlechten Nährstoff- oder Wasserversorgung schaden - bis hin zu einem Ausfall ganzer Wälder. Stressfaktoren, wie eine Erwärmung und abnehmende Feuchte, sind vor allem für die Fichte tragisch - Eiche und Kiefer kommen demgegenüber recht gut mit wärmeren und trockeneren Standorten zurecht. Im Zuge einer Erwärmung herrschen für viele Schädlinge gute Lebensbedingungen. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass neue, bisher nicht in Mitteleuropa anzutreffende, Schädlinge, einwandern. Eine Zunahme von Extremwetterereignissen wie Stürme und Starkregen gefährdet auch die Fichte aufgrund ihres flachen Wurzelwerkes, wie bereits oben erläutert. Als bedeutende Kohlenstoffspeicher können die Bäume allerdings selber aktiv zur Eindämmung des Klimawandels beitragen, weswegen es von besonderer Relevanz ist, Befällt auch Lärchen, Tannen und diverse Kiefernarten (KÜSTER 2013). einen geeigneten Schutz des Waldes zu gewährleisten (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD 2016c) & (DEUTSCHER FORSTWIRTSCHAFTSRAT o.J.b).
Durch einen ökologischen Waldumbau mit standortheimischen Baumarten und einer großen Vielfalt (stabile Mischwälder) können die Wälder widerstandsfähiger gegen die drohenden Wetterextreme gemacht werden (KÜSTER 2013) & (NABU o.J.). Unter natürlichen Zuständen wäre der Großteil der deutschen Wälder Laubwald mit einer Dominanz der Rotbuche (Fagus sylvatica). Die heutige Artenzusammenstellung mit den dominierenden Arten Fichte und Kiefer ist Folge der anthropogenen Waldnutzung mit der Übernutzung und Kahlschlagung seit dem Mittelalter und der späteren Wiederaufforstung. Reine Nadelwaldbestände sind allerdings stark gefährdet durch Insektenbefall oder Windwurf. Daher findet vielerorts bereits heute eine Umwandlung von Nadelbaumreinbeständen hin zu stabilen und artenreichen Mischwäldern statt. Die Umwandlung kann nicht in kürzester Zeit erfolgen aber sie ist in Hinblick auf den Klimawandel von großer Bedeutung, da insbesondere die Fichte und Kiefer durch die erhöhten Temperaturen noch schadanfälliger werden. Ein vorbeugender Waldumbau ist daher unerlässlich (DEUTSCHER FORSTWIRTSCHAFTSRAT o.J.c). Wäldern soll unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Forstbewirtschaftung nie mehr Holz entnommen werden, als zeitgleich nachwachsen kann. Der Trend geht allgemein weg vom kompletten Kahlschlag reiner Altersklassenwälder, hin zur Einzelbaumentnahme (Dauerwaldprinzip) in Mischbeständen (KÜSTER 2013).
2.3 Windenergienutzung an Waldstandorten
Nachdem Grundlagen in den Bereichen Windenergie und Wald geschaffen wurden, bringt das folgende Kapitel beide Themen zusammen und untersucht die Windenergienutzung an Waldstandorten näher. Hierfür wird zuerst auf die technische Umsetzung von WEA in Wäldern eingegangen. Eine anschließende Darstellung von spezifischen Konflikten an Waldstandorten und die Frage nach der Akzeptanz leiten zu der Ausbausituation und den rechtlichen Rahmenbedingungen über. Abschließend werden Beispiele von Waldwindparks im Bundesgebiet vorgestellt. Die Themen des Kapitels geben wichtige Impulse für die folgende Flächenanalyse.
2.3.1 Technische Umsetzung
Windverhältnisse
Waldflächen wurden lange, insbesondere wegen ihrer Barriere-Funktion und den damit verbundenen Windturbulenzen, als Standort für Windenergieanlagen gemieden. Ein ertragreicher und wirtschaftlich sinnvoller Betrieb war kaum möglich.
Der technische Fortschritt im Anlagenbau mit Nabenhöhen über 100 Metern und größeren Rotordurchmessern führte dazu, dass nun auch Luftschichten erreicht werden konnten, die kaum durch die von der Oberflächenrauigkeit abhängigen Turbulenzen betroffen waren. In größeren Höhen herrschen zudem höhere Windgeschwindigkeiten und die Windströmung ist konstanter (MKULNV NRW 2012).
Anmerkung der Redaktion: Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abb. 13: Windablenkung und Verwirbelung durch Wälder (FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR ENERGIEWIRTSCHAFT MBH 2015).
Gegenden, die zuvor als windschwach eingestuft wurden, erzielten somit Erträge, die bisher nur in Küstennähe oder in exponierten Gebieten erwartet wurden. Positiver Nebeneffekt der höheren Anlagen war darüber hinaus der größere Abstand zwischen dem Kronendach des Waldes und der Rotorspitze und der damit verbundenen reduzierten Belastung für Flora und Fauna (MKULNV NRW 2012).
[...]
1 United Nations Framework Convention on Climate Change (deutsch: Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen).
2 Je nach Zenitstand der Sonne abweichend bis 23,5° Nord / Süd.
3 „Includes windbreaks, shelterbelts and corridors of trees with an area of more than 0.5 hectares and width of more than 20 meters.“ (FAO 2012, S.3).
4 Mischwald = „Wald aus mehreren Baumarten, wobei in der einfachsten Form der Anteil der zugemischten Baumart 10% übersteigen muss. Der [Mischwald] gilt ökologisch als günstig, weil er - im Gegensatz zum Reinbestand - all Nachteile der Monokulturen vermeidet und vielfältige Waldfunktionen übernehmen kann.“ (LEsER 2011, s 570).
5 mittelalterliche Rodungen
6 potenziell natürliche Vegetation (PNV): „[...] hypothetische[r] Zustand der Vegetation nach plötzlichem Aufhören des menschlichen Einflusses [...]“ (SPEKTRUM o.J.d).
7 Ersatzgesellschaften
8 Vergleich Flächengröße Belgien: 3.053.000 ha (WKO 2018).
9 11,4 Mio. ha (BMEL 2016b).
10 Waldparzellen oft kleiner als 20 ha (NIEDERSÄCHSISCHE MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2014).
11 Zwei Drittel der Waldbrände entstehen durch menschliches Fehlverhalten in Deutschland. In Europa entstehen insgesamt weniger als 5% durch natürliche Ursachen (SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHER WALD - LANDESVERBAND NIEDERSACHSEN E.V. o.J.).
- Quote paper
- Nils Leithold (Author), 2018, Wissensbasierte Daten zur Windkraftnutzung in niedersächsischen Wäldern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1180834