Ausgangspunkt dieser Hausarbeit ist meine Tätigkeit im Grundpraktikum zur Vorbereitung auf das Studium der Sozialen Arbeit. In dieser Zeit begleitete ich drei Monate lang Mütter mit ihren Kindern in einer betreuten Wohngruppe.
Da in dieser Zeit besonders mein Interesse dafür geweckt wurde, wie die Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht, ob und wie die stationäre Mutter-Kind-Einrichtung in diesem Bereich hilfreich sein kann, widme ich mich genau dieser Frage.
Um zu erfahren, was Bindung genau bedeutet und wie sie entsteht, stütze ich mich in dieser Arbeit auf die Bindungstheorie nach Bowlby. Bowlbys Theorie gehört zu den einflussreichsten Studien im Bereich der bindungstheoretischen Forschung.
Im ersten Abschnitt dieser Arbeit setze ich mich als Einführung in mehreren Schritten mit den theoretischen Grundlagen dieser Bindungstheorie nach Bowlby auseinander. Dafür stelle ich zunächst die Entstehungsgeschichte seiner Theorie vor. Anschließend erläutere ich diese Theorie anhand der Grundlagenbegriffe Bindung und Bindungsverhalten.
Diese Ausführungen ergänze ich durch die Ergebnisse der Weiterentwicklung von John Bowlbys Theorie durch Mary Ainsworth in Form der vier unterschiedlichen Bindungsmuster. Im darauffolgenden Teil befasse ich mich in Bezug auf meine Fragestellung mit den Bindungsstörungen.
Dem ersten theoretischen Teil stelle ich den zweiten praxisorientierten Teil gegenüber. Dazu beschreibe ich zunächst die Entstehung und das Ziel der „Frühen Hilfen“ in Deutschland, um mich dann auf einen konkreten Leistungserbringer der „Frühen Hilfen“, die stationäre Mutter-Kind-Einrichtung, zu konzentrieren.
Abschließend führe ich die ersten beiden Teile der Hausarbeit zusammen und beschreibe die Möglichkeiten der stationären Einrichtung, Bindungsstörungen vorzubeugen oder diese frühzeitig zu erkennen und positiv zu beeinflussen. Aus Gründen des direkten Bezugs auf die stationäre Einrichtung für Mutter und Kind, ersetze ich den Begriff der „primären Bindungsperson“ aus der Literatur in meiner Arbeit durch den konkreten Begriff der „Mutter“.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Bindungstheorie nach Bowlby
2.1 Die Grundlagen der Theorie
2.2 Definitionen unterschiedlichen Bindungsverhaltens
2.2.1 Modell A: Sichere Bindung
2.2.2 Modell B: Unsicher-vermeidende Bindung
2.2.3 Modell C: Unsicher-ambivalente Bindung
2.2.4 Modell D: Desorganisierte Bindung
2.3 Bindungsstörungen
2.3.1 Reaktive Bindungsstörung
2.3.2. Enthemmte Bindungsstörung
3. Frühe Hilfen
3.1 Stationäre Mutter-Kind-Einrichtung als Leistungsträger der Frühen Hilfen
3.2 Frühe Hilfen für Bindungsstörungen in der Mutter-Kind-Einrichtung
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ausgangspunkt dieser Hausarbeit ist meine Tätigkeit im Grundpraktikum zur Vorbereitung auf das Studium der Sozialen Arbeit. In dieser Zeit begleitete ich drei Monate lang Mütter mit ihren Kindern in einer betreuten Wohngruppe.
Da in dieser Zeit besonders mein Interesse dafür geweckt wurde, wie die Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht, ob und wie die stationäre Mutter-Kind-Einrichtung in diesem Bereich hilfreich sein kann, widme ich mich genau dieser Frage.
Um zu erfahren, was Bindung genau bedeutet und wie sie entsteht, stütze ich mich in dieser Arbeit auf die Bindungstheorie nach Bowlby. Bowlbys Theorie gehört zu den einflussreichsten Studien im Bereich der bindungstheoretischen Forschung.
Im ersten Abschnitt dieser Arbeit setze ich mich als Einführung in mehreren Schritten mit den theoretischen Grundlagen dieser Bindungstheorie nach Bowlby auseinander. Dafür stelle ich zunächst die Entstehungsgeschichte seiner Theorie vor. Anschließend erläutere ich diese Theorie anhand der Grundlagenbegriffe Bindung und Bindungsverhalten.
Diese Ausführungen ergänze ich durch die Ergebnisse derWeiterentwicklung von John Bowlbys Theorie durch Mary Ainsworth in Form der vier unterschiedlichen Bindungsmuster. Im darauffolgenden Teil befasse ich mich in Bezug auf meine Fragestellung mit den Bindungsstörungen.
Dem ersten theoretischen Teil stelle ich den zweiten praxisorientierten Teil gegenüber. Dazu beschreibe ich zunächst die Entstehung und das Ziel der „Frühen Hilfen“ in Deutschland, um mich dann auf einen konkreten Leistungserbringerder „Frühen Hilfen“, die stationäre Mutter-Kind-Einrichtung, zu konzentrieren.
Abschließend führe ich die ersten beiden Teile der Hausarbeit zusammen und beschreibe die Möglichkeiten der stationären Einrichtung, Bindungsstörungen vorzubeugen oder diese frühzeitig zu erkennen und positiv zu beeinflussen.
Aus Gründen des direkten Bezugs auf die stationäre Einrichtung für Mutter und Kind, ersetze ich den Begriff der „primären Bindungsperson“ aus der Literatur in meiner Arbeit durch den konkreten Begriffder „Mutter“.
2. Die Bindungstheorie nach Bowlby
1950 trat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Bitte an John Bowlby heran, eine Studie über die psychische Gesundheit obdachloser Kinder zu betreiben. Während dieser Arbeit, die Bowlby im Jahr 1951 veröffentlichte, sammelte er erste Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der psychischen Gesundheit des Kindes und der Bindung zur Mutter (vgl. Goddemeier 2015, 459).
In den nachfolgenden Jahren widmet Bowlby sich derVertiefung dieses Themas. Angestellt an der Tavistock Klinik in London forscht Bowlby zusammen mit Kolleginnen, zu denen Mary Ainsworth zählt. Ainsworth ist maßgeblich an den Ergebnissen zur Bindungstheorie beteiligt und entwickelt diese um das Modell der „Fremden Situation“ und der daraus resultierenden Bindungsmuster weiter. Trotz Protesten aus den Reihen der- zeitlicher Psychoanalytikerlnnnen, die den Fokus ausschließlich auf die Verarbeitung unbewusster Kindheitserinnerungen legen, entwickelt Bowlby seine Bindungstheorie weiter und begründet diese 1969 in seinem Buch Bindung - Eine Analyse der MutterKind-Beziehung (vgl. Goddemeier ebd., 459).
2.1 Die Grundlagen derTheorie
Die Bindungstheorie umfasst die Aspekte der Bindung und des Bindungsverhaltens.
Bindung bezeichnet dabei das emotionale Kontaktbedürfnis des Menschen zu einer anderen Person (vgl. Bowlby 2014, 21f). Dieses Kontaktbedürfnis sei laut Bowlby bereits im Neugeborenen als Grundbedürfnis verankert und bleibe bis ins hohe Erwachsenenalter bestehen (vgl. Bowlby 2014, 98).
Bowlby ist der Auffassung, die Bindung sei ein „natürliches, vom Nahrungs- und Sexualtrieb abzugrenzendes ,Überlebensmuster“‘ (Bowlby ebd., 21). Diese These stützt er teilweise auf ethologische Studien u.a. von Konrad Lorenz in den 1950erJahren.
Lorenz studierte die Bindung zwischen Enten- und Gänseküken an ihre Mutter. Obwohl die Küken von dieser kein Futter bekamen, entwickelten sie eine starke Bindung zur Mutter (vgl. Bowlby 2014, 21f).
Bindungsverhalten sei dabei „jegliches Verhalten, das darauf ausgerichtet ist, die Nähe eines vermeintlich kompetenten Menschen zu suchen“ (Bowlby 2014, 21).
In Situationen, die Angst, Schmerz oder Überforderung auslösen, wird das Bindungsverhalten aktiviert. Dabei ist schon der Säugling in der Lage, sein Bindungsbedürfnis durch Weinen, Schreien oder Greifen, später als Kleinkind auch durch Nachlaufen oder Anklammern, zu verdeutlichen. Ziel dieses Verhaltens ist die Aufmerksamkeit der Mutter, die dem Säugling, später Kleinkind, Schutz oder Trost bieten und das Gefühl von Sicherheit vermitteln soll (vgl. Grossmann & Grossmann 2012 nach Zemp 2018, 40).
Um das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen zu können, braucht die Mutter als Bezugsperson ein gewisses Maß an Feinfühligkeit (Wahrnehmen und richtiges Deuten der kindlichen Signale und prompte, angemessene Reaktion auf diese (vgl. Alle 2018,154)). In der Bindungstheorie geht es demnach um eine wechselseitige Interaktion zwischen Mutter und Kind (vgl. Zemp 2018, 40). Die Folge einer verlässlichen Interaktion beider Seiten ist die Exploration (Entdeckung der Umwelt).
Beispielhaft beschrieben bedeutet das:
Die Anwesenheit der Mutter stärkt das Kind, sodass es seine Umwelt erkunden kann. Spürt das Kind Gefahr, sucht es Trost und Schutz bei der Bindungsperson. Ist sein Bedürfnis nach Nähe gestillt, kann das Kind erneut der Exploration nachgehen (vgl. Bowlby 2014, 99).
Die Grundlagen der Bindungstheorie beschreiben demnach, wie Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht. Bindung kann dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Um das zu erläutern, betrachte ich im nachfolgenden Abschnitt die unterschiedlichen Muster des Bindungsverhaltens.
2.2 Definitionen unterschiedlichen Bindungsverhaltens
Um die verschiedenen Muster von Bindungsverhalten verdeutlichen und bestimmen zu können, hat MaryAinsworth die Bindungstheorie nach Bowlby weiterentwickelt und das Modell der Fremden Situation erschaffen.
Die Fremde Situation als Diagnosemodell für Bindungsverhalten kann vom 12. bis 19. Lebensmonat durchgeführt werden. Der Ablauf gestaltet sich wie folgt:
Die Mutter und das Kind befinden sich in einem Raum mit Spielzeug. Das Kind wird zum Spielen angeregt. Nach kurzer Zeit gesellt sich eine fremde Person zu Mutter und Kind und unterhält sich mit der Mutter.
Anschließend werden verschiedene Trennungs- und Wiedervereinigungssituationen inszeniert, in denen das Verhalten des Kindes beobachtet wird: Die Mutter verlässt den Raum, das Kind bleibt mit der fremden Person alleine. Die Mutter kehrt kurze Zeit später zurück. Nach kurzer Zeit verlässt erst die fremde Person, dann die Mutter den Raum, die fremde Person kehrt kurz darauf später als Erste zurück (vgl. Brisch et al. 2018, 537). Bei den Beobachtungen des Kindes lässt sich dessen Verhalten in vier Bindungsmodelle differenzieren, die ich nachfolgend erläutere.
2.2.1 Modell A: Sichere Bindung
Kinder mit einer sicheren Bindung an ihre Mutter versuchen, durch ihr Bindungsverhalten (zum Beispiel Weinen oder Anklammern), ihre Mutter auf sich aufmerksam zu machen. Das Kind möchte so die Nähe zur Mutter wiederherstellen, um das Gefühl von Schutz und Sicherheit zu erfahren (vgl. Brisch et al. 2018, 534).
Kinder mit sicherer Bindung haben gelernt, dass ihre Mutter feinfühlig auf sie eingeht und ihre Bedürfnisse wahrnimmt, indem sie die Kinder prompt tröstet und beschützt (vgl. Bowlby 2014, 101).
Ist die Mutter bei sicher gebundenen Kindern anwesend und das Bedürfnis nach Nähe gestillt, können diese Kinder ihrem Explorationsdrang nachgehen (vgl. Bowlby 2014, 101).
2.2.2 Modell B: Unsicher-vermeidende Bindung
Kinder, die unsicher-vermeidend an ihre Mutter gebunden sind, haben verinnerlicht, dass ihr Nähe- und Schutzbedürfnis von dieser kaum wahrgenommen wird. Sie vermeiden eine erneute Abweisung ihrer Bedürfnisse, indem sie diese nicht mehr äußern (vgl. Brisch et al. 2018, 534).
Im Beispiel kann das bedeuten: Diese Kinder werden den Weggang ihrer Mutter registrieren, aber äußerlich ruhig erscheinen. Innerlich können sie unter Verlustangst und Panik leiden.
2.2.3 Modell C: Unsicher-ambivalente Bindung
Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung bekommen von ihrer Mutter keine verlässliche Reaktion auf ihr Verhalten (vgl. Bowlby 2014,101). Es ist sogar möglich, dass die Mutter selber mit Angst auf die Bedürfnisse des Kindes reagiert (vgl. Brisch et al. 2018, 534).
Diese Kinder leiden stark unter Trennungsangst und zeigen selten Explorationsdrang (vgl. Bowlby 2014,101).
2.2.4 Modell D: Desorganisierte Bindung
Da sich nicht alle zu beobachtenden Verhaltensmuster in die ersten drei Modelle nach Ainsworth unterteilen ließen, entwickelte die Entwicklungspsychologin Mary Main später dieses vierte Bindungsmuster.
Kinder, die desorganisiert an ihre Mutter gebunden sind, zeigen widersprüchliches Verhalten. Als Beispiel lässt sich anführen, dass diese Kinder beim Verlassen des Raumes durch die Mutter hinter ihr herrennen und sich anklammern wollen. Das sicher gebundene Kind würde beim Wiederkommen der Mutter nun gerne von ihr getröstet werden. Desorganisiert gebundene Kinder hingegen laufen dann eventuell vor der Mutter weg. Diese Kinder „wirken verstört [...], erstarren regelrecht, [...] oder halten aus unerklärlichen Gründen plötzlich inne“ (Bowlby 2014,102; vgl. Bowlby 2014, 101f).
Durch diese vier Modelle wird deutlich, dass die Interaktion zwischen dem Kind mit seinen Bedürfnissen und der Mutter mit ihrer Zuwendung in wichtigem Zusammenhang steht. In jedem dieser vier Modelle findet eine unterschiedlich ausgeprägte Form von Bindung statt.
2.3 Bindungsstörungen
Wird die Interaktion zwischen Bedürfnissen des Kindes und Zuwendung/Feinfühligkeit der Mutter allerdings häufig und lang andauernd irritiert, können Bindungsstörungen auftreten. Diese lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:
2.3.1 Reaktive Bindungsstörung
Die reaktive Bindungsstörung zeigt sich durch ambivalentes oder aggressives Verhalten des Kindes gegenüber der Mutter. Kinder mit dieser Form der Bindungsstörung sind häufig selbstgenügsam, übervorsichtig, ängstlich, unglücklich und zeigen kaum emotionale Reaktionen.
Die häufigste Ursache für eine reaktive Bindungsstörung ist die Misshandlung oder Vernachlässigung des Kindes durch die Bindungsperson (vgl. Zemp 2018, 39).
Massive Vernachlässigung des Kindes könnte in der Form stattfinden, dass die Mutter die Forderung des Kindes nach Grundbedürfnissen wie Schlaf, Nahrung und Sicherheit nicht beantwortet. Sie erkennt das Bedürfnis ihres Kindes nicht und reagiert folglich nicht angemessen darauf. Macht das Kind zu häufig die Erfahrung, dass zum Beispiel sein Hunger nicht gestillt wird, wird es sich den Umständen seiner Lebenswelt anpassen und keine Energie mehrfür Forderungen nach Nahrung einsetzen.
[...]
- Quote paper
- Svenja Albrecht (Author), 2019, Bindungsstörungen erkennen, regulieren und vorbeugen – Mögliche Chancen am Beispiel der stationären Mutter-Kind-Einrichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1174088
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