Ziel dieser Arbeit ist es, Methoden zur Gewinnverlagerung, welche von international tätigen Unternehmen der digitalen Wirtschaft genutzt werden sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Gewinnverlagerung zu untersuchen. Diesbezüglich werden sowohl Maßnahmen der OECD als auch einzelne unilaterale Maßnahmen dargestellt.
Zunächst wird auf die grundsätzliche Überlegung bei der internationalen Steuerplanung eingegangen, um darauf aufbauend die Kernprobleme der Besteuerung international tätiger Unternehmen der digitalen Wirtschaft wie beispielsweise Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Google zu eruieren. Daran anknüpfend werden im dritten Abschnitt sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktiven Gewinnverlagerung auf die beteiligten Staaten dargestellt.
Im vierten Abschnitt dieser Arbeit werden ausgewählte Methoden der Gewinnverlagerung theoretisch erläutert sowie deren Funktionsweise anhand von Beispielen verdeutlicht.
Abschließend werden im fünften Abschnitt sowohl ausgewählte Maßnahmen des BEPS Projektes als auch weitere Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung zur Vermeidung und Verhinderung der im vierten Abschnitt dargestellten Methoden zur Gewinnverlagerung untersucht.
Es sei anzumerken, dass der Fokus dieser Arbeit auf der Besteuerung des Einkommens von Kapitalgesellschaften liegt. Somit werden sowohl Regelungen zu der Besteuerung von natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften als auch umsatzsteuerliche Regelungen nur für ergänzende Zwecke erwähnt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Vorgehensweise
2 Steueroptimale Gestaltung international tätiger Unternehmen
2.1 Ziele der Unternehmen bei der internationalen Steuergestaltung
2.2 Problembereiche bei der internationalen Steuergestaltung
2.2.1 Fehlende Harmonisierung der Steuersysteme der Staaten
2.2.2 Abkommen zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung
2.2.3 Komplikationen des internationalen Steuerrechts mit der digitalen Wirtschaft
3 Base Erosion and Profit Shifting
3.1 Hintergründe
3.2 Auswirkungen auf die beteiligten Staaten
4 Ausgewählte Methoden des Base Erosion Profit Shifting
4.1 IP-Box-Gestaltungen
4.1.1 Allgemeines
4.1.2 Steuerrechtliche Gestaltungsaspekte von IP-Boxen
4.1.3 Beispielhafte Nutzung einer IP-Box-Gestaltung
4.2 Treaty Shopping und Directive Shopping
4.2.1 Allgemeines
4.2.2 Beispiele zum Treaty Shopping
4.3 Double Irish with a Dutch Sandwich
5 Maßnahmen zur Vermeidung von Base Erosion Profit Shifting
5.1 Zu IP-Box-Gestaltungen
5.2 Zu Treaty Shopping
5.3 Zu Double Irish with a Dutch Sandwich
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Interlectual Property Holding Struktur
Abbildung 2: Treaty Shopping
Abbildung 3: Treaty Shopping bei einem Nicht-DBA-Fall
Abbildung 4: Trea TLC AG Steuerberatungsgesellschaft ty Shopping bei einem DBA-Fall
Abbildung 5: Aufbau des Double Irish with a Dutch Sandwich
Abbildung 6: Berechnung der steuerbegünstigten Einkünfte
Abbildung 7: Schematische Darstellung der Limitation-on-Benefits-Klausel nach Art. 28 des US-Doppelbesteuerungsabkommens
Abbildung 8: Corporate Tax Revenues as % of GDP (OECD)
1 Einleitung
1.1 Einführung
Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Google zählen zu den bekanntesten Unternehmen der jüngeren Geschichte. Ihre Produkte und Dienstleistungen werden weltweit genutzt. Durch die weitreichende Nutzung der Produkte und Dienstleistungen dieser Unternehmen konnten diese in den vergangenen Jahren stark wachsen. Apple beispielsweise konnte in den letzten fünf Geschäftsjahren die eigene Marktkapitalisierung von 537.275,96 Euro zum 30.September 2015 auf 665.009,04 Euro am 30. September 2018 steigern und war am 2. August 2018 das erste Unternehmen, welches einen Börsenwert von einer Billionen Dollar erreicht hat.1
Neben ihren Produkten und Dienstleistungen sind die eingangs erwähnten Unternehmen jedoch ebenfalls für ihre Steuergestaltungsmaßnahmen bekannt. Apple selbst behauptet, der größte Steuerzahler der Welt zu sein.2 Im Geschäftsjahr vom 30. September 2017 bis zum 29. September 2018 hat Apple weltweit 10.417 Mio. Dollar Steuern gezahlt. Die effektive Gesamtsteuerbelastung liegt mit 13.372 Mio. Dollar bei 18,3 %.3
Am 30. August 2016 beschloss die Europäische Kommission, dass Vorabbescheide vom 9. Januar 1991 sowie vom 23. Mai 2007 als staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV und Art. 108 AEUV zu werten seien.4 Irland wurde verpflichtet, für den Zeitraum von Juni 2003 bis Dezember 2014 13,1 Mrd. Euro Steuern zzgl. Zinsen in Höhe von 1,2 Mrd. Euro von Apple zurückzufordern.5
Seit der Finanzkrise wird global tätigen Unternehmen vermehrt vorgeworfen, ihre Besteuerungsgrundlagen in Hochsteuerländern durch die Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer zu verringern. Diese Vorwürfe stützen sich jedoch auf wenige empirische Beweise.6
Beispielsweise kam eine von den Grünen im europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis, dass die nominale und effektive Steuerbelastung für Unternehmen je nach Staat innerhalb der EU stark voneinander abweicht. Laut dieser Studie lag in den Jahren 2011 bis 2015 die effektive Steuerbelastung in Luxemburg bei 2,2 %, nominal bei 29,1 %. In Deutschland fällt die Diskrepanz laut dieser Studie zwischen effektiv 19,6 % und nominal 29,1 % geringer aus.7 Trotz Kritik an der Studie durch das Leibniz Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung, welches insbesondere die nicht mehr aktuellen Daten sowie methodische Fehler kritisiert, zeigen solche Studien, dass die Besteuerung von multinational tätigen Unternehmen nicht nur in einzelnen Ländern erfolgen kann.8 Durch die gezielte Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländern kann eine niedrigere Besteuerung erreicht und die Konzernsteuerquote effektiv gesenkt werden. Hierbei werden sowohl Lücken in den nationalen Steuersystemen als auch in bilateralen Vereinbarungen zwischen Ländern genutzt, um eine Besteuerung von Gewinnen mitunter vollständig zu vermeiden.9 Dieses Verhalten wird von Führungspersonen oftmals mit der Verantwortung gegenüber den Anteilseignern begründet, eine möglichst geringe Steuerbelastung zur Maximierung der möglichen Dividende zu erreichen.10 Gleichzeitig führt die gezielte Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer zu einer Verringerung des Steueraufkommens für die am Wertschöpfungsprozess beteiligten Staaten und stellt somit für diese ein enorm finanzielles Risiko dar.11 Weiterhin kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen sowie international agierender Konzerne, da kleinere Unternehmen nicht die Möglichkeiten haben, ihre Gewinne in ein niedrig besteuerndes Land zu verlagern, um somit ihren Gewinn nach Steuern zu erhöhen.12
Um das Steueraufkommen der einzelnen Staaten zu sichern und das Problem der Gewinnverlagerung zu bekämpfen, hat die OCED in Kooperation mit den G20 ein Maßnahmenpaket aus 15 Lösungsvorschlägen entwickelt.13
1.2 Vorgehensweise
Ziel dieser Arbeit ist es, Methoden zur Gewinnverlagerung, welche von international tätigen Unternehmen der digitalen Wirtschaft genutzt werden, sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Gewinnverlagerung zu untersuchen. Diesbezüglich werden sowohl Maßnahmen der OECD als auch einzelne unilaterale Maßnahmen dargestellt. Zunächst wird auf die grundsätzliche Überlegung bei der internationalen Steuerplanung eingegangen, um darauf aufbauend die Kernprobleme der Besteuerung international tätiger Unternehmen der digitalen Wirtschaft wie beispielsweise Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Google zu eruieren. Daran anknüpfend werden im dritten Abschnitt sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktiven Gewinnverlagerung auf die beteiligten Staaten dargestellt.
Im vierten Abschnitt dieser Arbeit werden ausgewählte Methoden der Gewinnverlagerung theoretisch erläutert sowie deren Funktionsweise anhand von Beispielen verdeutlicht.
Abschließend werden im fünften Abschnitt sowohl ausgewählte Maßnahmen des BEPS Projektes als auch weitere Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung zur Vermeidung und Verhinderung der im vierten Abschnitt dargestellten Methoden zur Gewinnverlagerung untersucht.
Es sei anzumerken, dass der Fokus dieser Arbeit auf der Besteuerung des Einkommens von Kapitalgesellschaften liegt. Somit werden sowohl Regelungen zu der Besteuerung von natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften als auch umsatzsteuerliche Regelungen nur für ergänzende Zwecke erwähnt.
2 Steueroptimale Gestaltung international tätiger Unternehmen
In dem nachfolgenden Abschnitt dieser Arbeit werden die Grundkonzeptionen und -intentionen international tätiger Unternehmen bei der Steuerplanung dargestellt. Es wird erläutert, inwieweit sich nationales und internationales Recht sowie bilaterale Vereinbarungen auf die grenzüberschreitende Tätigkeit von Unternehmen auswirken.
Darauf aufbauend werden die Problematiken und Komplikationen, welche sich für Unternehmen bei internationalen Besteuerungssachverhalten ergeben, dargelegt. Hierbei wird insbesondere auf die fehlende Harmonisierung der Steuersysteme sowie Lösungsversuche innerhalb der EU eingegangen. Weiterhin wird die Funktionsweise der zur Vermeidung von Doppelbesteuerung geschlossenen zwischenstaatliche Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung sowie deren Zielsetzung beschrieben. Abschließend werden im Abschnitt 2.3 die Problematiken, welche sich bei der Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft ergeben, dargestellt.
2.1 Ziele der Unternehmen bei der internationalen Steuergestaltung
Jede wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens - sei es der Erwerb von Software, die Entwicklung eines Betriebssystems oder der Verkauf eines fertigen Produktes - hat steuerliche Konsequenzen. Demnach gilt es, jede wirtschaftliche Entscheidung, beispielsweise hinsichtlich einer Investition, neben der Finanzierung und dem zukünftigen Nutzungswert und deren Auswirkung auf den Unternehmenswert auch bezüglich der steuerlichen Konsequenzen zu betrachten.14 Die bei der Untersuchung auftretenden Ergebnisse gilt es hinsichtlich weiterer Handlungs- und Planungsalternativen zu untersuchen15. Hierbei sind neben der betriebswirtschaftlich optimalen Realisierung ebenfalls die damit verbundenen Steuerkosten genauer zu betrachten. Die Minimierung des Steueraufwands durch eine geplante wirtschaftliche Aktivität bezeichnet man als Steuerplanung.16 Die Hauptaufgabe der Steuerplanung besteht darin, die Besteuerung dem Grunde, der Höhe oder dem Zeitpunkt nach so zu gestalten, dass der bestmögliche Effekt aus der geplanten wirtschaftlichen Aktivität erzielt werden kann.17 Dies ist insbesondere deshalb relevant, da der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens oftmals am Ergebnis nach Steuern gemessen wird.18 Es gilt also Steuern, die vermieden werden können, im Rahmen der Steuerplanung zu vermeiden, um die aus der wirtschaftlichen Tätigkeit resultierenden Ergebnisse und Cash-Flows zu maximieren.19
Im Rahmen der Steuerplanung international tätiger Unternehmen spielt das internationale Steuerrecht eine wesentliche Rolle bei der Einordnung und Bewertung der Folgen von Investitionsentscheidungen. Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, zwischenstaatliche Abkommen, internationale Gerichtsentscheidungen mit multinationaler Wirkung sowie gewisse völkerrechtliche Gewohnheitsrechte von steuerlicher Bedeutung zählen zum internationalen Steuerrecht im engeren Sinne und werden durch das nationale Außensteuerrecht zum internationalen Steuerrecht im weiteren Sinne erweitert.20
In der nachfolgenden Ausführung zu den Besteuerungssystematiken wird dabei stets unterstellt, dass einer der beteiligten Staaten Deutschland ist. Engagiert sich ein Staat wirtschaftlich in mehreren Staaten, so unterliegt er grundsätzlich den Besteuerungsrechten der beteiligten Staaten.21 Die Besteuerung in dem Staat, in dem die Gesellschaft ihren Sitz nach § 11 AO oder den Ort der Geschäftsleitung nach § 10 AO hat, begründet sich durch das Universalitätsprinzip. In dem besagten Staat unterliegt die Körperschaft mit ihrem Welteinkommen der nationalen Besteuerung nach § 1 I KStG. Die Anknüpfungspunkte an die Besteuerung finden sich folglich in der Person der Gesellschaft. Der Staat, in dem sich die Gesellschaft wirtschaftlich engagiert, besteuert die Gesellschaft hingegen nach dem Territorialitätsprinzip. Hierfür müssen nach § 2 KStG inländischen Einkünfte nach § 49 I Nr.2 EStG in Verbindung mit § 2 KStG vorliegen. Die Gesellschaft wird als beschränkt steuerpflichtig behandelt. Für die Besteuerung ist also das Steuergut per se, nicht jedoch die Person relevant.22
Zur Beurteilung, ob inländische Einkünfte im Sinne des § 49 I Nr. 2 EStG vorliegen, ist nach § 49 I Nr. 2 a.) EStG insbesondere relevant, ob in dem Staat, in dem sich die Gesellschaft wirtschaftlich engagiert, eine Betriebsstätte nach § 12 AO vorliegt oder sich in dem anderen Staat ein ständiger Vertreter nach § 13 AO befindet. Zur Beurteilung, ob eine Betriebsstätte im Sinne des § 49 I Nr. 2 a.) EStG im anderen Staat vorliegt, ist grundsätzlich das OECD Musterabkommen bzw. das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen anzuwenden.23 Das Musterabkommen selbst entfaltet keine Rechtswirkung, da die OECD selbst nur Empfehlungen herausgibt, jedoch orientiert sich Deutschland beim Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten an diesem Abkommen.24 Diese Abkommen enthalten Regelungen, welche den beteiligten Staaten zur Vermeidung von Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht zuweisen.25 Zur Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen kann das OECD Musterabkommen sowie der Musterkommentar herangezogen werden.26
Ohne bilaterale Maßnahmen würden somit die Einkünfte, welche durch die ausländische Betriebsstätte erzielt werden, nach dem Universalitäts- und dem Territorialitätsprinzip doppelt besteuert werden.
2.2 Problembereiche bei der internationalen Steuergestaltung
Wie im vorherigen Abschnitt erwähnt, haben Unternehmen, sobald sie ihre Tätigkeiten auf weitere Staaten neben ihrem Sitz- oder Gründungsstaat ausweiten, sowohl nationale und internationale Gesetzgebungen als auch bilaterale Abkommen wie die genannten Doppelbesteuerungsabkommen bei der Auswahl und Gestaltung ihrer Tätigkeiten zu beachten. Engagiert sich eine Körperschaft somit wirtschaftlich in einem anderen Land, beispielsweise durch eine Betriebsstätte oder durch einen ständigen Vertreter, so ist die Gesellschaft auf Basis von subjektbezogenen Ansatzpunkten, beispielsweise dem Ort der Geschäftsleitung nach § 10 AO oder dem Sitz nach § 11 AO, nach dem Universalitätsprinzip mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Weiterhin ist sie jedoch auf Grund objektbezogener Ansatzpunkte, nämlich der Betriebsstätte bzw. dem ständigen Vertreter, nach dem Territorialitätsprinzip mit ihren dort erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Der Ansatzpunkt der Besteuerung ist hierbei das Quellenprinzip. Einkünfte werden an der Quelle der Entstehung besteuert.27
In dem nachfolgenden Abschnitt dieser Arbeit wird dargestellt, inwieweit sich die fehlende Harmonisierung der einzelnen Besteuerungssysteme der Staaten sowie eine mögliche Doppelbesteuerung auf international agierende Unternehmen auswirkt und wie die hieraus entstehenden Komplikationen gelöst werden können.
2.2.1 Fehlende Harmonisierung der Steuersysteme der Staaten
Durch die fehlende Harmonisierung der weltweiten Besteuerungssysteme ergeben sich durch Ausnutzung verschiedener Lücken in den Steuergesetzen Möglichkeiten für international agierende Unternehmen, ihre Konzernsteuerbelastung effektiv zu reduzieren. Diese fehlende Harmonisierung wird im nachfolgenden Abschnitt beispielhaft an der fehlenden Harmonisierung der Besteuerungssysteme innerhalb der EU veranschaulicht. Da im vierten Abschnitt Methoden zur Gewinnverlagerung dargestellt werden, welche hauptsächlich die fehlende Harmonisierung innerhalb der EU zur Reduzierung der Steuerlast nutzen, wird in diesem Abschnitt nur auf die EU eingegangen. Weiterhin werden Lösungsansätze hierzu erläutert.
Die fehlende Harmonisierung der Besteuerungssysteme innerhalb der EU stellt ein Problem für die Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten innerhalb der EU dar.28 Die EU hat sich nach Art. 3 Abs. 3 des AEUV zur Schaffung eines Binnenmarktes verpflichtet. Dieser stellt den größten barrierefreien Wirtschaftsmarkt der Welt dar. 28 Länder mit insgesamt über 500 Millionen Einwohnern erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von ca. 13 Billionen Euro.29
Hinsichtlich der indirekten Steuern besteht innerhalb der EU nach Art. 113 des AEUV ein Harmonisierungsauftrag, um Binnenmarkthemmnisse abzubauen. Das hat dazu geführt, dass die Umsatzsteuer europaweit harmonisiert ist.30
Ein derartiger Harmonisierungsauftrag besteht für direkte Steuern nicht. Entsprechend der Art. 114 bis 118 des AEUV wurden lediglich Richtlinien zur Harmonisierung der direkten Steuern wie die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie oder die Fusionsrichtlinie umgesetzt, womit die Harmonisierung der direkten Steuern erst am Anfang steht.31 Weitere Besteuerungskompetenzen der EU auf Ebene der einzelnen Staaten bestehen infolge des Souveränitäts- und des Subsidiaritätsprinzips nicht.32
Auf Grund dieser fehlenden Harmonisierung kommt es bei der Auslegung von steuerlichen Sachverhalten, welche verschiedene Mitgliedsstaaten betreffen, oftmals zu unterschiedlichen Auffassungen.33 Diese fehlende Harmonisierung resultiert aus einer „fehlenden Angleichung steuerlicher Grundprinzipien und der Steuersätze“ in den 28 Mitgliedsstaaten und lässt sich nicht durch den „Erlass (ähnlicher) unilateraler Vorschriften durch sämtliche Länder“ lösen.34
Die fehlende Harmonisierung innerhalb der EU führt dazu, dass Unternehmen, welche grenzüberschreitend tätig sind, hinsichtlich der direkten Steuern 28 verschiedene Steuersysteme beachten müssen. Hieraus resultieren verschiedene Problematiken für die Besteuerung.
Einerseits müssen die Unternehmen Zeit und Ressourcen in Form von Kapital und Know-how in Anspruch nehmen, um die einzelnen Steuersysteme korrekt bei der Ermittlung ihrer steuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Hierzu wird beispielsweise gut ausgebildetes Fachpersonal in den entsprechenden Ländern sowie auf das jeweilige Land spezialisierte Berater in Form von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten benötigt, welche Kosten verursachen und somit die Unternehmen zusätzlich belasten.35 Gleichzeitig wird durch die mit der Tätigkeit in Europa verbundenen Kosten für hochqualifizierte Angestellte und Berater die Attraktivität Europas als Investitionsstandort verringert.
Andererseits ergeben sich aus der fehlenden Harmonisierung oftmals Lücken in den jeweiligen Steuergesetzen, welche durch die Unternehmen im Rahmen ihrer Steuerplanung zur Verminderung ihrer Konzernsteuerlast gezielt eingesetzt werden können. Hierdurch ergeben sich für Europa Wettbewerbsnachteile. Gleichzeitig besteht weiterhin die im Abschnitt 2.2.2 erwähnte Gefahr der Doppelbesteuerung auf Grund des Universalitäts- und des Territorialitätsprinzips.36
Ein weiteres Problem bei grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten liegt in der jeweiligen Beurteilung des Sachverhaltes und der entsprechenden Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens durch die betroffenen Staaten. Beurteilen diese einen Sachverhalt auf Grund einer fehlenden Harmonisierung des Steuerrechts unterschiedlich ohne Erreichung einer Einigung, so entsteht ein so genannter Qualifikationskonflikt.37 Dieser kann ebenfalls entstehen, wenn Unterschiede in den jeweiligen nationalen Rechten vorhanden sind oder Begriffe aus Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedlich aufgefasst werden (Subsumationskonflikt).38 Es gilt hierbei zwischen positiven und negativen Qualifikationskonflikten zu unterscheiden. Bei positiven Qualifikationskonflikten sprechen sich beide Staaten das Besteuerungsrecht zu, es kommt insoweit zu einer Doppelbesteuerung. Negative Qualifikationskonflikte führen dazu, dass kein Staat die entsprechenden Einkünfte besteuert.39 Diese doppelte Nichtbesteuerung kann unter Umständen durch nationale Gesetze wie dem § 50d Abs.9 EStG überschritten werden, um trotz der Freistellung in beiden Staaten eine Besteuerung zu erreichen. Dies wird als Treaty Override bezeichnet und ist verfassungsgemäß.40 Negative Qualifikationskonflikte werden oftmals durch Unternehmen ausgenutzt, um eine doppelte Nichtbesteuerung von erzielten Gewinnen zu erreichen.41 Als Beispiel sind hier Personengesellschaften zu nennen, deren Rechtscharakter in verschiedenen Staaten unterschiedlich behandelt wird.42 Insbesondere bei Einkünften aus schuldrechtlichen Verträgen zwischen den Mitunternehmern und der Gesellschaft gibt es international gravierende Unterschiede. Während diese Einkünfte in Deutschland nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG der Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind, ist alleine der Begriff der Mitunternehmerschaft an sich im Ausland weitestgehend unbekannt, was sowohl bei In- als auch bei Outbound-Fällen regelmäßig zu Qualifikationskonflikten führt.43 Als weiteres Beispiel fehlender Harmonisierung ist die US-amerikanische check-the-box Regelung zu nennen, bei der ausländische Tochtergesellschaften in Form von Kapitalgesellschaften einer US-amerikanischen Muttergesellschaft wie Betriebsstätten der Muttergesellschaft bzw. wie Personengesellschaften behandelt werden, um eine Hinzurechnungsbesteuerung zu vermeiden.44 Diese Wahlmöglichkeit schafft weitere Möglichkeiten zur Steuerplanung mit hybriden Gestaltungen, auf welche im Abschnitt 4.3 sowie 5.3 näher eingegangen wird, sowie zusätzliche Qualifikationskonflikte im internationalen Steuerrecht.45
Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte resultieren insbesondere aus den eingangs erwähnten 28 verschiedenen Steuersystemen der einzelnen Staaten.46 Als Lösung bietet sich die Abgabe von Kompetenzen in der Steuergesetzgebung der einzelnen Mitgliedsstaaten an die EU an.47
In einem ersten Schritt wird zur Harmonisierung des Besteuerungssystems an einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gearbeitet, wodurch die Art der Gewinnermittlung europaweit harmonisiert wäre.48 Darauf folgend sollen die ermittelten Bemessungsgrundlagen in einem zweiten Schritt für sämtliche Tätigkeiten innerhalb der EU konsolidiert und nach einem Verteilungsschlüssel auf die jeweilig beteiligten Länder aufgeteilt werden.49 Die Arbeiten hierzu sollen allerdings erst fortgeführt werden, sobald eine Einigung über die gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage erfolgt ist.50 Nach den Vorschlägen zu den Richtlinien über die gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage ist das nationale Körperschaftsteuerrecht nicht mehr anzuwenden, sobald die Richtlinien angewendet werden.51 Somit wäre zumindest im Bereich der Körperschaftsteuer eine Harmonisierung erreicht. Von Deutschland und Frankreich werden die Vorschläge zu den Richtlinien bereits unterstützt.52
Für Personengesellschaften gibt es keine derartigen Harmonisierungsbemühungen und somit auch keine einheitlichen Wettbewerbsbedingungen für Kapital- und Personengesellschaften.53 Harmonisierungsbemühungen hinsichtlich der Einkommensteuer sind seitens der EU aktuell nicht geplant. Dies wird damit begründet, dass die Einkommensteuer neben der Umsatzsteuer die Haupteinnahmequelle der Mitgliedsstaaten darstellt und derartige Harmonisierungsversuche einen tiefen Eingriff in die nationale Steuersouveränität darstellen würden.54
Die fehlende Harmonisierungen hinsichtlich der Besteuerung zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten sowie die daraus resultierenden Qualifikationskonflikte werden von international agierenden Unternehmen genutzt, um ihre Konzernsteuerbelastung nachhaltig unter Ausnutzung dieser Lücken zu senken. Hierauf wird insbesondere im Abschnitt 4.3 näher eingegangen.
2.2.2 Abkommen zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung
Engagiert sich ein im Inland steuerpflichtiges Unternehmen wirtschaftlich im Ausland, so besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung. Ein derartiger Sachverhalt wurde im Abschnitt 2.2 einleitend dargestellt.
Um eine derart dargestellte Doppelbesteuerung zu verhindern, wurden auf Basis des im Abschnitt 2.1 erwähnten OECD Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bilaterale Abkommen zwischen einzelnen Staaten zur Vermeidung von Doppelbesteuerung geschlossen. Diese sollen bei einem kollidierenden Steueranspruch zwischen zwei oder mehreren Staaten regeln, inwieweit einem Staat das Besteuerungsrecht der Einkünfte zugeordnet wird und in welcher Form der andere Staat auf sein Besteuerungsrecht zu verzichten hat.55 Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung stellen als völkerrechtliche Verträge in Form von zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäften Rechtsquellen des internationalen Steuerrechts dar.56 Hierbei sind die beteiligten Staaten als gleichrangige Vertragspartner anzusehen.57 Folglich besitzen sie einen rechtlichen Hybridcharakter, da sie ursprünglich einen völkerrechtlichen Vertrag darstellen, andererseits allerdings innerstaatlich wie einfache Bundesgesetze anzuwenden sind.58
Ziel der Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung ist es grundsätzlich, wie der Name impliziert, Doppelbesteuerung zu vermeiden. Mit den Doppelbesteuerungsabkommen soll jedoch nicht jede Art von Doppelbesteuerung vermieden werden, sie sollen vielmehr Klarheit für Sachverhalte liefern, welche sich in den Anwendungsbereichen der Doppelbesteuerungsabkommen wiederfinden.59 Somit ist das Vorhandensein einer tatsächlichen Doppelbesteuerung für die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich nicht relevant. Vielmehr ist entscheidend, inwieweit die in dem Abkommen dargestellten Tatbestände erfüllt sind.60 Hierzu zählt beispielsweise die im Abschnitt 2.1 angesprochene doppelte Steuerpflicht durch eine ausländischen Betriebsstätte. Weiterhin sollen sie durch „Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie den Kapital- und Personenverkehr fördern“.61 Der Begriff „Vermeidung“ ist hier jedoch nicht als präventive Vermeidung von Doppelbesteuerung anzusehen. Dies würde implizieren, dass es durch die Doppelbesteuerungsabkommen nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen kann. Vielmehr liegt der Sinn der Doppelbesteuerungsabkommen darin, bereits entstandene Besteuerungskonflikte zu beseitigen oder zu mildern. Liegen Einkünfte wie die im Abschnitt 2.1 dargestellten Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte vor, welche sowohl nach dem Universalitätsprinzip als auch nach dem Territorialitätsprinzip doppelt besteuert werden müssten, so beseitigen Doppelbesteuerungsabkommen diese Doppelbesteuerung der erzielten Einkünfte. Hierbei kann die Wirkung der Doppelbesteuerungsabkommen als beseitigend angesehen werden, da bereits Besteuerungsansprüche von mehreren Staaten aufeinander getroffen sind. Besteht jedoch eine im genannten Beispiel erwähnte Steuerzahlungsverpflichtung in beiden Staaten, so verhindern Doppelbesteuerungsabkommen Doppelbesteuerung und vermeiden sie folglich auch.62
Problematisch ist jedoch, dass die Vermeidung von Doppelbesteuerung oftmals zu Doppelnichtbesteuerung führen kann, da diese eine Folge der Vermeidung von Doppelbesteuerung darstellt. Grundsätzlich soll durch die Doppelbesteuerungsabkommen jedoch Doppelbesteuerung vermieden und dabei keine Doppelnichtbesteuerung geschaffen werden, wodurch die Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung eher als Nebenzweck der Doppelbesteuerungsabkommen anzusehen ist.63 Ob die Abkommen jedoch tatsächlich als Hauptzweck neben der Vermeidung von Doppelbesteuerung auch die Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung haben, ist umstritten.64 Dadurch, dass durch die Vermeidung von Doppelbesteuerung erst eine Doppelnichtbesteuerung entsteht, kann das Ziel der Doppelbesteuerungsabkommen folglich nicht in der Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung liegen.65
Dennoch kann es trotz der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen zu Doppelnichtbesteuerung kommen, etwa, wenn ein Vertragsstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht, oder weil die Doppelbesteuerungsabkommen in den entsprechenden Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt werden. Dies ist möglich, da die Doppelbesteuerungsabkommen den Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht nur zuweisen, jedoch werden die entsprechenden Vertragsstaaten nicht zur Erhebung bzw. Festsetzung von Steuern verpflichtet.66 Besteuerungsrechte können durch Doppelbesteuerungsabkommen nicht entstehen.67 Vielmehr werden bestehende innerstaatliche Besteuerungsrechte eingeschränkt.68
Im Rahmen von Methoden zur Steuergestaltung werden oftmals Doppelbesteuerungsabkommen genutzt, um eine Reduzierung von Quellensteuern zu erreichen. Hierauf wird im Abschnitt 4.2 näher eingegangen.
2.2.3 Komplikationen des internationalen Steuerrechts mit der digitalen Wirtschaft
Die Besteuerung von Gewinnen soll im Interesse der OECD dort erfolgen, wo die Wertschöpfung tatsächlich stattgefunden hat.69 Hierzu gilt es allerdings zuerst, die Höhe der Wertschöpfung zu bestimmen. Konzernintern ist dies relativ problemlos möglich. Darauf aufbauend ist die Wertschöpfung auf die einzelnen Bereiche des Konzerns aufzuteilen, um dadurch zu bestimmen, wo die Wertschöpfung stattgefunden hat.70
Der Wertschöpfungsprozess von digital agierenden Unternehmen wie Facebook und Google unterscheidet sich stark von dem anderer Unternehmen, beispielsweise produzierenden Industrieunternehmen. Während die erwähnten Industrieunternehmen durch ihre Produktionsmittel in Form von beispielsweise Maschinen und Immobilien örtlich stark gebunden sind, so stehen im Zentrum der Wertschöpfung von digitalen Unternehmen oft immaterielle Vermögensgegenstände wie Software, Marken oder geistiges Eigentum.71 Dies führt dazu, dass die Digitalisierung, beispielsweise durch Analyse von Massendaten, eigene Geschäftsfelder geschaffen hat, anstatt bisher vorhandene nur zu unterstützen.72 Zunehmende Digitalisierung führt weiterhin dazu, dass sich Wertschöpfungsketten von Unternehmen dahingehend verändern, dass eine genaue Lokalisierung und Quantifizierung der einzelnen Wertschöpfung komplexer geworden ist.73 Weiterhin ist der Ort der Wertschöpfung dadurch, dass vermehrt immaterielle Wirtschaftsgüter in den Wertschöpfungsprozess eingebunden sind, sehr unkompliziert je nach den individuellen Anforderungen des Unternehmens kontrollierbar.74
Zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ist somit die Frage zu klären, wo der Wertschöpfungsprozess stattfindet und an welcher Stelle Gewinne in welcher Höhe erzielt werden. Dahingehend ist zu prüfen, ob die gleichen Prinzipien bezüglich der Quelle der Einkünfte und dem Sitz des Unternehmens, welche für Zwecke der Besteuerung gelten, auch auf Unternehmen der digitalen Wirtschaft angewendet werden können.75 Sie für steuerliche Zwecke vom Rest der Wirtschaft isoliert zu betrachten wäre schwierig, da die digitale Wirtschaft mittlerweile sämtliche Bereiche der Wirtschaft umfasst.76 Um sie isoliert zu betrachten, wären Grenzen zwischen der digitalen Wirtschaft und dem Rest der Wirtschaft festzulegen, was nur schwer umzusetzen wäre.77 Somit sei es zur Lösung der Besteuerungsproblematik der digitalen Wirtschaft angebracht, die Strukturen, Geschäftsmodelle sowie die wesentlichen Merkmale der digitalen Wirtschaft zu analysieren, um darauf aufbauend zu untersuchen, welche Merkmale Probleme in der Besteuerung der digitalen Wirtschaft hervorrufen bzw. verschärfen.78
Ein Hauptmerkmal der digitalen Wirtschaft ist neben dem vermehrten Einsatz von immateriellen Vermögensgegenständen und geistigem Eigentum ebenfalls die so genannte Ausdehnung ohne Masse.79 Ausdehnung ohne Masse bezeichnet hierbei die Ausdehnung der Geschäftstätigkeiten in Staaten, ohne dort über eine physische Präsenz zu verfügen.80 Hierdurch können Stufen des Wertschöpfungsprozesses ohne lokale Präsenz in andere Staaten verlagert und gleichzeitig dort neue Kunden gewonnen werden.81 Durch die mangelnde bzw. sehr geringe Präsenz in den jeweiligen Staaten gestaltet es sich für diese schwer, Anknüpfungspunkte hinsichtlich der Besteuerung zu finden, da die bisherigen Kriterien für eine Betriebsstätte, beispielsweise nach § 12 AO, durch Unternehmen der digitalen Wirtschaft oftmals nicht erfüllt werden, da diese Kriterien eine physische Präsenz in dem jeweiligen Staat voraussetzen.82 Hieraus lässt sich für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft schließen, dass die Anwendung der bisher bestehenden Regelungen zur Bestimmung der Steuerpflicht und zur Besteuerung dieser Unternehmen möglicherweise nicht zielführend ist.83 Daraus folgt weiterhin, dass eine korrekte Gewinnzuordnung zu den einzelnen Staaten, welche am Wertschöpfungsprozess des Unternehmens beteiligt sind, unter Umständen nicht erfolgen kann, da die Anknüpfungspunkte zur Besteuerung mangels physischer Präsenz in den jeweiligen Staaten nicht erfüllt sind.
Weiterhin kann die Nutzerbeteiligung aus der Beziehung zwischen dem Unternehmen und den Nutzern des Unternehmens eine Form der Wertschöpfung darstellen, wenn die Beteiligung beispielsweise in der Erzeugung von Inhalten und Informationen liegt.84 Dies ist beispielsweise bei YouTube oder Facebook der Fall. Diese Form der Wertschöpfung wird bisher durch die steuerlichen Regelungen nicht erfasst. Somit kann nicht gewährleistet werden, dass diese Einkünfte dem Staat, in dem die Wertschöpfung erfolgt, auch tatsächlich zugerechnet werden.85
3 Base Erosion and Profit Shifting
3.1 Hintergründe
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass viele Aspekte der digitalen Wirtschaft von den aktuell geltenden Gesetzen nicht vollends erfasst werden. Dies lässt sich unter anderem damit begründen, dass die aktuell geltenden Regelungen zur Besteuerung von Kapitalgesellschaften mehr als 100 Jahre alt sind und somit an die Aspekte der digitalen Wirtschaft, wie beispielsweise die Ausdehnung ohne Masse, bisher noch nicht vollständig angepasst wurden.86 Somit werden die aktuellen Steuergesetze den Herausforderungen, welche sich bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft ergeben, nicht mehr gerecht. Diese Herausforderungen resultieren nicht nur ausschließlich aus den neuen Geschäftsmodellen zur Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft, sondern auch aus der zunehmenden Globalisierung und Verflechtung internationaler Märkte.87 Da die nationalen Steuergesetze zur internationalen Besteuerung sowie die zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf eine Wirtschaft, welche durch geringe multinationale Aktivität geprägt ist, zugeschnitten sind, ergeben sich, insbesondere im Rahmen der digitalen Wirtschaft, aber auch im Zuge der zunehmend Internationalisierung der Wirtschaft, vermehrt Inkongruenzen zwischen den Steuersystemen.88 Diese Inkongruenzen zeigen sich darin, dass das Steueraufkommen deutlich reduziert wird. Eine vollständige Nichtbesteuerung kann ebenfalls Folge der Inkongruenzen zwischen den Besteuerungssystem sein.89
Inkongruenzen zwischen den international geltenden Steuersystemen und zwischen den zwischenstaatlichen Abkommen können von Unternehmen genutzt werden, um ihre Steuerlast aus Hochsteuerländern wie beispielsweise Deutschland in Niedrigsteuerländern zu verlagern und somit ihre Konzernsteuerquote effektiv zu reduzieren. Diese gezielte Gewinnverlagerung, welche die OECD als Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS, bezeichnet, stellt eine Bedrohung des Steueraufkommens, der Steuerhoheit und der Steuergerechtigkeit für OECD Mitglieds- und -Nichtmitgliedsländer dar.90
Diese ökonomischen und politischen Konsequenzen, welche aus der gezielten Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer resultieren, werden im nachfolgenden Kapitel kurz dargestellt. Ausgewählte Methoden der Gewinnverlagerung werden im vierten Abschnitt erläutert. Eine kritische Würdigung der Maßnahmen der OECD gegen die gezielte Gewinnverlagerung erfolgt im fünften Abschnitt dieser Arbeit.
3.2 Auswirkungen auf die beteiligten Staaten
Die Einnahmen aus Unternehmenssteuern im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt aller OECD Staaten variierten in den Jahren 1990 bis 2016 zwischen 2,2 % und 3,6 %. Im Jahr 2016 betrug der Anteil der Unternehmenssteuern am Bruttoinlandsprodukt 2,8 %.91 In der EU betrug dieser Anteil im Jahr 2016 2,6 %.92 Hieraus lassen sich jedoch keine Schlussfolgerungen bezüglich der genutzten Maßnahmen zur Gewinnverkürzung bzw. Gewinnverlagerung ziehen.93
Der Anteil von ausländischen Gewinnen, welche Unternehmen aus den USA in den Jahren 1930 bis 2013 erzielten, ist von weniger als 5 % in den Jahren 1930 bis 1939 auf über 30 % in den Jahren 2010 bis 2013 gewachsen.94 Gleichzeitig stieg der Anteil der Gewinne von Unternehmen aus den USA, welchen diese aus Steueroasen erzielen, von 4 % im Jahr 1982 auf 17 % im Jahr 2013 an.95 Hieraus lässt sich folgern, dass im vergangenen Jahrhundert die Investitionen von US-amerikanischen Unternehmen im Ausland zugenommen haben. Dies betrifft ebenfalls Investitionen in Steueroasen. Zu den wichtigsten Steueroasen zählen in diesem Kontext Singapur, Bermuda bzw. die Karibik im Allgemeinen, die Schweiz, Luxemburg, die Niederlande und Irland.96 58 % der Tochterunternehmen in Steueroasen haben ihren Sitz auf Bermuda oder den Cayman Islands.97 In diesen Steueroasen werden Gewinne ausländischer Tochterunternehmen ausgewiesen, welche das jeweilige Bruttoinlandsprodukt der Steueroasen um ein Vielfaches übersteigen. So erzielen beispielsweise Tochterfirmen von US-amerikanischen Unternehmen auf Bermuda Gewinne von 104 Mrd. US-Dollar, was 1.884 % des jährlichen Bruttoinlandsproduktes entspricht. Bezogen auf die zehn bekanntesten Steueroasen wurden im Jahr 2012 in diesen 27 % des Bruttoinlandsproduktes durch Tochterunternehmen US-amerikanischer Unternehmen erzielt. In den verbleibenden Ländern beträgt der Anteil nach Daten des US-amerikanischen Internal Revenue Systems ca. 1 %.98
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1 Vgl. Onvista (2019); vgl. Weddeling (2018), zweiter Abschnitt.
2 Vgl. o. V. (2017), Erster Abschnitt.
3 Vgl. Apple (2018), S. 42 und 53.
4 Vgl. Europäische Kommission (2016), S. 109.
5 Vgl. Apple (2018), S. 55.
6 Vgl. Zucman (2014), S. 121; vgl. Egner (2015), S. VI.
7 Vgl. Janský (2019), S. 3.
8 Vgl. Spengel (2019), Abschnitt 1 und 2.
9 Vgl. OECD (o. J.).
10 Vgl. OECD (2013), S. 13.
11 Vgl. ebenda, S. 5.
12 Vgl. Bundesfinanzministerium (2017), Abschnitt 2.
13 Vgl. OECD (2013), S. 15 bis 24.
14 Vgl. Egner (2015), S. V; vgl. Stein und Vitale in Grotherr (Hrsg.) (2011), S. 137.
15 Vgl. Grotherr in Grotherr (Hrsg.) (2011), S. 18.
16 Vgl. Gerd John, Besteuerung und Unternehmenspolitik, Festschrift für Günter Wöhe, München, 1989, in: Jacobs (2016), S. 885.
17 Vgl. Wolfram Scheffler, Besteuerung von Unternehmen III – Steuerplanung, 2. Auflage, München, 2013, in: Jacobs, (2016), S. 885; vgl. Grotherr in Grotherr (Hrsg.) (2011), S. 11 bis 14.
18 Vgl. Joachim Lang, Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion: Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, Köln, in: Jacobs (2016), S. 885.
19 Vgl. ebenda; vgl. Lühn in Grotherr (Hrsg.) (2011), S 155; vgl. Hardeck in Grotherr (Hrsg.) (2011), S. 177; vgl. Grotherr in Grotherr (Hrsg.) (2011), S. 26.
20 Vgl. Brähler (2014), S. 1 bis 2.
21 Vgl. ebenda, S. 16.
22 Vgl. Brähler (2014), S. 5 bis 6, 9 bis 12.
23 Vgl. Egner (2015), S. 22.
24 Vgl. BMF vom 3. Mai 2018, Rz. 2; vgl. OECD (1960), Art. 5 b.); vgl. Brähler (2014), S. 96.
25 Vgl. Brähler (2014), S. 104.
26 Vgl. ebenda, S. 109; vgl. ebenda, S. 97.
27 Vgl. Egner (2015), S. 3 bis 10; vgl. Brähler (2014), S. 5 und 6.
28 Vgl. Kohnz (2017), S. 8.
29 Vgl. o. V. (2018), Abschnitt 2.
30 Vgl. Egner (2015), S. 32.
31 Vgl. ebenda, S. 39, vgl. Jacobs (2016), S.175.
32 Vgl. Kohnz (2017), S. 12; vgl. Brähler (2014), S. 3.
33 Vgl. Kohnz (2017), S. 11.
34 Vgl. Neumann-Tomm (2015), S. 437.
35 Vgl. Oppel (2015), S. 813.
36 Vgl. Oppel (2015), S. 813.
37 Vgl. Wassermeyer (2018), Art. 15 Rz. 69; vgl. Kohnz (2017), S. 13.
38 Vgl. Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einl. Rz. 152, in: Beck (2016), S. 216; vgl. Rupp (2008), S. 140.
39 Vgl. Wassermeyer (2018), OECD-MA 2017 Art. 3 MA Allgemeine Begriffsbestimmungen, Rz. 87, S. 56; vgl. Rupp (2008), S. 142.
40 Vgl. Görlich und Weigell (2017), S. 772.
41 Vgl. Kohnz (2017), S. 13.
42 Vgl. Lang (2000), S. 129.
43 Vgl. Jacobs (2016), S. 1260.
44 Vgl. Jesch und Striegel (2007), S. 192, Rz. 384.
45 Vgl. ebenda.
46 Vgl. Jacobs (2016), S. 191.
47 Vgl. Kohnz (2017), S. 12.
48 Vgl. Europäische Kommission (2016) zur gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, S. 15.
49 Vgl. Köstler und Scheffler (2017), S. 11.
50 Vgl. Europäische Kommission (2016) zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, S. 3.
51 Vgl. ebenda, S. 19; vgl. Europäische Kommission (2016) zur gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, S. 21.
52 Vgl. Bundesfinanzministerium (2018), S. 1.
53 Vgl. Jacobs (2016), S. 191.
54 Vgl. Jacobs (2016), S. 225.
55 Vgl. ebenda, S. 69.
56 Vgl. Haase, Florian (Hrsg), Außensteuergesetz/ Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberger Kommentar, 2. Auflage, C.F. Müller, Heidelberg u. a. 2012; vgl. Schaumburg, Harald, Internationales Steuerrecht, Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsrecht, 3. Auflage, Otto Schmidt, Köln 2011, in: Beck (2016), S. 41.
57 Vgl. Torsten Stein und Christian von Buttlar (2012) Völkerrecht, 13. Auflage, Vahlen, München, in: Beck (2016), S. 42.
58 Vgl. Beck (2016), S. 42.
59 Vgl. Lang, Double Non‐Taxation, Generalbericht, in IFA (Hrsg.), Cahiers de Droit Fiscal International 2004, Volume 89a, IFA, Rotterdam 2004, 21‐72, in: Beck (2016), S. 34.
60 Vgl. Wassermeyer (2018), Vor Art. 1 Vorbemerkung, Rz. 2.
61 Vgl. Beck (2016), S. 33.
62 Vgl. ebenda, S. 34 und 35.
63 Vgl. ebenda, S. 36.
64 Vgl. ebenda, S. 35.
65 Vgl. Beck (2016), S. 36.
66 Vgl. Brähler (2014), S. 104.
67 Vgl. ebenda.
68 Vgl. ebenda.
69 Vgl. OECD (2015), S. 3; vgl. OECD (2018), S. 3.
70 Vgl. Scheffler und Spengel (2017), S. 124.
71 Vgl. OECD (2015), S. 16, Rz. 2; vgl. ebenda S. 40, Rz. 77; vgl. ebenda, S. 98, Rz. 246.
72 Vgl. Scheffler und Spengel (2017), S. 125.
73 Vgl. ebenda; vgl. OECD (2015), S. 16, Rz. 2.
74 Vgl. Scheffler und Spengel (2017), S. 126; vgl. OECD (2015), S. 65, Rz. 152; vgl. Jacobs, Otto H., Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Auflage, München 2011, Seite 411, in: Broemel (2014), S. 2.
75 Vgl. OECD (2015), S. 16; vgl. OECD (2018), S. 169, Rz. 380/381.
76 Vgl. OECD (2015), S. 11.
77 Vgl. ebenda, S. 54, Rz. 115.
78 Vgl. ebenda.
79 Vgl. OECD (2018), S. 170, Rz. 383.
80 Vgl. ebenda. S. 51, Rz. 132.
81 Vgl. ebenda, S. 24, Rz. 33.
82 Vgl. OECD (2018), S. 172, Rz. 392; vgl. ebenda, S. 168, Rz. 379.
83 Vgl. ebenda, S. 170, Rz. 384; vgl. ebenda, S. 172, Rz. 392.
84 Vgl. ebenda, S. 170, Rz. 386.
85 Vgl. ebenda, S. 171, Rz. 389; vgl. Europäische Kommission (2018), S. 2, 2. Absatz.
86 Vgl. Europäische Kommission (2018), S. 1, 1. Absatz.
87 Vgl. OECD (2015), S. 3.
88 Vgl. OECD (2013), S. 5.
89 Vgl. ebenda.
90 Vgl. ebenda.
91 Vgl. Abbildung 8 im Anhang.
92 Vgl. Eurostat (2017), S. 5.
93 Vgl. OECD (2013), S. 16.
94 Vgl. Zucman (2014), S. 125, Abbildung 1.
95 Vgl. ebenda, S. 129, Abbildung 3.
96 Vgl. ebenda, S. 128, Abbildung 2.
97 Vgl. Gardner u. a. (2016), S. 1.
98 Vgl. ebenda, S. 16.
- Quote paper
- Lukas Westersötebier (Author), 2019, Base Erosion and Profit Shifting. Grenzübergreifende Steuergestaltung internationaler Unternehmen sowie Maßnahmen zur Verhinderung von aggressiver Steuerplanung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1173756
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