Antworten auf die Fragen:
Welche Unruhen (Riots) werden von den Autoren verglichen? Wer waren jeweils die Akteure, an welchen Orten fanden Sie statt, was waren Anlässe und Ursachen?
Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede zwischen den Unruhen in französischen und britischen Städten?
1. Welche Unruhen (Riots) werden von den Autoren verglichen? Wer waren jeweils die Akteure, an welchen Orten fanden Sie statt, was waren Anlässe und Ursachen?
Weddington und King vergleichen in ihrer Analyse die städtischen Unruhen in England und Wales mit denen, die sich im November 2005 in den benachteiligten Vororten Frankreichs ereignet haben. Dabei konnten sie sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in Bezug auf die beteiligten Akteure/-innen, Orte, Anlässe und Ursachen der Unruhen identifizieren. Beginnend mit dem Fokus auf die Riots (häufig übersetzt als: Immigrantenkrawalle oder Rassenunruhen) in England und Wales, die sich von 1980 bis 2001 von Bristol (SüdwestEngland) und Brixton (Süd-London) ausgehend bis nach Liverpool (Nord-England) und Cardiff (Wales) ausbreiteten, unterscheiden die Autoren drei zeitliche Phasen.
Die erste Phase, die sich von 1980 bis 1985 erstreckte, markiert den Beginn der Riots in England. Bereits im Jahr 1980 kam es in St. Paul's (einem Vorort von Bristol) zu ersten Stadtteilauseinandersetzungen, denen Spannungen zwischen vornehmlich ethnischen Minderheiten (besonders die „ African-Caribbean youths “) und der Polizei zu Grunde lagen. Ursächlich für den Ausbruch war ein Polizeieinsatz (Drogenrazzia) in einem von afro-karibi- schen Jugendlichen besuchten Café. Was damals als einmaliges Ereignis betrachtet wurde, wiederholte sich schließlich im Jahr 1981 in Brixton. Auch hier kam es nach einer Drogenrazzia in einem Gebiet der „ African-Caribbean “ zu Unruhen, welche sich allerdings in ihrer Intensität und Dauer von denen in Bristol unterschieden: So kam es z. B. erstmals zum Einsatz von Benzinbomben durch die Aufständischen. Zudem dauerten die Riots mehrere Tage an und breiteten sich anschließend innerhalb von drei Monaten auf über 30 englische Städte und Gemeinden aus. Nach Weddington und King erreichten die Riots im Jahr 1985 u. a. in den Innenstädten von Birmingham, Liverpool, Tottenham sowie Bristol und Brixton vorerst ihren Höhepunkt: Afro-karibische Jugendliche setzten erstmals Schusswaffen gegen die Polizei ein, was auf beiden Seiten zu Todesopfern führte. Ursächlich für die Ausbrüche der Riots in den 1980er Jahren waren häufig die unverhältnismäßigen Polizeieinsätze in den Aufstandsgebieten. Besonders das massierte, teilweise sogar rassistische polizeiliche Auftreten in Form verstärkter Personenkontrollen und Durchsuchungsmaßnahmen in den betroffenen Gebieten, sorgte für großes Misstrauen und Feindseligkeit bei der afro-karibischen Gemeinschaft. Der Autor Benyon konnte in Bezug auf den Ausbruch der Riots weitere ursächliche Faktoren identifizieren (Benyon 1987, S. 33-5, zitiert nach Waddington & King 2009, S. 247). Asiatische, afro-karibische sowie afrikanische Bevölkerungsgruppen wurden von Seiten der britischen Gesellschaft oftmals rassistisch benachteiligt. Hinzu kam die massive Verschlechterung der ökonomischen Lage der Betroffenen, die meist mit einer hohen Erwerbslosigkeit (in Tottenham lag die Jugendarbeitslosenquote im Jahr 1985 bei ca. 60%) einherging und bei den Betroffenen zu Gefühlen der Verbitterung und Ungerechtigkeit führte. Demnach war es auch nicht verwunderlich, dass vor allem junge Migranten/-innen aufgrund ihrer schlechten Zukunftsaussichten und finanziellen Nöten neue Formen individueller und kultureller Anpassungsmuster (z. B. verstärkte Schwarzarbeit) entwickelten. Die Perspektivlosigkeit beschleunigte darüber hinaus die Ausbreitung der Delinquenz und vor allem des Drogenhandels bei den Jugendlichen. Aufgrund der elenden wirtschaftlichen Lage sowie diskriminierenden Wohnungspolitik waren die Benachteiligten oftmals gezwungen in heruntergekommenen Wohnungen zu leben, wodurch Gefühle der Scham, Ausgrenzung und Diskriminierung zusätzlich befördert wurden. Darüber hinaus wurden die Benachteiligten häufig von politischen Entscheidungsprozessen ausgegrenzt, was die Gefühle von Machtlosigkeit und Verzweiflung verstärkten. Gerade diese Gefühle entluden sich in schweren Riots. Das Bild der Riots änderte sich Anfang der 1990er Jahre in der zweiten Phase: So kam es insbesondere in den Jahren 1991 und 1992 in 13 Städten wie Cardiff, Coventry, Oxford und Salford (alle außerhalb Londons) zu größeren Riots. Auch hier zeichneten sich die betroffenen Orte durch eine verarmte Bevölkerung, erhöhte Jugendarbeitslosigkeit, Sozialwohnungen sowie ein angespanntes Verhältnis zur Polizei aus. Allerdings hatten diese Städte, verglichen mit denen der 1980er Jahre, keinen signifikanten Anteil ethnischer Minderheiten. Die Mehrheit der an den Riots beteiligten Akteure/-innen waren männliche Jugendliche (unter 20 Jahren), die der „white working-class“ angehörten und aufgrund politischer sowie ökonomischer Marginalisierung meist in peripheren Wohnsiedlungen lebten (S. 247). Sie fühlten sich infolge dieser Marginalisierung häufig verzweifelt und von der britischen Gesellschaft entfremdet. Zwar wurden diese Riots - ähnlich wie die der 1980er Jahre - durch Polizeieinsätze (z. B. aufgrund von Autodiebstählen oder dem sog. „ram riding“) ausgelöst, die polizeilichen Interventionsmöglichkeiten und Befugnisse hingegen waren stark eingeschränkt (S. 247). Die Gründe hierfür lagen im Wesentlichen darin, dass der Staat erhebliche finanzielle und rechtliche Kürzungen zu Lasten der Polizeikräfte vorgenommen hatte. Die Polizeikräfte wurden z. B. im Rahmen ihrer Einsätze mit nur unzureichenden Informationen versorgt, was folglich dazu führte, dass sie die Einsätze kaum vorbereiten konnten. Auch wurde die Polizeipräsenz stark zurückgefahren, wodurch sich bestimmte Stadtviertel zu rechtsfreien Zonen, zu „no-go areas“ entwickelten (S. 251).
Drittens gab es eine Serie von Riots, die vor allem in den großen Textilstädten stattgefunden haben: Nach Bagguley und Hussain kam es in Bradford, Oldham und Burnley zu Straßenkämpfen zwischen der „South Asian youths“ (vorwiegend Jugendliche mit pakistanischem oder bengalischen Migrationshintergrund) und der Polizei (Bagguley & Hussain 2008, zitiert nach Waddington & King 2009, S. 246). Den Riots vorausgegangen war eine hohe südasiatische Zuwanderung in den 1960er bzw. 1970er Jahren (mehrheitlich aus Pakistan und Bangladesch). Das Ziel dieser damaligen Wirtschaftspolitik war es, den wachsenden internationalen Wettbewerbsdruck in der Textilindustrie, durch „ billige “ Arbeitskräfte aus Südasien standzuhalten. Die Folgen dieser Wirtschaftspolitik spiegelten sich folglich in Niedriglöhne und Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt wider, wodurch schließlich ethnische und sozioökonomische Segregation in den betroffenen Vierteln vorangetrieben wurde. Verstärkt wurde diese Segregation durch den technischen Fortschritt zu Beginn des 20. Jhd. sowie der damit einhergegangenen Substitution von asiatischen Arbeitskräften durch Maschinen im Bereich der Textilproduktion. Diese Entwicklung führte schließlich in den betroffenen Gebieten zu einer hohen, lokalen Arbeitslosigkeit und Beschleunigung des Drogenhandels (als Einkommensquelle). Den Riots gingen aber auch Agitationen nationalistischer und rassistischer Gruppen (z. B. National Front) voraus. Befeuert wurden die Riots durch die Gleichgültigkeit der Polizei bei den Ermittlungen rassistisch motivierter Straftaten gegenüber der asiatischen Gemeinschaft. Diese, die speziell für Pakistani und Bengalen (der zweiten bzw. dritten Generation) oft sehr schlechten sozio-ökonomischen Zukunftsperspektiven sowie ethnische Segregation können als zentrale Auslöser für die Ausbrüche der Riots in Lancashire und Yorkshire (im Jahr 2001) retrospektiv betrachtet werden.
2. Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede zwischen den Unruhen in französischen und britischen Städten?
Die Autoren Weddington und King konnten in ihrer Analyse drei zentrale Unterschiede zwischen den Unruhen in England resp. Wales und denen in Frankreich konstatieren. Der erste Unterschied steht im Zusammenhang mit dem Begriff der integrativen Staatsbürgerschaft: Die Arbeitsmigranten/-innen in Frankreich, welche meist aus den eigenen früheren Kolonien abstammen, besaßen mehrheitlich die französische Staatsbürgerschaft. Hingegen wurden die zugewanderten Arbeitsmigranten/-innen in Großbritannien eben nicht sofort als Staatsbür- ger/-innen anerkannt. Der zweite Unterschied betrifft den Wohnungsraum: Die sensiblen Stadtviertel Frankreichs, die sog. „ zones urbaines sensibles (ZUS) “, die durch zahlreiche Sozialwohnungssiedlungen geprägt sind, unterscheiden sich gänzlich von den Innerstädten
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- Anonymous,, 2020, Welche Unruhen (Riots) werden von den Autoren Weddington und King verglichen? Wer waren jeweils die Akteure, an welchen Orten fanden Sie statt, was waren Anlässe und Ursachen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1172346
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