Unterrichtsstörungen kommen in jeder noch so vorbildlichen Klasse bzw. Schule vor. Störungen sind Wesensbestandteile von Unterricht, aufgrund gegenseitigen Missverstehens von Schüler und Lehrer. Manche Störungen können reduziert werden, andere lösen sich von selbst oder sind unbehebbar.
In der Grundschule müssen die Schüler sich anfangs erst an bestimmte Regeln und Richtlinien gewöhnen und zusätzlich lernen, dauerhaft 45 Minuten im Klassenraum zu verbringen – meist sitzend auf dem eigenen Platz. Es ist naheliegend, dass dies nach einem turbulenten und bewegungsintensiven Kindergartenvormittag ungewohnt und neu erscheint. In der ersten Klassenstufe treten gewöhnlich Störungen auf, die sich alljährlich zutragen, wenn Neulinge in den Schulalltag starten. Dazu gehören unruhige Verhaltensweisen, „plötzliches Aufstehen“ oder „in die Klasse rufen“. Viele Regeln werden Schülern im Laufe des Schulalltages gelehrt, damit ihnen bewusst wird, dass für ein Zusammenleben in einer Klassengemeinschaft bestimmte Regeln vonnöten sind.
Inzwischen gibt es eine Reihe an Literatur , in der sich die Autoren mit diesem speziellen Thema auseinandergesetzt haben und verschiedene Ratschläge und Lösungen sowie Hinweise geben, bestimmte Unterrichtsstörungen zu vermeiden. Es sind allerdings keine Patentrezepte, die die sofortige Lösung hervorbringen, sondern Verbesserungsvorschläge und Möglichkeiten, Störungen zu verringern. Sie sollen primär zum Nachdenken anregen und nicht unbedingt eins zu eins umgesetzt werden. Es erfordert intensive Arbeit, mit Schülern ein positives Klassenklima herzustellen und dies auch beizubehalten. Man findet immer wieder Schüler mit individuellen Problemen und Niveaustufen. Einige langweilen sich oder sie finden es gerade viel spannender, sich mit ihren gerade neu gefundenen Klassenkameraden zu unterhalten, anstatt dem Unterricht zu folgen.
Allerdings gibt es nicht nur Störungen im Unterricht, die von Schülerseite produziert werden, ihre Gründe können auch anderer Natur sein. Oft stehen die Schüler im Mittelpunkt der Ursache, aber man sollte weitere mögliche Faktoren wie die Lehrkräfte oder soziale Komponenten nicht außer Acht lassen. Lehrer und Schüler können sich gegenseitig als Störfaktoren empfinden und sich demzufolge das Leben erschweren.
Inhaltsverzeichnis
I Hinführung und Aufbau des Themas
1 Unterrichtsstörungen in der Grundschule – ein beständiges Problem?
2 Struktur der vorliegenden Arbeit
II „Unterrichtsstörungen“ – Ursachen, Präventionen, Handlungsmöglichkeiten Übersicht über eine Auswahl von verschiedener Ursachen, Präventionen und Maßnahmen
3 Phänomen Unterrichtsstörung
3.1 Zum Begriff Unterrichtsstörung
3.1.1 Definition nach Karlheinz Biller
3.1.2 Definition nach A. und R. Ortner
3.1.3 Definition nach Gerd Lohmann
3.1.4 Definition nach Rainer Winkel
3.2 Graduelle Unterschiede von Unterrichtstörungen
3.2.1 Leichte Störungen
3.2.2 Indirekte und direkte Störungen
3.2.3 Unbehebbare Störungen
3.2.4 Unvermeidbare Störungen
3.3 Erscheinungsformen von Unterrichtsstörungen
3.3.1 Die Clownerie
3.3.2 Despektierliches Verhalten
3.3.3 Die Provokation
3.3.4 Passives Verhalten
3.3.5 Zuspätkommen
3.3.6 Schülergespräche im Unterricht
3.3.7 Vernachlässigung der Hausaufgaben
3.3.8 Überziehen der Zeit
4 Mögliche Ursachen von Unterrichtsstörungen
4.1 Störungsursache „Schüler“
4.1.1 Differenzierte Sichtweise der Schüler
4.1.2 Veranlagte- und entwicklungsbedingte Störfaktoren
4.1.2.1 Konzentrationsschwächen
4.1.2.2 Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (AD(H)S)
4.1.2.3 Hochbegabung
4.1.3 Bewegungsmangel
4.1.4 Langeweile
4.1.5 Mitteilungsbedürfnis
4.2 Störungsursache „Lehrer“
4.2.1 Unterrichtsplanung
4.2.2 Verhalten
4.2.2.1 Unruhiges Verhalten
4.2.2.2 Körpersprache
4.2.2.3 Aufmerksamkeit und Konzentration
4.2.2.4 Autorität
4.2.2.5 Geringe Fachkompetenzen
4.2.2.6 Unsicherheit
4.3 Störungsursache „Schulische Rahmenbedingungen“
4.3.1 Lärmbelästigung durch die Umgebung
4.3.2 Randstunden
4.3.3 Die Pausen
4.4 Störungsursache „Soziale Komponenten“
4.4.1 Familiäre Probleme
4.4.2 Persönliches Umfeld
5 Präventionsmaßnahmen
5.1 Präventionen auf Lehrerseite
5.1.1 Die Lehrerpersönlichkeit
5.1.2 Körpersprache
5.1.3 Weiterbildungen
5.1.4 Feedback
5.2 Schülerverhalten
5.2.1 Bewegung
5.2.2 Konzentrationsübungen
5.3 Rahmenbedingungen
5.3.1 Regeln und Richtlinien
5.3.2 Klassenraumgestaltung
5.3.3 Elternarbeit
6 Handlungsmöglichkeiten
6.1 Maßnahmen für das eigene Lehrerverhalten
6.1.1 Bewusstes Ignorieren
6.1.2 Methodenwechsel
6.1.3 Autogenes Training
6.2 Das störende Schülerverhalten ändern
6.2.1 Persönlichkeit der Schüler stärken
6.2.2 Handlungsmaßnahmen bei Verhaltensschwierigkeiten
6.2.2.1 AD(H)S
6.2.2.2 Hochbegabung
6.2.3 Zeichen geben
6.2.4 Umgruppierung
6.3 Beratungsgespräche
6.3.1 Der Klassenrat
6.3.2 Elterngespräche
6.3.3 Gespräche mit Kollegen
6.3.4 Einzelgespräche mit Schülern
6.4 Kooperationsformen
III Lehrerbefragung Aktuelle Unterrichtsstörungen in der Grundschule – ausgewertet anhand von Fragebögen
7 Methodisches Vorgehen
7.1 Vorgehensweise
7.2 Erstellung der Fragebögen
7.3 Auswertungen und Ergebnisse der Fragebögen
7.3.1 Zusammenfassung
IV Schlussbemerkung Präventions- und Handlungsmaßnahmen sind unumgänglich.
8 Literaturverzeichnis
I Hinführung und Aufbau des Themas
1 Unterrichtsstörungen in der Grundschule – ein beständiges Problem?
Unterrichtsstörungen kommen in jeder noch so vorbildlichen Klasse bzw. Schule vor. Störungen sind Wesensbestandteile von Unterricht, aufgrund gegenseitigen Missverstehens von Schüler und Lehrer. Manche Störungen können reduziert werden, andere lösen sich von selbst oder sind unbehebbar.
In der Grundschule müssen die Schüler sich anfangs erst an bestimmte Regeln und Richtlinien gewöhnen und zusätzlich lernen, dauerhaft 45 Minuten im Klassenraum zu verbringen – meist sitzend auf dem eigenen Platz. Es ist naheliegend, dass dies nach einem turbulenten und bewegungsintensiven Kindergartenvormittag ungewohnt und neu erscheint. In der ersten Klassenstufe treten gewöhnlich Störungen auf, die sich alljährlich zutragen, wenn Neulinge in den Schulalltag starten. Dazu gehören unruhige Verhaltensweisen, „plötzliches Aufstehen“ oder „in die Klasse rufen“. Viele Regeln werden Schülern im Laufe des Schulalltages gelehrt, damit ihnen bewusst wird, dass für ein Zusammenleben in einer Klassengemeinschaft bestimmte Regeln vonnöten sind.
Inzwischen gibt es eine Reihe an Literatur[1], in der sich die Autoren mit diesem speziellen Thema auseinandergesetzt haben und verschiedene Ratschläge und Lösungen sowie Hinweise geben, bestimmte Unterrichtsstörungen zu vermeiden. Es sind allerdings keine Patentrezepte, die die sofortige Lösung hervorbringen, sondern Verbesserungsvorschläge und Möglichkeiten, Störungen zu verringern. Sie sollen primär zum Nachdenken anregen und nicht unbedingt eins zu eins umgesetzt werden. Es erfordert intensive Arbeit, mit Schülern ein positives Klassenklima herzustellen und dies auch beizubehalten. Man findet immer wieder Schüler mit individuellen Problemen und Niveaustufen. Einige langweilen sich oder sie finden es gerade viel spannender, sich mit ihren gerade neu gefundenen Klassenkameraden zu unterhalten, anstatt dem Unterricht zu folgen.
Allerdings gibt es nicht nur Störungen im Unterricht, die von Schülerseite produziert werden, ihre Gründe können auch anderer Natur sein. Oft stehen die Schüler im Mittelpunkt der Ursache, aber man sollte weitere mögliche Faktoren wie die Lehrkräfte oder soziale Komponenten nicht außer Acht lassen. Lehrer und Schüler können sich gegenseitig als Störfaktoren empfinden und sich demzufolge das Leben erschweren. Resultierend leiden dadurch Lehrer in bestimmten Situationen unter ihren Schülern, aber auch Schüler unter ihren Lehrern.[2]
Die Ursachen von Unterrichtsstörungen sich zudem nicht nur in der Schule oder Klasse vorzufinden, sondern können auch „individuelle, familiäre, gesellschaftliche, historische, zeittypische“[3] Gründe haben, die außerhalb des Schulalltags liegen.
Störungen können aufgrund subjektiver Wahrnehmungen als solche betrachtet werden, d.h. manche Personen sehen eine Situation als störend an, von der sich andere wiederum nicht gestört fühlen. Somit gibt es auch Unterrichtsstörungen, die eigentlich keine sind, aber in der Betrachtungsweise einzelner Personen als solche wahrgenommen werden.
Hinter dem Begriff Unterrichtsstörungen verbirgt sich viel mehr, als man zuerst glaubt. Störungen bedeuten oft Konflikte zwischen Personen oder Konflikte, die durch Personen verursacht werden. Diese Konflikte finden in der Schule zwischen einzelnen Schülern oder zwischen diesen und der Lehrkraft statt. Es gibt dementsprechend qualitative Unterschiede bei Störungen wie leichte, indirekte und direkte, unbehebbare sowie unvermeidbare Störungen.[4] Im Lehrerzimmer oder auf Besprechungen klagen Lehrer über Schüler, die ihren Unterricht stören oder boykottieren. Aber gibt es immer Gründe bzw. Beabsichtigungen von Schülern den Unterricht zu stören? Sie reden mit dem Tischnachbarn oder kippeln mit dem Stuhl, anstatt aufmerksam den Unterricht der vorne stehenden Lehrkraft zu folgen. Manche Schüler finden es schwer, sich für eine bestimmte Zeit dauerhaft zu konzentrieren, leiden unter Bewegungsmangel oder brauchen wechselnde Unterrichtsmethoden, um sich neu zu motivieren.
Es gibt unterschiedliche Empfehlungen und Möglichkeiten, Schüler und/ oder Lehrer zu unterstützen, damit Störungen vermieden bzw. verringert werden können. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Eltern, Kollegen und andere Kooperationsformen müssen in der Grundschule gefördert werden, um Grundlegendes zu erreichen. Von Anfang an müssen z. B. Grundlagen der Kommunikation und des Miteinanders mit den dazugehörigen Regeln im Schulalltag gelehrt werden.
Lehrer klagen oft über von Schülern verursachte Unterrichtsstörungen. In der Universität werden sie theoretisch zur Genüge, aber weniger praktisch ausgebildet. Speziell Referendare oder Junglehrer müssen sich erst an den Alltag mit ihren Schützlingen gewöhnen und sie so annehmen, wie sie sind. Dies fällt oft schwer, weshalb diese Arbeit einige Sichtweisen, auch aus Lehrersicht darstellen soll, um manchen Unterrichtsstörungen vorbeugen und entgegenwirken zu können.
2 Struktur der vorliegenden Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile, und zwar in einen theoretischen Teil und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil der Arbeit gebe ich einen Überblick über eine Auswahl von klassischen Erscheinungsformen bzgl. Unterrichtsstörungen mit Ursachen, Präventions- und Handlungsmöglichkeiten in der Grundschule. In Kapitel 3 werden zunächst verschiedene Definitionen zu dem Begriff Unterrichtsstörungen dargestellt, um die Frage zu beantworten, was unter Unterrichtsstörungen zu verstehen ist. Diese dienen als theoretische Grundlage der weiterführenden Kapitel. Anschließend werden unterschiedliche Formen von Unterrichtsstörungen in Untergruppen vorgestellt, die in der Folge in direkten Erscheinungsformen explizit beschrieben werden.
Mögliche Ursachen für unterschiedlich auftretende Störungen im Unterricht werden in Kapitel 4 von verschiedenen Standpunkten aus dargestellt. Diese Störungen, ob sie nun vom Schüler oder Lehrer herbeigeführt werden, senden oft verborgene Signale oder Botschaften aus. Zusätzlich werden Rahmenbedingungen, die den Unterricht ebenfalls beeinflussen und stören können, dargestellt.
Damit Unterrichtsstörungen von Anfang an nur minimiert auftreten, müssen diverse Präventionen eingeleitet werden, auf die ich in Kapitel 5 näher eingehe. Hier wird eine Auswahl von Möglichkeiten dargestellt, indem von verschiedenen Seiten geholfen werden kann, um Störungen entgegenzuwirken und die Konzentration der Schüler zu fördern. Verschiedene Methoden können Unterrichtsstörungen mindern, um den Unterricht erfolgreich weiterzuführen.
Treten Störungen im Unterricht kontinuierlich auf und können nicht eliminiert werden, sondern nehmen – im Gegenteil - an Intensität zu, müssen bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, um diesen zu begegnen. Dazu werden mögliche Vorgehensweisen und kooperative Handlungsmöglichkeiten in Kapitel 6 besprochen.
Der empirische Teil der Arbeit befasst sich mit einer Befragung von Grundschullehrern der Waldschule in Flensburg, Grundschule Japlund-Weding und der Von-Galen-Schule in Lohne. Dabei wird im besonderen Maße auf häufig vorkommende Störungen im Unterricht eingegangen mitsamt ihren Ursachen, möglichen Präventionen und Handlungsmaßnahmen. Die Lehrer werden nach individuellen Störungen in der eigenen Klasse befragt und nach ihrem Vorgehen, um diese zu vermeiden bzw. zu mindern. Nachdem das methodische Vorgehen beschrieben wird, folgt die Darstellung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Abschließend werden diese zusammenfassend dargestellt und mit den theoretischen Ergebnissen verglichen.
II Unterrichtsstörungen – Ursachen, Präventionen und Handlungsmöglichkeiten
3 Phänomen Unterrichtsstörung
Wer sich mit dem Thema Unterrichtsstörungen beschäftigt, muss sich zunächst mit der Frage auseinandersetzen, wie sich Unterrichtsstörungen definieren lassen. Störungen können in verschiedenen Bereichen auftreten und sich auch auf unterschiedlichste Art und Weise äußern. Diesbezüglich werde ich vier Definitionen vorstellen, die hinsichtlich des Begriffs Unterrichtsstörungen jeweils andere Schwerpunkte setzen. Zuerst werden Unterrichtsstörungen in grobe und überschaubare Subgruppen unterteilt. Anschließend wird eine Anzahl von bestimmten Störungen mit ihren Symptomen vorgestellt, um anhand von diesen Beispielen im nächsten Kapitel die Ursachen zu erläutern.
3.1 Zum Begriff „Unterrichtsstörung“
Heutzutage gibt es viele und verschiedene Definitionen von Unterrichtsstörungen, die allerdings in der Literatur so noch nicht lange vorhanden sind. Der Begriff war vor den 90er Jahren kaum in der Fachliteratur vorzufinden bzw. völlig unbekannt. Begriffe wie Disziplinschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder Erziehungsschwierigkeiten herrschten anstelle dessen vor. Sie lehnen sich eng an den Begriff Unterrichtsstörungen an, allerdings fällt es heutzutage schwer, diese Begriffe für Störungen im Unterricht unmittelbar anzuwenden, da z.B. Auffälligkeiten im Verhalten nicht gleich zu Unterrichtstörungen führen müssen. Die ersten Begrifflichkeiten werden sofort mit an bestimmte Personen gerichtete Schuldzuweisungen in Verbindungen gebracht, so dass Disziplinschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten des Schülers auf Probleme der Eltern bzw. Betreuer mit der Erziehung zurückgeführt werden.
Bevor diverse Ursachen in Betracht gezogen werden, sollte vorerst im Rahmen der pädagogischen Möglichkeiten reflektiert werden, was von Seiten der Schule, inklusive Lehrern, Kollegen, Eltern und Schülern zur Vermeidung von Unterrichtsstörungen beigetragen werden kann.
3.1.1 Definition nach Karlheinz Biller (1981)
„Alles, was den Prozeß oder das Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen unterbricht oder unterbrechen könnte, ist als konkrete oder potentielle Unterrichtsstörung definierbar.“[5]
Als einer der ersten Pädagogen stellt Karlheinz Biller eine Definition des Begriffes Unterrichtsstörungen auf. Für ihn können mehrere Faktoren für Störungen im Unterricht Ursache sein, die von verschiedenen Personen individuell wahrgenommen werden. Biller hat sich ganz bewusst für diesen Begriff entschieden, im Gegensatz zu Verhaltensauffälligkeit, Erziehungsschwierigkeit oder Disziplinlosigkeit, aufgrund der Wertneutralität und dem ersichtlichen Bezug zur Unterrichtspraxis. Denn nur in der Praxis kann deutlich werden, welche Störungen den Lehr-Lern-Prozess kurz- oder langfristig unterbrechen.
In Anlehnung an L. J. Pongratz[6], der sich mit Verhaltensauffälligkeiten beschäftigt hat, zeigt Biller drei Arten von Normen an, die sich an die individuellen Vorstellungen des Alltags anlehnen: Sozio-kulturelle Normen, statistische Normen und subjektive Normen. Sozio-kulturelle Normen umfassen Regeln im Umgang und Verhalten sowie Wertehaltungen, die ein Zusammenleben von Lehrer und Schülern vereinfachen und angenehmer werden lassen, wenn sich nach ihnen orientiert wird. Verhält sich eine Klasse mit ihrem Lehrer dementsprechend normgerecht, so dass alle Beteiligten den Unterricht fortführen und folgen können, sind statistische Normen vorhanden. Entwicklungen aus dem Umgang mit Personen der sozialen Gruppe gehören den subjektiven Normen an. Lehrer beobachten demzufolge ihre Schüler im Arbeitsverhalten und Umgang mit weiteren Mitschülern.[7]
Eine Unterrichtsstörung nach ihrer exakten Ursache zuzuordnen, erscheint vor allem insofern schwierig, weil alle Beteiligten ein anderes Wahrnehmungsvermögen besitzen. Biller stützt sich nicht direkt auf konkrete Personen oder Sachverhalte, die es zu Unterrichtsstörungen kommen lassen, aber tendiert dazu, Ursachen in dem Verhalten und der Umwelt der Schüler zu suchen, die wiederum resultierend aus anderen außer- und innerschulischen Faktoren entstehen können.
3.1.2 Definition nach A. und R. Ortner (2000)
„Eine konkrete oder potenzielle Unterrichtsstörung umfasst alles, was dazu führt oder führen kann, den Prozess oder die Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen zu unterbrechen (Biller 1981). Auf das Verhalten eines Schülers bezogen betrifft Stören des Unterrichts alle Aktionen und Reaktionen, mit denen dieser sich bewusst über schulische Normen und Regeln hinwegsetzt. Das Störverhalten richtet sich dabei gegen den Lehrer, die Mitschüler oder gegen den Unterrichtsverlauf.“[8]
Die schon von Biller vorhandene Definition wird von Alexandra und Reinhold Ortner erweitert, indem sie sich auf das Verhalten der Schüler beziehen, die am Störungsprozess beteiligt sein können.
Der Schüler stört den Unterricht unbeabsichtigt, indem er z. B. kurz den Nachbarn fragt oder in der Schultasche kramt. Solche Störungen sind nicht auf Dauer zu vermeiden und werden im Laufe des Schulalltags immer wieder auftreten. Der Schüler kann ebenso bewusst ein Störverhalten produzieren, indem er agiert oder auf vorgegebene Handlungsweisen während des Unterrichts reagiert.
Weiterführend zählen A. und R. Ortner Formen wie Lernverweigerung, Passivität, Disziplinstörungen, akustische und optische Dauerstörungen zu bewussten Störungen, die vom Schüler ausgehen. Anhand einiger von ihnen gegebener Beispiele wird deutlich, wie sich bestimmte Störungen äußern (u.a. Herumlaufen, Kramen in der Schultasche, Zwischenbemerkungen machen, aus dem Fenster sehen, Mitschüler necken oder aufgetragene Arbeit verweigern). Aus den kontinuierlichen Störungen manchen Schülers resultieren abfallende Leistungen, die auf der einen Seite Ursache, auf der anderen Seite aber auch Folge für Unterrichtsstörungen sein können.[9]
3.1.3 Definition nach Gerd Lohmann (2003)
“Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden kann, teilweise oder ganz außer Kraft setzen.”[10]
Lohmann hält seine Definition sehr allgemein, indem er nicht Personen einbezieht, sondern sich auf die Ereignisse stützt, die den weiteren störungsfreien Unterrichtsverlauf behindern. Voraussetzungen für einen guten Unterricht sind u. a. „physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit [und] Konzentration.“[11] Solche Ereignisse können von Schülern und vom Lehrer, aber auch von außen verursacht werden: Der Schüler ruft in den Unterricht, läuft durch die Klasse oder bekommt physische oder verbale Anfälle. Der Lehrer legt ein unruhiges, hektisches Verhalten an den Tag und/ oder wird laut. Ebenfalls können äußere Einflüssen wie (Baustellen-)Lärm, Flugobjekte oder Witterungszustände Störfaktoren beim Unterrichten sein.
Lohmann bezieht sich auf den Begriff Disziplinkonflikte. Disziplin erfordert Regeln und Normen, nach denen der Unterricht möglichst ununterbrochen stattfinden kann. Dies sind meist Wunschvorstellungen von Seiten der Lehrer, die diese Grundsätze einführen. Allerdings besitzen der Lehrer und der Schüler oftmals unterschiedliche Vorstellungen von Disziplin und Einhaltungen von Regeln. Dies kann zu Konflikten führen, was unumgänglich zu sein scheint, denn nach Lohmann ist „störungsfreier Unterricht [...] eine didaktische Fiktion!“[12]
Unterrichtsstörungen sind nach Lohmann in einem gewissen Maße alltägliche Weggefährten des Unterrichts, die jede betroffene Person so hinnehmen muss. Gehen andere Störungen über dieses Maß hinaus, müssen die Botschaften des Schülers entschlüsselt werden, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und diesen entgegenzuwirken.[13]
3.1.4 Definition nach Rainer Winkel (2005)
„Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird.“[14]
Rainer Winkel fasst diesen Begriff kurz und knapp, aber inhaltlich sachlich und informativ zusammen und legt den Schwerpunkt nicht auf einzelne verursachende Personen, sondern bezieht ihn direkt auf das Wesentliche, den Unterricht. Winkel wendet sich bewusst von der personalen Definitionsrichtung ab, denn was für manche Lehrkräfte als Störungen wahrgenommen wird, ist für andere nicht von Bedeutung. Jede außen stehende Person, die eine Störung im Unterricht beobachtet, nimmt sie anders war – empfindet sie nicht als solche oder möchte andersherum sogleich eingreifen. Erst wenn die Beteiligten mittels ihrer verschiedenen Wahrnehmungen über vorhandene Störungen kommunizieren, können gemeinsame Lösungsansätze gefunden werden. Winkel zeigt das Resultat von Störungen auf und bezieht sie auf den direkten Unterricht. Sie können aber auch in einzelnen Situationen bestimmten Personen zugeschrieben werden.
Vor allem betont er, dass „[V]ieles zu einer ‚Unterrichtsstörung’ werden kann“ und „die Definitionen von Unterrichtsstörungen […] recht willkürlich “[15] zu sein scheinen. Die Begriffe Disziplinschwierigkeiten und Verhaltensstörungen stellt Winkel in den Hintergrund, weil dies seiner Meinung nach veraltete bzw. nicht mehr passende Bezeichnungen der Pädagogik sind. Sie bilden einen Teufelskreis, indem sich die beteiligten Personen gegenseitig verurteilen und entschuldigen. „Pädagogik, will bekanntlich erziehen, und das kann sie nur dann, wenn […] Schuld und Unschuld erst einmal beiseite“[16] gelegt werden und nach den möglichen Ursachen oder Hintergründen gefragt wird.
Die Betonung der Disziplin bot nach Auffassung in damaligen Jahren allerdings den Vorteil, dass der Lehrer den Schüler bedingt steuern konnte. Demzufolge trug die Lehrkraft in seinem Unterricht die Konsequenzen der Disziplinlosigkeit und musste handeln. Andererseits dienten Noten und das Lernenmüssen als Druckmittel und wurden somit als „Disziplinierungsmittel missbraucht.“[17] Gegenwärtig werden Ursachen für störendes Verhalten u.a. intensiver auf familiäre oder gesellschaftliche Faktoren bezogen. Verhaltensstörungen entschuldigten den Lehrer, so dass dieser die Schwierigkeiten des Schülers auf andere Faktoren schieben konnte und er sich nicht betroffen fühlte. Das Resultat war in erster Linie ein entspanntes Schulklima.
Jedoch konnte man nicht exakt demonstrieren, welche Faktoren den Schüler zu Störungen veranlassten. Niemand fühlte sich verantwortlich und überließ Aggressionen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Müdigkeit betreffender Schüler z.B. den Fachexperten bzw. Fachärzten.
Unterrichtsstörungen entstehen, wenn die Kommunikation zwischen dem Lehrer und dem Schüler unterbrochen bzw. eingeschränkt ist. Es müssen demnach klare Regeln und Richtlinien (gemeinsam) entwickelt werden, die deutlich machen, wie erfolgreich miteinander kommuniziert und das Lehren und Lernen somit ermöglicht wird.
3.2 Graduelle Unterschiede von Unterrichtsstörungen
Unterrichtsstörungen werden anfangs grob strukturieren, um dem weit gefassten Begriff eine Übersicht zu geben. Diese weisen wiederum ihre eigenen gruppenspezifischen Störungen auf, wobei es zu Überschneidungen von Erscheinungen, Ursachen und Symptomen kommen kann. Einige Störungen treten ausschließlich kurzfristig auf, andere hingegen werden zur chronischen Dauerbelastung. Es gibt allerdings auch gelegentliche Störungen, die nicht bzw. kaum beabsichtigt von Schülern initiiert werden und somit unvermeidbar sind.
Eine vorerst grobe Unterteilung von Unterrichtsstörungen wird im weiteren Verlauf vollzogen. Aufgrund differenzierter Wahrnehmungen unterschiedlicher Personen können diverse Störungen in jedem Schweregrad auftreten. Wichtig erscheint dabei, wie intensiv eine Person die Störungen ausübt und wie häufig sie auftreten. Gelegentlich auftretende Störungen können sich somit auch in hoher Quantität zu schwerwiegenden Störungen entwickeln.
3.2.1 Leichte Störungen
Erscheinungsformen von leichten Störungen sind meist von kurzer Dauer und unregelmäßig. Sie werden von der agierenden Person (oft) unbewusst produziert aufgrund von akuten Ereignissen oder Erscheinungsformen. Werden solche Störungen vom Schüler ausgelöst, entsprechen sie häufig dem Entwicklungsstand des Schülers. So ist der Schüler in der Grundschule mitten im Lernprozess, gewisse Verhaltensweisen oder Störungen zu unterlassen, damit der Unterricht planungsgemäß und für alle beteiligten Schüler gerecht verlaufen kann. Er muss lernen, dass gewisse Handlungen innerhalb einer Klasse zu Störungen im Lern-Lehr-Prozess führen können.
Punktuelle Erscheinungen wie kurze Kommentare, Vergessen der Hausaufgaben, Albernheiten, Körpergeräusche oder Nebentätigkeiten (z. B. Essen und Trinken der Schüler während des Unterrichts) finden sich in dieser Kategorie wieder. Lehrer treten dieser Form von Störung auf verschiedene Art und Weise entgegen. Solche eigentlich trivialen Störungen können sich durch häufiges Vorkommen zu schwerwiegenden Unterrichtsstörungen entwickeln.
Nach einiger Zeit kennt der Lehrer seinen Schüler gut genug, um einfache Störungen einschätzen zu können und nötigenfalls sofortige Maßnahmen vorzunehmen.[18]
3.2.2 Indirekte und direkte Störungen
Indirekte Störungen entwickeln sich vorwiegend aus mehreren Störungsursachen, die sich aufstauen und sich auf das gesamte Schulklima auswirken. Hier spielen bestimmte Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Unterricht eine gravierende Rolle, die einen störenden Eindruck auf die lehrende und lernende Person machen. Störungen können sich auswirken, wenn Schulinventar wie z. B. Tische, Schulhofgegenstände etc. beschädigt wird. Es kann eine gestörte Beziehung zum Hauspersonal bzw. zum Hausmeister vorliegen. Demnach werden keine bewussten Taten an Personen ausgeübt, sondern die von ihnen verantwortlichen Bereiche angetastet. Ebenso kann der Schüler im Unterricht durch passives Verhalten gegenüber der Lehrkraft und dem gesamten Unterrichtsverlauf den Lehr-Lern-Prozess verlangsamen und einige Methoden (z.B. Gruppen- oder Partnerarbeit) können mit solch einem Schüler häufig nicht durchgeführt werden.
Direkte Störungen werden häufiger vom Schüler verursacht. Der Schüler will den Unterricht bewusst stören bzw. wendet sich vom Unterrichtsgeschehen ab und das Lehrer-Schüler-Verhältnis wird dadurch negativ beeinflusst. Der zwischenmenschliche Bereich wird verletzt, indem der Schüler stiehlt, Gemeinheiten begeht oder auf der anderen Ebene den Lehrer anlügt, ihn nicht respektiert und seine Arbeitsaufträge verweigert.
Der Schüler provoziert oder ärgert, weil ihm Unterricht nicht zusagt, er fühlt sich gelangweilt und beschäftigt sich anderweitig. Entweder gibt es Wege, andere Mitschüler abzulenken, um mit ihnen zu kommunizieren bzw. zu spielen oder er gewinnt durch gewisse Handlungen die gesamte Aufmerksamkeit der Klasse.[19]
3.2.3 Unbehebbare Störungen
Einige auftretende vom Schüler verursachende Störungen sind in gewissen Fällen von Lehrern unbehebbar. Diese Störungen sind entweder auf Verhaltenweisen des Schülers oder Krankheitssymptome zurückzuführen, sie sind meist anlagebedingt und können eine langfristige Beeinträchtigung im Lehr-Lern-Prozess verursachen. Die erzieherischen Maßnahmen innerhalb der Familie und des gesamten Umfelds des Schülers tragen erheblich dazu bei und können durch Gespräche und Handlungsmaßnahmen in einigen Fällen minimiert werden. Solche Schicksale müssen meist an Schulpsychologen oder Therapeuten weitergeleitet werden und Zusammenarbeit ist erforderlich, um auch im Unterricht mit unbehebbaren Störungen einigermaßen leben zu können.[20]
3.2.4 Unvermeidbare Störungen
Ein komplett störungsfreier Unterricht ist zwar wünschenswert, aber selten zu verwirklichen. Zumeist unbewusste Störungen werden sowohl von den Schülern als auch vom Lehrer im gewissen Maße produziert und sind alltägliche Bestandteile des Unterrichtsprozesses. Der Lehrer muss sich auf solche Störungen, z. B., dass sein Unterricht an einigen Tagen vom Schüler als langweilig empfunden wird oder die Leistungskurve des Schülers zu bestimmten Tageszeiten nicht optimal ist, einstellen können. Dementsprechend betont Biller, dass Lehrer sich intensiver mit Lösungen und Handlungsmaßnahmen für vermeidbare Störungen beschäftigen sollten, anstatt unnötig Zeit mit der intendierten Behebung von unvermeidbaren Störungen zu verbringen.[21]
3.3 Erscheinungsformen von Unterrichtsstörungen
Typische Erscheinungsformen von Störungen im Unterricht sind in jeder Klasse vorzufinden. Folgende Beispiele können Anregungen zur Hilfe geben, vor allem, wenn sie im eigenen Unterrichtsgeschehen wiederzufinden sind oder ähnliche Symptome bei bestimmten Schülern auftreten. Jeder Lehrer oder Schüler nimmt Störungen im Unterricht jedoch anders wahr. An einem Tag wird eine lebendige Kommunikation innerhalb der Gruppenarbeit störend, am folgenden Tag hingegen positiv empfunden.
Lehrer und Erzieher müssen Störungen hinterfragen und versuchen, gewisse Störungen als Mitteilungen von Schülern zu verstehen und diese entsprechend konstruktiv zu nutzen, so dass sie erfolgreich behoben werden können. Nach Friedemann Schulz von Thun schwingen mit jeder Mitteilung neben deren Informationswert drei weitere Bedeutungsebenen mit, die der Sender gegenüber dem Empfänger kommuniziert (Selbstoffenbahrung, Beziehung, Appell),[22] in diesem Fall zwischen Lehrer und Schülern bzw. zwischen Schülern und Mitschülern, die während der Kommunikation berücksichtigt werden müssen.
Die Zahl der Erscheinungsformen von Störungen kann endlos sein und so haben Eder/ Fartacek/ Mayr vier Kategorien störenden Verhaltens erstellt: Verbales Störverhalten, mangelnder Lerneifer, motorische Unruhe und aggressives Verhalten. Die ersten drei Kategorien lassen sich am häufigsten im Unterricht wiederfinden.[23] Bevor in den nächsten Kapiteln auf die Ursachen eingegangen wird, werden ausgewählte Unterrichtsstörungen unter Berücksichtigung der ersten drei Kategorien dargestellt, die sich unter anderem explizit in der Grundschule bemerkbar machen. Diese Störungen können in verschiedenen graduierten Gruppen doppelt oder mehrfach auftreten, je nach dem, von welcher Person und welcher Quantität sie ausgehen.
3.3.1 Die Clownerie
In fast allen Schulklassen gibt es mindestens einen Klassenclown, der durch sein beabsichtigtes Verhalten auffällt und sich im Schulleben vor der gesamten Klasse präsentiert, so dass er im Mittelpunkt stehen und Anerkennung erlangen möchte. Dieses Verhalten wird vom Schüler bewusst initiiert, aufgrund einer wünschenswerten positiven Resonanz – der Annerkennung von Mitschülern. Jedoch kann sich seine Darstellungsweise ebenso negativ ausdrücken, indem er die von ihm unerwünschte Außenseiterrolle einnimmt, weil das Verhalten, mit dem er im Mittelpunkt stehen möchte, bei den Mitschülern keine Zustimmung findet.
Verschiedene verbale und nonverbale Darstellungsweisen können u.a. „großsprecherisches Reden, zum Lachen reizende Bemerkungen, Grimassieren, Weinen oder Schreien“[24] sein, die im Unterricht für Lehrer sowie Mitschüler störend wirken.
Hinter dieser offen zur Schau getragenen Selbstdarstellung verbergen sich häufig tiefere Gründe, wie z. B. Unsicherheit oder Minderwertigkeitsgefühle, die mit diesen Verhaltensweisen zu überspielen versucht werden. Oft sieht es im Innern der Person dem äußeren Verhalten gegenüber emotional gegenteilig aus. Neben diesen Komplexen, die sich für den Klassenclown mit Annerkennung und Bewunderung der anderen Schüler scheinbar verringern, können auch Über- bzw. Unterforderung Ursache des närrischen Verhaltens sein.
Die schulischen Leistungen sinken häufig bei solch einem verhaltenauffälligen Kind, weil er sich vielmehr mit dem angestrebten Prestige gegenüber anderen beschäftigt, anstatt dem Unterrichtsverlauf zu folgen.
3.3.2 Despektierliches Verhalten
Despektierliches Verhalten äußert sich, wenn „jemand eine Person, eine Situation oder eine Angelegenheit, die […] respektiert werden sollte, mit […] Abwertung behandelt.“[25] Unterschiedliche Symptome können sich beim Schüler in solch einem Verhalten widerspiegeln, indem er abfällig über den Lehrer, den Rektor oder Mitschüler redet, kein Benehmen vorweist, Regeln missachtet oder ignoriert, Personen provoziert oder Karikaturen zeichnet. Der Unterricht und das Klassenklima werden durch diesen Schüler erheblich beeinträchtigt. Fühlt er sich körperlich nicht stark genug und den anderen Kindern unterlegen, versucht er sich durch despektierliches Verhalten zu behaupten. Durch das Verachten oder Ablehnen anderer Personen oder Situationen erlebt der Schüler ein scheinbares Selbstbewusstsein. In Extremfällen wächst dieser Schüler unter despektierlichen Verhaltensweisen von Eltern oder Erziehern auf und übernimmt diese möglicherweise unbewusst. Hat er außerdem das Gefühl, dass der Lehrer ihn nicht annimmt oder akzeptiert, will er mit diesem Verhalten erst recht provozieren.[26]
3.3.3 Die Provokation
Der Begriff Provokation lässt sich von dem lateinischen Verb pro-vocare ableiten und bedeutet „jmd. herausrufen, hervorlocken.“[27] Es gibt zwei Formen der Provokation, die vom Schüler ausgelöst werden kann. Zum einen die spielerische und zum anderen die aggressive Provokation.
Die spielerische Provokation wird von dem Schüler produziert aufgrund von Langeweile. Er kommentiert das Unterrichtsgeschehen mit unpassenden Bemerkungen, die demonstrieren sollen, dass der momentan stattfindende Unterricht bei dem Schüler so keinen Zugang findet. Den Schüler interessiert eventuell der Sachverhalt, aber nicht die Art und Weise der Vermittelung des Lernstoffs. Er möchte z.B. anhand anderer methodischer Mittel lernen, anstatt dem bspw. dozierenden Lehrer permanent zuzuhören.[28]
Bei der aggressiven Provokation geht es dem Schüler nicht um den Unterricht, sondern vielmehr um das Kennenlernen der Lehrkraft mitsamt ihrer Persönlichkeit, indem er versucht, Grenzen zu überschreiten und Reaktionen zu testen. In diesem Fall muss die Lehrkraft „die metakommunikative Ebene des Unterrichts“[29] erreichen und versuchen, die Signale und Botschaften des Schülers zu erkennen.[30]
3.3.4 Passives Verhalten
Passives Verhalten im Unterricht erstreckt sich von Seiten des Schülers. Es kann sich in zweierlei Richtungen äußern. Zum einen kann sich eine gewisse Passivität entwickeln, indem der Schüler nicht oder nur partiell am Unterricht teilnimmt bzw. nur physisch anwesend ist. Dies geschieht aufgrund von Verträumtheit, anderer Gedankengänge oder bloßer Langeweile, weil der Sachverhalt ihn nicht anspricht bzw. Desinteresse vorherrscht. Im eigentlichen Sinne wird der Unterricht nicht direkt gestört, aber der gesamte Lehr-Lern-Prozess kann aufgrund dieses passiven Schülers behindert werden. Unterrichtsmethoden wie Gruppenarbeit oder Partnerarbeit werden durch das ablehnende Verhalten eingeschränkt und sind folglich nicht durchführbar. Die Partnerarbeit kann sich daraus für die andere Person zur Einzelarbeit entwickeln. Oft signalisiert der passive Schüler durch bestimmte körperliche Haltungen seine geistige Abwesenheit im Unterricht. Er arbeitet nicht mit, träumt vor sich hin, schläft oder verfolgt andere Gedankengänge. Das passive Verhalten muss nicht kontinuierlich auftreten, kann sich aber durch eine generelle Abneigung gegenüber der Schule und des Unterrichts häufen.
Die zweite Form von passivem Verhalten macht sich durch kontinuierliches Schweigen vom Schüler bemerkbar. Der Schüler stört nicht das Unterrichtsgeschehen und beteiligt sich gedanklich, nicht wie im ersten passiven Verhaltensmuster. Er ist in dieser Form gegenüber dem inhaltlichen Verlauf nicht teilnahmslos, jedoch schweigt er und verhält sich unauffällig. Ein extremes Verhalten dieser Form wird dem Mutismus zugeordnet. Der Mutist meidet die Kommunikation mit bestimmten Personen oder in diversen Situationen. Er leidet unter einer psychischen Stummheit, die durch innere verursachende Defekte entstehen und flüchtet sich ins Schweigen. Hier dürfen nicht zu verfrüht Diagnosen aufgestellt werden, denn auch der „normale“ Schüler kann – phasenweise – im Unterricht solche Anzeichen aufweisen und unterliegt nicht dieser Störung, sondern will primär mit seinem Verhalten beabsichtigt Kritik ausüben und zeigen, dass der Unterricht bzw. der Lehrstil ihn in keiner Weise tangiert.[31]
3.3.5 Zuspätkommen
Zuspätkommen in der Grundschule weist meist andere Ursachen auf als in der Sekundar- und Oberstufe. Gelegentlich aufkommende Ursachen können z.B. das Verpassen des Schulbusses, reger Verkehr (Eltern bringt Schüler mit Auto, Fahrrad o. Ä. zur Schule) oder einfaches Verschlafen sein. Einmaliges Zuspätkommen kann leichten Unterrichtsstörungen zugeordnet werden, während dauernd auftretendes Missachten des Unterrichtsbeginns gravierende Störungen zur Folge und verschiedene Ursachen haben können, die – auch aus eigener Erfahrung des Schulpraktikums belegbar – vorfallen können. Entweder sind die Eltern bzw. Erzieher für dieses Fehlverhalten verantwortlich, indem sie nicht dafür Sorge tragen, dass ihr Kind pünktlich in die Schule kommt. Sie müssen den Weg zur Arbeit einschlagen oder der Schüler „vertrödelt“ auf dem Schulweg die Zeit. Schon manches Grundschulkind hat erfahrungsgemäß innerhalb seiner Familie eine beachtliche Position, in der es sich um jüngere Geschwister kümmern muss, die z.B. den Kindergarten besuchen oder ebenfalls schulpflichtig sind. Eltern müssen frühzeitig am Arbeitsplatz sein oder sind aufgrund von Krankheiten nicht dazu in der Lage. Dies kann zur Folge haben, dass der Schüler selber verspätet zum Unterricht erscheint und diesen völlig unkonzentriert verfolgt.
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[1] U.a. Winkel, Rainer, Der gestörte Unterricht, Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Baltmannsweiler: Schneider, 2005.; Lohmann, Gerd, Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten, Berlin: Cornelsen, 2003.; Biller, Karlheinz, Unterrichtsstörungen, Stuttgart: Klett, 1981.
[2] Vgl.: Winkel, Rainer, Der gestörte Unterricht, 2005, S.9.
[3] ebenda, S.9f.
[4] Vgl.: Biller, Karlheinz, Unterrichtsstörungen, Stuttgart: Klett, 1981, S.34ff
[5] Biller, K., Unterrichtsstörungen, 1981, S.28.
[6] Pongratz, Ludwig J., Lehrbuch der Klinischen Psychologie. Psychologische Grundlagen der Psychotherapie, Göttingen: Hogrefe, 1975, S.53-65. Zitiert nach: Biller, K., Unterrichtsstörungen, 1981, S.28f.
[7] Vgl.: Biller, K., Unterrichtsstörungen, 1981, S.28f.
[8] Ortner, Alexandra/ Ortner, Reinhold. Verhaltens- und Lernschwierigkeiten. Weinheim/ Basel: Beltz, 2000, S.200.
[9] Vgl. ebenda, S.200f.
[10] Lohmann, Gerd, Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten, Berlin: Cornelsen Scriptor, 2003, S12.
[11] Lohmann, G., Mit Schülern klarkommen, 2003, S.12.
[12] Ebenda, S.13.
[13] Vgl. ebenda, S.13.
[14] Winkel, R., Der gestörte Unterricht, 2005, S.29.
[15] Winkel, R., Der gestörte Unterricht, 2005, S.21.
[16] Ebenda, S.28.
[17] Ebenda, S.27.
[18] Vgl.: Biller, K., Unterrichtsstörungen, 1981, S.34f.
[19] Vgl.: ebenda, S.35f.
[20] Vgl.: Biller, K., Unterrichtsstörungen, 1981, S.36.
[21] Vgl.: ebenda, S.37.
[22] Vgl.: Schulz von Thun, Miteinander reden: Störungen und Klärungen. Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1981, S.13ff.: Nach Schulz v. Thun gibt es „vier Seiten der menschlichen Kommunikation“ bzw. die „vier Ohren des Empfängers“: Die Darstellungsseite (neutrale Nachricht mit der Information), die Beziehungsseite (wie steht der Sender zum Empfänger?), die Selbstoffenbarungsseite (Nachricht über die Persönlichkeit des Senders) und die Appellseite (wozu möchte ich den Empfänger veranlassen?).
[23] Vgl.: Eder/ Fartacek/ Mayr, Schwierigkeiten von Lehrerstudenten und Lehrern im Umgang mit Schülern, 1987, S.14. Zitiert nach: Lohmann, G. Mit Schülern klarkommen, 2003, S.13.
[24] Vgl. Ortner A./ Ortner R., Verhaltens- und Lernschwierigkeiten, 2000, 274.
[25] Ortner A./ Ortner R., Verhaltens- und Lernschwierigkeiten, 2000, S.324.
[26] Vgl.: ebenda, S.324ff.
[27] Winkel, Rainer. Unterrichtsstörungen: präsentieren, entziffern und produktiv gestalten. Dortmund/ Berlin. In: Pädagogisches Forum 1/1995. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH.1993. S.20
[28] Vgl.: Winkel, R., Unterrichtsstörungen, 1993, S.20.
[29] Ebenda, S.21.
[30] Vgl. ebenda, S.20f.
[31] Vgl. Winkel, R., Unterrichtsstörungen, 1993, S.24.
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