Auch der „moderne“ Mensch ist trotz des enormen technologischen Fortschritts immer noch von den natürlichen Gegebenheiten abhängig und sucht sich vorrangig Siedlungsstandorte von besonders günstigen klimatischen und landschaftlichen Bedingungen. Anhand des Klimas, der Landschaft und der frühen Besiedlung der Korinthia erläutert die vorliegende Arbeit, inwiefern geografische Faktoren die Siedlungsstruktur im Nordosten der Peloponnes vom Neolithikum bis zur dorischen Einwanderung beeinflussten. Um diese zentrale Fragestellung adäquat beantworten zu können, wird eine ausgewogene Analyse sowohl der mythologisch-literarischen Quellen als auch der bis dato dokumentierten archäologischen Befunde vorgenommen. Die Thematik macht deutlich, wie wichtig interdisziplinäres Arbeiten, hier auf archäologisch-biologisch-geografischem Gebiet, gerade in der Klassischen Archäologie ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geografische Grundlagen
3. Lage und Grenzen der Korinthia
4. Klima
5. Fauna und Flora
6. Reiches Korinth?
7. Vordorische Besiedlung
8. Mythologische Besiedlungsvorstellungen
9. Dorische Einwanderung und Herrschaft
10. Ergebnis und Ausblick
11. Quellen und Literatur
11.1. Literarische und archäologische Quellen
11.2. Literatur (Auswahlbibliographie)
12. Karten
13. Abbildungen
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Klima, der Landschaft und der frühen Besiedlung der Korinthia bis in die geometrische Zeit und untersucht, inwiefern geografische Faktoren die Siedlungsstruktur im Nordosten der Peloponnes vom Neolithikum bis zur dorischen Einwanderung beeinflussten.
Um die zentrale Fragestellung adäquat beantworten zu können, ist eine ausgewogene Analyse sowohl der mythologisch-literarischen Quellen als auch der bis dato dokumentierten archäologischen Befunde[1] notwendig. Zahlreiche Monographien zum Thema Korinth und Korinthia tragen meist einen generellen Charakter und geben selten Aufschlüsse auf vorgeschichtliche Entwicklungen.[2] Eine Ausnahme stellt das Werk von J. B. Salmon dar, das trotz eines Jahrzehntes Forschung immer noch eine unerlässliche Publikation zu dieser Problematik darstellt.[3]
Auf einer solchen Basis kann eine Proseminararbeit nicht den Anspruch erheben, endgültige, unzweifelhafte Lösungen zu liefern. Sie interpretiert die bisherigen Ergebnisse und muss deshalb als vorläufig und diskutabel angesehen werden.
2. Geografische Grundlagen
Die Peloponnes, die südliche Halbinsel Griechenlands, durch den Isthmos von Korinth mit Mittelgriechenland verbunden, ist die Spitze eines vor drei Millionen Jahren entstandenen Gebirgsbogens aus Kalkmassiven. Sie umfasst eine Region von 15.491 Quadratkilometern und erhebt sich bis zu 2.407 Meter über den Meeresspiegel.[4] Aufgrund der spannungsgeladenen Plattentektonik der Helleniden ist die gesamte Peloponnes und insbesondere der Norden ein stark erdbebengefährdetes Gebiet. Das Bodenrelief der Halbinsel reicht von alpinen Gebirgszonen und Hochebenen bis zu Flusstälern und Schwemmebenen. Meist fallen die Bergketten zur Küste hin stark ab, außer im Gebiet der Korinthia, wo sich ausgedehntes Hügelland erstreckt, das mit mäandrierenden Flüssen und fruchtbaren Schwemmebenen durchzogen ist.[5] Insgesamt entstehen durch die schroffe Gebirgswelt der Halbinsel separierte Siedlungskammern.
3. Lage und Grenzen der Korinthia
Sehr selten lassen Funde der Antike direkt auf die Grenzen der Korinthia schließen und größtenteils sind sie dann auf die römische Herrschaftszeit bezogen. Da sich die ungefähren Grenzen aber meist an natürlichen Gegebenheiten orientierten, sind sie bis heute durchaus nachvollziehbar. Im Nordosten formen die Gipfel der Geraneia die Grenze zur Megeris. Diese Aussage ist weitestgehend unumstritten. Über die restliche Grenzziehung sind unterschiedliche Forschungsmeinungen und -thesen im Umlauf. J. B. Salmon[6] setzt die westliche Grenze am Fluss Nemea an und orientiert sich dabei an Livius Aussagen.[7] Die süd-westliche Grenze meint er entlang der Ausläufer des Apesas definieren zu können. Im Süden verläuft sie Salmon zu Folge dann durch das Logopotamos-Tal entlang des Skiona in Richtung Argos, wobei die Grenzziehung immer unklarer wird. Um die süd-östliche Grenze mit Epidaurus gab es im 3. Jahrhundert n. Chr. Auseinandersetzungen, die es unmöglich machen, ihre genaue Lage zu bestimmen. Ebenso ist der Grenzpunkt zum Saronischen Golf umstritten, da es drei unterschiedliche Aussagen von Thukydides, Ptolemäus und Plinius gibt.[8]
Entgegen Salmons Argumenten erweitert Nicos Papahatzis die Grenze der Korinthia gegen Achaia im Westen bis zum Fluss Sythas.[9] Im Süden meint er den Grenzverlauf an den nördlichen Abhängen des Tretos- und des Arachnaion-Gebirges zu erkennen.[10] Das stellt eine gewaltige Territoriumsvergrößerung dar, die dem relativ kleinen Gemeinwesen der griechischen Zeit von ca. 880 Quadratkilometern nicht entsprechen kann.[11]
Unabhängig davon wie wichtig die Kontroverse über die Abgrenzung eines bestimmten Untersuchungsgebietes für die moderne Wissenschaft sein mag, muss aber herausgestellt werden, dass Grenzen für den vorgeschichtlichen und frühantiken Menschen nicht die gleiche entscheidende Bedeutung hatten, wie es in der heutigen Zeit der Fall ist. Es gab keine festen Grenzen mit Zäunen und Stacheldraht und auch nicht genügend bewaffnete Männer um kilometerlange Verteidigungsanlagen ausreichend zu sichern. Demzufolge kannten die damaligen Menschen eine Freiheit, die uns derzeit vielleicht fremd ist. Es ist davon auszugehen, dass erst mit der langfristigen Niederlassung in dorfähnlichen Gemeinschaften natürliche Hindernisse, wie Flüsse, Landengen und Gebirgsketten eine entscheidendere Rolle für die Kontrolle von Brücken, Handels- und Passstraßen spielten. Die Landzunge, griechisch Isthmos, die Zentralgriechenland mit der Peloponnes verbindet, war bereits in prähistorischer Zeit durch den nur sechs Kilometer breiten Zugang zur „Pelops-Insel“ von großer strategischer Bedeutung. Alle nördlichen Einwanderer mussten die Landenge passieren, wenn sie den Wasserweg über den Golf von Korinth oder den Saronischen Golf vermeiden wollten. Gerade diese exquisite Lage Korinths am Isthmos und der etwa zehn Kilometer südlich der Stadt hoch aufragende und damit schutzversprechende Kalkberg von Akrokorinth stellten vorteilhafte Siedlungsbedingungen dar.
Was für die Menschen des Altertums einen Vorteil bedeutete, nämlich die Nähe zum Meer und damit zu günstigen Fischfang- und Handelsbedingungen, bedeutet für den Archäologen größere Schwierigkeiten bei der Untersuchung küstennaher Siedlungen. Seit dem Ende der letzten Eiszeit und besonders während des Neolithikum ist ein Anstieg des Meeresspiegels zu verzeichnen.[12] Somit liegen heute viele interessante Fundorte auf der Peloponnes teilweise oder ganz unter Wasser, wie beispielsweise auch die Hafenanlagen von Kenchreai, dem süd-östlichen Ankerplatz Korinths.[13]
4. Klima
In der südmediterranen Gegend der Peloponnes kennzeichnen grundsätzlich heiße, trockene Sommermonate und warme, feuchte Winter das Klima. Von November bis Februar fallen fast alle Niederschläge des Jahres, während von März bis Oktober Trockenheit und Temperaturen um die 30°C vorherrschen.[14]
Vollständige, über lange Zeiträume erfasste Klimadaten, die Aufschluss über weit zurückliegende Epochen geben würden, sind für die Korinthia leider nicht verfügbar, da die Wetterstation Korinths erst nach der Gesamterfassung Griechenlands die Niederschlagsmengen aufzeichnete.[15] Die Regenzahlen sind verständlicherweise von entscheidender Bedeutung für die Fruchtbarkeit und damit für die frühgeschichtlichen Siedlungsbedingungen. Trotz der fehlenden Langzeitaufzeichnungen, lässt sich aber für Jahrtausende ein ähnliches oder gleiches geografisches und daraus resultierendes klimatisches Bild entwickeln.[16] Die vom Atlantik kommenden Wolken regnen sich zumeist in den zentralen Bergmassiven der Halbinsel ab, so dass Korinth einer der trockensten Orte Griechenlands ist. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge beträgt 404,7 Millimeter und stellt damit weniger als ein Viertel des gesamtgriechischen Durchschnitts dar. Hinzu kommt, dass der Regen dann häufig im Süden an den Bergen Apesas, Oneion und Skiona fällt und zwar in solch kurzen und starken Schauern in der Zeit von November bis Dezember, dass das Wasser selten in den festen und trockenen Boden eindringen kann. Dadurch entstehen unzählige Sturzbäche, welche den wertvollen Mutterboden aus den Bergen an die Küstenregion schwemmen. Nirgendwo sonst in Griechenland fällt so wenig Regen in solch kurzer Zeit.
Warum haben sich gerade hier schon zu Frühzeiten Menschen niedergelassen? Was für die Bergregionen sicherlich ein Nachteil war und ist, bedeutete für die Küstenregion und Korinth einen großen Vorteil. Hier sammelte sich der nährstoffreiche Boden und konnte landwirtschaftlich genutzt werden. Es musste also nur das Problem der Trockenheit gelöst werden. Hierfür wurde das Regenwasser durch archäologisch nachweisbare Wälle einfach angestaut, so dass es in Kanälen zu den Feldern geleitet werden konnte.
Die geologische Untergrundstruktur der unmittelbaren Umgebung Korinths brachte weitere Vorteile für die Wasserversorgung. Im Porosgestein der angrenzenden Berge sammeln sich über undurchlässigen Lehmschichten große Wassermengen an, die in zahlreichen unterirdischen Furten zur Ebene fließen und als Quellen zu Tage treten.[17] Damit war eine ganzjährige Wasserversorgung möglich.
5. Fauna und Flora
Wie beschrieben herrschte in der Ägäis im Neolithikum ein Klima, das annähernd den heutigen Verhältnissen entspricht.[18] Im Gebiet der Korinthia ergeben sich daraus je nach Niederschlagsmenge differenzierbare Vegetationszonen. Im Süden und Osten findet sich die typisch mediterrane Vegetation mit ihren pflanzlichen Hauptvertretern: der Steineiche, dem Ölbaum und der Myrte. Im Norden und Westen hingegen sind schon südalpine grüne Wiesenflächen, Tannen- und Laubwälder insbesondere an den Flussniederungen vorzufinden. Zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Anbauprodukten der Korinthia gehören seit Jahrhunderten Wein, Oliven, Zitrusfrüchte und Getreide. Darüber hinaus war und ist die Viehwirtschaft, vor allem die Haltung von Schafen und Ziegen, von entscheidender Bedeutung für die Region.
In der durch die landwirtschaftliche Nutzung inzwischen stark dezimierten Tierwelt der Korinthia waren unter Umständen im Altertum nicht nur Steinbock, Reh, Wildschwein, Hase, Schildkröte, Gecko, Schlange und Skorpion zu finden, sondern auch der sagenhafte Panthera leo, der in zahlreichen Mythen der Region wiederzufinden ist. Die These renommierter Archäologen, dass die zahlreichen mythischen Löwendarstellungen nicht aus der Lebens- und Erfahrungswelt der Hersteller stammen, sondern nur durch Erzählungen und Motive aus dem Orient und Afrika beeinflusst wurden, ist nicht eindeutig belegt. Ganz im Gegenteil, die klimatischen und vegetabilen Bedingungen der Peloponnes lassen durchaus die Schlussfolgerung zu, dass die überwiegend nachtaktive Großkatze hier heimisch war und ähnlich wie in Südosteuropa und besonders auf dem Balkan schon um 200 v. Chr. ausgerottet wurde. Selbst der für das Mittelmeergebiet so charakteristische Acanthus ist mittlerweile aus der Flora des Isthmos verschwunden und gilt trotzdem als ein entscheidendes Element in der korinthischen Säulenordnung.[19] Gab es also diese und ähnliche Tiere und Pflanzen in der Korinthia? Um solche Fragen mit größerer Eindeutigkeit klären zu können, sollte sich die Klassische Archäologie wesentlich stärker mit den Naturwissenschaften und insbesondere der Biologie verständigen.[20]
[...]
[1] Zuletzt erschienen: Bookidis, N.; Williams, C. K. (Hrsg.): Corinth. Results of excavations conducted by the American School of Classical Studies at Athens. Vol. XX: Corinth, the centenary 1896-1996 (2003).
[2] Beispielsweise: Engels, D.: Roman Corinth. An alternative model for the classical city (1990); Gregory, T. E.: The Corinthia in the Roman Period. In: JRA Suppl. 8 (1994).
[3] Salmon, J. B.: Wealthy Corinth. A history of the city to 338 B.C. (1984).
[4] Meyers großes Taschenlexikon. Bd. 17 8(2001), S. 81.
[5] Siehe Karte I, S. 14.
[6] Siehe seine Grenzziehung ebenda.
[7] Livius XXXIII.15.1.
[8] Salmon, S. 3-7.
[9] Vgl. Karte II, S. 14.
[10] Papahatzis, N.: Das antike Korinth. Die Museen von Korinth, Isthmia und Sikyon (1989), S. 15.
[11] Vgl. hierzu die Fläche der Gemeinwesen Sparta: 8400 km² und Athen: 2550 km².
[12] Alram-Stern, E.: Die ägäische Frühzeit. Bd. 1: Das Neolithikum in Griechenland (1996), S. 183.
[13] Abb. I, S. 17.
[14] Schneider, L.: Peloponnes: Mykenische Paläste, antike Heiligtümer und venezianische Kastelle in Griechenlands Süden (2001), S. 13.
[15] Salmon, S. 7.
[16] Das besitzt unabhängig von der derzeitigen Debatte um die menschlich verursachte Klimaveränderung Gültigkeit.
[17] Wie die bekannten antiken Brunnen, die Peirene- und Glauke-Quelle siehe Abb. II, S. 17.
[18] Demoule, J. P.; Perlés C.: The Greek Neolithic: A new review. In: Journal of World Prehistory 7/4 (1993), S. 359.
[19] Borg, B.: Korinthische Ordnung. In: Hölscher, T.: Klassische Archäologie: Grundwissen (2002), S. 144.
[20] Vgl. Aussagen zur Archäozoologie und Historischen Zoologie von Prof. R. Kinzelbach und Darstellungen zur interdisziplinären Vernetzung der Klassischen Archäologie in: Wendel, H. J.: Die Kultur der Antike. In: Traditio et innovatio 9 (2004) 1, S. 1.
- Quote paper
- Magister Artium Christian Hall (Author), 2004, Einflüsse abiotischer und biotischer Geofaktoren auf die frühe Besiedlung der Korinthia bis in die geometrische Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117084
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