Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit einem Lösungsansatz für die wohl zwei wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Zum einen gilt es die Wohnungsnot speziell im sozialen Bereich zu bewältigen und zum anderen die Klimakrise zu bekämpfen. Dabei wird auf aktuell vorherrschende Problematiken und Situationen zu den jeweiligen Themen eingegangen und erörtert, welche Verantwortungen und Aufgaben speziell die Politik und der Bausektor besitzen. Die österreichische Hauptstadt Wien setzt auf Holzbau und Gebäudebegrünung im sozialen Wohnungsbau. Dies dient als Vorbild zur Untersuchung vorgefertigter nachhaltiger Holzmodule samt Begrünung der Gebäudehülle. Dabei werden die wesentlichen Möglichkeiten für ein vorgefertigtes Holzmodul vorgestellt und die Vorteile von Holz und Fassadenbegrünung analysiert. Ein Kostenvergleich zu konventionellen Methoden, wird anhand von ausgewählten Beispielen veranschaulicht. Im analytischen Teil erfolgt die bauphysikalische Untersuchung eines Holzmoduls mit den Anforderungen eines KfW- 40-Energiestandard-Gebäudes. Abschließend wird dieses mit dem thermischen Simulationsprogramm IDAICE, auf seine thermischen Eigenschaften für den Komfort des Nutzers untersucht.
Inhaltsverzeichnis
I. Theoretischer Teil
1. Einleitung
2. Situation und Problematik in Deutschland
2.1. Wohnungsnot
2.2. Klimaziele / GEG
3. Nachhaltiges Bauen
3.1. Klimawirkung Bausektor
3.2. Lebenszklusbetrachtung – Graue Energie
3.3. Lebenszykluskosten
3.4. Soziokulturelle und funktionale Dimension
4. Naturbanes Wohnen
5. Bauen mit Holz
5.1. Begrifflichkeiten
5.1.1. Industrielles Bauen
5.1.2. Modularität
5.1.3. Vorfertigung
5.1.4. Mass Customization
5.2. Holz als Baustoff zur Vorfertigung
5.2.1. Holz als Klimaschützer
5.2.2. Vorfertigung im Holzbau
5.2.3. Modularität im Holzbau
5.2.4. Holzbausysteme
5.2.4.1. Holzrahmenbau
5.2.4.2. Flächige Systeme
5.2.4.3. Einsatz der Holzbauweisen
5.2.5. Fertigungsplanung mit Holz
5.2.6. Kostenanalyse im Holzbau
5.2.6.1. Projekt Wolfurt
5.2.6.2. Baubetriebliche Bewertungskriterien
5.3. Baurechtliche Einteilung im mehrgeschossigen Holzbau
5.4. Gesundes Bauen und Wohnen
6. Begrünte Gebäudehülle
6.1. Positive Eigenschaften der Gebäudebegrünung
6.2. Kosten
6.3. Horizontale Begrünung
6.4. Möglichkeiten einer Fassadenbegrünung
6.4.1. Bodengebundene Begrünung
6.4.2. Wandgebundene Begrünung
II. Analytischer Teil
7. Methodisches Vorgehen
7.1. Verwendete Programme
7.2. Exceltool Mass Customization
8. Holzmodul
8.1. Wandkonstruktion
8.1.1. Wärme und Feuchteschutz
8.1.2. Entscheidungsparameter zur Fassadenbegrünung
8.2. Flachdach in Holzbauweise mit Dachbegrünung
8.2.1. Feuchteschutz
8.2.1.1. Wärmedämmung in der Tragebene, begrünt
8.2.1.2. Wärmedämmung oberhalb der Tragebene, begrünt
8.2.1.3. Separate Belüftungsebene, begrünt
8.2.2. Wärmeschutz
8.3. Fußboden/-Deckenkonstruktion
8.4. Schallschutz
8.5. Brandschutz
9. Simulation mit IDA ICE
9.1. Grundeinstellungen
9.2. Erste Simulationsergebnisse
9.3. Zweite Simulationsergebnisse
10. Fazit
11. Literaturverzeichnis
11.1. Quellenangaben Abbildung
11.2. Quellenangaben Tabellen
Kurzfassung
Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit einem Lösungsansatz für die wohl zwei wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Zum einen gilt es die Wohnungsnot speziell im sozialen Bereich zu bewältigen und zum anderen die Klimakrise zu bekämpfen. Dabei wird auf aktuell vorherrschende Problematiken und Situationen zu den jeweiligen Themen eingegangen und erörtert, welche Verantwortungen und Aufgaben speziell die Politik und der Bausektor besitzen. Die österreichische Hauptstadt Wien setzt auf Holzbau und Gebäudebegrünung im sozialen Wohnungsbau. Dies dient als Vorbild zur Untersuchung vorgefertigter nachhaltiger Holzmodule samt Begrünung der Gebäudehülle. Dabei werden die wesentlichen Möglichkeiten für ein vorgefertigtes Holzmodul vorgestellt und die Vorteile von Holz und Fassadenbegrünung analysiert. Ein Kostenvergleich zu konventionellen Methoden, wird anhand von ausgewählten Beispielen veranschaulicht. Im analytischen Teil erfolgt die bauphysikalische Untersuchung eines Holzmoduls mit den Anforderungen eines KfW-40-Energiestandard-Gebäudes. Abschließend wird dieses mit dem thermischen Simulationsprogramm IDAICE, auf seine thermischen Eigenschaften für den Komfort des Nutzers untersucht.
Abstract
This master thesis deals with a solution for the two most important challenges of the future. On the one hand, the housing shortage, especially in the social sector, must be overcome and, on the other hand, the climate crisis must be fought. In this context, the currently prevailing problems and situations regarding the respective topics are addressed and the responsibilities and tasks of politics and the building sector in particular are discussed. The Austrian capital Vienna relies on timber construction and building greening in social housing. This serves as a model for the investigation of prefabricated sustainable timber modules including greening of the building envelope. The main possibilities for a prefabricated wooden module are presented and the advantages of wood and facade greening are analyzed. A cost comparison with conventional methods is illustrated by means of selected examples. In the analytical part, the building physics investigation of a wood module with the requirements of a KfW-40 energy standard building is carried out. Finally, the thermal simulation program IDAICE is used to investigate the thermal properties of the module for the comfort of the user.
Anmerkung der Redaktion: Anhänge wurden aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Einteilung der Lebenszyklusinformationen nach DIN EN 15804 und DIN EN 15978
Abb. 2: Wichtigster Faktor für die Wohnqualität
Abb. 3: Umsetzungsansätze einer Mass Customization
Abb. 4: Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft in Bayern
Abb. 5: Expertenbefragung über Potential im Industriellen Bauen
Abb. 7: Bauablauf einer klassischen und einer industriellen Bauweise
Abb. 8: Vergleich der Herstellungskosten eines Edelrohbau bezogen auf die Wohn-Nutzfläche, aufgeteilt in die einzelnen Ausbaustufen
Abb. 9: wandgebundene Fassadenbegrünung des MA 48 Gebäude in Wien
Abb. 10: Merkmale extensiver und intensiver Dachbegrünung
Abb. 11: Außenwandaufbau des zu untersuchenden Moduls
Abb. 12: Gestalterisches Beispiel einer Gerüstkletterpflanzenbegrünug
Abb. 13: Thermische Auswirkungen einer bodengebundenen Begrünung
Abb. 14: Gestalterisches Beispiel einer Begrünung mit Pflanzgefäßen
Abb. 15: Gestalterisches Beispiel einer modularen Begrünung
Abb. 16: Thermische Auswirkungen einer wandgebundenen Begrünung mit modularem Aufbau
Abb. 17: Gestalterisches Beispiel einer flächigen Begrünung
Abb. 18: Einwirkungen bei Flachdachkonstruktionen
Abb. 19: Wärmedämmung ausschließlich in der Tragebene
Abb. 20: Wärmedämmung in der Tragebene mit Überdämmung
Abb. 21: Wärmedämmung oberhalb der Tragebene
Abb. 22: Thermische Auswirkungen einer Flachdachbegrünung
Abb. 23: Separate Belüftungsebene
Abb. 24: Fußbodenaufbau gegen Erdreich
Abb. 25: Modulschnitt vertikal
Abb. 26: Simulationsmodell: sechs Holzmodule
Abb. 27: Übersicht über den Energiebedarf aller sechs Module
Abb. 28: Monatlicher Energiebedarf aller sechs Module
Abb. 29: Übersicht Energiebedarf des Moduls EG SW
Abb. 30: Graphische Darstellung der Energiebilanzen des Moduls EG SW
Abb. 31: Transmission durch die Gebäudehülle
Abb. 32: Energiebilanzverlauf im Modul EG-SW am 23.07
Abb. 33: Temperaturverlauf im Modul EG-SW am 23.07
Abb. 34: Unterschied des Heizbedarfs durch die Sonnenschutzregelung durch Solareinstrahlung und SSF
Abb. 35: Übersicht Energiebedarf aller Module nach Anpassung
Abb. 36: monatlicher Energiebedarf der angepassten Simulation
Abb. 37: Übersicht Energiebedarf des Moduls EG-SW der angepassten Simulation
Abb. 38: Graphische Darstellung der Energiebilanzen des Moduls EG-SW der angepassten Simulation
Abb. 39: Energiebilanzverlauf im Modul EG-SW am 23.07 der angepassten Simulation
Abb. 40: Temperaturverlauf im Modul EG-SW am 23.07 der angepassten Simulation
Abb. 41: Tageslichtquotient innerhalb der Module
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Anforderungen GEG 2020
Tab. 2: Bauteileigenschaften der Holzmodule
Tab. 3: Auswahl bestimmter Simulationsergebnisse der jeweiligen Module
Tab. 4: Auswahl bestimmter Simulationsergebnisse nach Hinzufügen eines Sonnenschutzes der jeweiligen Module
Tab. 5: max. Temperatur nach Verschattung durch Begrünung
Anmerkung der Redaktion:
Einige Abbildungen wurden aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
I. Theoretischer Teil
1. Einleitung
Die Hauptaufgabe einer Wohnung ist es, Schutz vor Wind und Wetter zu bieten. Daneben soll sie aber auch persönlichen Anforderungen genügen, wie beispielsweise über ausreichend Platz für Rückzugsräume oder über einen großen Balkon verfügen. Um die steigenden Ansprüche an die eigene Wohnung zu erfüllen, hat im Laufe der Zeit die Wohnfläche pro Person immer mehr zugenommen. Gleichzeitig sind damit allerdings auch die Mieten pro Quadratmeter stetig gestiegen. In vielen Großstädten fehlt dadurch bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen, die sich die teuren Mieten nicht mehr leisten können. Dadurch sind sie gezwungen weit außerhalb der Stadt zu wohnen und haben dadurch immer größere Entfernungen zu bewältigen. Die Folgen dieses Missstands sind nicht nur ein ärgerlicher Verlust von Zeit und Energie in Staus und überfüllten Zügen und somit geraubte Lebensqualität, sondern auch eine zunehmend wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich.
Neben dem fehlenden Wohnraum kommt ein weiteres großes Problem hinzu: die Klimakrise. In Deutschland entsteht ein Großteil der CO₂-Emissionen beim Heizen der Wohnungen. Daneben werden jedes Jahr viele Tausende Wohnhäuser aus Beton gebaut, die für die Herstellung des Materials viel Energie erfordern und große Mengen an CO₂ emittieren. Wenn dieser Zustand so bleibt, müssen sich die Menschen darauf einstellen, dass sich das Klima weiter stark verändert und es in vielen Städten im Sommer noch heißer wird. Das bedeutet, dass die Gebäude noch widerstandsfähiger werden müssen (vgl. Spiegel).
Ein Blick nach Wien verspricht aber einen möglichen Ansatz für Politiker, Stadtplaner und Architekten, eine Lösung für ökologischen und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die Stadt Wien wird bereits zum zehnten Mal in Folge vom Beratungsunternehmen Mercer als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet (vgl. Mercer). Das liegt vor allem am ausgeprägten sozialen Wohnungsbau und dem starken Mieterschutz, aber auch an einer hervorragenden Luftqualität in der Stadt. Letzteres wird unter anderem durch den hohen Anteil an Dach- und Fassadenbegrünungen erreicht (vgl. kontrast). Daneben machte es eine Novelle der Bauordnung im Jahr 2001 möglich, Holz im mehrgeschossigen Wohnbau – bis zu vier Geschosse in reiner Holzbauweise – einzusetzen. Seitdem realisierte die Stadt circa 40 geförderte Wohnprojekte in Holz- oder Holzmischbauweise mit 2.700 Wohnungen und substituierte damit energieintensive Alternativbaustoffe. (vgl. proholz – Holzwohnbau)
In dieser Arbeit soll nun genauer auf die aktuellen Problematiken in Bezug auf die Herausforderungen des Klimawandels in der Baubranche und die Anforderungen des sozialen Wohnungsbaues in Deutschland eingegangen werden. Es soll geprüft werden, ob nachhaltige begrünte Holzmodule einen Teil der Lösung darstellen können, und verglichen werden, ob dies finanzierbar ist. Dabei soll auf die Vorteile der Produktionsweisen genauso wie auf die Umwelteffekte einer nachhaltigen ökologischen Wohnsituation eingegangen werden. Anschließend erfolgt eine bauphysikalische Untersuchung eines Holzmodules anhand eines ausgewählten Simulationsprogramms, um den thermischen Komfort in einem Holzmodul zu analysieren.
2. Situation und Problematik in Deutschland
Zunächst soll auf die aktuelle Wohnungslage in Deutschland sowie die aktuellen Gesetze und Klimaziele der Bundesregierung eingegangen werden. Es soll ein grober Überblick über die bestehende Situation geschaffen und die Notwendigkeit von neue Lösungsansätzen im Bausektor aufgezeigt werden.
2.1. Wohnungsnot
Deutschland baute im Jahr 2019 rund 300.000 neue Wohnungen; die höchste Jahresleistung seit zwei Jahrzehnten. Allerdings fiel nur ein Drittel davon auf klassische Mietwohnungen und weniger als ein Zehntel auf den bezahlbaren Sozialbau. Betrachtet man die Anzahl der Sozialwohnungen in Deutschland im Verlauf der letzten Jahre, ist diese stark rückläufig. Gab es im Jahr 2000 noch rund 2,6 Millionen Sozialwohnungen, waren es 2019 nur noch 1,14 Millionen. Und jedes Jahr verschwinden weitere 40.000 bis 60.000 Sozialwohnungen in Deutschland (vgl. gruene-bundestag). Die letzten Jahrzehnte haben demnach gezeigt, dass der freie Markt nicht geeignet ist, weder die Wohnungsfrage zu regeln noch eine Durchmischung und schon gar keinen bezahlbaren Wohnraum für die breite Bevölkerung zu schaffen. 2020/21 wurde durch die pandemiebedingten Entlassungen vieler Arbeitnehmer der Mangel an bezahlbarem Wohnraum noch zusätzlich deutlich verschärft. Durch den Wegfall von Einkommen bleibt vielen Menschen weniger Geld für die Miete. Dadurch droht oftmals der Verlust der eigenen Wohnung. Gewerkschaftschef Feiger der IG Bauen Agrar äußerte sich im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen dazu wie folgt: „Im Schnitt der letzten fünf Jahre ist die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland um mehr als 43.000 pro Jahr gesunken. Rein rechnerisch verschwinden damit pro Stunde fünf Sozialwohnungen vom Markt – alle zwölf Minuten eine.“ (vgl. Frankfurter Allgemeine). 2019 erklärte der ehemaliger Mieterbund Präsident Dr. Franz-Georg Rips, dass durch die einfache Lösung „bauen, bauen, bauen“ die wohnungs- und mietenpolitischen Probleme bei weitem nicht gerecht werden. „Es müssen auch die richtigen, das heißt die tatsächlich benötigten Wohnungen an den richtigen Standorten, also vor allem in den Großstädten und Ballungsgebieten, gebaut werden. Wir brauchen in erster Linie bezahlbare Mietwohnungen und mehr Sozialwohnungen, damit der Neubau tatsächlich mietpreisdämpfend wirken kann und auch Normalverdiener wieder eine Wohnung in der Stadt anmieten und bezahlen können“ (vgl. DMB). Auch der aktuelle Präsident des Deutschen Mieterbundes Lukas Siebenkotten mahnte, dass bis zum Jahr 2025 in Deutschland 1,5 Millionen neue Wohnungen geschaffen werden müssen, vor allem jedoch Sozialwohnungen und bezahlbarer Wohnraum. Bis 2030 müsse die Zahl der Sozialwohnungen zudem wieder bei mindestens zwei Millionen liegen. Dafür ist ein jährlicher Neubau von 80.000 Sozialwohnungen notwendig (vgl. Westdeutsche Zeitung). Vergleicht man die 30.000 neugeschaffenen Sozialwohnungen im Jahr 2019 mit der tatsächlich notwendigen Anzahl, wird schnell klar, dass hier dringender Nachholbedarf besteht. Des Weiteren sind laut dem DMB weitere 120.000 Mietwohnungen jährlich notwendig zu Preisen, die sich Normalverdiener leisten können, um eine Entspannung auf dem Wohnungsmietmarkt zu schaffen. Zum Beispiel könnte der Bund mit steuerlichen Förderinstrumenten, wie dies die Stadt Wien in dem neu geplanten Stadtviertel Seestadt Aspern gezeigt hat, auch ein Zeichen für den Mietwohnungsbau setzen. Eine Mietobergrenze für solche Wohnungen müsste jedoch die Voraussetzung sein. Die wichtigste Voraussetzung für den Bau leistbaren Wohnraums bleibt aber das Verfügbarmachen von Bauland. Hierzu muss der Bund dafür sorgen, dass neue Gesetze in Kraft treten und Baulandspekulationen und inflationäre Preissteigerungen verhindert werden. Einige dieser Punkte schlägt der DMB vor, um die Schaffung von Bauland erreichen zu können:
Als erstes sollte die Schaffung und Erhaltung bezahlbaren Wohnraums in das Baugesetzbuch als zusätzliches Ziel der Bauleitnahme aufgenommen werden. Auch finanzielle Vorteile sollen für Grundstücke von Bund und Ländern entstehen, indem sie deutlich unter dem eigentlichen Verkehrswert an Kommunen vergeben werden, wenn die Flächen für den Bau von Sozialwohnungen bzw. bezahlbaren Mietwohnungen genutzt werden. Über Baugebote, die sich auch über ganze Baugebiete erstrecken lassen müssen, muss brachliegendes Bauland verstärkt aktiviert werden.
Neben der Baulandschaffung muss die Bundesregierung zusätzlich kommunale Unternehmen, Genossenschaften oder andere gemeinwohlorientierte Unternehmen, die in erster Linie hinter dem Bau geförderter Wohnungen stehen, stärken. Eine Verdreifachung der Fördergelder ist dazu notwendig. Zwar hat Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat Horst Seehofer zu Beginn seiner Amtszeit durch eine Grundgesetzänderung eine Förderung in Höhe von 5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau an die Länder durchgesetzt, jedoch nutzten die Länder diese nur unterschiedlich stark (vgl. DMB). 2019 hat das Bundesland Baden-Württemberg lediglich 2.000 Wohnungen gefördert. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben dagegen mit 6.000 bzw. 5.500 Einheiten deutlich mehr geförderte Wohnungen realisiert (vgl. tagesschau). Wie diese Bilanz aufzeigt, nützen sämtliche Förderungen nur wenig, wenn die Länder nicht mehr in die Verantwortung genommen werden, damit die Ziele der Regierung umgesetzt werden und sich schließlich die Mietwohnungslage in Deutschland wieder entspannt.
2.2. Klimaziele / GEG
Im November 2020 trat das neue Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, in Kraft. Dieses bündelt die bisher geltende EnEV, das EnEG und das EEWärmeG1 und führt es zu einem einzigen Gesetz zusammen. Das GEG hat zum Ziel einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand auf den Weg zu bringen. Explizit bedeutet das, dass der Primärenergiebedarf von Gebäuden durch eine Kombination aus Energieeinsparung und dem Einsatz von erneuerbaren Energien bis 2050 um mindestens 80 Prozent gesenkt werden muss (vgl. DUH, Stellungnahme zum GEG). Laut dem Klimaschutzplan der Bundesregierung muss das Ziel sein, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 von 119 Millionen Tonnen (Stand 2014) um 50 Millionen auf 70 Millionen Tonnen zu senken (vgl. DUH, Pressemitteilung).
Aus vielen Richtungen wird allerdings Kritik am GEG geübt, da die energetischen Standards für den Energieverbrauch und den Wärmeschutz aus der EnEV 2016 (in etwa dem KfW-70 Standard entsprechend) einfach übernommen wurden und zunächst bis 2023 bestehen sollen. Erst 2023 will die Bundesregierung noch einmal prüfen, ob die Standards für die Klimaziele 2030 ausreichend sind (vgl. CO2-online).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Anforderungen GEG 2020
Heutige Neubauten müssten aufgrund der langen Investitionszyklen allerdings bereits beim heutigen Bau den Klimazielen für 2050 entsprechen, sonst müssten sie vor 2050 noch einmal saniert werden. Dies hätte unnötige Mehrkosten und Ressourcenverbrauch zur Folge und wäre damit wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mahnt daher, dass der gesamte Gebäudebestand nach Sanierungen durchschnittlich einem KfW-Effizienzhaus 55 entsprechen müsse. Der Primärenergiebedarf dürfte demnach nur 55 Prozent der Anforderungen des GEG betragen (vgl. DUH, Pressemitteilung).
Auf Grund der vielen Restriktionen im Bestand durch zum Beispiel Denkmalschutz müsse für Neubauten sogar mindestens der energetische Standard eines KfW Effizienzhaus 40 erfüllt werden, um die Restriktionen auszugleichen (vgl. DUH, Pressemitteilung). Zudem würde dies für die CO2-Einsparung bis 2030 im Gebäudesektor bedeuten, dass sich nach aktuellen Schätzungen bereits 2030 eine Verfehlung von acht bis 14 Mio. t CO2 für die Zielvorgaben ergeben würden. Das Gebäudeenergiegesetz kann somit in der aktuellen Form keinen nennenswerten Beitrag bzw. Verbesserung zum Energieeinsparen und damit zu den CO2-Reduktionen im Gebäudesektor leisten. Die Begründung des ZDB (Zentralverband Deutsches Baugewerbe), dass durch die Beibehaltung des EnEV 2016 Standards gewährleistet wird, dass eine KfW-Förderung garantiert und damit bezahlbares Bauen und Wohnen ermöglicht wird, klingt als wären Klimaschutz und bezahlbares Wohnen nicht miteinander vereinbar (vgl. Zentralverband Deutsches Baugewerbe, S. 5). Die Folgen wären jedoch erneute teure Sanierungsmaßnahmen bis 2050 der jetzt erstellten Gebäude und bis 2030 drohende Kosten von 30 bis 60 Mrd. €, da die Klimaschutzlücke durch Zertifikat-Ankäufe aus anderen EU-Staaten gedeckt werden müssten (vgl. DUH, Pressemitteilung, Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH). Es muss daher ein verträglicher Weg geschaffen werden, der beide Probleme miteinander gleichbedeutend zu einer Lösung führt.
3. Nachhaltiges Bauen
Der Begriff der Nachhaltigkeit stellt einen der wichtigsten Begriffe der Zukunft dar. Aus diesem Grund ist das Schlagwort ein aktuelles Gesprächsthema und bildet besonders im Bausektor eines der wichtigsten Leitmotive für zukünftiges Bauen. Schaut man sich jedoch die Neubaugebiete in den deutschen Großstädten an und betrachtet das städteplanerische Konzept und die entstandenen Gebäude, entstehen überall ähnliche monoton und durchgerasterte weiße und graue Wohnblöcke, die mit geringem Energieverbrauch und modernem Erscheinen werben. Dabei spielt es fast keine Rolle, in welcher Region man sich befindet. Die Grundrisse sind größtenteils alle gleich gegliedert und bieten wenig Möglichkeiten sich an den Wandel der Bedürfnisse der Menschen anzupassen. Am Ende ihrer Lebenszeit werden die massiv errichteten Gebäude dann vermutlich zu Bauschutt in Form von Sondermüll auf überfüllten Müllhalden oder sie werden im Straßenbau wiederverwendet. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit im Bausektor genau?Im Allgemeinen bedeutet nachhaltiges Handeln, dass die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökonomie und Soziokultur gleichberechtigt berücksichtigt werden, um nachfolgenden Generationen eine intakte Umwelt und gleiche Lebenschancen hinterlassen zu können (vgl. BMI, 2019, S.7). Im Detail bedeutet dies für die unterschiedlichen Bereiche folgendes:
Dieökologischen Dimensionender Nachhaltigkeit haben als primäres Schutzziel die Schonung der begrenzt verfügbaren natürlichen Ressourcen durch einen optimierten Einsatz von Baumaterialien und Bauprodukten, eine geringe Flächeninanspruchnahme, die Erhaltung sowie Förderung der Biodiversität genauso wie die Minimierung des Energie- und Wasserverbrauchs. Der Umfang der Betrachtung liegt hierfür bei allen erforderlichen Energie- und Stoffströmen und deren Auswirkung auf die Umwelt, die von der Gewinnung und Herstellung der Baustoffe über die Transportwege und dem Einbau bis hin zum Rückbau genauso wie die globalen und lokalen Umweltwirkungen reichen, die in der Phase der Gebäudenutzung entstehen. Das Ziel der ökologischen Dimension ist die Minimierung der Umweltbelastungen auf lokaler und globaler Ebene.
Dieökonomische Dimensionder Nachhaltigkeit betrachtet die Kosten, die im Leben eines Gebäudes anfallen. Hierzu zählen zunächst die Anschaffungs- bzw. Errichtungskosten und in der Nutzungsphase auch die Baufolgekosten. Allgemein stehen also die gebäudebezogenen Lebenszykluskosten, die Wirtschaftlichkeit und die Wertstabilität im Fokus. Der Blick auf die ökonomischen Ziele ist ein wichtiger Schritt, denn dieser ist für viele Menschen der ausschlaggebende Grund einer Investition und gibt vielmals auch den Grad der anderen zwei Dimensionen vor. Bereits in der Planungsphase können durch eine umfangreiche Lebenszykluskostenanalyse erhebliche Einsparpotenziale erzielt werden. Besonders die Errichtungskosten und die Baunutzungskosten spielen in den Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs – LCC) eine wichtige Rolle, um zu prüfen, ob ein Projekt auch wirtschaftlich für den Investor ist.
Der letzte Grundstein der Nachhaltigkeit ist diesoziale und kulturelle Dimension. In ihr sollen sowohl die soziale und kulturelle Identität als auch das Wertempfinden des Menschen geschützt werden. Die Wahrnehmung eines Menschen von seiner Umgebung, die er entweder bewusst oder unbewusst beurteilt, ist immer der erste Schritt im Identifikationsprozess. Die positiven oder auch negativen Empfindungen, die daraus resultieren, spiegeln sich im Grad des Wohlbefindens wider. Dabei ist es wichtig, die persönlichen sozialen Bedürfnisse des Einzelnen mit den kulturellen Wertvorstellungen eines gesellschaftlichen Systems in Einklang zu bringen. Die Werte Gesundheit, Mobilität und Lebensqualität sowie Chancengleichheit, Partizipation, Bildung und kulturelle Vielfalt stehen aber immer im Vordergrund. Zusammengefasst stellt diese Dimension einerseits die Nutzerbedürfnisse und Funktionalität in Form von bezahlbarem und gesundem Wohnraum und andererseits die kulturelle und ästhetische Bedeutung des Gebäudes in den Mittelpunkt (vgl. BMI, 2019, S.15).
Zurückkommend zum momentanen Bautrend kann gesagt werden, dass allein die Tatsache wenig Energie zu verbrauchen, ein Gebäude nicht zu einem nachhaltigen Konzept werden lässt. Es erfordert weitaus mehr Kriterien zu erfüllen, um der Idealvorstellung von Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
3.1. Klimawirkung Bausektor
Aufgrund der in Anspruch genommenen materiellen und monetären Ressourcen sowie der entstehenden Umweltwirkungen und knapper werdenden Rohstoffe, wird das Thema der Nachhaltigkeit für das Bauwesen immer wichtiger und erfordert ein aktives Handeln, um die ökonomischen Ziele der Nachhaltigkeit zu erfüllen. Der Gebäudesektor ist in Deutschland für etwa 30 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen und für circa 35% des Energieverbrauchs verantwortlich. Daher kommt dem Einsparen von Energie und Emissionen im Bauwesen eine enorm wichtige Bedeutung für den Klima- und Umweltschutz zu, nicht zuletzt, um die gesetzten Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen (vgl. DUH, FactSheet, 2019, S.2). In den letzten Jahren schaffte man es bereits durch den Bau verbesserter Energiestandards den Anteil im Bereich Wärme- und Warmwassererzeugung zu senken. Dies hatte allerdings auch zur Folge, dass durch den erhöhten Wärmeschutz der Anteil der eingesetzten Bau- und Dämmstoffe gestiegen ist und damit folglich auch der Energieaufwand zur Produktion dieser Materialien. Bei der Herstellung und Entsorgung der verwendeten Baumaterialien, der sogenannten Grauen Energie, entstehen mit steigendem Trend heute etwa 8 % der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Verglichen werden kann diese Umweltbelastung mit der Klimawirkung des Flugverkehrs aller Deutschen, welcher laut UBA -Studie "Klimawirksame Emissionen des deutschen Reiseverkehrs" zwischen 6 und 8 Prozent liegt. So gehen bei einem Neubau mit dem Energiestandard Effizienzhaus 55 etwa 50 % der über den gesamten Lebenszyklus (50 Jahre) emittierten Treibhausgase und des Energieaufwands, auf die Herstellung der Baumaterialien und der Errichtung des Gebäudes zurück (vgl. DUH, Gemeinsamer Aufruf, 2020, S.5). Langfristiges Ziel des Bauwesens muss es daher sein, die Gesamtenergiebilanz, also den Energieaufwand von Gebäuden, über den gesamten Lebenszyklus von der Produktion der Baustoffe und der Bereitstellung der Energie über ihre Verwendung bis zur Entsorgung bzw. Weiterverwertung des Gebäudes stärker in den Fokus zu rücken. Zudem sollen diesem Kreislauf nur Stoffe zugeführt werden, die im Laufe ihres Lebenszyklus auf der Erde ersetzt oder/und biologisch abgebaut oder vollständig recycelt werden können (vgl. DUH, Gemeinsamer Aufruf, 2020, S.2).
3.2. Lebenszklusbetrachtung – Graue Energie
Um die Energiebilanz und die Umweltwirkung eines Gebäudes über den gesamten Lebensweg zu erfassen, wird die Ökobilanzierung bzw. das Life Cycle Assessment (LCA) angewendet. Zur Lebenszyklusanalyse gehören sämtliche Umweltwirkungen, von der Produktion der Baumaterialien, über die Errichtung und der Nutzungsphase bis hin zur Entsorgung. Genauer wird der Lebenszyklus in vier Module unterteilt, die wiederum in Unterkategorien gegliedert werden: Phase A (Herstellung und Errichtung), B (Nutzung), C (Entsorgung) und D (ergänzende Informationen/ Lastengutschriften) (vgl. vgl. DUH, FactSheet, 2019, S.2).
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Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Einteilung der Lebenszyklusinformationen nach DIN EN 15804 und DIN EN 15978
Von politischer Seite gibt es seit Kurzem auch Bestrebungen, die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus zu verfolgen. Derzeit sieht das GEG allerdings noch kein lebenszyklusorientiertes Anforderungsniveau vor und sollte daher zwingend bis zum Jahr 2023 zusammen mit einem Förderprogramm eingeführt werden, um weitere Anreize zum ressourcen- und umweltschonenden Bauen zu schaffen. Dadurch könnte der Einsatz regional zur Verfügung stehender Baustoffe gefördert und dadurch kurze klimaschonende Transportwege geschaffen werden, damit auch regionale Produktionsstätten davon profitieren können.
Die Voraussetzungen zum Einsatz eines lebenszyklusorientierten Bauens liegen bereits vor. Die notwendigen Daten und Informationen zu den Bauprodukten stehen mit der Datenbank ÖKOBAUDAT des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung bereits zur Verfügung und können für eine Bewertung genutzt werden. Die verwendeten Produkte werden hier in Umweltproduktdeklarationen dargestellt und können zur Bewertung zueinander verglichen werden. Liegen keine hersteller- oder verbandspezifischen Daten vor, wird auf repräsentative Durchschnittsdatensätze zurückgegriffen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Ökobaudat mit einer großen Auswahl an Bilanzierungs- und Planungsprogrammen kompatibel ist und damit Ökobilanzen auch für ganze Bauteile und Gebäude einfach und schnell berechnet werden können. Beispielhafte Bilanzierungsprogramme sind eLCA, der Bauteileditor der BBSR oder die Gebäudebilanzierungssoftwaretools LEGEP und CAALA (vgl. DUH, FactSheet, 2019, S.3).
3.3. Lebenszykluskosten
Die gebäudebezogenen Kosten im Lebenszyklus sind wie bereits erwähnt eines der wichtigsten Aspekte bei der Investition in ein Projekt. Nachhaltiges Bauen wird oft mit hohen Kosten in Verbindung gebracht, was meist abschreckend wirkt. Die Kosten, die bei einem Gebäude anfallen, teilen sich in die Phasen für Planung, Realisierung, Nutzung und Demontage auf. Aufgrund der langen Nutzungsdauer eines Gebäudes machen die Nutzungskosten mit etwa 80% den größten Teil der Gesamtkosten aus. 10% entfallen auf die Konstruktion und Errichtung und jeweils weitere 5% auf Planung und Rückbau (vgl. ALHO). Die Kosten die sich in den Kostengruppen „300 Baukonstruktion“ und „400 technische Anlagen“ ergeben, sind also eher gering. Deshalb ist es besonders wichtig, bereits in der Planungsphase wichtige Kosten- und Qualitätsentscheidungen zu treffen, um früh Einfluss auf die Nutzungskosten zu nehmen und dadurch die Lebenszykluskosten (LCC) zu minimieren. Bei besonders ökologischen Gebäuden mit einfachem Rückbau und hohem Recyclinggrad, können zudem die Kosten, die durch den erhöhten Planungsprozess anfallen, verringert werden. Der vergrößerte Planungs- und Baukostenaufwand, kann also folglich zu einem deutlichen Kostenvorteil gegenüber konventionellen Bauvorhaben führen, wenn dadurch die Nutzungskosten deutlich gesenkt werden.
3.4. Soziokulturelle und funktionale Dimension
Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) gibt in ihrer Bewertung für soziokulturelle und funktionale Qualität acht Kriterien vor, um die Lebensqualität hinsichtlich Gesundheit, Behaglichkeit und Nutzerzufriedenheit sowie wesentlichen Aspekten der Funktionalität im Sinne des Nachhaltigkeitsgedanken zu beurteilen. Die Kriterien beinhalten dabei den thermischen Komfort, die Innenraumluftqualität, den akustischen Komfort, den visuellen Komfort, die Einflussnahme des Nutzers, die Aufenthaltsqualitäten für innen und außen, die Sicherheit und die Barrierefreiheit. (vgl. DGNB) Diese Kriterien geben bereits sehr gute Auskunft darüber, wie es um die Qualität im Innenraum der Wohnung steht. Für die Gesundheit des Nutzers sollte daher beim Bau von Wohnungen ein hohes Maß an Ausführung dieser Qualitäten angestrebt werden. Um die persönliche positive Empfindung und Zufriedenheit über die eigene Wohnsituation zu erhalten, stellen die Menschen allerdings ihre ganz eigenen Prioritäten an ihre Wohnung. Diese können sich allerdings mit veränderten Lebenssituationen und Lebenslauf auch wandeln: Alleinlebende Berufseinsteiger haben zum Beispiel andere Ansprüche als eine vierköpfige Familie (vgl. Hasse, 2019, S.92). Deswegen ist ein flexibler Wohnraum von hoher Bedeutung. Zuletzt haben sich durch die anhaltende Corona-Pandemie die Anforderungen an die Wohnsituation vieler Menschen stark verändert. Um dies mit Zahlen belegen und verdeutlichen zu können, haben verschiedene Gruppen und Organisationen hierfür Umfragen durchführen lassen. Das Projekt OptiWohn, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, hat 2020 zur Teilnahme an einer großen Online-Umfrage aufgerufen. Rund 2.500 Personen aus ganz Deutschland sollten auf Fragen zu ihrer Wohnsituation und ihrer wahrgenommenen Wohnqualität antworten. Die befragten Personen sind dabei hauptsächlich zwischen 25 und 59 Jahre alt und leben zu 72% in einem urbanen Umfeld und zu 56% in einem Mietverhältnis. Die Hälfte der Befragten wohnt in einem Mehrfamilienhaus mit maximal zwölf Wohneinheiten. Die durchschnittliche monatliche Kaltmiete beträgt etwa 745,00€ bei durchschnittlichen 115 qm Wohnfläche (vgl.OptiWohn, 2021, S.14.). Bei der Frage was die wichtigsten Faktoren bei der Bewertung ihrer Wohnqualität wären gaben die meisten Umfrageteilnehmer die Kosten des Wohnens (22 %), eine ruhige Wohnlage (14%) sowie eine gute Verkehrsanbindung (12%) an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Wichtigster Faktor für die Wohnqualität
Bei der Bewertung der Wohnzufriedenheit kommen allerdings meist weitere Faktoren hinzu, die vom Nutzer entweder bewusst, aber auch unbewusst wahrgenommen werden können.
Die folgenden Merkmale beeinflussen demnach die individuell wahrgenommene Wohnzufriedenheit entweder positiv oder negativ:
- Privater Raum im Freien
- Wohnverhältnis
- Wohnfläche
Die Umfrage hat folglich ergeben, dass Personen, die über einen privaten Raum im Freien wie Garten, Balkon, Terrasse etc. verfügen, mehrheitlich „sehr zufrieden“ (46 %) mit ihrer Wohnsituation sind. Andersrum konnte eine große Anzahl an Menschen festgestellt werden die überwiegend nur „eher zufrieden“ (39 %) mit ihrer Wohnsituation sind, wenn sie über keinen privaten Raum im Freien verfügen. Unterschiede in der Zufriedenheit konnten auch zwischen Personen festgestellt werden, die in ihrem Eigentum leben (63 % sehr zufrieden) und Personen, die in einem Mietverhältnis oder in einer genossenschaftlichen Wohnung leben (40 % und 51 % eher zufrieden). Ähnlich positiv verhält es sich auch mit zunehmender Wohnungsgröße und Wohngröße pro Kopf (vgl. Peter, 2021, S.19f.). Eine weitere ausschlaggebende Studie ist die der DORNIEDEN Gruppe, die im Dezember 2020 eine Forsa-Umfrage zum Wandel des Wohnbarometers und aktuellen Trends in Auftrag gegeben hat. Das Meinungsforschungsinstitut hat hierfür bundesweit 1.044 Personen im Alter von 25 bis 69 Jahren befragt, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Dabei sollten die Fragen unabhängig davon beantwortet werden, ob der Haushalt bzw. die Wohnsituation diese befragte Ausstattung wie beispielsweise einen Balkon besitzt oder nicht. 65% der Befragten gaben an, eine Terrasse mit Garten in der Pandemie mehr zu schätzen oder sich diese zu wünschen. Für 50% hat der Stellenwert eines Balkons deutlich an Bedeutung gewonnen, um auch zuhause die Möglichkeit eines freien Raumes zu nutzen; besonders in der Zeit, in der der Anteil an Homeoffice deutlich zunimmt. Mehr Wert auf ein separates Büro in der Wohnung legen 43% der Befragten (vgl. Dornieden). Die Ergebnisse spiegeln auch die Erkenntnisse der Umfrage von OptiWohn wider, die bei ihrer Befragung zur Wohnsituation während der Corona-Pandemie auf eine ähnliche Einschätzung ihrer Teilnehmer kam. 855 Teilnehmer gaben an, dass sich die Beurteilung der Wohnsituation während Corona verändert habe. Die Wertschätzung eines Außenbereichs in Form von Garten, Terrasse oder Balkon wurde durch 350 Personen am häufigsten erwähnt, zudem 319 mal das Fehlen eines Arbeitszimmers (vgl. Peter, 2021, S.22f.).
4. Naturbanes Wohnen
Eine Möglichkeit die vielen Ziele der Zukunft zu erreichen und dabei gesamtheitlich alle Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, bietet der Baustoff Holz. Er gibt viele Antworten zum verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen bis hin zu Fragen nach der Lebensqualität im urbanen Raum. Holz verfügt über viele natürlich gegebene Qualitäten, die auf uns Menschen einen positiven Effekt bewirken, gleichzeitig aber auch bauphysikalische Eigenschaften besitzt, die mit anderen Baumaterialien in der Masse nicht erreicht werden können. Vor allem im urbanen Bereich, wächst der Wunsch der Bevölkerung nach einem ökologischen und nachhaltigen Lebensumfeld. Daneben steigt der Druck, in den Städten schnell genügend bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Dabei ist zu beobachten, dass dort, wo vorrangig nach den Gesetzen der Gewinnmaximierung agiert wird, die Defizite schon bald nach der Fertigstellung spürbar werden. Einige Kommunen haben dies erkannt und entwickeln mancherorts Stadtquartiere in Holzbauwerken. Allen voran die Stadt Wien, die aus diesem Grund das 1. Wiener Wohnbauprogramm entwickelt hat, welches unter dem Leitbegriff naturban insbesondere den geförderten Wohnungsbau mit den Merkmalen umweltbewusst, ökologisch, naturnah und trotzdem urban voranbringen soll. Der Begriff Naturban ist eine Fusion aus den Worten Natur und Urban und soll die Themen Bauen und Wohnen mit der Natur in der Stadt verbinden. Er soll als richtungsweisender Begriff verstanden werden, der die Zukunft des Wohnens im Holzbau beschreibt und die Anforderungen für Klimaschutz, Digitalisierung und Wohnungsbau vereint angeht. Am 13. Juli 2021 gab die Stadt Wien als Ergebnis bekannt, das in insgesamt drei Phasen bis zum Jahr 2023 etwa 1.000 geförderte Wohngebäude mit zwei bis vier Geschossen in Holz- und Holzhybridbauweise am Stadtrand von Wien entstehen werden. Das Vorhaben soll dazu genutzt werden, auch für zukünftige Projekte wichtige Erkenntnisse zur Stärkung der Klimaresilienz zu gewinnen. Das Mikroklima im Quartier ist gleichbedeutend mit den ökologischen Bedingungen der einzelnen Wohneinheiten. Konkret bedeutet dies, dass auch Maßnahmen wie die Begrünung der Fassaden und einer guten Durchlüftung und Beschattung im Quartier vorgenommen werden sollen, um Hitzeinseln zu vermeiden (vgl. wien.gv).
Aus meiner persönlichen Sicht steht dieses Vorhaben in Wien als Vorbild für den aktuell stattfinden Wandel zum Bestreben nach einer nachhaltigeren Lebensweise und für eine gesunde Zukunft in den Städten. Aus diesem Grund wenden sich die nachfolgenden zwei Kapitel dem Holzbau und der Fassadenbegrünung.
5. Bauen mit Holz
Aufgrund des Wandels vom traditionellen hin zum industriellen Bauen mit Holz nimmt der Anteil an Holzgebäuden immer mehr zu. Besonders durch technische Entwicklungen konnte der moderne Holzbau in den letzten Jahren stark vorangetrieben werden und sich mehr und mehr ein System Holzbau etablieren, welches sich massentauglich einsetzen lässt. Die heutige Holzbauweise ist nicht mehr nur auf Gebäude mit geringer Höhe beschränkt, sondern gewinnt auch im mehrgeschossigen urbanen Bauen an Bedeutung (vgl. IHF, 2015, S.3). Aber nicht nur aus technischer Sicht hat sich vieles weiterentwickelt, sondern auch durch abgeänderte und neu formulierte Gesetze und Richtlinien sowie durch viele neue Erkenntnisse aus der Forschung und durch Musterprojekte. Dies hat insgesamt zu einer verbesserten Ausgangslage im mehrgeschossigen Holzbau geführt. Viele Projekte zeigen schon heute das enorme Potenzial des Holzbaus (vgl. Cheret, Seidel). Besonders der Begriff des modularen Bauens mit Holz wird in diesem Zusammenhang immer wieder verwendet. Im Allgemeinen bezeichnet modulares Bauen das Vorfertigen von Bauwerksteilen und das anschließende Zusammensetzen nach dem Baukastenprinzip. Die Palette des Modulbaus ist vielseitig und wahllos an Materialien und reicht vom Bau mit Containern bis hin zum Bauen mit gewöhnlichen Ziegelsteinen. Aus diesem Grund werden in diesem Kapitel zunächst bestimmte Begrifflichkeiten zum Thema des seriellen Modulbau erklärt, um das komplexe und vielfältige Thema für die hier zugrundeliegende Arbeit abzugrenzen und zu definieren. Anschließend wird auf die baubetrieblichen sowie bauwirtschaftlichen Vorteile dieser Bauweise eingegangen.
5.1. Begrifflichkeiten
5.1.1. Industrielles Bauen
Durch die Entwicklung komplexer Informationstechnologien und neuartiger Produktionssysteme wurde die industrielle Vorfertigung durch automatisierte Vorgänge – hier speziell für den Holz-Modulbau und Holz-Tafelbau - vorangetrieben. Dadurch ergeben sich völlig neue Voraussetzungen für und Auswirkungen auf das zukünftige Bauen. Das industrielle Bauen wird durch die Übertragung von industriellen Vorgehensweisen auf die dezentralen Systeme einer Bauproduktion oftmals mit der Bezeichnung der Vorfabrikation oder dem seriellen Bauen pauschal für den Systembau verwendet. Im industriellen Holzbau geht es dabei speziell um das elementare oder modulare Bauen. In der Literatur findet man unter dem Begriff industrielles Bauen jedoch unter anderem auch die einfache Produktion einzelner Bauteile an einem witterungsgeschützten Ort, wobei der Grad der Fertigung nicht weiter definiert wird (vgl. Staib, 2008, S.44). Das Bauen in Serie bzw. im System entstammt ursprünglich aus den 1960er Jahren und wurde entwickelt, um einen wirtschaftlichen Vorteil durch eine Standardisierung und Massenproduktion zu erzielen. Durch die Einführung der sog. lean production wurde dieser Prozess weiterentwickelt. Erstmals standen nicht mehr nur ausschließlich die wirtschaftliche Optimierung im Vordergrund, sondern auch flexible Reaktionen auf bestehende Randbedingungen und Kundenwünsche. Bisher werden die vielen Potenziale der industriellen Produktion im Bauwesen in Europa allerdings noch nicht ausgenutzt (vgl. IHF, 2015, S.4f.).
5.1.2. Modularität
Die Modularität liegt beim Thema Holzbau im Trend. Allgemein wird das Modul in der Literatur als seriell gefertigtes und dreidimensional zusammengefügtes Element behandelt. Die Form und das verwendete Material spielt dabei für die Definition keine Rolle. Der Begriff der Modularität beschreibt dabei die Unterteilbarkeit eines Systems in standardisierte Baugruppen, die sich untereinander zu variablen Strukturen zusammensetzen lassen. Dabei können die Baugruppen auch zu mehreren verschiedenen Varianten zusammengeführt werden. (vgl. Steurer, 2006, S.216ff.). Im Bausektor wurde das System allerdings bisher nicht auf alle Gebäudetypen gleichmäßig angewendet. Gänzlich vorgefertigte Module wurden bisher größtenteils beim Bau von Hotels, Wohnheimen für Pflegebedürftige oder Studierende und Schulen verwendet, da diese eine hohe Rate an wiederkehrenden Raumsituationen darstellen. Beispiele für mehrgeschossige Wohnobjekte gibt es bei diesem System nur wenige. Hier findet eher das System der Elementvorfertigung statt. Auch eine Kombination aus Raum- und Flächenmodulen ist denkbar (vgl. IHF, 2015, S.5f.).
5.1.3. Vorfertigung
Die Vorfertigung wird in der Literatur nicht eindeutig definiert und wird daher von verschiedenen Experten unterschiedlich ausgelegt. In der Vorfertigung werden angefangen von einzelnen Teilbereichen eines Gebäudes (wie Wände oder Decken) bis hin zu gänzlich schlüsselfertigen Bauten an einem wettergeschützten Ort hergestellt. Ein Vorteil der Vorfertigung ist, dass durch eine hohe Standardisierung der Elemente eine serielle Fertigung mit hohen Stückzahlen generiert werden kann, um dadurch wirtschaftliche Vorteile zu erzielen und eine konstante Qualität sicherzustellen. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch wetterunabhängige Arbeiten die Bauzeit verkürzt und dadurch eine Reduktion der Baustellengemeinkosten erzielt werden kann. Des Weiteren wird davon ausgegangen, durch laufende Kontrollen eine erhöhte Qualitätssicherung zu erreichen, die aufgrund der Witterungsunabhängigkeit zudem auch noch schneller ausgeführt werden kann. Durch einen erhöhten Planungsaufwand sowie Anforderungen an Logistik, Transport und Hebeaufwand auf der Baustelle, entstehen allerdings auch Nachteile, die bei einer Vorfertigung berücksichtigt werden müssen.
Ob die Vorteile einer Vorfertigung von Bauteilelementen oder der Fertigung eines ganzen Raummoduls überwiegt, ist dabei immer projektspezifisch zu prüfen. Der Produktionsablauf findet in Produktionshallen statt, wo die Modulelemente ähnlich wie Autos in der Automobilindustrie, unterschiedliche Fertigungsstationen durchläuft und dabei Schritt für Schritt zusammengesetzt werden. Anschließend werden die Elemente und Module regendicht verpackt und zur Baustelle transportiert, wo sie bestenfalls ohne Zwischenlagerung direkt verbaut werden. Die Montage der einzelnen Elemente oder Module erfolgt aufgrund der großen Vorleistungen im Werk in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum mit wenig Lärm und durch kurze Transportwege und wenig Verpackungs- und Restmüll entstehen nur geringe Umwelteinflüsse (vgl. IHF, 2015, S.6ff.).
5.1.4. Mass Customization
Mass Customization ist eine Zusammensetzung der beiden sehr gegensätzlichen Begriffe Mass Production und Customization und kann mit „individuelle Massenproduktion“ übersetzt werden. Dem Kunden soll ermöglicht werden einige bestimmte Merkmale eines Produkts auf Bestellung anpassen zu können. Anders als bei der Einzelfertigung, sieht das Konzept der Mass Customization jedoch keine auftragsbezogene Erstellung von Elementen oder Modulen vor. Vielmehr soll die Produktspezifizierung durch die Auswahlmöglichkeiten zwischen einzelnen wenigen Produktkomponenten sichergestellt werden. Dadurch können die Kosten nahe an denen einer Massenprodukten gehalten werden. Gleichzeitig ermöglicht die Flexibilität dem Kunden verschiedene Optionen zu kombinieren, um ein halbindividuelles Endprodukt zu schaffen. Da in einem solchen Konzept die Preise der Auswahlmöglichkeiten auf einem vordefinierten Preisbaukasten basieren, wird in der Fachliteratur auch oft von einer Standardisierung der Individualisierung gesprochen. Je nach dem, zu welchem Zeitpunkt der Produktion die Individualisierung durchgeführt wird, unterscheidet man zwischen Soft Customization und Hard Customization. Die Anpassungen, die nach der Fertigung des Produkts angewendet werden, nennt man Soft Customization. Findet eine Anpassung bereits während der Fertigung statt, wird diese Hard Customization genannt. Diese wiederum lassen sich schließlich noch in sechs unterschiedliche Umsetzungsstrategien der Mass Customization einteilen – wie die nachfolgende Grafik zeigt –, die sich allerdings auch miteinander kombinieren lassen können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Umsetzungsansätze einer Mass Customization
Der Umfang der individuellen Wertschöpfung wird zudem durch die Art der Kundenanpassung bestimmt.
Die erste Art der Soft Customization stellt die Selbstindividualisierung dar. Hier kann der Endkunde zwischen massenhaft hergestellten Produkten wählen und diese an seine eigenen Bedürfnisse anpassen. Durch das Auswählen verschiedener Module wachsen allerdings auch die Anforderungen an die Produktflexibilität und können damit zu höheren Entwicklungskosten führen. Ein entscheidender Vorteil ergibt sich in dieser Art jedoch durch die hohe Flexibilität während der gesamten Nutzungsdauer, da hier auch nachträglich durch neue Konfigurationen Module hinzugefügt oder entfernt werden können.
Die individuelle Endfertigung stellt eine Erweiterung der Selbstindividualisierung durch den Kunden dar. Hier wird die Individualisierung allerdings durch den Vertrieb realisiert und nicht durch den Kunden selbst, weshalb es zu den Hard Customization Methoden gezählt wird. Die Voraussetzung muss daher sein, dass die Wertschöpfungskette in eine standardisierte Massenfertigung und eine individuelle Endfertigung unterteilt werden kann.
Die am häufigsten vorkommende Methode stellt die der Modularisierung nach dem Baukasten-Prinzip dar. Über definierte Schnittstellen können standardisierte Komponenten zu einem Endprodukt untereinander verbunden werden.
Bei der individuellen Endfertigung im Handel genauso wie bei der Methode der Serviceindividualisierung werden standardisierte Ausgangsprodukte erst im Handel den eigentlichen Kundenwünschen angepasst. Bei Zweitem werden allerdings individuelle Zusatzleistungen ergänzt, wodurch diese Methode noch kundenspezifischer ist.
Im Falle der massenhaften Fertigung von Unikaten werden alle Komponenten eines Produkts individuell angefertigt und für jeden Kundenauftrag neu konstruiert. Dies erfordert allerdings flexible Produktionssysteme, die auf der Basis von standardisierten Prozessen erfolgt, damit die Fertigung dieser Unikate auch möglichst effizient und wirtschaftlich bleibt.
Die sechs genannten Methoden der Individualisierung versuchen durch Anpassung des Designs der Produkte und besonders durch ein individualisiertes Marketing, eine hohe Kundenzufriedenheit zu schaffen. Um dabei möglichst effizient und auch wirtschaftlich gegenüber konventioneller Massenproduktion zu sein, müssen speziell jene Prozesse ermittelt werden, in denen eine Individualisierung vom Kunden wahrgenommen wird und die ihn zufriedenstellt.
Neben der Mass Customization existiert noch die Variantenfertigung. Diese Fertigung erstellt basierend auf Bedarfserhebungen und Marktprognosen unterschiedliche Varianten von Produkten in hohen Stückzahlen. Um lange Lieferzeiten zu vermeiden, entstehen hierbei allerdings große Lagerhaltungen, welche zu vermehrten Kosten für den Produzenten führen (vgl. Hintersteiniger, 2015, S.26ff.).
5.2. Holz als Baustoff zur Vorfertigung
5.2.1. Holz als Klimaschützer
Knapp ein Drittel der Fläche Deutschlands und in etwa die Hälfte der Fläche Österreichs bestehen aus Wald- und Forstflächen (vgl. ec.europa). Holz als Baustoff verbessert die CO2 Bilanz in mehrfacher Weise. Durch die Bäume, die im Wald geschlagen werden, entstehen neue Räume für nachwachsende Bäume, die wiederum CO2 aus der Umgebungsluft binden können. Jeder Kubikmeter Holz, der verbaut und damit stofflich genutzt wird, speichert zudem langfristig eine Tonne CO2, sodass praktisch ein zweiter Wald in Form unserer Gebäude aus Holz entsteht. Für die Speicherung benötigen die Bäume allerdings je nach Baumart bis zu 100 Jahre, um als Baumaterial genutzt werden zu können. Sie haben im verbauten Zustand aber eine ebenso lange Lebensdauer (vgl. Wegner). Aus ökologischer Sicht sollten auch nur Hölzer verwendet werden, die regional verfügbar sind, wie Fichte, Kiefer, Buche, Eiche oder Ahorn, um lange Transportwege zu vermeiden und eine nachhaltige kontrollierte Forstwirtschaft zu nutzen. Durch die Verwendung von Holz als Baustoff substituiert man obendrein energieintensiver Alternativbaustoffe wie zum Beispiel Ziegel, Beton oder Stahl. Durch die Nutzung von Holz entsteht damit gar nicht erst der CO2 Beitrag, der durch die Herstellung anderer Baustoffe entstehen würde. 2012 konnten damit rund 6,9 Millionen Tonnen CO2 in Bayern stofflich subventioniert werden (vgl. Bayern Clusterstudie Forst, Holz und Papier, 2015, S.42). Das nachfolgende Beispiel vom Institut Holzforschung Austria zeigt die CO2 Bilanz von einem Quadratmeter Massivholz- oder Holzrahmen- Außenwandaufbau im Vergleich zu einem Quadratmeter thermisch identischer Wandaufbauten mit Ziegel und Beton. Dabei wurden sowohl die CO2-Bindung als auch die CO2-Emissionen, die in der Herstellung entstehen, berücksichtigt:
Massivholz - 88 kg CO2
Holzrahmen - 45 kg CO2
Ziegel + 57 kg CO2
Beton + 82 kg CO2
Durch die Gegenüberstellung der Bilanzen stellt man fest, dass durch die Speicherung eines Quadratmeters Massivholz ungefähr die Menge CO2 gespeichert wird, die durch einen Wandaufbau aus Beton verursacht werden würde (vgl. proholz).
Gebäude, die überwiegend aus nicht-nachwachsenden Rohstoffen errichtet wurden, sind am Ende des Lebenszyklus nur zu rund 30 % recyclebar. Einige Stoffe wie zum Beispiel Wärmedämmfassaden aus Styropor bleiben Sondermüll und andere Stoffe können nur mit hohem Energieaufwand mühsam getrennt werden. Holz hingegen kann größtenteils recycelt werden oder, wenn keine weitere stoffliche Nutzung in Frage kommt, verbrannt und damit energetisch genutzt werden. Durch die Nutzung als Brennstoff wird dem Kreislauf nur so viel CO2 zugesetzt wie zuvor vom Holz gebunden wurde.
In Bayern wurden 2012 etwa 78 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Durch die Bindung von Kohlenstoffdioxid im Holz und durch die Substitutionswirkung beim Ersatz anderer Bau- und Brennstoffe konnten 18,1 Millionen Tonnen CO2-Emission vermieden werden. 38 Prozent gingen dabei allein auf die stofflichen und energetischen Substitutionseffekte zurück, die zudem deutlich dazu beitrugen, dass der Klimaschutzbeitrag in der Forst- und Holzwirtschaft im Vergleich zum Jahr 2005 um 3,2 Millionen Tonnen CO2 bzw. 21% gesteigert werden konnte (vgl. Bayern Clusterstudie Forst, Holz und Papier, 2015, S.42).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft in Bayern
5.2.2. Vorfertigung im Holzbau
Holz besitzt von Natur aus einige bauphysikalische Eigenschaften, die es zu einem besonderen Bauprodukt machen und sich wie kaum ein anderes Material für die Vorfertigung anbietet. Holz hat neben einer hohen mechanischen Festigkeit eine enorme Tragfähigkeit bei gleichzeitig geringem Eigengewicht. Das bedeutet, dass Bauteile aus Holz leichter als jene aus gleichwertigem Stahl und dabei nahezu so druckfest wie Beton sind. Dadurch werden zum Beispiel kleinere Fundamente benötigt, was wiederum Platz und Kosten spart. Hinzu kommt noch die sehr leichte Verarbeitbarkeit des Baustoffs, was einen wesentlichen Vorteil für die Vorfabrikation bringt. Durch den zellulären Aufbau mit dazwischenliegenden Hohlräumen besitzt Holz außerdem eine geringe Wärmeleitfähigkeit, womit es auch hervorragende Dämmeigenschaften hat. Im Sommer schützt es außerdem vor Hitze, da Holz ein guter Wärmespeicher ist. Zudem trägt Holz zu einem guten Raumklima bei, da es die Fähigkeit besitzt Feuchtigkeit aufzunehmen und abzugeben (vgl. Liedl, 2019, S.58).
Von November 2014 bis Februar 2015 wurde im Zuge einer Masterarbeit an der Universität Graz eine Befragung von 28 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen (Architektur, Fachplanung, Holzbauunternehmen, ausführende Betriebe, öffentliche und private Bauherren, Bauherrenvertreter, Forschung und Genossenschaften) aus Deutschland und Österreich durchgeführt, um das Potential im industriellen Bauen unabhängig vom Baustoff zu ergründen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Expertenbefragung über Potential im Industriellen Bauen
Speziell im Neubau von Mehrfamilienhäusern (MFH) und Industriebauten (inkl. Büro und Gewerbe) sowie in der städtebaulichen Nachverdichtung sehen die Experten ein sehr hohes Potential in der industriellen Bauweise. Das serielle Bauen von elementierten Bauteilen erfährt allerdings schon heute einen höheren Zuspruch als das Bauen mit völlig vorproduzierten Raummodulen. Als größtes Hemmnis werden dabei meist die gestalterischen Einschränkungen, die mit dem vorgegebenen Maß eines Moduls einhergehen, seitens der Planer und Architekten genannt. Einzelne Untersuchungen haben aber bereits gezeigt, dass wenn frühestmöglich verschiedene Komponenten berücksichtigt werden, ein großer Spielraum an Gestaltung gegeben ist. Die Vorfertigung von Fertigelementen beweist jedoch schon jetzt, dass sie eher günstiger ist, als die meisten Vor-Ort-Bauverfahren und ein großes Potential in der Weiterentwicklung von technischen Verfahren besteht (vgl. Hintersteiniger, 2015, S.177ff).
5.2.3. Modularität im Holzbau
Durch neue technische Forschungen konnten in den letzten Jahren neue innovative Holzwerkstoffe entwickelt werden, die dem Bauen mit Holz neue Möglichkeiten erlauben. Unterschiedliche Vorfertigungsgrade liefern dabei verschiedene industrielle Bauweisen. Vorgefertigt werden meist Rohbauelemente, Fertigelemente, Rohbauraummodule, belagsfertige Module und schlüsselfertige Module. Bei der Befragung der 28 Experten über die Kostensituation der genannten Bauweisen gegenüber traditionellen Bauweisen wurden die schlüsselfertigen Module als grundsätzlich teurer eingeschätzt.
[...]
1 EnEV (EnergieEinsparVerordnung); EnEG (EnergieEinsparGesetz);
EEWärmeG (ErneuerbareEnergienWärmeGesetz)
- Quote paper
- Max Wagner (Author), 2021, Nachhaltiger Holz-Modulbau. Eine urbane Lösung für bezahlbaren Wohnraum?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169827
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