Die historische Widersprüchlichkeit, die sich in der Übergangsphase vom Spätfeudalismus zum Frühkapitalismus prozessbefruchtend extrapoliert, kann am Wirken des Astronomen Kepler und an dem des Philosophen Descartes ausgewiesen werden: Kepler bezeichnet die Astrologie als unwissenschaftlich und töricht, und erstellt doch selbst Horoskope, u. a. für Wallenstein. Descartes ist als Physiker Materialist, um als Philosoph den Materialismus mit metaphysischen, teilweise mathematischen Gottesbeweisen zu durchsetzen.
Im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert vollzog sich in England “das Vorspiel der Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise schuf“. Bürgerliche Ideologen blenden sehr oft aus, dass dieser Prozess einherging mit einer massenhaften Proletarisierung und Verelendung der Bauern. Wollproduzierende Schafe verdrängten Bauern, oder um es mit den Worten des damaligen Zeitgenossen Thomas Morus (1478 bis 1535) zu sagen: ‘Wild gewordene Schafe verschlingen Menschen‘. Noch vor Hobbes, der erst 1588 geboren wurde und dessen bekanntester Ausspruch wohl lautet: ‘Der Mensch ist dessen Menschen Wolf‘, hatte Morus das Wolfsgesetz des Kapitalismus formuliert. Morus geht sogar über den viehischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft hinaus, er entwirft eine Utopie eines insularen Idealstaates, in dem niemand etwas besitzt und alle reich sind. Es ist in Emanzipationsbewegungen üblich, dass in ihnen Vorstellungen entwickelt werden, die über das angestrebte Ziel bereits hinausweisen. Der Übergang vom Spätfeudalismus, in dem die katholische Kirche zu dem größten Feudalherrn avanciert und die Bibel immer noch das Schlüsselbuch war, zum Frühkapitalismus, ist näher dadurch zu bezeichnen, dass auf Grund der Entwicklung der Produktivkräfte, insbesondere durch die Verbreitung der Buchdruckerkunst, ersterer anfing, obsolet zu werden. Das menschliche Denken hob an, religiöse Fragen in weltliche aufzulösen, weltimmanent zu denken und sich auf die Erkennbarkeit der Erde und der anderen fünf bekannten Planeten einzustimmen. Dem denkenden Menschen steht nichts im Wege, auf dass sich für ihn die Natur in ihrem Zusammenhang auftut. [...]
Inhaltsverzeichnis
- SKIZZEN DES UMBRUCHS: VOM SPÄTFEUDALISMUS ZUM FRÜHKAPITALISMUS
- Das Vorspiel der Umwälzung
- Die Entwicklung der Produktivkräfte und der Wandel des Denkens
- Der Zweifel als Grundprinzip der Philosophie
- Aufklärung und die Entweihung des Heiligen Geistes
- Der Geist als entwickelteste Form der Materie
- Die Rolle der Naturwissenschaften und der materialistischen Dialektik
- Die praktische, produktive Arbeit des Menschen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beleuchtet den Übergang vom Spätfeudalismus zum Frühkapitalismus in England im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert. Er analysiert die sozialen und ökonomischen Veränderungen, die diesen Prozess prägten, sowie den Wandel des Denkens in dieser Zeit, insbesondere die Herausbildung der neuzeitlichen Philosophie und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis.
- Die Proletarisierung und Verelendung der Bauern
- Die Entwicklung der Produktivkräfte und die Verbreitung der Buchdruckerkunst
- Der Einfluss des neuzeitlichen Denkens auf die Philosophie und die Naturwissenschaften
- Die Kritik an religiösen Dogmen und die Suche nach einer wissenschaftlichen Weltanschauung
- Die Bedeutung der praktischen, produktiven Arbeit des Menschen für die Entwicklung des Denkens
Zusammenfassung der Kapitel
- Das Vorspiel der Umwälzung: Dieses Kapitel beschreibt die sozialen und ökonomischen Veränderungen, die den Übergang vom Spätfeudalismus zum Frühkapitalismus in England einleiteten. Es beleuchtet die Proletarisierung und Verelendung der Bauern durch die Verdrängung durch Schafzucht und die Entstehung des Wolfsgesetzes des Kapitalismus.
- Die Entwicklung der Produktivkräfte und der Wandel des Denkens: Dieses Kapitel analysiert die Rolle der Entwicklung der Produktivkräfte, insbesondere die Verbreitung der Buchdruckerkunst, für den Wandel des Denkens. Es zeigt, wie religiöse Fragen in weltliche aufgelöst wurden und die Erkennbarkeit der Welt in den Vordergrund rückte.
- Der Zweifel als Grundprinzip der Philosophie: Dieses Kapitel stellt die Philosophie von René Descartes vor, die den Zweifel als Grundprinzip einsetzt und die menschliche Existenz als denkendes Wesen zum Ausgangspunkt nimmt. Es beleuchtet den Bruch mit der alten, kontemplativen Philosophie und die Herausbildung des Subjekts als Maßstab.
- Aufklärung und die Entweihung des Heiligen Geistes: Dieses Kapitel beschreibt die Anfänge der Aufklärung und die Kritik an religiösen Dogmen. Es zeigt, wie Aufklärer, trotz Verfolgung, den Heiligen Geist entweihten und die Erde als Heimat des Menschen erkannten. Es beleuchtet die Kritik am Anbeten von religiösen Symbolen und die Erdung theologischer Spekulation.
- Der Geist als entwickelteste Form der Materie: Dieses Kapitel argumentiert, dass der menschliche Geist keine übernatürliche Herkunft hat, sondern die entwickelteste Form der Materie ist. Es widerlegt die Vorstellung einer höheren, unerklärlichen Schöpfung und betont die Notwendigkeit, die Schätze der Menschheit von einem Himmel zurück auf die Erde zu holen.
- Die Rolle der Naturwissenschaften und der materialistischen Dialektik: Dieses Kapitel betont die Bedeutung der Naturwissenschaften für die Entwicklung einer wissenschaftlichen Weltanschauung. Es fordert dazu auf, die empiristische Interpretation der Erkenntnis als bloße Widerspiegelung der Wirklichkeit durch ein Studium der materialistischen Dialektik zu überwinden.
Schlüsselwörter
Spätfeudalismus, Frühkapitalismus, Proletarisierung, Verelendung, Produktivkräfte, Buchdruckerkunst, neuzeitliche Philosophie, Descartes, Zweifel, Aufklärung, Entweihung des Heiligen Geistes, Geist, Materie, Naturwissenschaften, materialistische Dialektik, praktische Arbeit.
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- Magister artium Heinz Ahlreip (Author), 2022, Skizzen des Umbruchs. Vom Spätfeudalismus zum Frühkapitalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169398