Eine Befragung zwischen Frühjahr 2005 und Frühjahr 2007 unter 1.166 deutschen Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Knapp die Hälfte (49%) der befragten Gesellschaften wurde im Erhebungszeitraum Opfer von Korruption, Unterschlagung, Bilanzdelikten oder anderen Formen von Wirtschaftskriminalität. Der Gesamtschaden wird auf gut sechs Milliarden Euro geschätzt, was die Verluste von Privatpersonen noch nicht mit einbezieht. Aufgrund verschiedener, teilweise spektakulärer Betrugsfälle sind Verstöße verstärkt Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden. Als Beispiele für Deutschland seien hier nur Fälle wie Balsam/Procedo, Flowtex und Comroad genannt. In den USA wurden mit Enron und WorldCom Betrugsfälle von historischem Ausmaß bekannt, die nicht nur Auswirkungen für die unmittelbar geschädigten Aktionäre und Gläubiger, sondern auch für den gesamten Berufsstand der Wirtschaftsprüfer hatten.
Auch wenn diese Beispiele nur Einzelfälle darstellen, die aufgrund der Schadenshöhe und der Vielzahl der Geschädigten außerhalb der Unternehmen eine entsprechend große Öffentlichkeitswirkung entfalten, muss darauf hingewiesen werden, dass die Zahl der von Wirtschaftskriminalität betroffenen Unternehmen nicht nur hierzulande, sondern weltweit stetig ansteigt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Verzeichnis der Anhänge
1 Einleitung
1.1 Relevanz
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung
2.1 Die Erwartungslücke
2.2 Normative Rahmenbedingungen der Jahresabschlussprüfung
3 Was ist Fraud?
3.1 Unrichtigkeiten und Verstöße – Definition und Abgrenzung
3.2 Auswirkungen von Fraud
3.3 Systematisierung der Motive für Fraud
4 Die Verantwortung des Abschlussprüfers für die Aufdeckung von Fraud
4.1 Gesetzliche Bestimmungen in Deutschland
4.2 Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen durch berufsständische Verlautbarungen
4.3 Grenzen der Aufdeckbarkeit von Verstößen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung
5 Die Verantwortung der Unternehmensleitung für die Vermeidung und Aufdeckung von Fraud
6 Maßnahmen des Abschlussprüfers zur Aufdeckung von Fraud im Rahmen der risikoorientierten Abschlussprüfung
6.1 Grundsätzliches zum Prüfungsprozess
6.2 Die Risikokomponenten
6.3 Die Risikofaktoren – Red Flags
6.4 Methoden zur Abschätzung des Risikos der Existenz von Fraud
6.5 Systemprüfung als Methode zur Konkretisierung von Prüfungsschwerpunkten
6.6 Bestimmung des nötigen Prüfungsumfangs und Verfahren für die Auswahl von Stichproben
6.7 Die Prüfungsdurchführung im Hinblick auf die Aufdeckung von Verstößen
6.8 Exkurs – Anti-Fraud-Maßnahmen auf betrieblicher Ebene
7 Schlussbetrachtung: Zusammenfassung und Ausblick
Anhänge
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung der Prüfungsstandards zur Fraud-Prüfung
Tabelle 2: Beispiel eines Auswahlplans nach dem Verfahren der geschichteten Auswahl
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Systematisierung von Gesetzesverstößen
Abbildung 2: Grundsätzliche Fälle von Verstößen
Abbildung 3: Fraud Triangle
Abbildung 4: Fraud Diamond
Abbildung 5: Prüfungsprozess nach IDW PS 210
Abbildung 7: Modell eines Anti-Fraud-Management-Systems
Verzeichnis der Anhänge
Anhang 1: www.Pressetext.at:Pressemitteilung Deloitte & Touche:
Wirtschaftsprüfung ist keine Bilanzgarantie
Anhang 2: www.acfe.de: Definition von Fraud
Anhang 3: www.kpmg.de: Pressemitteilung: KPMG-Studie zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland
Anhang 4: www.welt.de: KPMG zahlt 100 Millionen Mark an Flowtex- Gläubiger
Anhang 5: www.idw.de: Mitgliederzahlen Juli 2008
1 Einleitung
1.1 Relevanz
Eine Befragung zwischen Frühjahr 2005 und Frühjahr 2007 unter 1.166 deutschen Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Knapp die Hälfte (49%) der befragten Gesellschaften wurde im Erhebungszeitraum Opfer von Korruption, Unterschlagung, Bilanzdelikten oder anderen Formen von Wirtschaftskriminalität. Der Gesamtschaden wird auf gut sechs Milliarden Euro geschätzt, was die Verluste von Privatpersonen noch nicht mit einbezieht.[1] Aufgrund verschiedener, teilweise spektakulärer Betrugsfälle sind Verstöße verstärkt Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden. Als Beispiele für Deutschland seien hier nur Fälle wie Balsam/Procedo, Flowtex und Comroad genannt. In den USA wurden mit Enron und WorldCom Betrugsfälle von historischem Ausmaß bekannt,[2] die nicht nur Auswirkungen für die unmittelbar geschädigten Aktionäre und Gläubiger, sondern auch für den gesamten Berufsstand der Wirtschaftsprüfer hatten.
Auch wenn diese Beispiele nur Einzelfälle darstellen, die aufgrund der Schadenshöhe und der Vielzahl der Geschädigten außerhalb der Unternehmen eine entsprechend große Öffentlichkeitswirkung entfalten, muss darauf hingewiesen werden, dass die Zahl der von Wirtschaftskriminalität betroffenen Unternehmen nicht nur hierzulande, sondern weltweit stetig ansteigt.[3]
Insbesondere bei der Aufdeckung größerer Betrugsfälle ist in der Öffentlichkeit regelmäßig auch die Leistung der Wirtschaftsprüfer Gegenstand besonderer Kritik. In der Konsequenz ist das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Verlässlichkeit der Abschlussinformationen und in die Effektivität der Abschlussprüfung nachhaltig erschüttert. Dem Abschlussprüfer kommt im System der Corporate Governance eine wichtige Funktion im Hinblick auf die Rechnungslegung zu, da er mit seinem Testat die Ordnungsmäßigkeit der Abschlussinformationen gegenüber externen Adressaten bestätigt.[4] Die sprichwörtliche Erwartungslücke zwischen der Leistung der Abschlussprüfung und den Erwartungen der Abschlussadressaten ist in diesem Zusammenhang allgegenwärtig.[5]
Es stellt sich die Frage, was der Abschlussprüfer im Einzelnen und der Berufsstand insgesamt tun können, um dem Risiko, dass sich derartige Fälle wiederholen, wirksam zu begegnen. Denn im Hinblick auf das öffentliche Vertrauen wären alle bereits umgesetzten und noch zu ergreifenden Maßnahmen zwecklos, sollten sich vergleichbare Betrugsfälle weiterhin fortsetzen.
Die Notwendigkeit sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen, verdeutlichen auch die vielfältigen Regulierungsbestrebungen in den USA (Sarbanes-Oxley-Act), der Europäischen Union (8. EU-Richtlinie) und auch in Deutschland (Bilanzkontrollgesetz, Abschlussprüferaufsichtsgesetz, Berufsaufsichtsreformgesetz, etc.). Es bleibt jedoch zum größten Teil noch abzuwarten, welchen Beitrag diese neuen Gesetze zur Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens zu leisten im Stande sind.[6]
1.2 Zielsetzung
Das Thema der vorliegenden Arbeit lautet „Möglichkeiten und Grenzen der Aufdeckung von Fraud im Rahmen der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung“. Vor dem Hintergrund, dass die Existenz fraudulenter Handlungen niemals vollständig ausgeschlossen werden kann, soll gezeigt werden, welche Verpflichtung den Abschlussprüfer per Gesetz tatsächlich trifft, begangene Verstöße aufzudecken. Ferner soll der Frage nachgegangen werden, wie weit der gesetzliche Auftrag reicht und welche Maßnahmen ergriffen werden können und müssen, um eben dieser Pflicht nachzukommen. Die Erwartungen der Abschlussadressaten an den Umfang und die Qualität der Abschlussprüfung decken sich vielfach nicht mit der tatsächlichen Zielsetzung der Prüfung. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, diese viel zitierte Erwartungslücke zu schließen.
Zu diesem Zweck werden nicht nur die gesetzliche Grundlagen, sondern auch die Verlautbarungen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer betrachtet. Die detaillierte Beschreibung von Prüfungshandlungen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es sollen Prüfungshandlungen nur so detailliert besprochen werden, wie es für das Verständnis der Problematik notwendig erscheint. Speziell im vierten und sechsten Kapitel stehen die zu beachtenden Besonderheiten bei der Prüfung, unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Existenz von Fraud, im Mittelpunkt und nicht etwa die Prüfungshandlungen selbst. Gleiches gilt für die konzeptionellen Grundlagen des risikoorientierten Prüfungsprozesses.
Auch wenn die Leistungen des Abschlussprüfers im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, werden hier, der Vollständigkeit halber, in kurzer Form die – das Management betreffenden – gesetzlichen Grundlagen sowie möglicherweise zu ergreifenden Maßnahmen erörtert. Denn die Primärverantwortung für Fraud-Prävention und –Detektion liegt bei der Unternehmensleitung selbst.
Um das Themengebiet überschaubar zu halten, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Regelungen in Deutschland. Internationale Vorschriften werden nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie für die Entwicklung der Bestimmungen in Deutschland von Belang sind.
1.3 Aufbau der Arbeit
Zum Zwecke einer möglichst umfassenden Betrachtung des Themas, sollen zunächst die konzeptionellen Grundlagen erläutert werden. Das zweite Kapitel befasst sich einleitend mit der Problematik der Erwartungslücke, um im Anschluss auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Jahresabschlussprüfung einzugehen. Im folgenden Kapitel wird eine, für diese Arbeit geltende, Definition des Begriffs Fraud entwickelt. Darüber hinaus sollen die verschiedenen Auswirkungen von Fraud beschrieben und die unterschiedlichen Motive fraudulenten Handelns systematisiert werden. Das vierte Kapitel widmet sich im Wesentlichen der Frage nach der Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers, Fraud im Rahmen der Jahresabschlussprüfung aufzudecken. Hierzu werden die gesetzlichen Bestimmungen und deren Konkretisierung durch berufsständische Verlautbarungen, besonders die des Instituts der Wirtschaftsprüfer, erläutert, um anschließend die Grenzen der Abschlussprüfung aufzuzeigen. Kapitel fünf beschreibt, inwiefern die Unternehmensleitung zur Prävention und Aufdeckung von Fraud verpflichtet ist. Im folgenden sechsten Kapitel wird dargestellt, welche Maßnahmen der Abschlussprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung ergreifen kann, um speziell das Risiko der Existenz fraudulenter Handlungen in der Prüfungsplanung und -durchführung zu berücksichtigen. Ein knapper Exkurs soll dem Leser aufzeigen, welche Maßnahmen ein Unternehmen selbst ergreifen kann, um Fraud wirksam und nachhaltig zu begegnen. Im abschließenden Kapitel sollen die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf mögliche künftige Entwicklungen gegeben werden.
2 Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen unter denen die Jahresabschlussprüfung durchführt wird sind grundlegend für die Frage, was der Abschlussprüfer leisten kann und muss. Bevor die in Deutschland geltenden Regelungen beschrieben werden, wird im Folgenden auf die Problematik der bereits angesprochenen Erwartungslücke einleitend eingegangen.
2.1 Die Erwartungslücke
In der jüngeren Vergangenheit waren fraudulente Handlungen aufgrund von spektakulären Betrugsfällen auf nationaler und internationaler Ebene immer häufiger Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung. Die quantifizierbaren direkten und indirekten Schäden, teilweise in Milliardenhöhe, stellen nur einen Teil des Problems dar. Das Vertrauen des Kapitalmarktes in die Qualität und die Verlässlichkeit der Jahresabschlussinformationen wurde durch derartige Betrugsfälle nachhaltig erschüttert.[7] In diesem Zusammenhang taucht „natürlich“ immer wieder die Frage nach der Verantwortlichkeit der Abschlussprüfer auf. Wieso wurden die Bilanzmanipulationen im Rahmen der Prüfung erst zu spät bzw. überhaupt nicht aufgedeckt? Üblicherweise verweist der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer darauf, dass die Jahresabschlussprüfung ihrem Wesen nach keine forensische Prüfung sei die darauf ausgelegt ist, Bilanzmanipulationen aufzudecken, sondern vielmehr eine Ordnungsmäßigkeitsprüfung, die auf die Einhaltung gesetzlicher und gesellschaftsrechtlicher Vorgaben abziele.[8] Insbesondere in Fällen, in denen das Topmanagement mit viel krimineller Energie in die Manipulationen involviert war, ist diese Aussage des betroffenen Wirtschaftsprüfers zweifellos verständlich. Es lässt sich jedoch feststellen, dass sie wenig zum Vertrauensbildungsprozess gegenüber den Kapitalmarktteilnehmern beiträgt.[9]
Tatsächlich wird der Umfang einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung von der breiten Öffentlichkeit nicht allein auf die Finanzberichterstattung bezogen. Fälschlicherweise wird ein uneingeschränktes Testat häufig als Gütesiegel für Businesspläne, die allgemeine Geschäftstätigkeit oder die Geschäftsführung selbst verstanden.[10] Zwar verlangt in Deutschland das HGB sowie der für die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung einschlägige Prüfungsstandard des IDW[11] die Prüfung so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden. Die Primärverantwortung für die Vermeidung und gegebenenfalls die Aufdeckung wirtschaftskrimineller Handlungen liegt jedoch letztendlich beim Management bzw. beim Vorstand.[12]
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Erwartungen der Jahresabschlussadressaten und das Selbstverständnis der Wirtschaftsprüfer nicht decken.[13] Die Erwartungen der Öffentlichkeit an Art und Umfang einer Abschlussprüfung gehen häufig weit über den gesetzlichen Auftrag und die praktischen Möglichkeiten des Prüfers hinaus.[14] Im Folgenden soll Klarheit darüber geschaffen werden, welche Grundsätze der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung zugrunde liegen und welche Ziele sie de facto verfolgt.
2.2 Normative Rahmenbedingungen der Jahresabschlussprüfung
Mit der Prüfung des Jahresabschlusses befassen sich die Paragraphen 316 bis 324 des Handelsgesetzbuches. Der Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses sowie des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer unterliegen nach § 316 Abs. 1 S. 1 HGB alle großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften.[15] Uneingeschränkt prüfungspflichtig sind darüber hinaus Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte von Kapitalgesellschaften.[16]
Der Mindestumfang der Aufgaben, die sich aus dem Prüfungsauftrag ergeben, sind zwingend gesetzlich vorgeschrieben und kann weder durch eine gesonderte vertragliche Vereinbarung zwischen Abschlussprüfer und zu prüfender Gesellschaft noch durch eigene Initiative des Abschlussprüfers eingeschränkt werden.[17] Nach § 317 Abs. 1 S. 1 und 2 HGB umfassen diese Aufgaben die Prüfung der Buchführung und der Einhaltung der gesetzlichen und gesellschaftsrechtlichen oder durch Satzung bestimmten Vorschriften. Konzernabschlüsse und-lageberichte sind vom Abschlussprüfer mit den Einzelabschlüssen und-lageberichten inhaltlich und wertmäßig abzustimmen. Es ist zu prüfen, ob der (Konzern-) Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung der Lage des Unternehmens (Konzerns) vermittelt.
Eine besondere Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit kommt dem Wortlaut des § 317 Abs. 1 Satz 3 zu, nach dem die Jahresabschlussprüfung so anzulegen ist, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die oben genannten Bestimmungen, die sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des zu prüfenden Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung vom Abschlussprüfer erkannt werden.
Für Aktiengesellschaften, die Aktien mit amtlicher Notierung emittiert haben, fordert § 317 Abs. 4 HGB darüber hinaus vom Abschlussprüfer eine zusätzliche Beurteilung darüber, ob der Vorstand ein Überwachungssystem zur frühzeitigen Erkennung von fortbestandsgefährdenden Entwicklungen implementiert hat und ob dieses geeignet ist, seine Aufgabe auch zu erfüllen.[18]
Zusammenfassend lassen sich die Prüfungsfelder wie folgt darstellen:
- die Buchführung des Unternehmens unter Beachtung der gesetzlichen, gesellschaftsrechtlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen;
- der (Konzern-) Jahresabschluss sowie der (Konzern-) Lagebericht;
- bei Konzernabschlussprüfungen zusätzlich die einbezogenen Einzelabschlüsse;
- die Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Risikofrüherkennungs-systems zur Erkennung fortbestandsgefährdender Entwicklungen.
Der Wortlaut des § 317 Abs. 1 Satz 2 lässt erkennen, dass die gesetzliche Jahresabschlussprüfung eine Gesetzes- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung darstellt. Diese Schlussfolgerung ergibt sich im Wesentlichen aus der Funktion der Abschlussprüfung, die seit ihrer Einführung eine Kontrollfunktion inne hat.[19] Kontrolliert werden soll die Einhaltung der gesetzlichen, gesellschaftsrechtlichen und satzungsmäßigen Vorschriften; dabei erstreckt sich die Prüfung ausschließlich auf die Rechnungslegung und nicht auf die Geschäftsführung.[20] Die Jahresabschlussprüfung stellt keine Unterschlagungsprüfung, keine Steuerprüfung, keine Rentabilitätsprüfung, keine Kostenrechnungsprüfung und auch keine Preisprüfung dar.[21]
Die der Prüfung zugrunde zu legenden gesetzlichen Vorschriften sind neben den Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches, auch die des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Genossenschaftsgesetzes. Darüber hinaus kommen gegebenenfalls einschlägige Sondergesetze und deren Rechnungslegungsgrundsätze zum Tragen.[22]
3 Was ist Fraud?
Für die folgenden Betrachtungen ist es erforderlich, die für diese Arbeit wesentlichen Begrifflichkeiten zu erläutern und voneinander abzugrenzen. Im Zusammenhang mit Untersuchungen zum Thema Wirtschaftskriminalität werden häufig die Begriffe Unrichtigkeiten, Fehler, (Gesetzes-) Verstöße, dolose Handlungen oder auch Bilanzdelikte – teilweise ähnlich, teilweise synonym – verwendet. Diese Aufzählung ist bei Weitem noch unvollständig und belegt die Notwendigkeit einer exakten Begriffsabgrenzung. Mangels einer Legaldefinition[23] und einer einheitlichen Terminologie in der einschlägigen Literatur, soll an dieser Stelle ein für den weiteren Verlauf dieser Arbeit gültiges Begriffsverständnis entwickelt werden.
3.1 Unrichtigkeiten und Verstöße – Definition und Abgrenzung
Analysiert man die Strukturierungsansätze der verschiedenen Autoren und Institutionen, so erscheinen drei Abgrenzungskriterien im Kontext dieser Arbeit als besonders maßgebend und zielführend:
Erstens, die Unterscheidung von Gesetzesverstößen, die direkt gegen Bilanzrecht verstoßen und denen, die gegen Gesetze verstoßen, die das Bilanzrecht nicht betreffen.[24]
Als zweites Klassifizierungskriterium dient häufig die Frage nach dem Vorsatz des Täters. Wurde ein bestimmter Gesetzesverstoß begangen, weil sich der Täter persönlich bereichern wollte oder tat er es „für das Wohl des Unternehmens“? Wurden die Konsequenzen für die gesetzwidrigen Handlungen vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in Kauf genommen?[25]
Des Weiteren kann zwischen fraudulenten Handlungen von Mitarbeitern der oberen Führungsebene, dem sog. (Top-) Management-Fraud, und Verstößen der übrigen Mitarbeiter eines Unternehmens – Employee Fraud – unterschieden werden. Die Auswirkungen von Mitarbeiterdelikten sind in der Regel vergleichsweise gering, wenn man sie Verstößen auf Managementebene gegenüberstellt.[26] Aufgrund ihrer Machtposition und der damit verbundenen Verfügungsgewalt im Unternehmen, können Mitglieder der oberen Hierarchiestufen erheblich größere Schäden, z.B. durch Bilanzmanipulationen oder Falschinformation der Jahresabschlussadressaten, verursachen.[27]
In dieses Klassifizierungsmuster gilt es nun die geläufigsten Termini einzuordnen.
3.1.1 Unrichtigkeiten – Error
Das Institut der Wirtschaftsprüfer bezeichnet unbeabsichtigt falsche Angaben in Abschluss und Lagebericht als Unrichtigkeiten.[28] Beispielhaft werden hier Schreib- und Rechenfehler, unbewusst falsch angewendete Rechnungslegungsvorschriften und unabsichtlich fehlerhafte Einschätzungen genannt.[29]
Derartige Fehler im Rechnungswesen haben – unabhängig von ihren Ursachen – die Konsequenz, dass sowohl Abschluss als auch Lagebericht kein den Tatsachen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wiedergeben, sofern sie für die Gesamtaussage wesentlich sind.[30] Das IDW vertritt damit das gängige Begriffsverständnis.[31] Maßgebend für die Zuordnung einer Handlung zu den Unrichtigkeiten oder Fehlern ist der fehlende Vorsatz des Täters.
Eine der Hauptursachen für unbewusst fehlerhafte Rechnungslegung liegt in der Komplexität der Regelwerke selbst. Wachsende Unternehmen erfordern beispielsweise ein mit wachsendes Rechnungswesen und nicht immer kann die personelle und fachliche Entwicklung mit der Expansion des Unternehmens Schritt halten.[32] Werden die erhöhten Anforderungen an das Rechnungswesen nicht erfüllt, so resultieren daraus möglicherweise Informationsdefizite und Fehlentscheidungen, die wiederum auch ein redliches Management in Bedrängnis bringen können.[33]
3.1.2 Verstöße – Fraud
Den unbewussten Fehlern stehen die bewussten Gesetzesverstöße gegenüber. Auch hierfür findet sich in der Literatur kein einheitlicher Terminus, jedoch werden häufig die Begrifflichkeiten deliktisches Handeln, (wirtschafts-) kriminelle Handlungen, Betrug oder die entsprechende englische Übersetzung Fraud verwendet.[34] Im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Konkretisierung des Terminus können die folgenden berufsständischen Definitionen herangezogen werden:
Das Institute of Internal Auditors (IIA) hat in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Interne Revision e.V. (IIR) Fraud als eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und illegalen Handlungen, die mittels vorsätzlicher Täuschung zum Vor- oder Nachteil einer Organisation von Mitarbeitern der Organisation oder Außenstehenden begangen werden, definiert.[35] Synonym zum Terminus Fraud wird hier auch der Begriff dolose Handlungen verwendet, der, aus dem Lateinischen übersetzt, soviel bedeutet wie „arglistig, mit bösem Vorsatz“.[36] Im Rahmen dieser Arbeit sollen dolose Handlungen dem Begriff Fraud untergeordnet werden. Als dolos sollen Verstöße bezeichnet werden, die nicht das Bilanzrecht betreffen, die aber vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht begangen werden.
Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer verwendet im Zusammenhang mit Fraud den deutschen Ausdruck Verstoß. Als solche Verstöße werden laut den Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW), speziell IDW PS 210, und den International Standards on Auditing (ISA) falsche Angaben in Abschluss und Lagebericht verstanden, die auf einer absichtlichen Missachtung von gesetzlichen Vorschriften und/oder Rechnungslegungsgrundsätzen beruhen.[37] Unter die Definition des IDW PS210 fallen insbesondere Täuschungen, Vermögensschädigungen und sonstige, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Gesetzesverstöße:[38]
§ Täuschungen sind bewusst falsche Angaben in Abschluss und Lagebericht sowie Fälschungen in der Buchführung, deren Manipulation, die Unterdrückung von Rechnungsbelegen oder auch die bewusst falsche Anwendung von Rechnungslegungsvorschriften. Täuschungen gehen häufig mit der gezielten Außerkraftsetzung des ansonsten wirksamen Internen Kontrollsystems durch die gesetzlichen Vertreter einher. Solche Täuschungen können beispielsweise fingierte Buchungen oder die vor- bzw. nachgelagerte Erfassung von Geschäftsvorfällen zum Zwecke der Ergebnisbeeinflussung sein.[39]
§ Vermögensschädigungen sind alle Handlungen gesetzlicher Vertreter, die auf die widerrechtliche Aneignung oder Verminderung von Gesellschaftervermögen sowie die Erhöhung von Verpflichtungen für das Gesellschaftsvermögen gerichtet sind, sofern sie zu fehlerhaften Ausweisen im Abschluss führen.[40] Beispielhaft seien hier die Unterschlagung von Zahlungseingängen, Entwendungen von Vorräten zum persönlichen Gebrauch, Zahlungen an fiktive Lieferanten oder der Gebrauch von Vermögensgegenständen für private Zwecke genannt.[41]
§ Sonstige Gesetzesverstöße sind alle Verstöße von gesetzlichen Vertretern oder Mitarbeitern gegen gesetzliche, gesellschaftsrechtliche oder sonstige Vorschriften, die nicht das Bilanzrecht betreffen. Der Täter handelt in diesem Fall bewusst oder unbewusst, aber ohne persönliche Bereicherungsabsicht.[42] Sonstige Gesetzesverstöße können beispielsweise Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften sein, die Einfluss auf den Steueraufwand, die Steuerverbindlichkeiten oder die Steuerabgrenzung haben.[43]
Als Zusammenfassung der vorangegangenen Definitionen kann das Begriffsverständnis der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) betrachtet werden. Sie bezeichnet Fraud als Vorsatzhandlung eines Täters, die durch (Aus-) Nutzung seiner Beschäftigung, zur Erzielung eines monetären Vorteils begangen wird und zum Abfluss von Vermögensgegenständen und/oder zur Schädigung der betroffenen Organisation führt.[44]
Den folgenden Ausführungen dieser Arbeit soll diese Definition der ACFE zugrunde gelegt werden. Insbesondere Bilanzdelikte, dolose Handlungen sowie sonstige vorsätzliche Gesetzesverstöße ohne Bereicherungsabsicht, sollen im weiteren Verlauf unter dem Begriff Fraud zusammengefasst werden. Fehler, im Sinne des Abschnitts 3.1.1, sowie sonstige fahrlässige Gesetzesverstöße ohne unmittelbare persönliche Bereicherungsabsicht, werden im Folgenden nicht näher betrachtet. Abbildung 1 soll diese Systematisierung veranschaulichen.
Abbildung 1: Systematisierung von Gesetzesverstößen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sell (1999:5).
3.2 Auswirkungen von Fraud
Resultate fraudulenter Handlungen sind in erster Linie direkte, quantifizierbare Schäden durch Verringerung des Vermögens der unmittelbar involvierten Parteien sowie indirekte, schwer oder gar nicht messbare und wesentlich nachhaltigere Schäden durch den Vertrauensverlust der Kapitalmarktteilnehmer in Bezug auf das betroffene Unternehmen oder gar den gesamten Berufs- oder Handelszweig.[45] Neben diesen Vermögens- und Vertrauensschäden ergeben sich für betroffene Unternehmen häufig auch konkrete Auswirkungen auf deren Rechnungslegung, da Verstöße meist mit Veränderungen der wirtschaftlichen Lage einhergehen, die Berücksichtigung in der Buchführung finden müssen. Aufgrund der folgenschweren Bilanzskandale der Vergangenheit,[46] rückt das Ergebnis und die Qualität der Leistungen der Jahresabschlussprüfer zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Die nationalen und internationalen Standardsetter reagierten und reagieren darauf mit weitreichenden Veränderungen, um den erhöhten Ansprüchen und Erwartungen an die Arbeit der Abschlussprüfer gerecht zu werden.[47]
3.2.1 Direkte und indirekte Vermögensschäden
Die jährlich durch das Bundeskriminalamt in Wiesbaden veröffentlichte Statistik zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland beziffert den Gesamtschaden aller polizeilich registrierten Straftaten in 2006 auf ca. 8,2 Milliarden Euro. Davon lassen sich etwa 4,3 Milliarden Euro (53%) dem Bereich der Wirtschaftskriminalität zuordnen, obwohl diese nur 2,1% der insgesamt bekannt gewordenen Delikte ausmachten.[48]
Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter 420 Führungskräften, ebenfalls für das Jahr 2006, war das Top-Management in Deutschland in der Vergangenheit nur an 2% der Diebstähle, aber an jeder zweiten Fälschung von Jahresabschlüssen beteiligt. Die betroffenen Unternehmen erlitten dabei vereinzelt Schäden von über 1Milliarde Euro.[49]
Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers zur Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft ergab, dass 49% der 1.166 befragten Unternehmen zwischen 2005 und 2007 Opfer fraudulenter Handlungen waren;[50] nur 10% sahen sich selbst dabei als potenziell gefährdet an.[51] Den betroffenen Unternehmen entstand dabei ein Gesamtschaden von gut sechs Milliarden Euro pro Jahr. In dieser Summe sind geschätzte Kosten für das Management und die Bewältigung der jeweiligen Folgen in Höhe von ca. 1,75 Milliarden Euro enthalten.[52]
In besonders folgenschweren Fällen, z.B. bei langjährig unentdeckten Bilanzmanipulationen, können diese Schäden teilweise ruinöse Minderungen des Vermögens aller involvierten Parteien bedeuten. Auf Unternehmensseite entstehen im Falle von aufgedeckten Verstößen unmittelbar Kosten durch den damit verbundenen Ressourcenverzehr.[53] Leiten betroffene Geschädigte erfolgreich rechtliche Schritte ein, erwachsen hieraus möglicherweise weitere Ausgaben für Prozesskosten, Schadenersatzleistungen für Verluste der Anteilseigner sowie gerichtlich festgesetzte Strafzahlungen, wie die Rekordstrafe von 750 Millionen US-$ im WorldCom-Prozess.[54]
Indirekte Vermögensschäden resultieren aus regulativen Maßnahmen, die z.B. strengere Publizitäts- und Prüfungsanforderungen bewirken. Darüber hinaus werden Kapitalgeber höhere Risikoprämien fordern, wodurch den Unternehmen steigende Kapitalkosten drohen.[55] Durch den Sarbanes-Oxley- Act (SOA), die Reaktion des amerikanischen Rechtssystems auf die wachsende Zahl der Bilanzdelikte, entstehen nach Schätzungen der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC), den börsennotierten Gesellschaften in den Vereinigten Staaten insgesamt jährliche Mehraufwendungen in Höhe von 1,5 Mrd. US-$. Auf ein einzelnes Unternehmen bezogen bedeutet das zusätzliche Ausgaben in Höhe von 91 Tausend US-$ pro Jahr, um zu gewährleisten, dass der Jahresabschluss den rechtlichen Anforderungen genügt.[56] Die Höhe der Vermögensschäden wird regelmäßig auch anhand von Kursreaktionen gemessen. Folgende Befunde liefert eine breit angelegte Analyse des General Accounting Office (GAO) für den amerikanischen Markt zwischen Januar 1997 und März 2003:
In einem Zeitraum von drei Tagen um die Ankündigung einer nachträglichen Korrektur der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, sinkt der Börsenkurs des betroffenen Unternehmens um beinahe 10%. Erweitert man den Zeitrahmen auf 120 Tage, so verdoppelt sich der beobachtete Effekt. Auch wenn dieses Ergebnis nicht einzig als Reaktion auf die Unternehmensankündigung zu verstehen ist, da Einflüsse weiterer externer Faktoren bei einer solchen Betrachtung vernachlässigt werden, wird dennoch die Tragweite nachträglicher bilanzpolitischer Korrekturen deutlich.[57]
Zusätzlich zu den direkt betroffenen Kapitalgesellschaften, leiden auch Unternehmen an den Auswirkungen, die zwar keine Korrektur ihrer Finanzdaten vorgenommen haben, aber dennoch indirekt in die Geschehnisse involviert werden. Klienten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen, die sowohl die Jahresabschlüsse von Enron als auch die von WorldCom testierte, mussten, innerhalb der drei Tage nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten bei der Prüfung durch Arthur Andersen, außergewöhnlich negative Renditen in Höhe von 2,1% verkraften.[58]
Ähnliche Schäden, wie die Unternehmen selbst, erleiden auch die verantwortlichen Manager. Prozesskosten, Schadenersatz und Geldstrafen können sie wirtschaftlich ebenso belasten, wie Ausgaben für Datenerhebung- und Aufbereitung im Zuge der Untersuchungen. Beispielsweise wurden die Gebrüder Haffa im Zusammenhang mit fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen über relevante Unternehmensbereiche bei EM.TV zu Geldstrafen von 240 Tausend Euro und 1,2 Millionen Euro verurteilt. Des Weiteren ergeben sich aus möglichen Gefängnisstrafen Einkommensverluste und eventuell geringere zukünftige Gehälter.
Nicht zu vernachlässigen sind in dieser Aufzählung natürlich die involvierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die unter den gleichen Vermögensschäden leiden wie Manager und Unternehmen. Zusätzlich zu rechtlich erzwungenen Ausgaben leisten die Prüfer u.U. freiwillige Zahlungen, um einem Image-Verlust entgegenzuwirken. So zahlte beispielsweise KPMG, im Jahr 2001, zur Vermeidung eines langwierigen Gerichtsverfahrens 100 Millionen DM an Geschädigte aus dem Flowtex-Prozess.[59] Weitere Schäden entstehen den Prüfern durch einen möglichen Verlust des Mandates sowie die Tatsache, dass höhere Anforderungen an die Abschlussprüfung selbst, durch stärkere Regulierungen, eine Mehrbelastung der Prüfer nach sich zieht. Die resultierenden Kosten müssen vom Prüfer selbst getragen werden, sofern sie nicht auf das zu testierende Unternehmen abgewälzt werden können. Mindereinnahmen verzeichnen Prüfungsgesellschaften darüber hinaus auch aufgrund erhöhter Anforderungen an die Unabhängigkeit der Prüfer, insbesondere durch die Trennung von Prüfungs- und Beratungsleistungen.
3.2.2 Nachhaltige Vertrauensschäden
Aus aufgedeckten und publizierten Fraud-Fällen ergeben sich zwangläufig angepasste Erwartungshaltungen der Anteilseigner sowie eine skeptische Haltung aller Marktteilnehmer, sodass letztendlich der gesamte Kapitalmarkt betroffen ist. Daraus folgt, dass direkt und indirekt messbare Vermögensschäden nur einen Teil des Problems darstellen. Ungleich schwerer zu quantifizieren sind die Auswirkungen der fraudulenter Handlungen auf Vertrauensebene, also der Vertrauensverlust aller Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Kapitalmarktes und dessen Institutionen.[60] Kennzeichnend für die Brisanz dieser Thematik, sind die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Regulierung und Gesetzgebung. Neue Vorschläge und umgesetzte Änderungen legen ihr Hauptaugenmerk auf den Vertrauensschutz. Exemplarisch seien hier nur das Bilanzkontrollgesetz, das Abschlussprüferaufsichtsgesetz und das Berufsaufsichtsreformgesetz genannt.[61]
Aufgrund der Problematik der Messbarkeit, dienen die Ergebnisse von Umfragen und Kapitalmarktstudien als Indikatoren, anhand derer man auf den Grad der Beeinträchtigung durch fraudulente Handlungen schließen kann.
Einen Ansatz, zur Quantifizierung der Auswirkungen von Restatements[62] aufgrund von Fraud, bietet beispielsweise der Vergleich des Earnings Response Coefficient (ERC) vor und nach Bekanntgabe von Korrekturen in Bezug auf die Finanzlage einer Unternehmung. Der ERC misst die außergewöhnliche Aktienrendite als Reaktion auf die Publizierung von Korrekturmaßnahmen, wodurch sich ein wertmäßig erfassbarer Schaden ermitteln lässt.[63]
Als weiteres Indiz für entstandene Schäden dienen die Ergebnisse des monatlich ermittelten UBS/Gallup Investor Optimism Index. Zwar sind Schwankungen dieses Indexes nicht allein auf Vertrauensschäden zurückzuführen, jedoch gaben die Befragten Vertrauensverlust in die Institutionen Rechnungslegung und Prüfung als Grund für ihre Zurückhaltung an. Diese Vorsicht der Kapitalmarktteilnehmer spiegelt sich auch in den rückläufigen Einzahlungen in Investmentfonds wider.[64]
Dass der Vertrauensverlust noch viel schwerwiegendere Folgen für involvierte Unternehmen haben kann, belegt das Schicksal der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen, die sich von den Spätfolgen ihrer Beteiligung an den Skandalen um Enron und WorldCom nicht wieder erholen konnte.[65]
Selbst wenn die Konsequenzen weniger drastisch ausfallen als im Beispiel Arthur Andersen, sind die Langzeitschäden, die derartige Verstöße mit sich bringen, erheblich. Neben den bereits angesprochenen Folgen wie Reputationsverlust und rückläufigen Aktienkursen, geben deutsche Unternehmen im Rahmen der PwC-Studie auch einen Rückgang der Arbeitsmoral der Mitarbeiter, Beeinträchtigungen der Geschäftsbeziehungen zu Mitbewerbern, Abnehmern und Lieferanten sowie eine Verschlechterung der Beziehungen zu den Regulierungsbehörden an.[66]
3.2.3 Auswirkungen von Fraud auf die Rechnungslegung
Dieser Teilabschnitt befasst sich mit Verstößen, die einerseits direkte Auswirkungen auf das Betriebsvermögen, beispielsweise durch Diebstahl,[67] haben und andererseits solchen, die sich nicht unmittelbar auf das Vermögen auswirken, wie Verstöße gegen den Grundsatz der Bilanzklarheit zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation nach außen hin.
Ob und welche Auswirkungen fraudulente Handlungen und deren Konsequenzen auf die Rechnungslegung haben, hängt in erster Linie davon ab, ob dem Unternehmen ein quantifizierbarer Schaden zugefügt wurde. Grundsätzlich muss der entstandene Vermögensverlust aktivierungsfähig sein, um Einfluss auf den Jahresabschluss zu haben.[68] Diese Aktivierungsfähigkeit fehlt beispielsweise bei immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, da sie nach § 248 Abs. 2 HGB dem Bilanzierungsverbot unterliegen.
Um die Auswirkungen von Fraud auf die betriebliche Rechnungslegung angemessen darzustellen, müssen die verschiedenen Arten von Verstößen themenbezogen systematisiert werden. Zu einer zweckmäßigen Kategorisierung fraudulenter Handlungen eignen sich die Aspekte Auswirkung auf den Jahresabschluss sowie Verdeckung des Verstoßes, in ihren jeweiligen Ausprägungen (Auswirkung/keine Auswirkung bzw. verdeckter/unverdeckter Verstoß).[69] Die folgende Darstellung veranschaulicht diese Systematisierung.
[...]
[1] Vgl. PwC (2007:3).
[2] Im Fall Enron bewegte man sich zwar in rechtliche Grauzonen, ohne eindeutige Gesetzesverstöße zu begehen, jedoch spielten diese „Feinheiten“ in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit keine große Rolle. Vgl. Zimmermann (2004:1515).
[3] Vgl. hierzu ausführlich Schindler (2007:84).
[4] Vgl. Schruff (2003:901).
[5] Vgl. Müller (2004:211).
[6] Vgl. Schruff/Gärtner (2007:175).
[7] Vgl. Schruff (2003:901).
[8] Vgl. Schruff/Gärtner (2007:175).
[9] Vgl. Schruff/Gärtner (2007:175).
[10] Vgl. hierzu Gröhs, Pressemitteilung Deloitte & Touche, Österreich, auf www.pressetext.at: Anhang 1.
[11] Vgl. hierzu IDW PS 210 Tz.8 und 12.
[12] Vgl. Knabe et al (2004:1057).
[13] Vgl. Zünd (1992:371).
[14] Vgl. Schruff (2003:901).
[15] Für eine ausführliche Beschreibung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften sei auf §267 HGB verwiesen.
[16] Vgl. § 316 Abs. 2 S. 1 HGB.
[17] Adler/Düring/Schmaltz (2000) §317 Rn. 22.
[18] Vgl. Terlinde (2005:58).
[19] Neben einer Informations- und Beglaubigungsfunktion. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2000) §316 Rn. 16.
[20] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2000) §316 Rn. 18.
[21] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2000) §317 Rn. 21.
[22] Vgl. Terlinde (2005:60).
[23] Die Polizei bedient sich bei der Zuordnung von Straftaten zur Wirtschaftskriminalität des Katalogs des § 74c Abs. 1 Nr. 1-6b Gerichtsverfassungsgesetz. Darunter fallen u.a. Verstöße gegen das Patentrecht, das Kreditwesengesetz, das Steuer- und Zollrecht oder auch Subventionsbetrug. Vgl. hierzu BKA (2007:1) oder auch Brinkmann (2005:243).
[24] Vgl. hierzu u.a. Peemöller/Hofmann (2005:20), Sell (1999:3) oder auch Borcherding/Kleen (2005:166).
[25] Vgl. hierzu u.a. Terlinde (2008:58), Hauser (2000:31) oder auch Scheffler (2005:191).
[26] Vgl. hierzu Abschnitt 3.2 dieser Arbeit.
[27] Vgl. Peemöller/Hofmann (2005:27).
[28] Das IDW verwendet die englische Übersetzung für die Begriffe „Unrichtigkeiten“ und „Verstöße“ („Fraud“ und „Error“) lediglich in einer schematischen Darstellung der Unregelmäßigkeiten, nicht aber im Text, vgl. IDW PS 210 Tz. 7, Abb. 1.
[29] Vgl. IDW PS 210 Tz. 1.
[30] Vgl. Sell (1999:2).
[31] Vgl. hierzu u.a. Terlinde (2005:1) und Sell (1999:2).
[32] Vgl. Peemöller/Hofmann (2005:138).
[33] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:453).
[34] Vgl. hierzu u.a. Terlinde (2005:1), Kümpel/Kohlhoff (2007:109) oder auch Bernard/Bieta (2007:47).
[35] Vgl. Kümpel/Kohlhoff (2007:109).
[36] Vgl. Duden, Fremdwörterbuch (2006:196).
[37] Vgl. IDW PS 210 Tz. 1.
[38] Vgl. IDW PS 210 Tz. 7.
[39] Vgl. Schindler (2007:88).
[40] Vgl. IDW (2006).
[41] Vgl. Schindler (2007:89).
[42] Vgl. Sell (1999:41).
[43] Vgl. Sell (1999:41).
[44] Vgl. www.acfe.de: Anhang 2.
[45] Vgl. BKA (2007:5).
[46] Vgl. hierzu Abschnitt 3.2 und 3.2.2 dieser Arbeit.
[47] Dieser Themenbereich soll in Abschnitt 4.2 ausführlich betrachtet werden.
[48] Vgl. BKA (2007:4).
[49] Vgl. hierzu John, Pressemitteilung KPMG auf www.kpmg.de: Anhang 3.
[50] Die Studie von PwC umfasst alle aufgedeckten Straftaten in befragten Unternehmen, auch solche, die aus verschiedensten Gründen (z.B. drohendem Reputationsverlust) nicht zur Anzeige gebracht wurden und ist dadurch umfassender als die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts, vgl. PwC (2007:3).
[51] Vgl. PwC (2007:12).
[52] Vgl. PwC (2007:3).
[53] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:451) und PwC (2007:18).
[54] Vgl. Peemöller/Hofmann (2005:42).
[55] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:451).
[56] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:451).
[57] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:451).
[58] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:451 f.).
[59] Vgl. www.welt.de: Anhang 4.
[60] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:453 f.).
[61] Vgl. Hofmann (2007:78).
[62] Der angelsächsische Begriff „Restatement“ bezeichnet nachträgliche Korrekturen mit Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des betroffenen Unternehmens.
[63] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:453).
[64] Vgl. Ballwieser/Dobler (2003:453 f.).
[65] Vgl. Hofmann (2008:47).
[66] Vgl. PwC (2007:21).
[67] Unterschlagung und Betrug machten 2007 in Deutschland fast ein Drittel aller aufgedeckten, wirtschaftskriminellen Handlungen aus. Vgl. PwC (2007:11).
[68] Vgl. Hauser (2000:42).
[69] Vgl. hierzu und zur folgenden Kategorisierung Sell (1999:22).
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- Christian Schulz (Author), 2008, Fraud in der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung. Möglichkeiten und Grenzen der Aufdeckung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116908