Die Arbeit behandelt das Phänomen des Populismus an der Macht. Bezugspunkt sind die Entwicklungen in Italien und die Erfahrungen mit den M5S und der Lega vor und nach den Wahlen im Jahr 2018. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Forschungsfrage, ob und inwieweit die Lega und die M5S ihre Kommunikationsstrategien, Praktiken und politischen Agenden im Verlauf des Wahlkampfs und in der Folge in der Koalitionsregierung verändert haben.
Die zentrale These der Arbeit lautet, dass beide Parteien, trotz ihrer Rolle als Regierungsparteien, ihre tragenden, sie wesentlich kennzeichnenden Kommunikationsstrategien keiner Veränderung unterzogen haben. Allerdings sind prozessuale, divergierende Entwicklungen zwischen M5S und Lega aufgetreten, und zwar hinsichtlich politischer Inhalte und Themen.
Methodisch ist die Arbeit als Analyse qualitativ-interpretative Fallstudie angelegt, durchgeführt entsprechend als qualitative Inhaltsanalyse, d.h. Analyse des politischen Diskurses. Trotz zahlreicher und vielfältiger Erfahrungen in Europa, den USA und auch in Südamerika haben wir es mit einem wenig entwickelten Kenntnisstand hinsichtlich der Rolle sowie des Anpassungs- und Veränderungspotentials populistischer Parteien an der Macht zu tun. Das heißt, man weiß bisher noch recht wenig darüber, wie sich populistische Parteien entwickeln, wenn sie in Regierungspositionen gelangt sind. Diese Studie versteht sich daher als ein weiterführender, sozialwissenschaftlicher Beitrag zum Verständnis von Populisten in Macht und damit politischen und Veränderungsfunktionen.
Inhalt
Einführung
1 Populismus – ein theoretischer Überblick über die Entwicklung eines strittigen Konzepts
1.1 Populismus: die akademische Diskussion
1.2 Eine Minimaldefinition: Populismus als „thin centered ideology“
1.3 Arten, Formen und Qualität des Populismus
1.4 Populisten an der Macht
2 Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und radikale rechte Parteien
2.1 Der Rechtspopulismus: Definitionsprobleme
2.2 Die neue (radikale) Rechte und der Rechtsextremismus: Änhnlichkeiten und Unterschiede
2.3 Die verschiedenen Vorstellungen von der (populistischen) radikalen Rechten
2.4 M5S: populistisch Ja, aber in welcher Form?
3 Populismus in Italien: politische Lage und akademische Diskussion. Ein Überblick
3.1 Das Parteiensystem in Italien von 1987 bis heute
3.2 Italien als “Laboratorio del Populismo”
3.3 Der Fall Berlusconi: ein italienischer Populist
4 Gegenstand, Forschungsfrage und Methodologie der Forschung
4.1 Die M5S: Geschichte, Organisation und politische Agenda
4.1.1 Die politische Organisation der M5S
4.1.2 Die politische Agenda der M5S
4.2 Lega (Nord): Geschichte, Organisation und politische Agenda
4.3 Thesen und Hypothesen
4.4 Forschungsdesign und Analysemodell
5 Vor den Wahlen 2018: Die Kommunikationsstrategie und die Programmatik der M5S und Luigi di Maio
5.1 Zwischen Protest und Regierungsambitionen: der Wahlkampf 2018 der M5S
5.1.1 La Casta: die alten politischen Eliten
5.1.2 Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Politik: Berlusconi, Boschi und Renzi
5.1.3 Die Medien: mit der Politik quasi Hand im Hand
5.2 Das institutionelle Gesicht der Bewegung: der Kommunkationsstil von Luigi di Maio
5.3 Das Programm der M5S: Sowohl Links- als auch Rechtsorientierung
6 Vor den Wahlen 2018: Die Kommunikationsstrategie und die Programmatik der Lega und von Matteo Salvini
6.1 Die Lega und Salvini: eine symbiotische (populistische) Kommunikationsstrategie
6.2 Ein Wahlkampf mit vielen Feinden
6.3 Die Programmatik der Lega: eine rechtsradikale Agenda
7 Die Ergebnisse der Wahlen 2018: Die Populisten an der Macht
7.1 Analyse der Wahlergebnisse 2018
7.2 Die Regierung der Veränderung: der Koalitionvertrag zwischen Lega und M5S
7.3 Ein Populismus des Regierens
7.4 Die Lega (wieder) an der Macht
8 Populisten an der Macht: sechs Monate nach der Konstituierung der Regierung
8.1 Decreti Salvini: Der rechtsradikale Kampf gegen MigrantInnen und NGOs
8.2 Sicherheitsthema: „La difesa è sempre legittima“
8.3 La pace fiscale: Ruhe an der Steuerfront
8.4 Reddito di Cittadinanza: Eine sozialpolitische Agenda gegen Armut und sozialen Ausschluß
Schlußbetrachtung
Literatur und Quellen
Anhang
Tabellen und Abbildungen
Tab.1: Rechtsextreme und populistische Parteien im Vergleich
Tab.2: Verschiedene politische Einflüsse innerhalb der Programmatik der M5S (Beispiele)
Tab.3: Abschnitte der Schlußrede von Matteo Salvini in Rom: Die Konstruktion der Gegner
Tab.4: Wählerwanderung 2013-2018- bezogen auf den PD, die M5S, Lega und FI
Tab.5: Prozentuale Anteile der abgegebenen Stimmen für M5S, PD und Lega nach Bildungsniveau und Beruf
Tab.6: Der Koalitionsvertrag zwischen Lega und M5S im Vergleich mit der Programmatik vor den Wahlen 2018
Tab.7: Politische Initiativen von Innenminister Salvini (06.2018-12.2018)
Tab.8: Zusammenfassung der politischen Initiativen der italienischen Regierung von Juni bis Dezember 2018
Abb.1: Entwicklung der Mitte-Rechtspartein und Koalitionen in Italien, 1987-2018
Abb.2: Entwicklung der Mitte-Linkspartein und Koalitionen in Italien, 1987-2018
Abb.3: Vertrauen der ItalienerInnen gegenüber den Institutionen
Abb.4: Aggressivitäts-, Lügen- und Feindseligkeitsindex des Wahlkampfes 2018 in Italien
Abb.5: Offizielle digitale Plakate der M5S gegen Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni
Abb.6: Offizielle digitale Plakate der M5S zum Thema Rente/Fornero-Reform
Abb.7: Berlusconi der unwählbar Politiker
Abb.8: Berlusconi und Maroni (Lega Nord)
Abb.9: Offizielle digitale Plakate der M5S gegen Boschi und Renzi (PD)
Abb.10: Die Anti-Inciucio Propaganda der M5S
Abb.11: Journalisten: Zielscheiben der M5S-Propaganda
Abb.12: Entwicklung der Lega-(Nord)-Logo von 1984 bis 2017
Abb.13: Matteo Salvini auf dem Wahlkampfplakat mit dem Slogan „Prima gli italiani“
Abb.14: Stop invasione: Anti-MigrantInnen Propaganda
Abb.15: Die “Legittima difesa” und das Thema Justiz
Abb.16: Vinci-Salvini: das Spiel des Wahlkampfes
Abb.17: Matteo Salvini und die religiösen Symbole im Wahlkampf 2018
Abb.18: Das Wahlprogramm der Lega, 2018
Abb.19: Vertrauen der ItalienerInnen in die Institutionen (2002-2018)
Abb.20: Die M5S-Propaganda für die Regierung der Veränderung
Abb.21: Online-Plakate der M5S nach der Gründung der neue Regierung in Italien (2018)
Abb.22: Luigi di Maio und das Verhaltnis zum Volk
Abb.23: Die Propaganda der M5S gegen die „grauen“ Bürokraten in Brüssel und die Casta
Abb.24:Zufriedenheit der BürgerInnen mit der Regierung sechs Monate nach ihrer Konstituierung
Abb.25: Salvini auf Twitter: Die Anti-MigrantInnen-Propaganda des Innenministers
Abb.26: Wahlumfragen von März 2018 bis Januar 2019 in Prozent
Abb.27: Wer ist der wahre Führer der Regierung (in Prozent nach politischer Orientierung und als Gesamtbewertung)?
Abb.28: Slogan der M5S: Wir haben die Armut abgeschafft!
Einführung
Das Phänomen des Populismus ist nicht neu (vgl. Ionescu und Gellner, 1969). Populistische Parteien und Bewegungen sind schon seit Langem in verschiedenen EU-Ländern, in West- sowie in Ost-Europa, eine Realität (vgl. Albertazzi und McDonnel, 2008, 2015; Anselmi, Blokker und Urbinati, 2018; Frölich-Steffen und Rensmann, 2005).
Zumeist sind diese Bewegungen oder Parteien rechts orientiert, und aus diesem Grund werden sie im politischen, journalistischen und teilweise auch im akademischen Diskurs als „rechtspopulistisch“, „nationalpopulistisch“ oder „rechtsradikal“ charakterisiert. Darunter fallen zum Beispiel die Lega Nord (LN) in Italien – heute nur Lega – der Front National (FN) in Frankreich, die FPÖ in Österreich, die Alternative für Deutschland (AfD) in Deutschland, die UKIP in Großbritannien, die Fidez-Partei in Ungarn und so weiter. Andere populistische Bewegungen oder Parteien, die weder als rechts- nationalpopulistisch oder rechtsradikal bezeichnet werden können, sind zum Beispiel die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) in Italien, Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien, die als „linkspopulistisch“ (vgl. Mouffe, 2018) beschrieben werden können. Diese politischen Entwicklungen wurden oft als marginal, episodisch oder als ein Produkt des Protestes betrachtet und im Resultat als regierungsunfähig angesehen (vgl. Canovan, 1999; Meny and Surel, 2002; Heinisch, 2003; Taggart, 2004). Die letzten Jahre haben hingegen gezeigt, dass diese Parteien und Bewegungen einen beträchtlichen Zuspruch erfahren haben und, dass sie in manchen Fällen, Teil einer Regierung geworden sind, wie in Österreich, in Ungarn oder seit einigen Monaten in Italien oder in Spanien.
Der Zuspruch, den diese Parteien und Bewegungen erfahren, muss analysiert und interpretiert werden; denn sie sind nicht nur Oppositionsparteien, sondern seit Jahren auch Regierungsparteien in verschiedenen wichtigen Ländern (vgl. Albertazzi und McDonnel, 2008, 2015; Anselmi, Blokker und Urbinati, 2018). Das Beispiel Italiens ist deshalb interessant und relevant, da es das erste große ökonomisch und industriell wichtige Land in Europa ist, in dem eine selbst-proklamierte populistische Bewegung – die M5S – und eine rechtspopulistische bzw. rechtsradikale Partei – die Lega – gemeinsam an die Macht gekommen sind. Laut Tarchi (2015) ist Italien das „promised land of populisms“, ein Laboratorium des Populismus, wofür die lange politische Erfahrung von Silvio Berlusconi, zum Beispiel, eine interessante Vorbedingung ist. Aber diese Erfahrung ist, auch unter Bezug auf einige Autoren, wie z.B. Urbinati (2018), im Hinblick auf die aktuelle politische Situation in Italien zu betrachten beziehungsweise auch zu differenzieren. Silvio Berlusconi kann als eine populistische Figur bezeichnet werden; er war in seinem Kommunikationsstil ein reiner Populist, ebenso wie Margaret Thatcher, so Chantal Mouffe (2018). Die Regierungen Silvio Berlusconi´s waren zwar wesentlich auch von Elementen populistischer Rhetorik geprägt. Jedoch seine Bewegung, Forza Italia, nun eine alte Partei, die nach wie vor auf die Person Berlusconis bezogen agiert, rekrutierte sich von Beginn an aus ökonomischen Eliten, die Teil des Systems selbst waren. Berlusconi wollte das demokratische System nicht im Sinne des „Volkes“ reformieren, sondern er wollte seine eigenen Interessen schützen, insbesondere die Interessen seiner eigenen Unternehmen und Firmen. Aus diesem Grund wird im italienischen Diskurs oft der Begriff „populismo imprenditoriale“ – unternemerischer Populismus – verwendet.
Im Jahr 2018 haben sich, mit einer großen Mehrheit von 55,6% der gesamten Sitze des italienischen Parlaments, zwei Parteien etabliert, die sich explixit als Anti-System verstehen und darstellen. Die europäischen Institutionen, die etablierten Parteien, von links bis rechts, in den verschiedenen europäischen Ländern, die nationalen sowie die internationalen Medien beobachten sie mit Aufmerksamkeit. Beide etablierten Parteien haben mehrere Kampflinien ereöffnet, und sie haben offiziell kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit anderen Parteien im Europäischen Parlament, ebenso wie im nationalen Parlament. Insbesondere die nationalen Parteien werden als „Casta“ – eine parasitäre Elite – charakterisiert. Berlusconi selbst ist, zum Beispiel, für die M5S ein Gegner und der Prototyp der Korruption1, obwohl er schon seit dem Jahr 2011 keine öffentlichen Funktionen in der italienischen Politik ausübte2. Es muss künftig beurteilt werden, ob die beiden Parteien an der Macht die liberale und repräsentative Demokratie herausfordern und verändern können, wie Anselmi, Blokker und Urbinati (2018) sowie Diamanti und Lazar (2018) es erwarten, oder ob sie nur eine politische Episode sind, die bald beendet sein dürfte.
Mit dieser Arbeit möchte ich die Rolle der M5S und der Lega in Bezug auf das Konzept des „Populismus“, und dann als Regierungsparteien, analysieren. Es wird eine qualitativ interpretative Inhalts- und politische Diskursanalyse (vgl. Kap. 4 ) angewandt, die das Auftreten der M5S und der Lega, vor und nach den Wahlen 2018, untersucht. Um die populistischen und rechtsradikalen Elemente zu verdeutlichen werden Plakate der Lega und der M5S im Wahlkampf 2018 ( Januar und Februar) sowie die Reden von Luigi di Maio und Matteo Salvini evaluiert. Hierfür werden die ersten sechs Monate (von Juni bis Dezember 2018) der Regierungserfahrung der Lega und der M5S untersucht, um zu analysieren, ob die Populisten an der Macht sich inhaltlich und agitatorisch verändert haben. Die folgenden Zeiträume werden betrachtet:
(1) vor den Wahlen 2018, und zwar von Januar bis Ende Februar 2018 und
(2) nach den Wahlen 2018, von Juni bis Ende Dezember 2018.
Die Begrenzung der Untersuchung auf diese Zeiträume erfolgt aus zwei Gründen. Zum einen haben sich die italienischen Forschungsinstitute und demoskopischen Analysen zu allererst bezogen auf die ersten sechs Monate der Regierungsarbeit von Lega und M5S. Zum anderen begannen im Januar des Jahres 2019 die Vorbereitungen auf den EU-Wahlkampf Ende Mai desselben Jahres. Das heißt, dass die politischen Entwicklungen und Auseinandersetzungen, aufgrund des Wahlkampfs, begannen sich zuzuspitzen.
Die vorliegende Arbeit besteht im ersten Schritt aus einem theoretischen Teil, im zweiten Schritt aus einer empirischen Analyse. Zunächst wird die theoretische Diskussion hinsichtlich des politischen Phänomens „Populismus“ behandelt und es werden die vielfältigen Definitionen von Populismus mit Hilfe dreier Forschungslinien gefaßt und vorgestellt (vgl. Kap. 1). Es folgt eine kritische Diskussion der Fachtermini „Rechtspopulismus“ und „Rechtsradikalismus“ (vgl. Kap.2), gefolgt von einem kurzen historischen Überblick über die Geschichte Italiens, um diese besser verständlich zu machen. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Veränderung des italienischen politischen Systems seit Anfang der 90er Jahre (vgl. Kap.3). Im Weiteren werden die Fragestellung, die Hypothesen und die These dieser Arbeit vorgestellt sowie das forschungsmethodologische Vorgehen. Sodann wird das angewandte Analysemodell dargestellt, und es werden die hierauf aufbauenden, Aussagemöglichkeiten der Arbeit in ihren Grenzen entsprechend behandelt (vgl. Kap.4). In einem weiteren Schritt werden die Ergebnisse der empirischen Analyse dargestellt (vgl. Kap. 5 bis 8), und die beiden mehrheitlich gewählten Parteien (Lega und M5S) fungieren als Gegenstand der Fallanalysen. Schließlich werden die Inhalts- und politischen Diskursanalysen beider Fälle bezogen auf die verschiedenen Untersuchungszeiträume und Ergebnisse verglichen. Entsprechende Schlußfolgerungen werden entwickelt und diskutiert und offene Fragen werden als Impuls für weitere Untersuchungen präsentiert.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zu leisten, zur Analyse der Rolle von Populisten an der Macht, und wie sie sich beispielsweise vor und nach den Wahlen in ihren Kommunikationsstrategien und politischen Agenden verändert haben. Ob populistische Parteien regierungsfähig sind, ist eine offene und umstrittene Frage. Es soll versucht werden, diese Frage zu beantworten. Das italienische Beispiel bietet eine interessante und aktuelle Möglichkeit, Populisten an der Macht kritisch zu untersuchen und dies im Rahmen der Politikwissenschaft und der Politischen Soziologie zu diskutieren. Ein solches Vorgehen ist bisher noch nicht breit etabliert und insofern ist es möglich, hier zu versuchen, einen innovativen Beitrag zu leisten.
1 Populismus – ein theoretischer Überblick über die Entwicklung eines strittigen Konzepts
Die akademische Diskussion zum Thema „Populismus“ hat eine lange und kontroverse Geschichte (vgl. Berlin, 1968; Canovan, 1981; 1999, 2002; Decker und Lewandowski, 2017; Diamanti und Lazar, 2018; Gerghina, Miscoiu und Soare, 2013; Gidron und Bonikowski, 2013; Kazin, 1998; Ionescu und Gellner, 1969; Weyland, 2001; Mény und Surel, 2002; Mudde, 2002, 2004; Müller, 2011, 2016; Pappas, 2016; Revelli, 2017, 2018, 2019; Rooduijn, 2013; Surel, 2011; Taggart 2000; Tarchi, 2004, 2014; 2018; Urbinati, 1998; 2014, 2018). Der Begriff wurde oft kritisiert: wegen seiner Allgemeinheit und der Schwierigkeit, ihn für empirische Untersuchungen operationalisieren zu können (vgl. Aslanidis, 2015; Pappas, 2016). Schon im Jahr 1969 fragten sich Ionescu und Gellner, die einen der wichtigsten Beiträge zum Thema geleistet haben:
(…) there can, at present, be no doubt about the importance of populism. But no one is quite clear just what it is. It bobs up everywhere, but in many and contradictory shapes. Does it have any underlying unity, or does one name cover a multitude of unconnected tendencies? (…) (Ionescu und Gellner, 1969:1).
Diese Frage ist nach wie vor aktuell und wartet noch auf eine Antwort. Die Entwicklung der Diskussionen und Analysen in den letzten Jahrzehnten – theoretische sowie empirische – zeigte, dass das Phänomen in seiner Komplexität sehr weit gefächert ist. Daher wird zu Beginn versucht, die theoretische Diskussion zum Thema „Popuslismus“ darzulegen und zu erläutern, um zu klären, welche Vergleichbarkeiten, aber auch Unterschiede hinsichtlich der vielfältigen Definitionen, Perspektiven und auch empirischen Studien im Laufe der Jahrzehnte entwickelt wurden.
Die Substanz dieser bisher vorliegenden Arbeiten kann bezogen auf drei Forschungslinien beschrieben und interpretiert werden: Die erste Forschungslinie ist fokussiert auf die Definitionen des Populismus. Die zweite Forschungslinie bezieht sich auf die vielfältigen Formen des Populismus und die letzte Forschungslinie, die hier vorgestellt wird, richtet sich auf die Erfahrungen der populistischen Bewegungen beziehungsweise Parteien an der Macht und in Machtfunktionen.
1.1 Populismus: die akademische Diskussion
Der Begriff „Populismus“, ebenso wie auch das politische Phänomen, ist nicht neu. In der Tat spricht man schon seit Jahrzehnten von Populismus hinsichtlich vielfältiger politischer und sozialer Erfahrungen in verschiedenen Ländern und zeitlichen Perioden3. Beispielsweise gab es in Russland schon im späten 19. Jahrhundert unter dem Namen Narodniki 4 eine populistische Bewegung. Auch wurde eine populistische Partei zeitgleich in den USA gegründet (vgl. Diamanti und Lazar, 2018; Eatwell und Goodwin, 2018; Judis, 2016). Eine Reihe populistischer Bewegungen bildete sich aber auch in Lateinamerika zwischen den 30er und den 70er Jahren: Batista auf Kuba, Peron in Argentinien oder Alvarado in Peru (vgl. Zanatta, 2004). Diese Bewegungen umgreifen natürlich nicht vergleichbare politische und soziale Ausgangsbedingungen. Was heute als „populistisch“ bezeichnet wird, hat daher andere Bedeutungsgehalte und Wirkungen. Die akademische Diskussion hinsichtlich des Populismus hat, wie bereits angeführt, eine lange, komplexe und kontroverse Geschichte (vgl. Bonikowski und Gidron, 2013). Im Jahr 1967 sprach Isaiah Berlin von einem „Cinderella Complex“: Es gibt einen Schuh, sagte er – die Form des Populismus – aber keinen passenden Fuß – und zwar keine hinreichende Definition. Insofern haben in den letzen Jahrzehnten etliche AutorInnen versucht zu identifizieren, was Populismus bedeutet kann, und versucht, ihn in verschiedene Begrifflichkeiten zu gießen und entsprechend zu systematisieren.
Peter Wiles (1969) zum Beispiel stellte eine Liste von 24 Merkmalen des Konzepts auf, das analytisch hilfreich, aber empirisch zu schwierig zu implementieren war, um einen adäquaten analytischen Rahmen für die empirische Umsetzung des Phänomens bereit zu stellen.
Seitdem wurden etliche Definitionen des Populismus entwickelt und diskutiert (vgl. Ionescu and Gellner, 1969; McKenna, 1974; Canonvan, 1981; 2002; McMath, 1992; Mény and Surel, 2002; Mudde 2002, 2004, 2007; Albertazzi und McDonnel, 2008, 2015; Müller, 2011, 2014, 2016; Moffitt und Tormey, 2013; Moffitt, 2016).
Diese akademischen Kraftanstrengungen geben vor, was in dieser Arbeit als erste Forschungslinie zum Thema Populismus bezeichnet wird: den Versuch eine akzeptable und hinreichende Definition dieses Phänomens zu entwickeln. Jedoch sind Autoren wie John B. Judis (2016) und Chantal Mouffe (2018) der Meinung, dass die akademische Diskussion hinsichtlich einer grundlegenden Begrifflichkeit von Populismus fruchtlos und nicht tragbar ist. Die belgische Politikwissentschalflerin kritisiert speziell die jahrelange Diskussion, die sich auf eine gemeinsame, substantielle Definition von Populismus bezieht. Laut Mouffe ist vielmehr die politische Realität zu analysieren und eine politische Antwort auf ein Phänomen zu finden, das schon seit Jahrzehnten existiert. Ihre Annäherung knüpft an Machiavelli an: In der Konjunktur agieren, anstatt über die Konjunktur zu reden (vgl. Mouffe, 2018:3). Für Judis (2016:13) hingegen ist der Versuch, den Populismus begrifflich zu fassen, ein Fehler: „(…) [w]hen political scientists write about Populism, they often begin by trying to define it, as if it were a scientific term like entropy or photosynthesis. That’s a mistake”. Diamanti und Lazar (2018) schreiben, dass es für manchen Autoren in den Sozialwissenschaften besser angeraten wäre, Populismus als Begriff nicht zu verwenden. Es sei mit ihm zu schwierig ist, eine gemeinsame und getragene Herangehensweise zu implementieren. Das wäre aber laut beider Autoren eine extrem einfache und daher inakzeptable Lösung, denn in diesem Fall sollten dann auch alle anderen politischen Substantive abgelehnt werden: Sozialismus, Kommunismus, Faschismus, Totalitarismus und auch Demokratie (Diamanti und Lazar, 2018:15)5.
Trotz dieser weit gestecken Unterschiedlichkeiten ist die theoretische Diskussion, d.h., die auf den Populismus bezogenen Überlegungen, fruchtbar gewesen. Dank dieser jahrelangen Diskussion wurden viele neue Erkenntnisse zusammengetragen und einer theoretischen Weiterentwicklung zugeführt. Dies war jedoch nicht der einzige Schritt, den die Sozialwissenschaften eingeschlagen haben. Gleichzeitig wurden im Laufe der Zeit mehrere empirische Studien durchgeführt, um das Phänomen in der Konjunktur – um an Mouffe anzuknüpfen – zu identifizieren und in verschiedenen Studienfeldern zu erforschen (vgl. Pappas, 2016): in verschiedenen Ländern , in der Politikwissentschaft sowie in der politischen Soziologie oder in der Kommunikationswissenschaft.
Die Interpretationen des Phänomenes „Populismus“ sind weit gesteckt und umstritten, da sie aus unterschiedliche Feldforschungen, Dizisplinen und politischen Vorstellungen herrühren (vgl. Gerghina, Miscoiu und Soare, 2013; Moffit und Tormey, 2013). Diese Konstellation, bestehend aus Erfahrungen, Studien, Analysen und theoretischen Diskussionen, repräsentiert gleichzeitig die Stärke und Schwäche der akademischen Diskussion zum Populismus: Das Konzept, wie von Marco Revelli (2019) herausgearbeitet, hat zu viele Bedeutungen:
Populismus bleibt ein schwammiges Konzept, ambivalent, polysemantisch und viel zu allgemein und ungewiss, um die große Zahl der Objekte und Subjekte zu umgreifen: ein Signifikant mit zu vielen Signifikanten [vgl. Begriffe der Semiotik F.Q. ], ein catch-all-word. Etwa wie der Begriff Demokratie, der über eine weitgreifende und ökumenische Schutzhülle verfugt, und eine Vielzahl von Beispielen, Erfahrungen und Modellen zusammenfasst, die oft gegenläufig sind6 (Revelli, 2019:7).
Die Vieldeutigkeit des Konzepts Populismus ist auch durch den medialen und politischen Diskurs sehr stark beinflußt. Häufig ist das Konzept eher als Angriff auf jemanden genutzt worden, anstelle einer analytischen Kategorie (vgl. Eatwell und Gooding, 2018; Revelli, 2019; Tarchi, 2018; Urbinati, 2018). Der französiche Politologe Jean Leca hat diese Praxis ironisch so beschrieben:
[q]uand je suis d‘accord avec les opinions ‘raisonnables’ du peuple, celles-ci sont populaires. Quand je ne suis pas d’accord, elles sont populistes et je tiens qu’elles lui sont inculquées par de mauvais bergers (Leca, 2012:86).
Dies jedoch wirft die Frage auf: Was ist Populismus? Einige Autoren beschreiben Populismus entsprechend seiner Praxis als politischen Opportunismus oder als ein demagogisches Verhältnis (vgl. Taggart, 2004). Andere Autoren sehen, um es hier einmal aufzulisten, in dem Begriff „Populismus“ eher einen politischen und kommunikativen Stil (vgl. Kazin, 1995; Taguieff, 2002; Moffitt, 2016), eine politische Logik (vgl. Judis, 2016; Carreira da Silva und Brito Vieira, 2018), einen Diskurs beziehungsweise einen diskursiven Rahmen (vgl. Aslanidis, 2015; Caini und Della Porta, 2011; Laclau, 1977, 1980, 2005; Mouffe 2018), eine politische Reaktion in Zeiten der Krise, wie für Judis (2016); Diamanti und Lazar (2018) oder Taggart selbst (2000:5), der den Populismus als eine „episodic, anti-political, empty-hearted, chamaleontic celebration of the hearthland in the face of crisis“ beschrieben hat; eine Qualität der Politik (vgl. Finchelstein, 2017) oder – schließlich – eine Ideologie (vgl. Ionescu und Geller, 1969; Wiles, 1969; Canovan, 1999, 2002; Mény und Surel, 2002; Mudde, 2004, 2007; Albertazzi und Mcdonnels, 2008; Eatwell und Goodwin, 2018). Eine einzige Antwort auf die Frage‚ was Populismus ist, gibt es also nicht; die Diskussion ist und bleibt sehr weit gesteckt. Wenn es aber keine abschließende und weitgehend akzeptierte Definition dessen, was Populismus ist, gibt, wie können dann Studien oder Analysen hinsichtlich dieses Themas umgesetzt werden? Macht es dann überhaupt Sinn, die aktuellen politischen Phänomene mit dem Konzept Populismus zu analysieren?
1.2 Eine Minimaldefinition: Populismus als „thin-centered ideology“
Wie bereits ausgeführt, ist die große Zahl der Definitionen dessen, was Populismus ist, weit und kontrovers gefaßt. Jedoch bedeutet das nicht, dass es überhaupt keine tragende Idee, die für eine empirisch basierte Arbeit fruchtbar gemacht werden kann, gibt. Man spricht dann im Weiteren von einer Minimaldefinition des Populismus (vgl. Gerring, 2001; Rooduijn 2013): Das heisst, einer Definition, die die Kernelemente des Phänomens umfasst, und die es erlaubt, in der theoretischen Begrifflichkeit sowie der empirischen Umsetzung, eine Partei beziehungsweise eine Bewegung als „populistisch“ zu bezeichnen, und dies ohne die politische, ethische oder moralische Verurteilung, die das Konzept des „Populismus“ immer wieder hervorruft (vgl. Diamanti und Lazar, 2018; Eatwell und Goodwin, 2018; Revelli, 2019). Dies verweist insbesondere auf die mediale und politische Diskussion, die mit dem Konzept immer wieder neu assoziiert wird, um spezifische politische Haltungen im negativen Sinne nachvollziebar zu machen. Die aktuellste und bekannteste Minimaldefinition des „Populismus“, die – trotz epistemologischer Kritiken – auch in der Forschung am häufigsten benutzt wurde, insbesondere in den Politikwissenschaften, ist die von Cas Mudde (2004) vorgeschlagene Definition als „thin-centered ideology“7. Laut Mudde ist Populismus eine (…) thin-centered ideology that considers society to be ultimately separated into two homogenous and antagonistic groups, ‘the pure people’ versus ‘the corrupt elite,’ and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people (Mudde, 2004:543).
Die zentralen Merkmale des Populismus belaufen sich entsprechend dieser Definition auf lediglich zwei: Erstens die Idealisierung des Volkes, das als eine homogene, ungetrübte und unschuldige Entität interpretiert wird, und zweitens auf das Vorhandensein einer Bedrohung, die von Jemandem, gegen das Volk gerichtet wird . Die Bedrohung des idealisierten Volkes erfolgt, von oben (den Eliten) oder/und von außen (MigrantInnen, internationale Institutionen, der globalen Finanzindustrie und so weiter...). In dieser Bedrohung des idealisierten Volkes wird die Kulmination der Ungerechtigkeit verortet.
Hiermit wird die Existenz einer Ideologie unterstrichen, die die Parteien und Bewegungen, die sie tragen, als populistisch zu bezeichnen ermöglicht, und die auf der Existenz eines permanten Konflikts zwischen diesen beiden Dimensionen fußt. Die Parteien bzw. Bewegungen, die diese Ideologie, im Sinne von Mudde, vertreten, denken, dass sie und nur sie, die legitimen RepräsentantInnen des Allgemeinen Willens sind: Laut Müller (2016) reklamieren sie für sich die Rolle, pars pro toto zu sein. Diese Definition bleibt aufgrund ihrer schmalen analytischen Basis jedoch undeutlich, weil sie keine instrumentellen Voraussetzungen bietet, um die Qualität und inhaltliche Substanz der populistischen Bewegungen bzw. Parteien zu beschreiben.
Aus diesem Grund benötigt diese hier aufgeführte Definition ergänzende, inhaltliche Bestimmungen, beziehungsweise Spezifizierungen, da sonst zum Beispiel jeder, der/die ein/e mehr oder wenige/r stark entwickelte Kritik an den Eliten oder den etablierten Parteien übt, als „populistisch“ bezeichnet werden kann. Nicht alles, was gegen Eliten oder das politische System, beziehungsweise den status quo, gerichtet ist, kann als populistisch bezeichnet werden (vgl. Müller, 2016). Auch kann es nicht als anti-demokratisch oder faschistisch bezeichnet werden, nur weil die aktuellen systemischen (Fehl-)Entwicklungen zu kritisieren sind (vgl. Eatwell und Goodwin, 2018; Urbinati, 2018). Vom daher ist es wichtig, diese Definitionsfindung einzugrenzen, da, wie der italienische Politikwissenschaftler Giovanni Sartori schrieb (2004:786) „(...) to define is first of all to assign limits, to delimit”.
Wenn die vorgeschlagene Begrifflichkeit zu allgemein ist, dann ist ihre empirische Umsetzung kompliziert, kontraproduktiv oder sogar sinnlos. Trotz dieser Schwächen, die hier nicht ignoriert wurden, kann man sagen, dass es, dank der Arbeit von Mudde, eine Minimaldefinition von Populismus gibt, die als Basis theoretischer sowie empirischer Analysen des Populismus und als politisches und soziales Phänomen verwandt werden kann. Nun ist ein weiterer analytischer Schritt notwendig: von welcher Art beziehungsweise welcher Qualität von Populismus wird gesprochen?
1.3 Arten, Formen und Qualität des Populismus
Die zweite Forschungslinie, die hier vorgestellt werden soll, befasst sich mit der Untersuchung der verschiedenen Arten und Formen des Populismus. Dank der Minimaldefinition von Mudde wurde es möglich, die Entwicklungen dieses politischen Phänomens zu untersuchen, zu beschreiben und zu interpretieren. Aus diesem Grund wurden von PolitikwissentschaftlerInnen und SoziologInnen mehrere Fassungen hinsichtlich des Begriff des Populismus vorgeschlagen, die entweder auf der traditionellen politischen Positionierung Links/Rechts oder auf vielfältigen historischen und sozialen Erfahrungen basieren. Daher lassen sich Nationalpopulismus (vgl. Frölich-Steffen und Rensmann, 2005; Mudde, 2004; Eatwell und Goodwin, 2018), Rechtspopulismus (vgl. Betz, 1994; 1996; Decker, 2004; 2013; Eismann, 2002; Judis, 2016), die populistische radikale Rechte (vgl. Mudde, 2007) oder Linkspopulismus (vgl. Laclau, 2005; Lazar, 1997; Mouffe, 2016; Judis, 2016; Solty and Werner, 2016) unterscheiden. Das Phänomen bleibt aber nach wie vor komplex und es ist schwierig, es deutlich einzugrenzen. Autoren wie Eatwell und Goodwin (2018) nutzen zum Beispiel den Begriff „Nationalpopulismus“ eher als ein Synonym für „Rechtspopulismus“, d.h., dass sie ein vollständig neues Verständnis einführen. In der Tat definieren sie zum Beipisel als nationalpopulistisch solche Parteien wie den Front National (FN) in Frankreich oder die Lega Nord in Italien. Andere Autoren hingegen haben diese als rechtspopulistisch beschrieben, wenn nicht als (neue) radikale rechte Parteien (vgl. Minkenberg, 1998, 2011; 2013; Mudde, 2000).
In dieser Forschungslinie spielt das Konzept von Ideologie, das jedoch auch wie das Konzept des Populismus sehr umstritten ist (vgl. Aslanidis, 2015), eine außerordentlich wichtige Rolle. Frühere Definitionen von Populismus waren, entsprechend Frölich-Steffen und Rensmann (2005), vor allem problematisch wegen des Fehlens programmatischer sowie ideologischer Elemente. Um eine Bewegung bzw. eine Partei als „links“ oder „rechts“ zu definieren, benötigt man zu allererst ein generelles Verständnis ihrer ideologischen Substanz.
In der Tat wurden diese Ausprägungen schon von Ionescu und Gellener identifiziert und hervorgehoben (1969), jedoch nicht in eine allgemeine begriffliche Fassung integriert. Jedoch wurde eine solche begriffliche Fassung im Laufe der Zeit entwickelt, insbesondere nach dem Zusammenbruch der politischen Systeme des Sozialismus und der entsprechenden politischen Orientierungen. Ein Grund ist, dass sich mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Länder der monolithische Unterschied zwischen dem klassischen Kontrast der Ideologien von Links/Rechts abgeschwächt hat. Immer häufiger versuchen die populistischen Bewegungen beziehungsweise Parteien sich weder als links oder als rechts zu definieren. Aber trotz dieser Versuche treten politische Charakteristika auf, insbesondere hinsichtlich des Kommunikationsstils sowie der politischen Agenda dieser Parteien. Laut Judis (2016) können zum Beispiel die grundlegenden Unterschiede zwischen Links- und Rechtspopulismus mit dem traditionellen Verständnis, einer sozusagen ideologischen Entsprechung zwischen links/rechts erklärt werden:
[t]he leftwing populists champion the people against an élite or an establishment. Theirs is a vertical politics of the bottom and middle arrayed against the top.” Rechtspopulisten hingegen “champion the people against an elite that they accuse if coddling a third group, which can consist, for instance, of immigrants, Islamists or African American militants (Judis, 2016:15).
Der Rechtspopulismus ist, laut Judis „(...) triadic. It looks upward, but also down upon an out group” (ibid.). Das bedeutet, dass die Rechtspopulisten im Volk Konflikte erzeugen, wie zum Beispiel mit ihrem Angriff auf MigrantInnen oder auf sexuelle Minderheiten. Ein anderer ideologischer Unterschied zwischen Links- und Rechtspopulismus ist die Betonung der ökonomischen und ökologischen Zusammenhänge durch die Linke, während die Rechtspopulisten in einfacher Weise mehr auf kulturelle und identitäre Instanzen orientiert sind:
(…) [b]oth left-wing and right-wing populists promise to give a voice to ordinary people and curb powerful elites who threaten their interests. But whereas the promises of the left-wing populists (…) focus on limiting socio-economic inequalities, right-wing populists stress the need to limit immigration and preserve national identity (…) (Eatwell und Goodwin, 2018:47).8
Die Diskussion hinsichtlich der ideologischen Bestimmungen, wie Terry Eagleton (2010:1) betonte „ (…) for most (...) has something of a pejorative ring to it, evoking as it does a whole array of negative notions from false to fanaticism, mental blockage to mystification (…)” wenn es, als Konzept, nichts anderes beschreibt als "the study or knowledge of ideas" (ibid.). Trotz dieser Schwierigkeiten und terminologischen sowie inhaltlichen Unklarheiten hat die Diskussion hinsichtlich der ideologische Dimension einen wichtigen Beitrag geleistet, neue Fragen gestellt und entsprechende Kritiken möglich gemacht. Die Frage ist nun, ob Populismus selbst als Ideologie zu verstehen ist? Und, wenn ja, welches die Merkmale dieser Ideologie sind.
Die Minimaldefinition von Mudde beinhaltet, Populismus als eine sozusagen schwache Ideologie zu verstehen, die flexibler und aufnahmefähiger als andere Ideologien ist, die als die stärkeren angesehen werden können (vgl. Mudde, 2007). Für Stanley (2008:95) ist dann “populism a ‘thin’ ideology that in practice is to be found in combination with established, ‘full’ ideologies”. Laut Autoren wie Aslanidis (2015) oder Chantal Mouffe (2018) ist aber Populismus nicht als Ideologie zu verstehen, weder als „schwache” noch als „starke”. Aslanidis kritisierte die Definition von Mudde, die von Freeden herrührte. Er konstatiert, dass Freeden’s Klassifizierung nicht hinreichend präzise ist. Alles was nicht als eine sich selbst tragende Ideologie bezeichnet werden kann – wie zum Beispiel Sozialismus oder Liberalismus – wird dann, entsprechend der „morphological analysis of ideologies“ von Freeden als „thin-centered ideology“ vorgestellt. Laut Aslanidis enthält diese Definition analytische Mängel:
(...) almost any political notion can acquire the status of a thin-centered ideology as long as it contains an alleged small number of core concepts that the claimant perceives and being unable to supply a comprehensive package of policy proposals. After all a small set of core attributes is always necessary in order to define something (Aslanidis, 2015:4).
So kann, entsprechend Aslanidis, diese Definition nicht operationalisiert werden, da sie zu breit und allgemein gefasst ist. Dennoch konstatiert Aslanidis, dass die von Mudde vorgeschlagene Definition des Populismus sich gut für empirische Analysen eignen kann, insbesondere für quantitative:
[a]s a matter of fact, most of these researchers rely explicitly or implicitly on the ideological definition provided by Mudde (2004) to choose and operationalize dimensions that they then apply on discursive artifacts. This is not unexpected at all: denotational clarity and operationalizability are probably the strongest aspects of Mudde’s (2004) definition (Aslanidis, 2015:5).
Die Definition der „thin-centered ideology“, die Freeden (1996;1998;2013) skizzierte, betont die dynamische Natur des Konzeptes. So können, entsprechend Freeden, zum Beispiel Nationalismus, Feminismus und Ökologie als thin-centered ideologies identifiziert werden. Jede Ideologie wird, laut Freeden, von einer Dreiebenenstruktur konstituiert: Sie enthält einen Kern, Umgebungen und periphere Konzepte. Das bedeutet, dass eine Ideologie sich im Rahmen eines Kernthemas bewegen kann und durch eher periphere Konzepte qualifiziert wird: Ohne ein Kernthema kann jedoch keine Ideologie existieren. Die theoretischen oder politischen Umgebungen können variieren. Auch ist es möglich, dass inhaltliche Konzepte gar nicht vorhanden sind, aber so lange das Kernthema erhalten bleibt, existiert auch der Zusammenhalt der Ideologie, der auch das Weltbild der Menschen bestimmt:
[i]deologies are grouped around some central ideas through which we can then classify them as liberal, conservative, socialist, anarchist, fascist, feminist, or green, to list some of their major instances. Other ideologies are closely associated with influential religious belief systems. Each of them will have a different take on similar situations and problems (Freeden, 2013/Blog).
Freeden definiert dann eine „thin-centered ideology“ als ein ephemeres Phänomen, das durch eine Gruppierung in verschiedene politische Konzepte, eine geringe interne Integration und einen beschränkten politischen Kern charakterisiert ist (vgl. Stanley, 2008). Ob Populismus selbst als Ideologie verstanden werden kann, bleibt letztlich eine offene und strittige Frage: Welches sind beispielsweise die finalen Zwecke populistischen Agierens? Welches Gesellschaftsbild wird vertreten und welche Gesellschaft soll entwickelt werden? Diese substanziellen Fragen, die in den Kontext Politischer Theorie gehören, können im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden. Es wird hier mit der Minimaldefinition von Mudde gearbeitet, in Kenntnis der Tatsache, dass die Diskussion um das Thema „Ideologie“ keineswegs als abgeschlossen betrachtet werden kann.
1.4 Populisten an der Macht
Die dritte Forschungslinie bezieht sich auf die Beschäftigung mit den Regierungserfahrungen populistischer Parteien und Bewegungen. Diese Forschungslinie ist die neueste und ihr können entsprechend nur wenige Arbeiten zugerechnet werden, wie beispielweise die von Frölich-Steffen und Resmann (2005) sowie Albertazzi und McDonnel (2015). Insofern beziehen sich diese Arbeiten vor allem auf den neuesten Stand der Forschung. Mehrere Autoren (vgl. Canovan 1999; Diamanti und Lazar, 2018; Many und Surel, 2002 und Taggart, 2004) unterstreichen, dass Populisten an der Macht nicht in der Lage sind, ihre Versprechungen zu realisieren. Demzufolge sind sie nicht regierungsfähig und schaffen es nicht, lange an der Macht zu bleiben.
Diese Sichtweise ist aber vor dem Hintergrund der politischen Erfahrungen in Ost- und Westeuropa, in den USA und auch in Lateinamerika teilweise infrage gestellt worden. Müller (2016:41) konstatiert: “The notion that populists in power are bound to fail one way or another is comforting. It’s also an illusion”. Albertazzi und McDonnel (2015:2) schreiben: “the move of populists from periphery to power in Western Europe raises questions (...) also for political scientists”. Die Forschung, die sich mit den Erfahrungen der populistischen Parteien beziehungsweise Bewegungen an der Macht beschäftigt, steht, trotz dieser Entwicklungsprozesse, noch am Anfang. Autoren wie Diamanti und Lazar (2018:9) bleiben, trotz des Erfahrungszunahme von Populisten in Regierungen, skeptisch. Sie führen zum Beispiel aus, dass Populisten die zentrale Macht, in diesem Fall die Regierungsverantwortung, nicht ausfüllen können. Allerdings beinhaltet diese Sichtweise die Schwierigkeit, die empirischen Gegebenheiten wahrzunehmen. Ob Populisten langfristig regieren können, scheint für diese Autoren zu unwahrscheinlich, um diese Möglichkeit zu akzeptieren. Und, so wird ausgeführt, wenn tatsächlich Populisten an die Macht kommen, ist der öffentliche Diskurs auf eine apokalyptische Zukunft ausgerichtet. Dies gelte beispielweise nicht nur für Medienvertreter, PolitikerInnen und KommentatorInnen, sondern auch für WissenschaftlerInnen.
Laut Mounk (2018) sind zum Beispiel die Demokratie und ihre Institutionen in Gefahr geraten. Dies bleibt jedoch lediglich eine Behauptung, die nicht auf empirischen Evidenzen basiert. Eatwell und Goodwin betonen (2018), dass diese Diskussion zumeist von der politischen Sicht der AutorInnen beinflusst ist: „(…) [m]any writers who claim to be impartial also find it hard to avoid being influenced by their own sympathy for liberal and left-wing politics (…)” (2018:XIV). Britische Politikwissenschaftler kritisieren dann diejenigen, die solche Positionen vertreten, da die Analyse des Populismus nicht als Synonym für Faschismus verstanden werden kann,
(…) [T]hey are part of a growing revolt against mainstream politics and liberal values. This challenge to the liberal mainstream is in general not anti-democratic. Rather, national populists are opposed to certain aspects of liberal democracy as it has evolved in the West. Contrary to some of the hysterical reactions that greeted Trump and Brexit, those who support these movements are not fascists who want to tear down our core political institutions (…) most national populist voters want more democracy – more referendums and more empathetic and listening politicians that give more power to the people and less power to established economic and political elites(...) (Eatwell und Goodwin, 2018:XI-XII).
Entsprechend Müller (2015, 2016) werden Populisten die Demokratie nicht abschaffen, sondern sie verändern, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Macht zu rechtfertigen. Populisten benötigen dieses demokratisch-repräsentative System, um ihre eigene Existenz zu begründen und zu garantieren. Für Arditi (2009) beispielweise ist der Populismus ein Symptom der strukturellen Krise des demokratischen Systems: Der demokratischen Politik – die als neoliberale bzw. liberale ideologie beschrieben wird – gelingt es nicht mehr, das Volk in einem normalisierten Raum zu halten und zu kontrollieren. Der Populismus ist dann ein Paradox, das der italienische Politikwissenschaftler Marco Revelli folgendermaßen beschrieben hat:
(...)Populismus wäre dann ein paradoxes Element, das in der Demokratie lebt. Er akzeptiert die formalen Anforderungen (öffentliche Debatte, Wahlbeteiligung oder den unformellen Ausdruck der Allgemeinen Willen) und, gleichzeitig, verhindert er, dass sie [die Demokratie] sich in einem Käfig beschlossener Verfahren, institutioneller Beziehungen und beruhigender Ritualen einsperrt9 (...) (Revelli 2019:16).
Eine interessante Kritik hinsichtlich der Diskussionen zum Zusammenhang von Populismus und Demokratie wurde von Eatwell und Goodwin (2018:XXIX) auch vorgestellt. Laut dieser britischen Politikwissenschaftler ist „(...) the rise of national populism part of a broader challenge to liberalism“. Daher ist der Populismus für viele AutorInnen eher als Bestandteil der demokratischen Gegebenheiten zu interpretieren, anstatt als ein anti-demokratisches Verhalten. Für Canovan (1999) und Müller (2016:20) ist dann der Populismus als ein „permanent shadow of representative democracy“ zu verstehen und eine Antwort auf die Widersprüche des demokratisches Systems selbst:
(…) it is not true that people are giving up on democracy. Large majorities remain supportive of democracy as a system of governing their societies. But many do have strong concerns about how their democracies are functioning and are receptive to a different direct concept of democracy10 (…) (Eatwell und Goodwin, 2018:86).
Die jungste empirische Arbeit zu Populisten an der Macht, die von Albertazzi und McDonnel (2015), bezieht sich sowohl auf alte als auch auf neue Erfahrungen. Dieser Blick auf die Rolle der populistischen Bewegungen und Parteien an der Macht beschreitet daher einen neuen Weg innerhalb dieses Forschungssfeldes und wirft neue Fragen auf. Die vorliegende Arbeit versucht, in Bezug auf diese aktuelle Forschungslinie einen Beitrag zu leisten.
2 Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und radikale rechte Parteien
Die Politikwissenschaft und die Soziologie fokussierten vor allem auf die Erforschung des Rechtspopulismus (vgl. Decker, 2006; 2015; 2018), obwohl es auch Linkspopulismus gegeben hat (z.B. Syriza in Griechland oder Podemos in Spanien). Der Grund hierfür liegt in den politischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte (vgl. Anselmi, Blokker, Urbinati, 2018). In verschiedenen Ländern, in Ost- sowie in Westeuropa, sind neue Parteien und Bewegungen entstanden, die rechtsorientiert sind (vgl. Minkenberg, 2013) und auch Teil einer Regierung waren (z.B. Orban in Ungarn, Lega Nord und Forza Italia in Italien, usw.). Da keine Einigkeit im wissenschaftlichen Diskurs hinsichtlich der Klassifikation dieser Parteien existiert, ist die Entscheidung für die Verwendung von bestimmten Begriffen zwischen AutorInnen unterschiedlich und teilweise auch arbiträr. Es wird hier nicht möglich sein, dieses Problem zu lösen. Jedoch kann entschieden werden, in welche Kategorien die Analysen an dieser Stelle eingeordnet werden.
2.1 Der Rechstpopulismus: Definitionsprobleme
Der Begriff Rechtspopulismus soll eine bestimmte politische Kategorie beziehungsweise politische Familie identifizieren, und darunter auch Bewegungen/Parteien beschreiben, die nicht als rechtsradikal oder rechtsextremistisch definiert werden sollten. Die Verwendung dieser Kategorien ist aber oft unscharf, zum Teil chaotisch und von moralistischen Vorwürfen geprägt (vgl. Eatwell und Goodwin, 2018). Mudde selbst erklärte (2000:13), dass „most definitions of (whatever) populism do not differ that much in content from the definitions of right-wing extremism”. Der FN, die AfD, die Lega (Nord), die FPÖ oder die UKIP sind von mehreren AutorInnen aus verschiedenen Forschungsgebieten, als rechtspopulistische Parteien bzw. Bewegungen definiert worden. Andere haben eher die extremistischen oder radikalen Merkmale betont. Die Frage ist, ob diese Parteien bzw. Bewegungen wirklich so viele Gemeinsamkeiten teilen, dass sie eine Parteienfamilie – im Sinne von Decker (2015) – repräsentieren könnten. Und folglich, ob der Begriff „Rechtspopulismus“ passend ist, um diese Parteienfamilien zu beschreiben. Darüber gibt es in der wissenschaftlichen Diskussion keine Einigung. Laut Decker ist der Rechspopulismus z.B. als analytischer Begriff eine
(...) Sammelbezeichnung für eine seit den 1970er-Jahren neu entstandene Parteienfamilie [...] zwischen den konservativen oder christdemokratischen Mitte-Rechts-Parteien und den Vertretern der extremen (faschistischen oder neonationalsozialistischen) Rechten (...) (Decker, 2015:535-536).
Rechtspopulismus wäre daher ein Begriff, der eine neue Parteienfamilie beschreibt, die die politischen Kräfte sammelt, die etwas radikaler als die Konservativen sind, aber nicht als faschistisch zu verstehen sind.
Parteien wie der FN, die Lega Nord oder die FPÖ gehören zu dieser Gruppierung (vgl. Decker und Lewandowski, 2017).
Demzufolge ist der Begriff „Rechtspopulismus“ die Beschreibung einer neuen analytischen Kategorie, der sich in diesem Kontinuum zwischen Rechtsextremismus/Rechtsradikalismus und Konservatismus– mehr oder weniger – in der Mitte positioniert. Dass es sich jedoch um eine neue Parteienfamilie handelt, die als „Rechspopulismus“ zu bezeichnen ist, wird hingegen von verschiedenen AutorInnen in Frage gestellt. Decker und Lewandowski (2017) selbst erklärten, dass
(...) [b]ei der Untersuchung der europäischen Vertreter wurden auch immer wieder Überschneidungen zwischen Populismus und Extremismus deutlich. Einige Autoren betonen, dass der Populismus supplementäres Merkmal einer radikalen Ideologie sei, es sich also lediglich um einen besonderen Politikstil von Parteien der radikalen Rechten handele. Andere Forscher sehen die populistischen Parteien als eigenständigen Parteientypus (...)
In der Tat unterscheiden sich die Parteien, die unter die Kategorie „Rechspopulismus“ fallen, wie die Lega Nord, die FPÖ oder der FN, sehr voneinander. Die Lega Nord war eine regionalistische und autonomistische Partei – Ethnoregionalist (vgl. Biorcio, 1991) – die interessanterweise eine eher positive Einstellung bezogen auf die Europäische Union hatte, im Gegensatz zu anderen rechtsorientierten Parteien oder Bewegungen. Die Europäische Union wurde als eine Chance gesehen, um die Rolle der Regionen gegen die zentrale Macht des Staates zu stärken und zu rechtfertigen (vgl. Ignazi, 1998; Tarchi, 2018). Unter der Führung von Umberto Bossi, und danach von Roberto Maroni, war die Lega Nord nie eine patriotische oder nationalistische Partei. In der Tat hatte Umberto Bossi die Idee der nationalen Einheit heftig kritisiert und politisch attackiert: Mit beleidigenden Anreden hatte er die Nationalhymne, die italienische Fahne und die Figur des Präsidenten der italienischen Republik als Institution angegriffen11.
Die Lega Nord ist in Italien sowie im Ausland dann als eine anti-patriotische Bewegung bekannt worden, die Italien als Land politisch und ökonomisch spalten wollte, um eine neue politische Einheit, die Padania, zu gründen (vgl. Biorcio, 1991; 1997). Hingegen ist der FN seit seiner Gründung eine nationalistische Partei mit einem klaren autoritären, anti-europäischen und nationalistischen Charakter. Für Mudde (2000) könnte der FN unter Jean-Marie Le Pen als rechtsextreme Partei definiert werden, was für die Lega Nord nicht so selbsverständlich war. Mudde (2000:9) beschreibt die Lega Nord als einen „borderline case“. Der FN war und ist auch eine Partei geblieben, die den Zentralismus des Staates gegen die Separatisten und die supranationalen Institutionen, wie die Europäische Union, unterstützt hat. Deswegen ist der FN von jeher eine extrem euroskeptische, und folglich starke nationalistische Partei gewesen. Schließlich gab es zwischen der ehemaligen Lega Nord und der FN wenige Gemeinsamkeiten, wie oben bereits erwähnt. Dies hat sich hingegen heute verändert. Deckers Definition von Rechtspopulismus wurde von Minkenberg (2018:342) explizit kritisiert, denn „[m]it Rechtspopulismus werden überwiegend diejenigen Parteien und Akteure bezeichnet, die bereits früher als rechtsextreme oder rechtsradikale galten“. Laut Minkenberg bezieht sich dann der Begriff Rechtspopulismus
(...) nicht auf eine programmatische Vorstellung, dem einfachen Volk gegenüber den vermeintlich korrupten Eliten zu seinem Recht zu verhelfen, sondern will etwas anderes und setzt die Rhetorik vom „Volk“ ein als Performanz im Sinne einer Inszenierung und eines politischen Stils (...) (Minkeberg, 2018:349).
Rechtspopulismus sei daher als ein Begriff zu verstehen, der keine programmatische oder ideologische Dimension, sondern einen politischen Stil bezeichnet. Nach Minkenberg (1998, 2011, 2013, 2018) und Ignazi (1996; 2003) bedeutet dann diese politische Entwicklung die Entstehung von neuen politischen Formen der radikalen Rechten. Aus diesem Grund sollte der Begriff von Rechspopulismus nicht als Bezeichnung für eine neue und unabhängige Parteienfamilie gesehen, und in der Politikwissenschaft als solche nicht verwendet werden.
2.2 Die neue (radikale) Rechte und der Rechtsextremismus: Änhnlichkeiten und Unterschiede
Können Parteien wie FN, Lega oder FPÖ dann auch als „extremistisch“ definiert werden? Und wenn ja, wie können die anderen Gruppierungen wie die NPD in Deutschland oder Casapound und Forza Nuova in Italien genauer identifiziert werden? Wie in vielen anderen Bereichen findet man auch in der Politikwissenschaft an dieser Stelle keine Einigung. Autoren wie Passarelli und Tuorto (2019) definieren z.B. die Lega unter der Führung von Matteo Salvini und der FN von Le Pen als rechtsextreme Parteien. Für andere Autoren hingegen ist der Begriff „Rechtsextremismus“ nicht objektiv und bezieht sich auf andere politische Erfahrungen (vgl. Eatwell und Goodwin, 2018; Priester, 2012). Bezogen auf das Konzept von „Extremismus“ muss man sich fragen, wo die Trennlinie zu ziehn ist, zwischen dem, was als extremistisch und nicht-extremistisch definiert werden kann. Laut Decker (2006) lässt sich das nicht immer exakt bestimmen.
Jesse (2009) unterscheidet sodann zwischen „harten“ und „weichen“ Extremismen. Ein Unterschied, der auch für den Rechtsradikalismus oder den Rechtspopulismus gilt. In Bezug auf diese Kategorisierung wäre Rechtspopulismus nichts anderes als ein Begriff, der bestimmte Parteien und/oder Bewegungen identifiziert, die einen weichen Extremismus ausüben (vgl. Mudde, 2000).
Diese Unterscheidung scheint aber nicht detailliert genug zu sein, um dieses Phänomen in seiner Komplexität zu erfassen. Wenn es nur um den Grad des Extremismus geht, dann bräuchte man keinen neuen Begriff. Diese Parteien und Bewegungen sind nur „mehr oder weniger“ als extremistisch zu bezeichnen. Das ist aber keine ausreichende Antwort, insbesondere weil die verschiedenen konkreten politischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eine komplexere und ungewissere Realität präsentieren.
Dass ein Kontinuum zwischen Extremismus und Nicht-Extremismus konstituiert werden kann, wird nicht in Frage gestellt: Entsprechend dieser Logik ist aber schwierig, eine Partei oder eine Bewegung klar und ultimativ zu klassifizieren beziehungsweise einzuordnen. Manche Parteien können gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebene desselben Kontinuums positioniert werden: Die Lega ist „extremistisch“, wenn sie sich gegen die Seerettungsaktionen wendet und zu gewalttätigen oder militärischen Reaktionen auffordert, oder wenn sie sich aggressiv in Bezug auf ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten äußert. Aber sie ist nicht so „extremistisch“, wenn sie in Zusammenarbeit mit den anderen demokratischen Kräften – wie Forza Italia, Partito Democratico oder den Liberalen Parteien, das TAV-Projekt12 unterstützt und sich gegen die aggressiven und teilweise gewalttätigen Demonstrationen der NO-TAV AktivistInnen, die hingegen von der M5S unterstützt werden, ausspricht. Dies gilt auch für den französischen Fall: Wenn der FN von einer Gefahr der „Islamisierung“ spricht, und sich gleichzeitig für den Schutz sexueller Minderheiten oder für Frauenrechte engagiert (vgl. Fassin, 2010; Scrinzi, 2017), ist er dann als „extremistisch“ zu bezeichnen?
Diese Beispiele zeigen, dass es keine leichte Aufgabe ist, diese Parteien bzw. Bewegungen deutlich als extremistisch oder nicht extremistisch zu definieren: Wie setzt man die Trennlinie zwischen Extremismus und Nicht-Extremismus? Decker schlägt folgende Erklärung vor:
(...) extremistisch sind Parteien dann, wenn die systemfeindliche Ziele verfolgen, die den Grundprinzipien der liberalen Demokratie widerstreiten. Populistische und extremistische Parteien können Hand in Hand gehen, müssen es aber nicht (...) (Decker, 2006:16).
Entsprechend dieser Erklärung kann keine selbstverständliche Verbindung zwischen Populismus und Extremismus festgemacht werden. Decker betont überdies, dass die extremistischen politischen Kräfte systemfeindlich sind und zwar, dass sie mit jedem Mittel das System abstürzen lassen – nicht nur kritisieren oder verändern – wollen. Das kann als ein sehr relevantes Merkmal des Phänomens „Extremismus“ betrachtet werden. Dennoch bietet diese Definition kein effektives analytisches Werkzeug, um die Bewegungen bzw. Parteien, die durch dieses Phänomen gekennzeichnet sind, einzuordnen. Frölich-Steffen und Rensmann (2005) haben hingegen eine Kategorisierung vorgeschlagen, deren empirische Verwendung eine Unterscheidung der Parteien bzw. Bewegungen als extremistisch oder (national-) populistisch ermöglicht.
Tab.1: Rechtsextreme und populistische Parteien im Vergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Frölich-Steffen und Rensmann, 2005:10
Tabelle 1 bietet analytische Elemente, die für eine empirisch basierte Arbeit hilfreich sein können. Es wird geklärt, dass „Anti-System“ und „Anti-Establishment“ zwei verschiedene Positionen sind. Weiterhin wird Folgendes unterstrichen: die Akzentuierung der Rolle der politischen Organisationsform der Parteien bzw. Bewegungen. In einer rechtsextremen Partei findet sich keine innerparteiliche Demokratie, während nationalpopulistische Parteien durch top-down-Prozesse und durch geringe innerparteiliche Demokratie charakterisiert sind. Dies sind wichtige Unterschiede, die in der Empirie helfen können, Parteien und Bewegungen kategorial einzuordnen. Die vorgeschlagene Definition von Nationalpopulismus von Frölich-Steffen und Rensmann aus dem Jahr 2005 konnte die damalige politische Situation gut interpretieren. Heutzutage hat sich das politische Panorama stark verändert, und viele neue, bedeutende politische Akteure, die sich ideologisch und politisch nicht so einfach nach der traditionellen Unterscheidung zwischen links/rechts klassifizieren lassen, sind nun auf die politische Bühne getreten.
Wie können die M5S, die zum Beispiel, im Jahr 2013 zum ersten Mal in das italienische Parlament, einrückten, mit Hilfe der vorgeschlagenen Klassifikation von Fröhlich-Steffen und Rensmann definiert werden? Sind die M5S eine nationalpopulistische Bewegung oder sind sie als rechtsradikal, oder wie andere behaupten, eher als linkspopulistische Bewegung, wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechland, zu verstehen?
Unter Bezug auf Tabelle 1 kann man Bewegungen und Parteien, die eine extremistische Tendenz aufweisen, klar identifizieren. Der Begriff „Nationalpopulismus“, wie dort definiert, löst jedoch die (vielen) existierenden Zweifel zum Thema „Populismus“ nicht auf. Schließlich können als nationapopulistische Parteien gleichzeitig die Lega (Nord), die M5S, die Forza Italia von Berlusconi, sowie verschiedene Linksgruppierungen, wie der PD unter der Führung von Matteo Renzi (vgl. Quadrelli, 2019) oder Liberi e Uguali (LeU), mehr oder weniger, als solche identifiziert werden. Nichtsdestotrotz kann diese Klassifikation fruchtbar sein, um die Diskussion zum „Extremismus“ zu klären und genauer zu fassen.
Anzumerken ist, dass in dieser Arbeit weder die Lega oder die M5S als „rechtsextremistisch“ definiert werden.
2.3 Die verschiedenen Vorstellungen von der (populistischen) radikalen Rechten
Wie bereits erklärt, scheint der Begriff von „Extremismus“ nicht angemessen zu sein, um die aktuellen, relevantesten politischen Erfahrungen in Italien, Deutschland oder Frankreich zu identifizieren und zu beschreiben. Unter dem Begriff Rechtsextremismus versteht man dann:
(…) a rejection of democracy and comprises authoritarians who do not tolerate the marketplace of ideas where people broker and compromise, the essence of liberal-democratic life (…) extremists want to shut the marketplace down and divide the nation into an us versus them situation (…) (Eatwell und Goodwin, 2018:68).
Wenn sie aber weder als faschistisch oder extremistisch zu verstehen sind, wie können diese Erfahrungen besser interpretiert werden? Neben dem Begriff „Rechtspopulismus“ findet man noch zwei andere, die zur Lösung dieses Definitionsproblems beitragen: die radikale Rechte und die von Mudde (2007) vorgeschlagene Definition von „populist radical right“. Eine bekannte Definition von „radikalen Rechten“ wurde von Michael Minkenberg (1998; 2013) so formuliert:
(...) den Versuch, die Modernisierung durch die Radikalisierung inklusiver und exklusiver Zugehörigkeitskriterien rückgängig zu machen oder zu bekämpfen. Es ist die Überbetonung oder Radikalisierung von Bildern gesellschaftlicher Homogenität, die charakteristisch für rechtsradikales Denken ist, wobei die Nation als primäre „Wir-Gruppe“ dient. Diese Logik trifft in hohem Maße auch auf Fremdenfeindlichkeit zu. Anders ausgedrückt handelt es sich bei Rechtsradikalismus um eine politische Ideologie, die um den Mythos einer homogenen Nation kreist – ein romantischer und populistischer Ultranationalismus, der der liberalen, pluralistischen Demokratie mit ihren grundlegenden Prinzipien des Individualismus und Universalismus feindlich gegenübersteht (...) (Minkenberg, 2013:11).
Für Minkenberg ist dann Rechtsradikalismus eine „politische Ideologie“, deren politische Rhetorik von populistischen Elementen geprägt ist. „Populismus“ spielt in dieser Definition nicht die zentrale Rolle. Die wichtigsten Elemente dieses Konzeptes sind die von „Radikalisierung“ durch inklusive/exklusive Zugehörigkeitskriterien und die Betonung auf dem „Ultranationalismus“. Weitere Elemente, wie zum Beispiel die fremdenfeindlichen Tendenzen, sind zusätzliche Merkmale, die Teil des politischen Agieres dieser Bewegungen bzw. Parteien sein können. Diese Definition von Minkenberg bietet klare Elemente und empirische Tools, um bestimmte Parteien und Bewegungen als „rechtsradikal“ einzuordnen. Demgegenüber haben Eatwell und Goodwin dennoch den Begriff “radikale Rechte” als “problematisch” beschrieben:
(…) [r]adical right is typically used to describe that are critical of certain aspects of liberal democracy but which do not seek to overthrow democracy and are open to alternative forms of rule by the people. Radical right encompasses large movements like the National Front in France, the Freedom Parties in Austria and the Netherlands, the Italian League and the Alternative for Germany. These parties advocate authoritarian social policies, like a tough stance on law and order, but also call for the greater use of referendums to strengthen the link between the rulers and the ruled. They also want to reclaim national sovereignty from distant transnational organisation such as the EU (…)
However, the term radical right is also problematic. Confusingly, in the US it can be used to refer to a variety of groups, including anti big-governments conservatives and the motley group of racists that make up the Alt-Right (…) moreover, it makes it more difficult to perceive how they have attracted different constituencies, including people who used to vote for the left, and younger voters from historically left-wing areas. Calling them radical right also distracts us from appreciating how some of these movements are shifting in important ways (…) (Eatwell und Goodwin, 2018:69-70).
Demzufolge bleibt dann diese Definition unklar und bezieht sich nur auf spezifische Erfahrungen. Es wird hier hervorgehoben, dass diese begriffliche Definition viel zu spezifisch ist. Aus diesem Grund wird wiederholt, dass der Begriff „Nationalpopulismus“ empirisch sowie theoretisch besser verwendet werden kann. Das zweite Konzept wurde von Cas Mudde (2007) vorgeschlagen und bezieht sich auf eine frühere Defintion von Betz (1994), und zwar die „populist radical right“. Mit diesem Begriff sollen die verschiedenen Perspektiven – extremistische und nicht-extremistische Positionen sowie die populistischen Elemente – zusammengeführt werden. Laut Mudde sind die Kernelemente der populist radical right Parteien bzw. Bewegungen die folgenden: (1) Nativismus, der sowohl auch als Ethnozentrismus und Tribalismus interpretiert werden kann, der als „an ideology, which holds that states should be inhabited exclusively by members of the native group (“the nation”) and that non-native elements (persons and ideas) are fundamentally threatening to the homogenous nation-state“ (vgl. Mudde, 2007:19). Dieses erste Konzept ist mit dem Konzept des Nationalismus stark verknüpft; (2) der „Authoritarianism“, der als anti-pluralistische Perspektive zu verstehen ist, und (3) Populismus, als eine thin-centered ideology (vgl. Mudde, 2014).
Die Definition der „populist radical right“ von Mudde ist als eine „populist form of the radical right“ zu begreifen und unterscheidet sich von der Definition der radikalen Rechten von Minkenberg hinsichtlich der starken Betonung des Konzepts von „Populismus“, der ein zentrales Merkmal der (thin-centered) „Ideologie“ dieser Bewegungen beziehungsweise Parteien ist. Die vorgeschlagene Definition von Mudde ist hinreichend begrenzt, um bestimmte politische Erfahrungen klar zu identifizieren und ohne eine zu exzessive Einschänkung herzustellen. Sie bleibt aber auch in diesem Versuch etwas ungewiss. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit die Klassifikation entsprechend der „Exklusionskriterien“ in Bezug auf die rechtsradikale Parteienfamilie von Minkenberg (2013) wieder aufgenommen und erläutert werden.
Als Exklusionskriterien im rechten Diskurs findet man laut Minkenberg (1998; 2013): Rassismus, Antisemitismus, Ethnozentrismus, Religionszentrismus/Fundamentalismus, Fremdenfeindlichkeit, Nativismus und Heterophobie:
(...) Aufbauend auf dieser grundlegenden Unterscheidung und den zuvor aufgeführten Exklusionskriterien ergeben sich vier Varianten rechtsradikaler Kräfte: (1) eine autokratisch-faschistische Rechte, die sich üblicherweise durch Rassismus und Ethnozentrismus auszeichnet und von rechten Diktaturen der Zwischenkriegszeit inspiriert ist; (2) eine rassistische oder ethnozentrische, aber nicht faschistische Rechte, die sich normalerweise „ethnopluralistischer“ Argumente für die Unvereinbarkeit von Kulturen und Ethnien bedient, dabei aber die Existenz einer „natürlichen Hierarchie“ (siehe unten) verneint; (3) eine populistisch-autoritäre Rechte, die auf einen starken charismatischen Führer ausgerichtet und durch eine autoritäre Struktur und eine diffus nationalistische oder fremdenfeindliche Ideologie gekennzeichnet ist; und (4) eine religiös-fundamentalistische Rechte, bei der sich Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit mit religiöser Unnachgiebigkeit vermischen, was in der Verteidigung eines religiös eingebetteten Konzepts nationaler „Reinheit“ resultiert. Beachtenswert ist, dass alle vier Varianten Unterschiedlichkeit und Pluralismus im Namen nationaler Homogenität durch die primäre „Wir-Gruppe“ ablehnen und (populistische) politische Stilformen und Strategien anwenden, die gegen die etablierten Eliten gerichtet sind (...) (Minkenberg, 2013:13).
Schließlich ist als großer Unterschied zwischen der Definition von Minkenberg und der von Mudde zu betrachten, dass für Minkenberg „Populismus“ als eine politische Stilform bzw. kommunikative Strategie zu verstehen ist, während er für Mudde im Sinne von Freeden (1996;2003), eine „dünne Ideologie“ ist. Diese Klassifikation scheint nützlich und adäquat zu sein, um das Phänomen der Lega (Nord) zu analysieren. Das gilt hingegen nicht für die M5S. Die italienischen M5S können entsprechend dieser Diskussion, weder als rechtsradikale/populistische - radical right – noch als nationalpopulistisch identifiziert werden.
Im Folgenden wird dargestellt und erklärt, wie die M5S als neue politische Kraft kategorial einzuordnen sind.
2.4 M5S: populistisch ja, aber in welcher Form?
Das M5S-Phänomen ist eine originelle und eine unerwartete Erfahrung im italienischen und europäischen politischen Szenario. Es kam als eine bottom-up Bewegung hervor, die eine weitgreifende Kritik bezogen auf die politischen und ökonomischen Eliten ausüben wollte. Die innovativen Elemente ihrer organisatorischen, politischen und kommunikativen Strategien waren (1) die Aktivierung der politischen Partizipation durch das Internet und insgesamt mit Hilfe der Online-Netzwerke (vgl. Dal Lago, 2016) sowie (2) die Fähigkeit, Menschen von der digitalen Welt für den Kampf auf der Straße zu mobilisieren, und diese Unterstützung in politische Konsensbildung umgewandelt zu haben.
Diese Bewegung wurde von einem als charismatisch wahrgenommenen Komiker, Beppe Grillo, gegründet. Der italienische Politikwissenschaftler, Mario Tarchi (2014; 2018), definierte die Art und Weise der politischen Rhetorik von Grillo, und folglich auch der von M5S, als „rein populistisch“. Laut Tarchi ist die Bewegung der Prototyp des Populismus: (1) sie maßt sich die Rolle der echten Repräsentanz des allgemeinen Willens an; (2) sie fordert die Konstituierung einer direkten Demokratie durch die neuen Medien und die Anwendung von Referenden (online), und schließlich (3) möchte sie online eine radikale Systemveränderung durch institutionelle Reformen schaffen. Aus diesen Gründen ist die M5S weder als rechtsradikal noch als rechts-/linkspopulistisch zu bezeichnen. Laut der vorgeschlagenen Klassifikation von Frölich-Steffen und Rensmann (2005) kann die M5S schwerlich als nationalpopulistiche Bewegung identifiziert werden, und keinesfalls entspricht sie dem Konzept einer populistischen, rechtsradikalen Partei im Sinne von Mudde (2007) oder einer rechtsradikalen Partei im Sinne von Minkenberg (1998; 2013).
Die M5S werden somit als „rein populistisch“ definiert, weil sie keiner spezifischen und dominierenden politischen Orientierung entsprechend der klassischen Kategorisierung links/rechts folgen. Dieser rein populistische Charakter ermöglicht den M5S, sich ideologisch an verschiedenen Stellen zu positionieren. Es ist tatsächlich interessant zu beobachten, dass die M5S in ihrer Programmatik insbesondere soziale Themen berücksichtigt haben, die traditionell zu einer Linksagenda gehören. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Bekämpfung der ökonomischen und sozialen Ungleichheiten zwischen dem Norden und dem Süden. Dazu gehört auch die Einführung des sogenannten „Reddito di Cittadinanza“ (Bürgergeld). Das Internet und die digitale Welt sind die Instrumente, die diese Bewegung nutzen möchte, um jedem dieselben Möglichkeiten zu bieten. Für die M5S ist das Internet ein sehr wichtiges Element ihres politischen Handelns und Denkens. Der politischen Rhetorik der Bewegung zufolge kann durch das Internet die Demokratie gestärkt werden, da mit dem Internet mehr Transparenz und eine reale und vitale politische Partizipation der BürgerInnen realisiert werden kann. Aus diesem Grund wurden die M5S als „technopopulistisch“ (vgl. De Blasio und Sorice, 2018; Deseriis, 2017) beziehungsweise „digitalpopulistisch“ (vgl. Dal Lago, 2017) klassifiziert.
Andererseits ist die Lega (Nord), insbesondere unter der Führung von Salvini, als eine populist-radical right Partei im Sinne von Mudde anzusehen oder als eine rechtsradikale Partei (vgl. Minkenberg, 1998; 2013), die eine populistische Rhetorik nutzt, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Die Lega hat jedoch kein explizites Interesse, „den einen allgemeinen Willen“ zu repräsentieren und vor allem ist sie nicht an der Schaffung einer direkten Demokratie interessiert, was hingegen die M5S stark anstreben. Mit der Zeit hat die Lega (Nord) einen klaren ‚Rutsch‘ nach rechts vollzogen.13 Minkenberg (2013:15) definierte sie noch als eine „ethnozentristische Rechte“, die von rassistischen oder fremdenfeindlichen Impulsen charakterisiert war, aber nicht faschistisch oder extremistisch sei. Diese Elemente sind heute noch Merkmale der Lega unter Salvini. Was sich verändert hat, ist der Wandel von einer ethnoregionalistischen (vgl. Biorcio, 1992) zu einer nationalistischen Kraft, mit einer stärkeren Betonung der Notwendigkeit einer nationalen Souveränität gegenüber den supranationalen Institutionen.
Die Lega ist heute dem Front National von Marine Le Pen ideologisch und programmatisch nähergerückt. In diesem Fall war es besonders wichtig, dass die Lega 2016 an der internationalen Konferenz der EfD-Gruppe in Mailand teilgenommen hat.14 Dort trat Matteo Salvini als Führer der Lega auf und leitete den strukturellen, ideologischen und kommunikativen Wandel zu einer rechts-nationalistischen Partei ein (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019).
3 Populismus in Italien: politische Lage und akademische Diskussion. Ein Überblick
Die politische Lage hat sich in Italien in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Parteien und Bewegungen wurden durch Skandale, Spaltungen und/oder Niederlagen in den Wahlen geboren oder starben wieder (vgl. Iganzi, 2002; 2019). Ähnliches haben die politischen Führer, insbesondere des linken Spektrums, durchlebt.
Italien ist ein ambivalentes und interessantes Forschungsfeld für WissenschaftlerInnen, die die politische und soziale Dynamiken untersuchen möchten. Wie Joseph La Palombara schon im Jahr 1989 schrieb, ist die Demokratie in Italien „eine der stabilsten Demokratien der Welt“15, trotz einer permanenten politischen beziehungsweise institutionellen Krise, die im Laufe der Zeit durch verschiedene politische Kräfte herausgefordert wurde. Und vielleicht ist es genau diese spezifische politische Situation Italiens, quasi immer zwischen institutioneller oder ökonomischer Krise, die viele Studien beziehungsweise Forschungsprojekte zum Thema Populismus inspiriert hat.
3.1 Das Parteiensystem in Italien von 1987 bis heute
Anfang der 90er Jahre wurde das italienische politische System durch Skandale und eine endemische Korruption geschwächt und delegitimiert (vgl. Ignazi, 2002; 2009; 2019; Mastropaolo, 2004). Die Parteien hatten sich nicht erneuert und das System kollabierte aufgrund der Urteile der italienischen Justiz – die sogenannten „Mani Pulite“, auf deutsch „sauberen Hände“. Seitdem entwickelte sich in Italien eine Periode der Parteien- und Politikverdrossenheit (vgl. Ignazi, 2009).
Silvio Berlusconi gründete im Jahr 1994 die Sammlungsbewegung „Forza Italia“ und forderte die Linkskoalition von Achille Occhetto, den ehemaligen Chef der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), heraus und besiegte sie. Seitdem hat Italien zwanzig Regierungen gehabt, die von verschiedenen Parteien und Koalitionen gebildet wurden16. Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Mitte-Rechtskoalition von 1987 bis 2018, die von Silvio Berlusconi seit 1994 bis 2018 geführt wurde.
Abb.1: Entwicklung der Mitte-Rechtsparteien und Koalitionen in Italien, 1987-2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Abbildung nach Informationen des italienischen Innenministeriums
Im rechten politischen Spektrum findet man seit dem Jahr 1987 die Lega Nord, als regionale und autonome Partei. Im Jahr 1994 wurden die Alleanza Nazionale (AN), mit der Auflösung der ehemaligen Rechtsnationalistischen Partei, Movimento Sociale Italiano (MSI), die auf den Trümmern der Italienischen faschistischen Partei basiert sowie die Sammlungsbewegung „Forza Italia“. Seit 24 Jahren führt Silvio Berlusconi diese Mitte-Rechtskoalition.
Demgegenüber zeigt die Abbildung 2 die Entwicklung der Mitte-Linkskoalitionen von 1987 bis 2018, die von verschiedenen Führungen geleitet wurden17. Im linken politischen Spektrum findet man seit 1987 eine fragmentierte und quasi episodische Geschichte. Während man für die Rechtsparteien von einer gewissen Linearität in ihrer Entwicklung sprechen kann, zeigt die Geschichte der Linken in Italien eine Kohäsionsunfähigkeit, die für manche AutorInnen das wichtigste Element der Schwäche der Linken in Italien ist18.
Das Fehlen einer hinreichend charismatischen und zusammenführenden politischen Figur hat den Vereinigungsprozess der Linken in Italien behindert. Romano Prodi war hier die Ausnahme, die in 1996 und 2006, mit zweien breiteren Linkskoalitionen – L’Ulivo und L’Unione – Berlusconi besiegen konnte. Trotz dieser Erfolge haben die internen ideologhischen Differenzen innerhalb der Koalition beiden Regierungen von Prodi geschadet.
Abb.2. Entwicklung der Mitte-Linksparteien und Koalitionen in Italien, 1987-2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Abbildung nach Informationen des italienischen Innenministeriums
Die Demokratische Partei (PD) wurde im Jahr 2007 aus einer Mischung zweier verschiedener politischer Kulturen – den ehmaligen Kommunisten (PDS/DS) und den Christdemokraten (Margherita) – gegründet. Im Jahr 2008 wurde Romano Prodi zum Präsidenten des PD gewählt und Walter Veltroni als Vorsitzender und Kandidat für die Wahlen im Jahr 2008, um gegen Berlusconi anzutreten. Der PD erreichte den höchsten Prozentanteil als Partei, aber die Mitterechtskoalition war in der Lage, die Regierung zu bilden, die bis 2011 mit Berlusconi an der Macht blieb.
Diese komplizierte politische Entwicklung brachte eine wachsende Parteien- und Institutionenverdrossenheit mit sich, die auch von verschiedenen Forschungsinstituten erhoben und belegt wurde. Diese Sichtweise, dass PolitikerInnen, Parteien und Institutionen sich nicht für die BürgerInnen interessierten, bildete den populistischen Nährboden, insbesondere für die M5S und für die Lega. Demos&Pi publiziert jedes Jahr einen Bericht, der die Beziehungen der ItalienerInnen und dem Staat zum Gegenstand hat. Das Forschungsinstitut analysiert damit auch die antipolitischen Gefühle, die Politikverdrossenheit und das Vertrauen der BürgerInnen in die Institutionen.
Abb. 3: Vertrauen der ItalienerInnen in die Institutionen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Bearbeitung nach Demos&Pi Reports, 2002-2018
Wie die Abbildung zeigt, ist das Vertrauen, dass Parteien und Parlament entgegengebracht wird, gesunken. Von 2002 bis 2014 ist der Trend deutlich negativ. Dieses Szenario änderte sich im Anschluß an das Jahr 2014, als die M5S im Parlament die stärkte Oppositionspartei wurden.
3.2 Italien als “Laboratorio del Populismo”
Italien stellt, laut Autoren wie Hermet (2001), Zanatta (2002) und Tarchi (2014; 2018) ein sehr interessantes Forschungsfeld dar, für diejenigen, die das Phänomen des Populismus analysieren möchten. Laut Tarchi ist Italien als ein Laboratorium des Populismus zu verstehen:
(…) [s]tarting from the mid-1990s, Italy became, in the opinion of many commentators, one of the countries most favourable to the growth of populism – which was no longer the marginal and episodic phenomenon it had seemed to be. Things got to a point where it became impossible to count the number of journalistic investigations, not to mention academic studies, denoting the country as the ‘laboratory’ in which the most innovative and successful forms of the phenomenon were being tried out (…) (Tarchi, 2015:274).
Die politische Figur, die als Prototyp des italienischen Populismus angesehen wurde, ist Silvio Berlusconi (vgl. Calise, 2000; Diamanti, 2010; Tarchi, 2015; 2018).
Jedoch hat die Gründung – und das unerwartete gute Wahlergebnisse der M5S im Jahr 2013 – dazu geführt, dass die Studien zum Thema „Populismus“ in Italien einen Zuwachs erfahren haben (vgl. Baldini, 2014; Biorcio und Natale, 2013, 2018; Bordignon und Ceccarini, 2016; Corbetta and Gualmini, 2013; Corbetta, 2018; Dal Lago, 2013, 2016; Diamanti und Lazar, 2018; Diamanti und Pregliasco, 2019; Tarchi, 2014; 2015; 2018; Zanatta, 2013).
Wenn die Diskussion zum Thema Populismus mit dem Thema Rechtsradikalismus bzw. Rechtsextremismus verknüpft wird, müssen weitere Studien hinzugefügt werden. Auch hat das Interesse am Thema „Rechtsradikalismus“ in der Tat einen starken Schub erzeugt. Dies zeigte sich insbesondere nach der politischen Wanderung der Lega Nord (vgl. Biorcio 1993, 2001, 2010, 2015; Ignazi, 2011; 2018; 2019; Passarelli und Tuorto, 2018; Tambini, 2001) von einer regionalen zu einer nationalistischen Partei19. Einen weiteren Grund stellt das Erstarken der rechtsradikalen bzw. rechtsextremistischen Bewegungen wie Casapound und Forza Nuova dar, die eine klare neo-faschistische Position im Sinne von Eco (1995) vertreten und die in verschiedenen geographischen Territorien im Norden und in der Mitte Italiens präsent sind20.
Autoren wie Biorcio (2015), Dal Lago (2017), Diamanti und Lazar (2018), Quadrelli (2019) und Revelli (2015; 2017) haben das Konzept des Populismus auch in Bezug auf die Führung durch Matteo Renzi benutzt. Revelli hat insbesondere eine neue Kategorie, den sogenannten „Populismo dall’alto“ (auf Deutsch: „Populisms von oben“) vorgeschlagen, um die Besonderheit des italienischen Systems mit Silvio Berlusconi21 und danach mit Matteo Renzi zu beschreiben und zu definieren. Revelli unterscheidet zwischen zwei Formen des Populismus: „di contesto” und „di progetto”. Mit dem ersten Begriff beschreibt der italienische Politikwissenschaftler einen Populimus, der einen problembezogenen Zeitgeist repräsentiert. Ensprechend Revelli bleibt diese Form des Populismus als Idee undeutlich und schwammig. Mit dem zweiten Begriff ist hingegen ein Populismus gemeint, der bereit ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen, und der bereit ist sowohl die Vorstellungen als auch die Unzufriedenheiten des Volkes in konkrete politische Angebote umzusetzen:
(...) verkörpert sich in einer erkennbareren politischen Einheit, die mit ihrer eigenen Spezifität ausgestattet ist und sich nicht nur dazu verpflichtet, dem Protest eine Stimme zu verleihen, sondern auch für das Regierungsmanagement (und die Ausübung von Macht) zu kandidieren (...) (Revelli, 2019: 12)22.
Die italienische Diskussion zum Populismus hat sich in den vergangenen Jahren schließlich auf drei Etappen konzentriert:
(1) Ein allgemeines (historisches) Interesse hinsichtlich des Phänomens „Populismus“ nach der Gründung der italienischen Republik bis zum Ende der ersten Republik (1945-1993);
(2) auf die Zweite Republik mit der Gründung von Forza Italia, dem Auftritt und der politischen Niederlage von Silvio Berlusconi (1994-2013); und
(3) auf das Ende der Zweiten Republik mit dem Erfolg von M5S bei den Wahlen im Jahr 2013 und 2018, ebenso auf die Lega (Nord) im Jahr 2018.
Diesen drei Etappen entsprechen drei verschiedene Ansätze hinsichtlich der Analyse des Phänomens des Populismus in Italien. Die erste Etappe war auf eine allgemeine Kritik des demokratischen Systems fokussiert. 1984 beschreibt Bobbio Populismus und Demokratie in seinem Buch: „Zukunft der Demokratie“: Er faßte den Populismus als eine Qualität der Demokratie (populistische Demokratie), um kritische Elemente der Reaktion auf ein dysfunktionales System zu identifizieren. In Bezug auf die zweite und dritte Etappe wurden zum Einen konkrete soziologische und zum anderen politologische Fallanalysen durchgeführt. Sie bezogen sich auf die Beispiele von FI, Lega, M5S, Berlusconi, Bossi und Grillo usw.
3.3 Der Fall Berlusconi: ein italienischer Populist
Die konkreten und expliziten Analysen des Populismus in Italien begannen unter Bezug auf Silvio Berlusconi23. Diese Analysen und theoretischen Diskussionen waren eher auf den kommunikativen Diskurs fokussiert: also, wie Berlusconi die politische Diskussion und die Rituale der Politik verändert hat. Der Populismus von Berlusconi wurde aber eher als politischer Opportunismus und nicht als eine Ideologie bezeichnet24.
Hinzu kommen auch solche Studien und Analysen, in denen er als Beispiel einer besonderen Form des Populismus – dem ökonomischen beziehungsweise unternemehrischen Populismus – gefaßt wird. Die Gefahr für die Demokratie, die Berlusconi, entsprechend mehrerer AutorInnen und politischer Gegner, darstellte, wurde oft wegen seiner ökonomischen Interessen und seines dauerhaften Kampfes gegen die Judikative aufgezeigt und nicht aufgrund bestimmter ideologischer Vorstellungen: Berlusconi wollte auf politischer Ebene seine Interessen vertreten und nicht die des Volkes.
Die Diskussion hinsichtlich seines politischen Auftretens und seiner Rolle hat jedoch eine ideologische Spannung produziert: Entweder war man dafür (Berlusconiani) oder dagegen (Antiberlusconiani). Laut Belardelli (2014) haben beide Tendenzen die politische Kultur der letzten 25 Jahre in Italien geprägt: der Berlusconismus und sein Gegenteil, der Anti-Berlusconismus25.
Das einzige starke Element im Populismus von Berlusconi, das sich auch im aktuellen Auftreten von M5S wiederfindet, ist der starke Wille zur Veränderung mit Hilfe einer offensiven Kritik der (politischen) Eliten. Berlusconi wollte die Republik vor den „Kommunisten“ retten und eine neue Führung etablieren, die sich aus den ökonomischen Eliten des Landes rekrutierten, und er stellte deren wichtigsten Repräsentanten: den Self-Made-Man.
Die M5S sind hingegen eine Bewegung, die sich als Anti-System versteht und die das System radikal verändern möchte. Sie möchten programmatisch und ideologisch die repräsentative Demokratie in Italien verändern: Dies markiert auch den großten Unterschied zwischen Berlusconi und M5S und ist auch der Grund, weshalb die M5S, laut Tarchi (2018), quasi als eine reine Form des Populismus zu bezeichnen sind. Das politische Wechselparadigma Italiens wurde mit Scharfblick von Orsina beschreibt und interpretiert:
(...) wenn die Gruppe an der Macht sich als neue, virtuose und unabsetzbare präsentiert, und dann pervertiert, wer sich dagegen stellt, kann nichts anderes ipso facto, als das Antisystem sein. Der Versuch ein System zu modernisieren beinhaltet, wenn nicht vergrößert, die Distanz zwischen der politischen Elite und dem Volk. Darüberhinaus ist die populistische Karte eine wichtige Ressource für jede Opposition zu nutzen. Fast immer wurde diese Karte zweckdienlich genutzt: Korruption und Charakterzüge nicht repräsentativer Eliten wurden im Namen einer alternativen Elite angeprangert, dass so als virtuosere, in engerem Kontakt mit der guten Seite des Volkes und mit der Fähigkeit einen besseren und anderen Transformationsplan für das Land anzubieten, gesehen wurden. Stattdessen wurde der Populismus in geringem Maße als strukturelle Maßnahme gesehen und zwar mit dem Ziel, eine radikale und permanente Veränderung des Zusammenhangs zwischen der politischen Macht und dem Volk zu schaffen, die das Vertrauen in das Volk (das ganze Volk) verleihen könnte, um ihn von jedem orthopädischen oder pädagogischen Art von Käfig zu befreien. Am Ende hat sich die Reaktion zu exzessiver Politik bis zur Ablehnung von Politik als Ganzes und der Ablehnung einer Elite bis zur Ablehnung jeder Elite entwickelt (...) (Orsina, 2013:60)26.
Das bedeutet, dass beispielsweise Berlusconi sich populistisch geäußert und populistisch agiert hat, um die Eliten der Ersten Republik – insbesondere die italienischen Kommunisten (der ehemalige PCI) – zu kritisieren und sich als politisches Novum (der Homo Novus) zu präsentieren27. Was mit dieser Beschreibung von Orsina gemeint ist, ist dass Berlusconi ledliglich rhetorisch und opportunistisch als Populist agiert hat. Die M5S versuchen, hingegen, nicht nur die alten Eliten mit einer politischen Rhetorik zu attackieren, sondern wollen sie auflösen und das demokratische System verändern:
(...) der Populismus an der Macht beschränkt sich nicht darauf eine alte Mehrheit zu ersetzen, sondern versucht das institutionelle System radikal durch Verfassungsreformen, wie es sich zum Beispiel in Ungarn und Polen gezeigt hat, zu verändern (...) (Anselmi, Blokker und Urbinati, 2018:7)28.
Die Lega (Nord) hat hingegen eine andere Geschichte: Sie existiert als etablierte Partei schon seitdem Ende der 80er Jahre, sie ist mehrmals Teil einer Regierung gewesen und hat seit langer Zeit schon auf regionaler Ebene lokale Regierungen in Norditalien geführt. Aus diesem Grund ist, entsprechend dem italienischen Politikwissenschaftler Revelli (2019), die Lega nicht als eine Anti-System-Partei zu bezeichnen29. Schließlich endet die Diskussion über den Populismus mit der M5S und der Lega (Nord) und ihrer Regierungserfahrung, die per se ein Novum darstellt weil, da Revelli beobachtete, zum ersten Mal nach Jahrzehnten, ein neuer Bipolarismus geschaffen wurde. Die alten dominierenden politischen Kräfte (PD und PDL/Forza Italia) sind marginalisiert und spielen eine irrelevante Rolle30:
(...) im Laufe des letzten 10 Jahre hat Italien drei Mal die Struktur seines eigenen politischen Systems geändert. Ein fast perfektes bipolares System im Jahr 2008, als nach dem politischen Agieren von Walter Veltroni und von Silvio Berlusconi, PD und PDL gründetet wurden. Ein unerwartetes tripolares System in 2013 (...) und zum Schluß ein neues tendenziell bipolares System, dass sich auf der Ausgrenzung der ehemaligen alten dominierenden Parteien (PD und PDL) gefaßte. In diesem Kontext haben die Anti-Establishment-Kräfte die absolute Mehrheit und bildeten eine Regierung (...) (Revelli, 109:67-68)31.
Die akademische Diskussionen und Untersuchung haben sich dann – obwohl mit großer Verspätung im Vergleich zu anderen Ländern – auf organisatorische, programmatische und ideologische Merkmale des Populismus in Italien fokussiert. Insbesondere konzentrierten sich etliche ForscherInnen auf die Rolle der digitalen Kommunikation für die Propaganda (vgl. Dal Lago, 2016; 2017) sowie auf die Schaffung neuer Formen der politischen Partizipation und die Veränderung der politischen und parteilichen Strukturen durch die Digitalisiserung der Politik (vgl. Bentivegna, 2014; Ceccarini, 2015; De Blasio, 2014, Gerbaudo, 2018; Rodotà 2013; Quadrelli, 2012, 2013).
4 Gegenstand, Forschungsfrage und Methodologie der Forschung
Vom 1. Juni 2018 bis Juli 2019 regierte die sogenannte gelb-grüne Koalition in Italien, die sich zusammensetzte aus den M5S – bekannt mit der gelben Farbe – und der Lega – bekannt mit der grünen Farbe. Diese Koalition stellte im italienischen, politischen Panorama eine große Neuheit dar (vgl. Ceri und Veltri, 2017; Dal Lago, 2017; Ignazi, 2018; Quadrelli, 2013; Tarchi, 2018). Aufgrund der programmatischen und ideologischen Unterschiede zwischen M5S und Lega wurde eine solche Koalition für unmöglich gehalten, weil die M5S seit ihrer Gründung gegen die etablierten Parteien kämpften, wie die Lega Nord, der PD unter Matteo Renzi und die Forza Italia von Silvio Berlusconi – die als korrupte Parteien beschrieben wurden.
Die Konstituierung dieser Koalition ist dann, so Ignazi (2018), als Folge politischer Kompromisse zu sehen: Der Versuch von Di Maio eine Koalition mit den Mittelinksparteien zu bilden, ist nach dem „klaren Nein“ von Matteo Renzi, dem ehemaligen Ministerpräsidenten und 2018 zurückgetretenen Parteichef des PD, gescheitert32. Die M5S wandte sich dann an die Rechte. Die Lega war bereit, eine neue Regierungsperspektive zu ermöglichen, damit sie die relevante Rolle in der neuen Regierung, Dank ihrer jahrzehntelangen politischen Erfahrung, spielen konnte. Trotz der verbreiteten Skepsis fand eine Einigung zwischen Lega und den M5S statt.
In diesem Kapitel werden nunmehr Gegenstand, Forschungsfragen und die entspchrechende Methodologie dargestellt. Zuerst werden die M5S und die Lega, die Komponenten der gelb-grünen Koalition, als Gegestand in ihren historischen, organisatorischen und ideologischen Merkmalen beschrieben. Danach werden die aktuelle politische Lage und die Fragestellung vorgestellt. Drittens werden die Thesen und die mit diesen verbundenen Hypothesen diskutiert. Schließlich werden das Analysemodell, die Operationalisierung der Kategorien für die Inhalts- und politische Diskursanalyse sowie die Materialien und die Verfahren der Arbeit erläutert.
4.1 Die M5S: Geschichte, Organisation und politische Agenda
Die M5S wurden als politische Partei 2009 (vgl. Ceri und Veltri, 2017) offiziell gegründet, obwohl sie als Organisation bzw. Bewegung bereits existierte. Beppe Grillo erklärte in einem Interview: „Wir sind weder eine Partei noch ein Verein. Wir sind eine Bewegung, die es bereits gibt. Es ist die Geburt nach einer langen Schwangerschaft, die im Januar 2005 begonnen hat33.“
Der italienische Komiker Beppe Grillo beschrieb auf seinem Blog eine neue Form der politischen Partizipation: Die sogenannten „Meet-Up34 “: unregelmäßige und informelle Treffen (vgl. Ignazi, 2019), um „sich zu treffen, zu diskutieren und eine neue Welt zu imaginieren“35. Durch seinen Blog36 wurden Invektiven gegen die Korruption und die „zynischen PolitikerInnen“, die in der Berlusconi-Ära regiert haben, von Grillo verbreitet. Ab 2006 suchte er einen Dialog mit der Mittelinkskoalition unter Romano Prodi, der aber wegen interner Widerstände und Skeptizismus gegenüber Grillo in der Koalition selbst nicht stattfinden konnte.
Im Jahr 2007 fand der sogenannte „Vaffa-Day“, der ein sehr großer Erfolg war, statt: eine nationale Mobilisierung der Menschen in verschiedenen Städten, um ein „parlamento pulito“ – auf deutsch: ein sauberes Parlament – zu konstituieren. Im Jahr 2008 scheiterte die zweite Regierung Prodi und die Meet-Ups von Grillo wurden als erste Zelle für die Gründung von „Liste Civiche“ (parteilose Liste) für die lokalen Wahlen präsentiert. Der Blog wurde als politische Plattform umgestaltet und die politische Partizipation wurde von einer starken Digitalisierung geprägt. Diese neue Form der politischen Partizipation war eines der innovativsten, organisatorischen Ereignisse in der italienischen Politik, die sich seit 1994 mit der „Telecrazia“ von Silvio Berlusconi (vgl. Sartori, 2007) je entwickelt hat.
Die politische Entwicklung der M5S ist nicht linear, sondern ideologisch und programmatisch ungewiss verlaufen (vgl. Dal Lago, 2017; Tarchi, 2018). In der Tat versuchte Beppe Grillo Mitglied des PD zu werden. Sein Ziel war es am Anfang, dem PD als größte Mitte-Linkspartei, die breite Unterstützung der Bevölkerung zuzuführen. Dies wurde aber aufgrund internen Widerstands blockiert: Die politische Führung des PD wollte Grillo auf gar keinen Fall die Möglichkeit einer Kandidatur für den Posten als Vorsitzender bieten37. Die Antwort eines der wichtigsten PD-Politiker dieser Zeit, Piero Fassino, wurde in der Folge häufing durch Social Media, Media und Fernsehshows mit Ironie präsentiert. Fassino, der weder Interesse an einer Zusammenarbeit mit Grillo noch an einer expliziten Provokation aufgrund populistischer Äußerungen gegen die Politik hatte, sagte: “Wenn Grillo Politik machen möchte, sollte er eine eigene Partei gründen, sich zur Wahl stellen, und dann werden wir sehen, wie viele Stimme er gewinnen kann38 “. Das stellte sich für viele Kommentatoren und danach auch für die politische Satire als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung heraus. Im Jahr 2009 gründete Grillo die M5S und begann die etablierten Parteien von Links und Rechts, die nun jeweils als Gegner gesehen wurden, herauszufordern. Ab dem Jahr 2010 nahmen die M5S an verschiedenen lokalen und regionalen Wahlen teil, mit positiven sowie negativen Ergebnissen (vgl. Ceri und Veltri, 2017).
4.1.1 Die politische Organisation der M5S
Eine Besonderheit des italienischen Systems besteht in der relativ unproblematischen Möglichkeit, eine Partei zu gründen: Während in der Bundesrepublik Deutschland ein Parteiengesetz existiert, das die Standards jeder Partei bestimmt, gibt es in Italien ein solches Gesetzt nicht. Das bedeutet, dass jede Partei beziehungsweise Bewegung sich auf verschiedene Art und Weise konstituieren und organisieren kann und darf. Dies lässt eine große Flexibilität zu. Die einzigen gesetzlichen Pflichten sind: (1) die Vorstellung eines Logo, (2) ein Parteistatut, das die politischen Zwecke und die gesetzlich verantwortlichen Personen benannt und schließlich (3) ein Sitz/eine Adresse.
Das zustandekommen von Kandidaturen, von Programme oder andere politisch interne Entscheidungen sind nicht explizit geregelt. Demzufolge können auch wichtige politische Entscheidungen (wie die Kandidaturen) durch interne traditionelle Wahlverfahren in einer Mitgliederversammlung, durch Online-Befragungen oder nach der freien (und arbiträren) Entscheidung des politischen Chefs getroffen werden39.
Die M5S wurden offiziell als Verein gegründet, obwohl es sich um eine politische Bewegung, beziehungsweise eine Partei handelte, die von einer privaten Firma – die Casaleggio Associati – stark beeinflusst waren. Laut Art. 5 der Parteisatzung der M5S sind die zentralen Organe der Bewegung die folgenden:
(1) Die Versammlung (L’Assemblea) – die durch die ordentlichen Mitgliedern konstituiert und von dem politischen Chef geleitet wird. Es ist interessant, dass kein feste Versammlungsstammort für die Versammlung vorgesehen ist. In der Tat findet die Versammlung – laut Statut – „da statt, wo der politische Chef sich befindet40 “ (vgl. Art.6, Buchstabe e).
(2) Der politische Chef – Capo Politico – ist „der legale und institutionelle Repräsentant der Bewegung“ und als solcher auch der Kandidat für das Ministerpräsidentenamt. „Er übt die ganze Machtbefugnis aus, die für die ordentliche Verwaltung notwendig ist. Die Akten der außerordentlichen Verwaltung werden der Kontrollkommission zur Einwilligung vorgelegt“.41 (Art. 7, Buchstabe a).
(3) Der Garant – il Garante – ist die interessanteste Figur der Parteisatzung. Laut Art. 8, a ist er der „Verwahrer der Grundwerte der politischen Aktion des Vereins. Er übt mit Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Maßgeblichkeit seine Tätigkeit. Der Garant verfügt über die anerkannte, akzeptierte Fähigkeit der authentischen Interpretation der Satzung, d.h. ihre Normen, die nicht hinterfragt werden kann.“42
Diese drei „Personen“ sind die zentralen Machtfiguren der Bewegung. Dazu rechnet man auch als zusätzliche Organe: die Mitglieder des Komitees der Kontrollkommission, die Mitglieder der Schiedskommission und der/die Schatzmeister/in. Die wichtigste Figur der Bewegung ist tatsächlich der Garant, der auch der Gründer der Bewegung ist, nämlich Beppe Grillo. Seit 2005 hat Beppe Grillo als charismatischer Führer die Bewegung personifiziert. Er beschreibt sich selbst als „il Megafono“ (dt. der Lautsprecher). Er ist eine moralische bzw. moralistische Figur. In diesem Fall ist die Rolle des Garanten, der von Grillo personifiziert wurde, eine Selbstnominierung gewesen: Beppe Grillo hat diese Rolle für sich konzipiert und für sich konstituiert. Grillo ist der Wächter über die moralische Integrität der Bewegung. Er kann nicht durch ein normales Entscheidungsverfahren delegitimiert und abgewählt werden: Er verkörpert die Bewegung und keine Entscheidung kann ohne die Zustimmung des Garanten gefällt werden43. In der Tat ist er, Dank seiner moralischen Funktion, der wahre politische Chef der Bewegung. Schließlich ist auch in der Organisation der Bewegung die Bedeutung der digitalen Welt zu berücksichtigen: Die wichtigen politischen Entscheidungen sollen durch die digitale Plattform Rousseau getroffen werden44.
4.1.2 Die politische Agenda der M5S
Die M5S wurde hier als eine „rein populistische Partei“ im Sinne von Tarchi (2018) bezeichnet (vgl. Kap. 1). Eine Ideologie, in traditionellem Verstandniss, ist bei der M5S schwer zu erkennen. Ihre politischen Zielen und Aktionen sind seit ihrer Gründung auf den Kampf gegen eine allgemeine Idee von Korruption gerichtet. Die erste dieser politischen Aktionen bezog sich auf das sogenannte „parlamento pulito“. Das allererste Ziel war es, ein Parlament ohne korrupte Abgeordnete zu schaffen45. Diese Perspektive hat sich dann insbesondere auf die politischen und ökonomischen Eliten, die under dem Begriff “La Casta” (vgl. Stella und Rizzo, 2007) bekannt wurden, gerichtet. Demzufolge lehnten die M5S den traditionellen Unterschied zwischen Links und Rechts, als sinnlos ab, da alle Parteien, Links oder Rechts, korrupt gewesen seien.46 Wegen ihres besonderen Interesses für das Thema „Justiz“ wurden die M5S oft als illiberal bezeichnet und heftig kritisiert. Ihre EhrabschneiderInnen definieren die Bewegung als eine Gruppe von „giustizialisti47 “. Ein Wort, das auf deutsch Menschen beschreibt, das diese mit einer übertriebenen Gerechtigkeitsliebe agieren, die tendenziell ohne Zweifel zu Verurteilungen neigen und auch vor Gericht ziehen.
Einer der bekanntesten Richter Italiens, Piercamillo Davigo, fungiertet für die M5S oft als Vorbild für den Anti-Korruptionskampf. Er wurde für eine Aussage bekannt geworden, die heute als Beispiel für die politische Position der M5S angesehen wird, obwohl diese Aussage viele Jahre vor der Gründung der M5S getätigt wurde. Er sagte: “die Unschuldigen existieren nicht, was existiert sind nur Schuldige, die noch nicht entdeckt worden sind48 “. Schließlich hat der Name „Fünf Sterne“ auch eine programmatische bzw ideologische Bedeutung, und zwar bezeichnen die Sterne die fünf Kernthemen der politischen Agenda der Bewegung: das öffentliche Wasser49, der Umweltschutz, die nachhaltige Mobilität, die Verbindungsfähigkei und die ökonomische und soziale Entwicklung. Diese Kernthemen können gleichzeitig als die allgemeinen politischen Ziele und die Werte der 5-Sterne Bewegung betrachtet werden.
4.2 Lega (Nord): Geschichte, Organisation und politische Agenda
Zur Geschichte der Lega (Nord) finden sich seit den 90er Jahren viele wichtige akademische Arbeiten, die das Phänomen hinsichtlich der parteilichen Strukturen und Ideologie analysiert haben (vgl. Biorcio, 1992, 1993, 1999). Hier werden lediglich zwei Linien erläutert, die für diese Arbeit eine wichtige Funktion haben: (1) Die starke Personifizierung der Partei unter der Führung von Matteo Salvini und (2) die starke ideologische Veränderung der Partei von einer ethnoregionalistischen (vgl. Biorcio, 1992) hin zu einer nationalistischen Ausrichtung (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2019). Diese zwei Linien beziehungsweise Kernthemen können mit Hilfe der Analyse der Änderungen in der Satzung der Lega Nord im Jahr 2018 aufgezeigt und beschrieben werden.
Bis 2013 war die Lega Nord noch eine autonomistische und regionalistische Partei, die als xenophob und rassistisch charakterisiert wurde (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2018; 2019). Vor den Änderungen, die Matteo Salvini vorgenommen hat, galt immer noch als politischer Zweck der Partei die Unabhängigkeit der sogenannten „Padania“ (vgl. Biorcio, 1997).50 Mit den Veränderungen des Jahres 2018 fand eine echte politische Revolution in der ehemaligen Lega (Nord) statt (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019): Die Rolle der Führung war ohne Zweifel von Anfang an sehr wichtig. Ohne den charismatischen Leader Umberto Bossi hatte die Lega Nord ihre ersten Erfolge nicht erreichen und somit keine Rolle in den Regierungen von Berlusconi spielen können.
Bossi war der politische Repräsentant der Lega Nord als Partei und sozusagen ihr Emblem. Nichtsdestotrotz standen die politischen Zwecke der Partei an erster Stelle. Das Symbol war die „Lega Nord“ und dabei wurde immer auch gezeigt, dass das politische Ziel die „Unäbhangigkeit“ des Nordens von Rom sein sollte. Von diesem Ziel ist abgesehen worden und das Symbol hat keinen Bezug mehr zum „Norden“. Der gestrichene Artikel 4 ermöglichte eine Untergliederung der Lega Nord in verschiedene Gruppen auf regionaler Ebene. Ebenfalls wurde der Art.6, in dem die sogenannten „Padri fondatori della Padania“ – die sogenannten Grunderväter der Padania – als Mitglieder des „Congresso Federale“ nominiert wurden, abgeschafft. Schließlich wurde auch die Figur des Präsidenten der Lega Nord aus der Satzung gestrichen51. Inzwischen wurde durch den Titel „Matteo Salvini Premier“ das Logo (vgl. Maestri, 2014; Diamanti und Pregliasco, 2019) stark personifiziert und gleichzeitig stellte die Lega eine neue politische Agenda auf: Nun möchte sie die nationalen Interessen Italiens, und nicht nur die des Nordens, vertreten. Nach diesen politischen und formellen Änderungen ist die Lega eine nationalistische Partei geworden (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2019), die aber ihre politische Rhetorik nicht verändert hat. In der Tat bleiben Minderheiten die Zielscheibe ihrer aggressiven und fremdenfeindlichen, politischen Rhetorik. Früher waren es die sogenannten „Terroni“ – ein Schimpfwort, um Leute aus Süditalien zu bezeichnen – nun sind es die MigrantInnen (vgl. Ignazi, 2019) sowie die „anti-italienischen Eliten“, die laut der ‚neuen Lega‘ gegen das Interesse der italienischen Bevölkerung handelten: die globalen Finanzinstitutionen, die europäischen Institutionen (in einem Wort: Brüssel) sowie die sozialdemokratischen Kräfte, die explizit die Gesellschaft multi-kulturalisieren und islamisieren möchten52.
Jahrzehntelang war die Lega Nord eine strukturierte und traditionelle Partei, die durch eine starke Führung charakterisiert wurde. Mit Matteo Salvini ist die Rolle des Leaders noch herausragender geworden. Die Lega trägt jetzt als politisches Ziel „Matteo Salvini Premier“ vor sich her, was zum Beispiel auch Forza Italia seit ihrer Gründung ebenso getan hat. Somit hat die Lega diejenige Veränderung erfahren, die Mauro Calise (2000; 2007) in Bezug auf die Rolle Berlusconis in der politischen und kulturellen Veränderung des italienischen Parteiensystems als „partito personale“ identifiziert hat.
4.3 Thesen und Hypothesen
Die Hauptthese dieser Arbeit lautet, dass Lega und M5S vor und nach den Wahlen einen differenzierten Veränderungsprozess vollzogen haben. Zwar haben sie ihre Kommunikationsstile nicht substantiell verändert; jedoch haben sie sich in Bezug auf ihre politische Agenda und Praxis in unterschiedliche Richtungen entwickelt, um sich auf den für sie neuen politischen Kontext des Regierens einzustellen. Die angeschlossene Hypothese lautet: Trotz ihrer Rollen als Regierungsparteien haben die Lega und die M5S ihre Kommunikationsstile nicht verändert, weil sie den Konflikt zwischen sich und „den Anderen“ – gemeint sind vor allem die supranationalen Institutionen, die MigrantInnen oder die sogenannten „guten Menschen“ – immer auf einem herausragenden Höhepunkt halten müssen, um ihre Rolle als „Difensori del Popolo“ (Beschützer des Volkes) rechtfertigen zu können. Das ist das Kernelement des populistischen Diskurses, das als Produkt der aktuellen historischen, sozialen und politischen Lage gesehen werden kann (vgl. Kap.3).
Es entstand ein populistischer Diskurs, der sich, wie Chantal Mouffe (2018) schreibt, in den westlichen demokratischen Gesellschaften in den letzten Jahren verstärkt hat und auch in der repräsentativen Demokratie einen Platz gefunden hat53. Aus diesem Grund schreiben – unter anderem – Müller (2016) und Urbinati (2018) , dass Populisten ebenso in einem repräsentativen System existieren können. Obwohl sie als populistisch bezeichnet werden können, richten sie sich nicht automatisch gegen die Prinzipien der politischen Repräsentation oder gegen die Demokratie als System (vgl. Eatwell und Goodwin, 2018). Die Populisten an der Macht reproduzieren sodann ihre populistischen Kommunikationsstrategien und versuchen die institutionellen Konflikte, wie gesagt, immer auf einem Höhepunkt zu halten, um ihre Legitimität im demokratischen Repräsentationssystem mit Hilfe der demokratischen Verfahren zu erneuern und zu stärken. Ein weiterer Aspekt bezieht sich auf das Thema ihrer „Programmatik“.
Die zweite Hypothese lautet, dass die M5S aufgrund ihrer rein populistischen Natur (vgl. Tarchi, 2018), die als thin-centered Ideology (vgl. Mudde, 2004) definiert wurde, im Vergleich mit der Lega eine stärkere Veränderung in ihren politischen Agenden und Praxen erlebt hat. Der Grund hierfür ist, dass sie wegen ihrer ideologischen Flexibilität den politischen und ideologischen Einfluss der Lega, die eine langjährige und gefestigte politische Geschichte hat, ausgesetzt sind. Hingegen sind die Kernthemen der Lega, in der politischen Rhetorik sowie in den politisch konkreten Umsetzungsprozessen, trotz einer Veränderung in Bezug auf die politischen Zielgruppen ihrer Rhetorik (vgl. Ignazi, 2019), nach wie vor dieselben geblieben.
Schließlich werden die Populisten an der Macht ihre politischen und kommunikativen Strategien dem jeweiligen Kontext anpassen müssen, obwohl sie eine ähnliche Rhetorik nutzen werden. In erster Linie versuchen die Populisten an der Macht, basierend auf ihren Positionen, neue Prozesse anzustoßen, um zum Beispiel Veränderungen auch durch neue Formen der politischen Partizipation – mit Verfassungsänderungen – zu schaffen. Ob dies ein echter Vorsatz ist, um die Demokratie durch einen Ausbau der politischen Teilhabe zu stärken oder nur ein Schachzug, um Konsens zu schaffen, ist eine offene Frage, die aber an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann.
4.4 Forschungsdesign und Analysemodell
Diese Arbeit wird sich auf einem qualitativ-interpretativen Ansatz ausbauen (vgl. Kromrey, Roose und Strübuing, 2016), mit einer Fallstudie (vgl. Yin, 2009; Kromrey, Roose und Strübuing, 2016) innerhalb derer die Inhalts- und politische Diskursanalyse als Methoden zum Einsatz kommen (vgl. Angermüller, 2001; Keller, 2001; Kromrey, Roose und Strübuing, 2016; Mayring 1994; 2000, Santulli, 2005; Ullrich, 2008; Van Dijk, 1997; 2005; 2009)
Laut Yin (vgl. 2009:18) ist die Fallstudie zu nutzen, „[ in order to F.Q.] understand a real-life phenomenon in depth” und „[ if F.Q.] the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident”. Die Fallstudie bietet sich somit als die adäquateste methodologische Strategie für diese Arbeit an. Die Fallstudie als Forschungsmethode weist keine spezifische kodierte Form auf (ibid.). Trotzdem hat Yin mit seiner langjährigen Arbeit Hinweise gegeben und Strukturen vorgeschlagen (vgl. Yin, 2009). Es solle eine Fragestellung geben, die sich auf eine klärende Frage, wie zum Beispiel „wie“, „inwiefern“ und „warum“ bezieht. Die Fallanalyseeinheiten dieser Arbeit sind der M5S und die Lega, während die Fallstudie die „Populisten an der Macht“ als Phänomen untersucht. Auf diesem Grund ist diese Fallanalyse eine „multiple units analysis“ mit einem „single-case design“ (Yin, 2009:39). Im Rahmen der explanatorischen Fallstudie werden zwei Methoden der qualitativen Forschung angewandet. Unter empirischer Inhaltsanalyse versteht man jede Art „von Bedeutungsträgern, durch systematische und objektive Identifizierung ihrer Elemente Schlüsse ziehen [zu können], die über das einzelne analysierte Dokument hinaus verallgemeinerbar sein sollen“ (vgl. Kromrey, Roose und Strübing, 2016:302). Wie Kromrey, Roose und Strübing (2016) erklären, ist in der qualitativen Forschung nicht sinnvoll, die Inhaltsanalyse allein zu nutzen. Deswegen werde ich sie, als qualitativ-deduktive Inhaltsanalyse im Sinne von Mayring (2000), zusammen mit einer politischen Diskursanalyse (vgl. Van Dijk, 1997, 2001, 2005, 2006, 2009) verwenden. Letztere bezieht sich auch auf die Analyse der politischen Rhetorik (vgl. Milkowska-Samul, 2011), die entsprechend Mazzoleni (2004) als Teil des Diskurses zu verstehen ist. Foucault zufolge sind Diskurs:
als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen diese Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. Dieses mehr muß man ans Licht bringen und beschreiben (Foucault, 1973:74).
Wie bereits erklärt, ist die Analyse des populistischen Phänomens sehr komplex. Eine mögliche quantitative Perspektive konnte die Intensität des Phänomens in seinem formalen Aspekt beobachten und, vielleicht, messen: Wie viele Stimmen hat eine Partei bzw. Bewegung zugewonnen? Wie hat sich die Zufriedenheit mit diesen Parteien entwickelt? Wie lange hat dieser Erfolg gedauert? Usw. – aber um die Kernelemente der programmatischen, ideologischen und politischen Dimensionen des Phänomens zu identifizieren, ist eine qualitative Perspektive sinnvoller. Die theoretische Reflexion ist mit der empirischen Analyse stark verbunden. Die Regierungserfahrung von M5S und Lega ist noch jung und das ist ein konkreter Schwachpunkt. Nichtsdestotrotz ist dieses Beispiel interessant und bietet die Möglichkeit, das populistische Phänomen aus einer besonderen Perspektive zu analysieren: innerhalb des Phänomens selbst und in seiner Entwicklung54.
Entsprechend den gegebenen Definitionen und Elementen der populistischen Phänomene werden an dieser Stelle zwei Dachkategorien vorgeschlagen, die die wesentlichen Charakteristika des Populismus zusammenfassen und die für die Inhalts- und politische Diskursanalyse dieser Fallstudie verwendet werden können. Wenn die Kernelemente der populistischen „thin-centred ideology“ der Konflikt zwischen der Bevölkerung und anderen Entitäten sowie die Idealisierung des Volkes sind, dann soll in der politischen Rhetorik und in der politischen Praxis von M5S und Lega die relevante „Bezeichnung der Sachen“ – um Foucault zu zitieren – die diesen Konflikt und die Idealisierung beschreiben können, gefunden und analysiert werden. Aus diesem Grund sind die zwei vorgeschlagenen Dachkategorien: die „Konstruktion des Gegners“ und die „Konstruktion des Volkes“. Diese Dachkategorien sind miteinander verbunden und auf weitere Unterkategorien aufgeteilt.
In Bezug auf die erste Dachkategorie wird die Bedrohung des Volkes von oben, in der Gesellschaft selbst, oder von draußen, von MigrantInnen sowie zum Beispiel von internationalen Institutionen, ausgeübt worden. Deshalb sind die vorgeschlagenen Unterkategorien:
(1) die „Casta-Narration55 “;
(2) „die Invasion“ von MigrantInnen aus Nordafrika in die politische Rhetorik der Lega und insbesondere von Salvini, aber auch vonseiten des M5S in verschiedenen Formen, die hier untersucht werden und
(3) „Brüssel“, als Metapher der bürokratischen und übergeordneten politischen Macht, die Italien und die ItalienerInnen entmachten möchten.
In Bezug auf die zweite Dachkategorie ist die Konstruktion der idealen Bevölkerung als ein Prozess zu verstehen, der durch zwei weitere Unterkategorien beschrieben und analysiert werden kann: (1) die „guten ItalienerInnen“ vs. die (2) „guten Menschen“. Diese Unterkategorien erlauben die Untersuchung der Idealisierung des Volkes, aber auch des Prozesses der Ausgrenzung innerhalb derselben Gemeinschaft: nicht alle ItalienerInnen seien als „richtige ItalienerInnen“ zu verstehen, wie Salvini oder Di Maio oft indirekt oder direkt geäußert haben.
Schließlich werden als Analysematerialen der Inhalts- und politischen Diskursanalyse prinzipiell drei Materialen benutzt: (1) Die Wahlprogramme der Lega und des M5S für die Wahlen im Jahr 2018; (2) der Koalitionsvertrag zwischen Lega und M5S; (3) die politische Rhetorik der Führung der M5S (Luigi di Maio) und der Lega (Matteo Salvini) sowie ihre Kommunikationsstrategien durch soziale Medien (Facebook und Twitter).
5 Vor den Wahlen 2018: Die Kommunikationsstrategie und die Programmatik der M5S und Luigi di Maio
Entsprechend Artikel 61 der italienischen Verfassung sollen Wahlen innerhalb von 70 Tagen nach der Beendigung der vorherigen parlamentarischen Periode stattfinden56. Daher wurden Analysematerialien gesammelt (vgl. Kap. 4), die sich innerhalb dieser Zeitspanne befanden, um die Zeit „vor den Wahlen“ zu begrenzen. Laut IPSOS (2018) war die italienische Wahlkampf-Zeit 2018 von einem hohen Aggressivitätsnivaue geprägt.
Abb. 4: Aggressivitäts-, Lügen- und Feindseligkeitsindex des Wahlkampfes 2018 in Italien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Bearbeitung nach IPSOS 2018, Parole Ostili.
Die Lega beschäftigte sich mit Angriffen auf ethnische und religiöse Minderheiten – und dokumentierte damit deutlich ihre rechtspopulistische beziehungsweise rechtsradikale Natur. Die M5S führte hingegen einen aggressiven Wahlkampf ohne rassistische bzw. fremdfeindliche hintergründige Anspielungen. Auch haben die beiden Spitzenkandidaten – Luigi di Maio und Matteo Salvini – sehr unterschiedliche Kommunkations- bzw. Politikstile (vgl. Moffitt und Tormey, 2014), zum Tragen gebracht: institutionenbezogen und beruhigend Di Maio, aggressiv und feindselig Matteo Salvini.
5.1 Zwischen Protest und Regierungsambitionen: der Wahlkampf 2018 der M5S
Die M5S ist ein interessantes Beispiel, um eine rein populistische Partei (vgl. Tarchi, 2018) in ihrem Wechsel von einer Protestbewegung zu einer Regierungspartei zu analysieren. Der Wahlkampf im Jahr 2018 zeigte, dass die M5S als parteiorientierte Formation von einem politischen Stil charakterisiert war, der typisch für eine Protest- und Oppositionspartei ist. Die Bewegung führte eine Propaganda durch, die auf Angriffe gegen politische GegnerInnen fokussiert war. Luigi di Maio personifizierte hingegen das institutionelle und beruhigende Gesicht der M5S.
Über soziale Medien (Twitter, Facebook und Instagram) wurden Plakate gepostet und verbreitet, die explizit die Delegitimation des Gegners zum Ziel hatten. Gleichzeitig wurden aber auch positive Alternative angeboten, um das legitime Volk zu identifizieren. Der Wahlkampf der M5S ist für diese Inhalts- und politische Diskursanalyse mit den vorgestellten Kategorien (vgl. Kap.4) paradigmatisch: In der digitalen Welt sowie durch die andere traditionelle Art des Wahlkampfes (Podiumdiskussionen, politischen Debatte, usw.) wurde ein Wahlkampf durchgeführt, der als ein kontinuierlicher politischer Prozess definiert werden kann, der stark auf die Konstruktion des Gegners und des (legitimen) Volkes fokussiert war57.
Mit dem Begriff „la Casta“, der nach der Auflegung des homonymen Buches von Stella und Rizzo (2007) bekannt wurde, ist die Gesamtkeit den politischen Zielgruppen der M5S-Propaganda repräsentiert. Sie sind RepräsentantInnen der politischen und ökonomischen Eliten, die oft nicht nur als „Gegner“ sonder als „Feinde“ angesehen werden, und die besiegten werden sollen. Unter diesem Begriff fallen z.B. Große Unternehmer, BankbesitzerInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen, AkademikerInnen usw. Die Anti-Casta Rhetorik ist für die M5S-Propaganda essentiell und dient als Kernelement ihrer schwachen Ideologie. Tatsächlich wurde in den Inhalts- und politischen Diskursanalyse die „Casta“ in drei weitere Unterkategorien untergliedert: die alte politischen Eliten, die Banken und die JournalistInnen. Diese Unterkategorien fungieren in der politischen Rhetorik der Bewegung innerhalb ihren Kozepte für fehlende Glaubwürdigkeit und Korruption.
5.1.1 La Casta: die alten politischen Eliten
Mit Angriffen auf bekannte Figuren wird die soziale Realität in zwei dichotomen Gruppen unterteilt: Die „Guten“ und die „Bösen“, und zwar das legitime Volk und seine Gegner (vgl. Kap.1 und Kap.4). Die alte politischen Eliten repräsentieren die Hauptgegner der M5S seit ihrer Gründung (vgl. Passarelli und Tuorto, 2016), da sie als die Ursache der politischen Unzufriednheit, der Ungerechtigkeit und Verärgerung des Volkes betrachten werden. Daher wurden PolitikerInnen in den letzten Jahrezehnte, die an der Macht waren, als unglaubwürdige und hypokritische Figuren dargestellt58. Die folgende Abbildung zeigt Giorgia Meloni, die Vorsitzende der Rechtsnationalistischen Partei „Fratelli d’Italia“ (FdI – auf Deutsch: Brüder Italiens) und Silvio Berlusconi (FI) ein Nebeneinander mit einem künstlichen Lächeln im Gesicht, zwischen zwei Reihen mit verschiedenen Farben. Auf dem schwarzen Teil steht: „2011 stimmten sie für die Fornero-Reform“. Auf dem roten Teil hingegen: „Nun sagen sie, dass sie [die Reform] abschaffen wollen“.
Abb.5: Offizielle digitale Plakate der M5S gegen Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 08.01.2018
Die Fornero-Reform (füßt auf dem Namen der ehemaligen Arbeitsministerin Elsa Fornero) war eine sehr umstrittene Rentenreform, die vielen Menschen das Leben erschwert hat. Mit dieser Reform wurden drastische Einschnitte in die Rente vollzogen sowie die Erschaffung von der sogenannten „esodati“: Etwa 400.000 ArbeiterInnen, die „weder das Recht auf einen Arbeitsplatz noch auf Rentebezüge haben“ (vgl. Namhut, 2012). Auf Grund dessen wuchs die Unzufriedenheit mit den Institutonen so stark an. Das Problem wurde durch Medien und politische Propaganda dramatisiert und als wesentliches Beispiel des Desinteresses den politischen Eliten an den Menschen vorgeführt. Es war auch ein sehr relevantes Element der populistischen Propaganda im Jahr 2013 sowie im Jahr 2018. Die M5S war im Jahr 2011 nicht in Parlament vertreten, jedoch war die Lega die einzige Partei, die für diese Reform nicht gestimmte. Das digitale Plakat (Abb.8) versucht daher an diese Erfahrung zu erinnern und damit gleichzeitig die Glaubwurdigkeit der politischen Akteure in Frage zu stellen. Der Wahlkampf der M5S konzentriete sich stark auf positiven sowie negativen Emotionen59. Das Ziel war es, durch Spiele mit Farben, Musik, Methaphern oder kurze Mitteilungen, eine bestimmte/fiktive Realität, die mit der populistischen dichotomen Logik (wir vs. Anderen) interpretiert werden soll, zu präsentieren. Diese Art und Weise der politischen Propaganda ist nicht von M5S im Jahr 2018 entwickelt worden, sondern ist ein typischer Politikstil der letzen Jahrzehnte: Aus diesem Grund sprach Cosenza schon im Jahr 2012 von die „Spotpolitik“. Die Fornero-Reform war für viele Menschen ein sehr empfindliches Thema und daher war ein perfektes Element für die Anti-Casta Propaganda der Bewegung. Demzufolge ist die Abbildung 8 ein interessantes Beispiel.
Abb.6: Offizielle digitale Plakate der M5S zum Thema Rente/Fornero-Reform
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 08.01.2018
Auf linke Spalte des Plataks steht eine graue Figur, die vielleicht eine alte Frau repräsentieren soll, die ihr Portmonnaie aufmacht, um zu zeigen, dass es leer ist. Dieses ist zeitlich eingeordnet und zwar wenn Berlusconi und Giorgia Meloni – die (Mittel)rechtsparteien – der Fornero-Reform damals zugestimmt haben. Auf dem unteren Teil der linken Abbildung wird im Lettern (...) auf das Problem und die politische Angriffspunkte: „ Dez. 2011. Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni stimmten für die Legge Fornero und schadeten Tausenden ItalienerInnen“.
Auf der rechten Spalte des Plataks, hingegen, findet man die positive Erzählung: Eine farbige Darstellung, in der zwei ältere Menschen auf einem Marktplatz glücklich und begütert viele Äpfel kauften können, zeigte. Die M5S entwickelte eine Propaganda, die den Unterschied zwischen einer traurigen Vergangenheit und einer besseren Zukunft erzählen soll: „März 2018. Die 5-Sterne-Bewegung beschnitt die goldene Rente, um die Grundrente zu erhöhen“.
Das ist was die M5S verspricht: Gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die in der italienischen Gesellschaft existieren, zu bekämpfen und abzuschaffen. Diese politische Ziele werden mit der Propaganda der politischen Linken geteilt. Während die Linke eine gründlegende Propaganda gegen das Status Quo als Ganzen und gegen die kapitalistische bzw. neoliberale Ideologie verwendet, verfolgt die M5S als politisches Ziel die Delegitimation der Anderen und identifiziert klare politische Gegner: Ihre Propaganda ist auf Personen fokussiert, anstatt auf bestimmte politische Vorstellungen, die bekämpft werden sollen.
5.1.2 Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Politik: Berlusconi, Boschi und Renzi
Silvio Berlusconi wurde von der M5S-Propaganda, wegen seiner Problemen mit der italienischen Justiz, als Korrupt und als Verbrecher betrachtet. Er umgreift alle die negativen Merkmale, die die M5S seit ihrer Gründung bekämpfen möchtet. Aus diesem Grund ist Berlusconi des beliebte Ziel dieser aggressiven, persönlichen Angriffe der Bewegeung geworden.
Abb. 7: Berlusconi der unwählbar Politiker
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 16.01.2018 und 23.01.2018.
Auf dem ersten Plakat liest man: „Wir erinneren jeden, dass Silvio Berlusconi laut italienischen Gesetz keine Rolle mehr spielen darf, weder als Mitglied des Parlaments oder als Ministerpräsident“, da er „eine unwählbare, verurteilte Person ist60 “. Das zweite Plakat spielt hingegen auf die fehlende Glaubwurdigkeit von Berlusconi als Politiker, da er „für 3339 Tage als Regierungschef“ tätig gewesen ist. Die Botschaft ist dann, dass sein Engagement aber „nur für sich und seine eigenen Interesse“ galt. In Verbindung mit Silvio Berlusconi wurde auch die Lega Nord attackiert. Abbildung 11 greift dann Silvio Berlusconi und die Lega (Nord) in Bezug auf die frühern Arbeitsmarktreformen an: „im Jahr 2003 Forza Italia und die Lega haben das Prekariat erfunden61 “ steht auf die linken Spalte des Plakats, aber heute (2018) sagt Berlusconi „dass, er den Jobs Act abschaffen möchte“. Dann auf dem roten Teil die rethorische Frage: „Traut ihr dessen noch?“
Abb.8: Berlusconi und Maroni (Lega Nord)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 10.01.2018
Ein zweites Thema, das in den letzen Jahren sehr relevant war, bezieht sich auf die Bankenunterstützung durch staatliche Ressourcen sowie auf die Zusammenbrüche von Banken, die die kleinen SparerInnen – laut Lega und M5S – betrögen haben. Im diesen Fall werden als Ziele der politischen Rhetorik der M5S der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi und Maria Elena Boschi, die ehemalige Ministerin für Reformen und Beziehungen zum Parlament, ausgemacht62. In den Schwarzen Teil findet man zwei Statements, auf der linken Spalte eines von Matteo Renzi, auf der rechte Spaltung eines von Ignazio Visco, dem Präsident Bankitalia. Der rote Teil beeinhaltet die politische Botschaft: „über die Banken haben sie gelogen . Renzi wie Boschi: Lügner“.
Abb.9: Offizielle digitale Plakate der M5S gegen Boschi und Renzi (PD)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 08.01.2018
Ein drittes Thema bezieht sich auf die sogenannte „inciucio“. Mit diesem Wort wird eine unnatürliche beziehungsweise unmoralische Parternschaft zwischen linken und rechten Parteien, insebsondere zwischen Silvio Berlusconi und Matteo Renzi, identifiziert (vgl. Abb.10). Diese Partnerschaft hatte, laut der M5S, als Ziel die demokratischen Institutionen zu kontrollieren. Sie wurde journalisch als „Patto del Nazareno“ – bezogen auf den Namen des PD-Haus in Rom – bezeichnet, wo diese Vereinbarung zwischen Renzi und Berlusconi abgeschlossen sein sollte. Der „Patto del Nazareno“ wird als eine Gefahr für das italienische Volk interpretiert und vorgestellt und wurde als solcher politisch thematisiert. Das ist die traditionelle populistische Rhetorik: die bösen und korrupten Eliten agieren gemeinsam (linke und rechte Parteien) gegen das (unschuldige) Volk, um ihre eigene Interesse zu veretreten und garantieren. In dem schwarzen Teil steht: „die echte Bündins“ und auf dem roten Teil: „eine Betrug gegen die Italiener“.
Abb.10. Die Anti-Inciucio Propaganda der M5S
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 08.01.2018
5.1.3 Die Medien: mit der politischen Macht konniventen
Zwischen den Populisten und den Medien existiert eine besondere Beziehung. Laut Mounk (2018) üben die Medien eine Kontrollfunktion aus, die eine Gefahr für die Populisten darstellt: Mit ihrer Arbeit können die Medien die positive Maske der populistischen Parteien und/oder Politiker abreißen. Das ist, so Mounk, besonders wichtig, wenn Populisten an die Macht gelangen. Diese Sichtweise mag richtig sein, aber in der Realität, ist die Rolle der Medien häufig ambivalent. Sie können zum Beispiel die populistischen Kräfte unterstützen – direkt oder indirekt – und sie können auch unbewusst eine sehr relevante Variable des populistischen Erfolges sein. Dies ist in Italien besonders wichtig. Denn gehört ein großer Teil der privaten Fernsehensender Silvio Berlusconis Unternehmen (Mediaset), während die öffentlichen Fernsehsendungen (RAI) durch die Nominierungen jeder Regierungen stark beinflußt waren. Aus diesem Grund war die M5S immer sehr kritisch gegenüber den italienischen Medien eingestellt.
Abbildung 11 präsentiert zwei bekannte italienische Journalisten vor, die für den PD und die FI kandidiert haben: Giorgio Mulè, Chefredaktuer von Panorama, und Tommaso Cerno Vize-Chefredakteur von „La Repubblica“. Die Propaganda der M5S verweist an dieser Stelle auf ein paradigmatisches Beispiel: eine Bestätigung der Parteilichkeit der Medien in Italien. Daher werden einzelne reale Fakten als Teil einer systemischen politischen Amoralität der Medien vorgestellt.
Abb. 11: Journalisten Zielscheibe der M5S-Propaganda
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 02.02.2018
Die Populisten stellen sich als moralische Kräfte (vgl. Müller, 2016) vor, die das System ändern und damit retten können. Dies ist ein Kernelement der populistischen Kommunikatiostrategie der M5S, die als rein populistisch im Sinne von Tarchi (2018) beschrieben wurde. Mit dieser Abbildung wurde unterstreichen, dass die „Konnivenz“ der Medien mit der politischen Macht bestätigt ist. Diejenigen, die eigentlich eine Kontrolle aus der politischen Macht ausüben sollten, sind hingegen mit der politischen Macht stark verbunden. Dieses Narrativ fungierte nicht nur als ein Szenario aller Gegner – politische und ökonomische Eliten, AkademikerInnen, JournalistrInnen usw. – sondern auch ein als klarer politischer „Frame“ (vgl. Lakoff, 2004), der bestimmte Gesellschaftsbilder präsentiert: In Italien sind die Medien weder glaubwürdig noch frei, da sie sich aktiv im politischen Kampf mit den etablierten Parteien engagierten. Diejenigen, die sich gegen diesen Statuts Quo richten möchten, gehören aber zu den „Guten“, und werden als „Freunde“ betrachten und vorgestellt. Dies bezieht sich auf den Fall von Gianluigi Paragone, damaliger Chefredakteur der Zeitung „La Padania“ und dann ein bekannter Fernsehmoderator des Privatskanal La7: Er wurde von der M5S als Kandidat für dem Senat aufgestellt. Als Begründung für seine Kandidatur hat Luigi di Maio das Engagement Paragones mit seiner Arbeit als Journalist für „die Aufdeckung der Wahrheit hinsichtlich des Themas Banken und Korruption“ gerechtfertigt63.
5.2 Das institutionelle Gesicht der Bewegung: der Kommunkationsstil von Luigi di Maio
Die Kommunikationsstrategie des politischen Führers Luigi di Maio war auf andere Ziele gerichtet. Luigi di Maio, der für Fünf Jahre der Vize-Präsident des Abgeornetenskammer war, repräsentierte das institutionelle und berühigende Gesicht der Bewegung:
in den nächsten Monaten werden wir die Angriffe der anderen Parteien erleben; es wird jedoch eine politische Kampagne sein, die wir mit unseren Themen führen werden, damit Italien ein besseres Land wird. Die anderen werden uns sagen, dass wir zu Nichts taugen, dass wir subversive Pläne verfolgen, dass wir eine Gefahr für das Land sind: ignoriert sie. Sie sind nicht auf dem Laufenden, vor allem weil sie weiter versprechen machen, nachdem sie 20 Jahre regiert haben, ohne diese Versprechen umzusetzen. Ich werde mein Bestes geben, geben wir alle zusammen unser Beste64
In diesem Teil der Rede von Luigi di Maio wurde die Strategie der Bewegung irgendwie gewendet. Er prangerte an, dass die „Anderen“ sich gegen die Bewegung aussprechen würden. Er betont, dass die Bewegung als Ziel der politischen Propaganda der Linken sowie der Rechtsparteien werden wird. Er verspricht, dass die Bewegung – und er – einen anderen Art des Wahlkampfes führen wird: auf „Themen“ setzen wird anstatt auf Angriffe auf politische Gegener. Das widerspricht aber, wie die vorherige Analyse gezeigt hat, der Wahlkampfspropaganda der M5S als Partei. Diese „bipolare“ Kommunikationstrategie diente aber dafür der M5S ihre StammwählerInnen zu halten und neue WahlerInnen, insbesondere aus dem Mitte-Links-Spektrum, zu überzeugnen (vgl. Ipsos, 2018 und Kap.3). Das stärkste Argument der politischen Rhetorik im Rahmen Luigi Di Maio ist dann jedoch das Thema Glaubwürdigkeit. Er betont, dass „die Andere“ Versprechen gemacht hatten, die obwohl sie 20 Jahre an der Macht waren, nie erfüllt haben wurden. Das gilte für die linken Parteien (Centrosinistra) ebenso für die rechten Parteien. Dies wurde in der Abschlüßrede des Wahlkampes 2018 von Luigi di Maio klar dargestellt:
(...) zum Glück sind heute die Mitte-Links-Parteien besiegt worden (...) Sie sind raus. Und sie wissen es. Ab heute haben sie nichts mehr dazu zu sagen (...)
(...) in all diesen Monaten habe ich die Mitte-Rechts-Parteien gefragt, wer die/der Kandidatin/Kadidat für die Präsidentschaft des Ministerrates ist. Es war eine einfache Frage. Ich fragte nicht: erzähl mir was zum Programm oder zu den wirtschaftlichen Abdeckungen. Sie haben ebenso "Töpfe" zusammen als Geschenk mit dem politischen Programm versprachen. Ich fragte: wer ist der Kandidat? Und sie haben in drei geantwortet: Ich bin es, sagte Matteo Salvini. Ich bin es, sagte Giorgia Meloni. Berlusconi sagte hingegen: Keiner von beiden, ich werde er Ihnen vorstellen, aber nach den Wahlen, weil ich für diese Position nicht förderfähig bin65.
Mit der Bewegung an der Macht kann die alte Politik beendet werden und kann ein politischer, sozialer, ökonomischer und – insbesondere – ethischer Wechsel stattfinden:
(...) mit uns endet am 4. März, wenn ihr es möchtet, die Sitz-Ära, von die, die für Menschen in den Institutionen gearbeitet haben, und beginnt die Ära der Politik, die für Menschen außerhabl den Institutionen sind, die BürgerInnen (Appluse). Und wenn ihr uns erlaubt an der Regierung zu kommen, wir werden euch die Schlüßel dern Institutionen dieses Land zurückgeben. Damit ihr selbst für die politische Entscheidungen mitbestimmen könnten. Wir sind genau für das Gegründet worden. Und wir werden es nie vergessen. Wir wollen regieren, um mehr Transparenz in den Institutionen zu ermöglichen. Aber insbesondere um Praxen der direkten Demokratie und Teilhabe zu schaffen (...)66
Das Thema Glaubwürdigkeit wird dann mit dem Thema der Ethik in der Politik verknupft und daher wird die populistische Rhetorik verstärkt: Ein Kampf gegen die korrupten, unsensiblen und „unmenschliche“ Eliten, um das unschuldige und missbrauchte Volk zu schützen. Der Kern dieser Rhetorik kann in dieser Satz von Di Maio gefunden werden: “[n]oi abbiamo sempre chiesto a chi governa [una cosa]: umanità“ (Auf deutsch: Wir haben immer diese Frage an die Politik gerichtet: Menschlichkeit). Sie stellen sich dann als die Einzige dar, die eine neue, glaubwürdige und menschliche Politik praktizieren können:
(...) wir sind immer da gewesen: vor den Wahlen und nach den Wahlen. Hingegen sind die andere die 2 Monaten vor der Wahlen da gewesen, und dann nicht mehr. Wenn ich euch sagen darf, welche die Verantwortung ist, die ich fühle, ist genau das: diese Erwartung und diese Hoffnung nicht zu enteuschen (...)67
Die Schlußrede von Di Maio endet mit einer besonderen Inzenierung, die ein deutlicher Beleg der „Spotpolitik“ im Sinne von Cosenza (2012) ist. Er verliest einen Brief, der die Hoffungen einer gesamten Generation repräsentieren soll. Es geht um ein positives und stark emotionale Narrativ, dessen Leitmotiv ist „noi siamo quelli che ce la fanno“ (auf deutsch: Wir sind die, die es schaffen können). In der Inszenierung spielt auch die Musisk eine zentrale Rolle: eine melancholische und pathetische Melodie begleitet das Vorlegen des geschriebenen Briefes. Damit handelt sich um ein Musterbeispiel der Politik mit Emotionen: ein Mix von politische Angriffen auf die alten, politischen Eliten und positive Angebote, um Hoffnung und Vertrauen des Volkes zu gewinnen:
Ich möchte einen Brief vorlesen. Einen Brief, der von meiner Generation spricht (...). Der Brief ist an Diejenige gerichtet, die an uns denken, weil wir die Zukunf dieses Land sind, die jedoch uns ihr Vertrauen noch nicht gänzlich geschenkt haben. In Wahrheit sind wir die Generaion der „Nichtsdestotrotzt“, weil wir trotz allem, Diejenigen sind die es schaffen werden68
Die M5S spicht grundsätzlich an die zurückgebliebene beziehungsweise die „Verlierer der Globalisierung“, die zwischen 20 und 40 Jahre alt sein sollten. Der Brief hat eine klare Zielgruppe identifiziert und daher wurde nicht das gesamte Volk interpelliert. Dabei ist dann die Kritik an diejenige, die früher da waren und die nichts positives geschafft haben. Deswegen ist das Thema Unglaubwürdigkeit zentral:
Die Welt hat sich verändert und wir mit ihr gemeinsam. Nun sind wir groß geworden und wir beanspruchen das Recht, die Veränderung, die das Land braucht, anzuführen (...) Italien ist aber immer noch das selbe Land. Diejenigen, die regiert haben und für die Regierung des Landes kandidieren, sind seit 20 Jahren die selben. Soziale Mobilität existiert nicht, die Reichen von heute sind die Reichen von Gestern. Das passiert nur in Italien. Dieses Land ändert sich nicht, weil die, die regieren nichts ändern möchten. Für eine Entwicklung des Spezies müssen sie zurücktreten. Das ist keine Drohung, das ist ein biologhisches Gesetz: die Geschichte sagt es69
Schließlich stelltet sich die Bewegung als eine Rettungskraft vor. Di Maio unterstreicht, mit diesem Brief zwei weitere Elemente: (1) Die Ablehnung von falschen Versprechungen: „wir wollen keine Versprechungen von falscher Stabilität mehr hören70 “; (2) die Versprechung, dass sie niemanden zurücklassen werden: „es wird gute sowie schlechte Momente geben. Aber ich verspreche Euch, dass Niemand vom Staat zurückgelassen werden wird71 “.
Dieses Spiel mit dem Konzept von „Vesprechungen“ ist interessant. Mit dieser rethorischen Strategem lehnt Di Maio die Strategien der alten Partein ab (keine Versprechung, die nicht gehalten werden kann); gleichzeitig bietet aber er neue Versprechungen an. Und dies wird als „plausibel“ betrachten, da er sagt: „Wir können nicht versprechen, dass alles gut werden wird, hingegen wird alles schwierig sein. Wir Engagement uns aber dafür, das Maximum zu erreichen, um jedem das Maximum anbieten zu können72 “. In der Tat bedeutet das nichts anderes als „alles wird gut sein“, und zwar genau das, was sie nicht anstrebten. Das ist dann eine leere Rhetorik. Und schließlich wird dann widerholt, dass sie „diejenigen sind, die es nichtsdestotrotz schaffen werden73 “.
5.3 Das Programm der M5S: Links- vs. Rechtsblick
Wie bereits angeführt, war die Kommunikationsstrategie der Bewegung stark auf die Konstruktion des Gegners sowie auf die Betonung des Themas „Glaubwürdigkeit“ fokussiert. Die Spannung zwischen dem unschuldigen Volk und den bösen Eliten dominiert die gesamte Fünf-Sterne-Propaganda. Und das stellt, wie Tarchi ausgeführt, ein rein populistisches Element der Bewegung dar.
Bezogen auf spezifische politische, journalistische und teilweise auch akademische Diskurse sind populistische Kräfte nicht in der Lage programmatische und konkrete Diskussionen zu führen (vgl. Kap.1). Aus diesem Grund ist die politische Agenda bzw. die Programmatik der M5S sowie der Lega auch Teil der Forschungsfrage: Welche sind die Haupthemen der politischen Agenda der Bewegung? Auf welche Weise sind die Themen mit der populistischen Rhethrik verknüpft?
Eine Behauptung dieser Arbeit ist es, dass die Bewegung – trotz ihrer Selbstbeschreibung als politische Bewegung die weder links oder rechts ist – eine politische Agenda in ihrem Programm entwickelt hat, die sich auf ein Kontinuum von links bis rechts begeben. Dies ist ein Resultat der populistischen Natur der Bewegung, die als „thin-centered Ideology“ im Sinne Mudde (2004) und Frieden (2003) definiert wurde. Die Hauptcharakteristik des Populismus als schwache Ideologie, ist dass er flexibel ist und zwar so, dass es sowohl politische linke als auch rechte Themen stürtzen und tragen kann. Dies wird von PopulistInnen nicht als inkonsequent angesehen, sondern als eine Stärke. Aus diesem Grund wird von PolitikerInnen der Bewegung oft betont, dass sie sich jeden einzelnen Vorschlag anschauen werden, ohne zu berücksichtigen ob dieser Vorschlag von der linken oder rechten Seite des Parlaments kommt. Das Programm, das in 20 Punkten zusammengefasst wurde und in einer großen öffentlichen Konfernz in Perugia (Umbrien) von Luigi di Maio präsentiert wurde, ist ein interessantes Beispiel: man findet gleichzeitig sozialdemokratische sowie eher rechtskonservative Positionen (vgl. Tab.2). Man kann das Programm kann in drei großen politichen Linie beschreiben und analysieren.
Die erste Linie bezieht sich auf die Anti-Casta Rhetorik mit dem Kampf gegen die „Kosten der Politik“ (costi della politica); die zweite Linie repräsentiert politische Ziele, die von einer klaren sozialdemokratischen Perspektive beeinflußt sind. Und schließlich findet man auch Themen, die zur rechtskonservativen Agenda gehören, wie die Anti-Steuer Rhetorik – die jahrelang von Berlusconi als Haupthema im Wahlkampfen verwendet wurde, um den Staat und die Linke als „Vampire“ bzw. „Sanguisuge“ zu beschreiben – und die Anti-Migranten Außerungen (insbesondere gegen die NGOs anstatt gegen die MigrantInnen selbst), die hingegen ein Kampfthema der Lega sind.
Die Punkte, die in der Tabelle 4 zusammengestellt wurden, dokumentieren ein breites Angebot von Initiativen, dass von der traditionellen populistischen Rhetorik gegen die Eliten bis zum einen starken öffentlichen Investionsplan und einer Verschärfung der Sicherheits- und Polizeikontrolle richt. Die M5S bedientet mit diesem Programm fast das gesamte politische Spektrum und stellte sich als ein echte „catch-all-party“ (vgl. Revelli, 2019) dar.
Schließlich, trotz dieser komplexen und auch unzusammenhängenden politischen Inhalte, die das Wahlprogramm charakterisieren, haben Luigi Di Maio und die M5S als Partei sich im Laufe des Wahlkampfes auf eine begrenzte Anzahl von Themen fokussiert: Die Anti-Casta Propaganda bezogen auf die Kosten der Politik, wie schon erwähnt, die sozialdemokratischen Punkte mit einer starke Rhetorik der „Abschaffung“ des Prekariats sowie die Einführung des Bürgergeldes für jedem und der Angriff auf die nicht-statliche Organisationen, die in der Seenotrettung aktiv sind, mit einem Fokus auf sogenannte „Migrationsbusiness“. Der Blick wird nicht auf die Menschen gerichtet, die nach Italien kommen (die MigrantInnen) sondern auf diejenigen, die diese Personen ausbeuten, um ihre eigene Interesse zu vertreten. Trotz der politischen Überschneidung mit der Lega-Propaganda, sind diese Ziele ander und ohne rassistischen Hintergründ.
Tab.2: Verschiedene politische Einflüsse innerhalb der Programmatik der M5S (Beispiele)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Bearbeitung auf Basis der Inhaltsanalyse des Wahlprogramm der M5S, 2018
Das Thema Glaubwurdigkeit war für die M5S, die sich als neue Partei sich vorgestellt hat, das zentrale Thema ihres Wahlkampfes gewesen. Das Leitmotiv war das folgende: Ihr könnt den anderen – den Gegner des Volkes – nicht mehr trauen, aber wir sind neue, wir haben in den letzten Jahren keine gespielt, daher könnt ihr die M5S vetrauen. Wir sind anders. Um ihre Ziel zu erreichen, versuchten die M5S mit Vorwürfe, aggressiven Mitteilungen, die auch als Beleidungen angesehen werden können, die politischen Gegner zu delegitimieren und erniedrigen und zwar direkt personenbezogen. Es geht nicht (immer) um eine Konfrontation zwischen Ideen bzw. politischen Vorstellungen, sondern es geht um die persönliche Glaubwurdigkeit oder um die Moral der Person.
6 Vor den Wahlen 2018: Die Kommunikationsstrategie und die Programmatik der Lega und von Matteo Salvini
Unter Matteo Salvini erlebte die Lega eine starke ideologische und organisatorische Veränderung: von einer ethnoregionalistischen Bewegung (vgl. Biorcio, 1992) zu einer nationalistischen Partei (vgl. Albertazzi, Giovanni und Seddone, 2018; Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2019). Daher wurde ihre populistischen Rhetorik mit zusätzlichen „rechtsradikalen Merkmale“ im Sinne von Minkenberg (1998; 2013, vgl. Kap.2) verschärft74. Nichtsdestotrotz änderte sich die Rhetorik nicht: der beliebste Ziel sind nun „die MigrantInnen“, anstatt die ItalinerInnen aus den Süden (vgl. Ignazi, 2019). In diesem Kapitel werden in einem ersten Schritt die wesentilichen Elemente der Kommunikationstrategie der Lega und von Matteo Salvini herausgearbeitet und beschrieben, in einem zweitenn werden die wichtigsten Themen ihrer Programmatik dargestellt.
6.1 Die Lega und Salvini: eine symbiotische (populistische) Kommunikationsstrategie
Die Lega führte einen aggresiven Wahlkampf, der auf drei Kernthemen fokussierte: (1) Sicherheitsfragen; (2) Migrationsfragen und (3) Angriffe auf politische Gegner. Wie Diamanti und Pregliasco (2019) betonten, wurde von die Lega und von Salvini, im Vergleich mit den vergangenen Wahlen im Jahr 2013, eine nationalistische Rhetorik verwendet. Der Slogan des Wahlkampfes – „Prima gli italiani“ (auf deutsch: Italiener zuerst) – zeigt diese Veränderung deutlich:
ein Slogan nationalistischer Natur ist, der nie mit der politischen Geschichte dieser Partei vor Salvini denkbar war. An dieser Stelle ist es dann sinnvoll den aktuellen Slogan mit dem von Roberto Maroni im Jahr 2012 zu vergleichen: von „Norden zuerst“ zum „Italiener zuerst“. Eine totale Umkehrung des politischen Profils und der Identitäts einer Partei: von einer nordischen Bewegung hin zu einer nationalen und nationalistischen Partei (Diamanti und Pregliasco, 2019:12)75.
Mit Hilfe der Veränderung der Satzung wurde von der (neuen) Lega (vgl. Kap. 4) das Wort „Norden“ gestrichen und damit begann ein starker und radikaler Identitätswechsel (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2019). Das ist die relevanteste politische Neugkeit seit der Gründung der Lega (Nord), weil – wie die Abbildung 14 zeigt – seit dem Jahr 1984 dem Lokalismus (Lombardei am Anfang und der Norden danach) den wichtigste Identitätselement der politischen Ideologie der Lega (Nord) war (vgl. Biorcio, 2017; Mazzoleni und Müller, 2017). Die Namenänderung war nicht die einzige Neuerung. Die offizielle Farbe der Partei wurde auch auf den Plakatten sowie auf der Website ausgetauscht: wo vor 20 Jahren das Grün herrschte, steht nun das Blau von Donald Trump (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019).
Abb.12: Entwicklung der Lega-(Nord)-Logo von 1984 bis 2017
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Diamanti und Pregliasco, 2019:15
Trotz dieser politischen und identitäsbezogenen Veränderung konnte die Lega den Konsens im Norden auf recht erhalten. Salvini wendetet sich dann nach Süditalien, wo er eine Verbreitung den Parteistrukturen der Lega als neues politisches Ziel verfolgte. Daher wurden auch in Süditalien Wahllisten vorgestellt. Um die alte anti-süditalienische Rehthrik der Lega vergessen zu machen, wurden die Wahllisten der Lega mit einem anderen Name vorgestell: „Noi con Salvini“ (auf deutsch: Wir mit Salvini). Die relevanz dieses politischen Wechsels wurde von Matteo Salvini selbst ausgesprochen. Auf der Presskonferenz im Dezember 2018, mit der der Wahlkampf der Lega offiziell begonnen, sagte Salvini:
Das ist eine Lega, die wächst und vereint. Das ist unsere Entscheidung. Das gute Regieren, die Gegenständlichkeit, die Vertrauenswürdigkeit und die 20 Jahre lange administrative Erfahrung der Lega nicht mehr für einen Teil des Landes, sondern für 60 Millionen ItalienerInnen (...) Hinter diesem Symbol gibt es einen kulturellen Weg, den wir vor 3 Jahren begonnen haben (...) und nun bin ich stolz [und zeigt das politische Programm], euch es als erste politische Krafte vorstellen zu können: das ist das Regierungsprogramm der Lega76
Die Lega war seit ihrer Gründung eine Partei, die durch eine starke Rolle des Leaders geprägt war (vgl. Albertazzi, Giovannini und Seddone, 2018). Damals war Umberto Bossi der politische Führer und der Heerführer des Nordens. Er spielte die Rolle, den sogenannte „uomo qualunque“ (vgl. Tarchi, 2018) und den „Vater des Nordens“. Seine Auftritte wurden oft als folkloristich bzw. karikaturalistisch wahrgenommen. Bossi konnte in Norditalien die politische Macht der Lega konsolidieren, und das hat die Partei ermöglicht, die Macht mit Silvio Berlusconi zu erreichen. 2013 wurde aber eine neue Führungsfigur gewählt: Matteo Salvini, der in wenigen Jahren die Partei an seine eigenen Vorstellungen angepasst hat:
Salvini ist eine vorbereitete Führungsfigur. Ein minutiöser Stratege. Einer, der das Szenario gut analysiert hat, bevor er seine Karten spielt. Er hat auch nach Außen angeschaut (...) Die Lega Nord hörte langsam auf, die Partei/Gewerkschaft des Nordens zu sein und Stück für Stück sie präsentierte sich weniger lokal, weniger territorial und dagegen viel politischer, mit einem klaren lepenistischen Profil (Diamanti und Pregliasco, 2019:11).77
Matteo Salvini eroberte die Lega in kurzer Zeit und als neue Führungsfigur und drückte seinen Stil hinsichtlich der Kommunikation sowie der politischen Agenda durch (vgl. Abb.13).
Abb.13. Matteo Salvini auf dem Wahlkampfplakat mit dem Slogan „Prima gli italiani“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: www.leganord.org, 2018
An dieser Stelle spielt er die Rolle des Führers, der die verschiedenen politischen Kräfte des Rechtsspektrums einigen möchte. Das ist, was vorher von Silvio Berlusconi praktisiert wurde. Er repräsentiert den sogenannten „uomo forte“, der die Koalition führen und zusammenhalten kann. Er stellt sich als Premier in pectore vor, und schon im Laufe des Wahlkampfes forderte dem alten Führer, Berlusconi, heraus, und im Dezember 2017 redete er von einer möglichen „Regierung Salvini“ und nicht von einer „Regierung Berlusconi“, wie es so immer geheißen hatte78.
Die Lega und Matteo Salvini führten dann einen symbiotischen Wahlkampf: Die Partei ist ihrer Leader in jedem Schritt gefolgt und hat ihn stark ünterstutzt. Für die ItalienerInnen sind die Lega und Matteo Salvini identisch (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019). Die Tendenz, die von Bordignon (2013) in vergangene Erfahrungen identifiziert wurde, scheint auch für den Fall Salvini zuzutreffen: Die parteiliche Organisation überschneidet sich mit dem Führer selbst. Mit dem Slogan „prima gli italiani“ wurde eine einfache und verstandliche Botschaft mittgeteilt: Die Lega ist die Partei, die die Interessen der ItalienerInnen gegen MigrantInnen, Anti-italienische Kräfte und supranationale Institutionen – wie die Europäische Union – schützen kann und wird.
Das, was den Gegner ausmacht, wird von der Lega in mehrere Richtungen gelenkt: Es wird eine Gemeinschaft konstituiert (die ItalienerInnen), die durch bestimmte Inklusions- und Exklusionskriterien (vgl. Minkenberg, 1998; 2013) verfaßt ist. Für die Lega ist die Redeweise von der „Casta“ zum Beispiel irrelevant. Diese war jedoch für die M5S zentral. Die politische Konstruktion dessen, was den Gegner ausmacht, ist für die Lega zugleich durch interne und externe Gefahren charakterisiert. Hierbei handelt es sich um die typische rechtspopulistische Logik, die Judis (2006) beschrieb (vgl. Kap.1). Entsprechend der politischen Propaganda der Lega erlebt Italien derzeit eine „Invasione“ von MigrantInnen (vgl. Abb.14), die die italienische Kultur, die Religion und die Werte der italienischen Gesellschaft in Gefahr bringen. Hierfür werden die MigrantInnen als Ursache aller Probleme ausgemacht.
Die Differenz, die die Lega konstituiert hat, ist die zwischen den MigrantInnen und der im Land geborenen Bevölkerung. Wenn es Arbeitslosigkeit, Unsicherheit auf der Straße, Kriminalität und immer weniger Ressourcen für die Renten oder für die Schulen gibt, sind die MigrantInnen die Schuldigen, die das Land besetzen wollen. Dass die MigrantInnen, die in Italien leben, etwas 8,8% des BIP produzieren ist ein Fakt, der für diese Propaganda nicht von Belang ist79. Was in diesem Wahlkampf eine sehr starke Rolle gespielt hat, ist die Wahrnehmung des Phänomens „Migration“ (vgl. Diamanti, 2019; Quadrelli, 2019).
Abb.14: Stop invasione: Anti-MigrantInnen-Propaganda
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lega Nord Website, link: https://www.leganord.org/stopinvasione
Demzufolge äußerte sich Matteo Salvini in seiner Schlußrede in Rom gegen die MigrantInnen sehr stark. Das Thema „MigrantInnen“ tauchte ab und zu auf eingearbeitet in die verschiedenen Themen, die von Salvini ausgesprochen wurden. Die folgende Beispiele sind dafür bezeichnend. Er spricht über die Abschaffung der Fornero-Reform (vgl.Kap.6) und die Schwierigkeiten der Menschen, eine Arbeit zu finden. Dann schließt seine Argumentation mit einem Satz über MigrantInnen, die nach Italien kommen wollen. Beide Themen passen inhaltlich nicht zusammen, aber für seine verwendete Redeweise, die die MigrantInnen als Hauptgegner der ItalienerInnen definieren möchte, hat das eine Logik:
Das erste Gesetz, das ich jetzt als persönliche Pflicht empfinde - eine menschlichen Mission, für die Gerechtigkeit - das ich Dank des Gewinns der Wahlen abschaffen werde, ist das Fornero-Gesetz, das Millionen Italiener ruinierte (...) wir werden dann die Türen der Arbeitswelt wieder öffnen (...) Aber ein Wort gebe ich Ihnen: Wenn wir an der Regierung kommen, werden wir weniger kommen und mehr davon ausweisen [Applaus]. Ganz einfach, wir werden weniger (MigrantInnen) kommen lassen und mehrere (MigrantInnen) ausstoßen80
Für Matteo Salvini und die Lega war das Thema „Migration“ im Jahr 2018 das Kernthema des Wahlkampfes. Es wurde zugleich als eine äusßere Bedrohung und als innere beschrieben. Es wurde auch mit der Rolle der Europäische Union verknüpft. Aufgrund der Migration und neuer EU-Regelungen wird die Abschaffung der italienischen Souveränität als die großte Gefahr angesehen. Mit dieser Sichtweise hat die Lega mit den Ängsten und Unsicherheiten der Menschen gespielt und davon stark profitiert. Die Wahrnehmung der Themen Migration, Sicherheit und Souveränität der ItalienerInnen hat sich in den letzen Jahren, wie der Report „Voices on Values81 “ zeigt, stark verändert:
(…) [m]igration is a particularly sensitive issue: 18 percent of respondents believe that migration represents a major social threat. A quarter say it threatens society “somewhat”, while only eight percent see migration as a “great” asset, and 22 percent as “somewhat” of an asset. This negative view of immigrants represents a big shift over the last few years from a majority believing that migration enriches a country to a majority saying it undermines it (…) (Quadrelli, 2019:9).
Ein letztes Thema muss kurz in den Blick genommen werden: Das Thema Sicherheit. Die gesamte Diskussion drehte sich um das Problem der Unsicherheit. MigrantInnen, Ausländer, fremde Religionen oder Kulturen sind als Gefahr für die Menschen zu betrachten. Es wird dann betont, dass der Staat auf seine Pflicht, die ItalienrInnen zu schutzen, verzichtete. Demzufolge war für die Lega auch ein relevantes Wahlkampfthema „legittima difesa“ (auf deutsch: Selbstschutz).
Abb. 15: Die “Legittima difesa” und das Thema Justiz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Facebooksseite von Matteo Salvini, 08.01.2018
In der ersten Abbildung ist formuliert: „weniger buonismo, mehr Gerechtigkeit“. „Buonismo“ als Konzept ist mit der Unterkategorie dieser Inhalts- und politischen Diskursanalyse – und zwar „den guten Menschen“ – verknüpft. Das ist kein Zufall: Die Idee, dass es man wenige „gute Menschen“ braucht, und stattdessen mehr Rechtssicherheit verdeutlicht, wie die Lega das Thema Sicherheit und Justiz bzw. Rechtssicherheit zusammenhält.
Die Diskussion um die „Solidarität“ mit den MigrantInnen oder der positive Begriff auf andere Kulturen, wird oft als der Grund für die Schwäche des Staates gegenüber Kriminellen betrachtet, die für die Lega nur mit den Anderen bzw. Fremden gleichgesetz werden. Mit dieser Propaganda begründet die Lega und Salvini, das Recht, sich zuhause allei gegenüber Jedem und mit allen Mitteln zu verteidigen. Angezielt ist die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens zur Erleichterung des Waffenbesitzes. Das entsprechende Slogan heißt: „legittima difesa, sempre82 “.
Insbesondere ist der Kommunikationsstil Salvinis, seine Fähigkeit sich in die Nähe der Menschen zu begeben und sie direkt zu ansprechen, ein spezifisches Merkmale. Dies betrifft vor allem seine Art und Weise der persönlichen Kommunikation. Er trägt z.B. oft T-Shirts und mit denen werden klare und einfache Botschaften übermittelt. Salvini ist der klassische politische Führer, der nicht nur durch Worte, politische Reden oder offizielles Auftreten im Fernsehen seine Vorstellungen erläutert, sondern mit seinem gesamten Körper (vgl. Cosenza, 2012; Rossi, 2014): Es handelt sich um die Verwendung des Körpers als „politisches Medium“ (vgl. Boni, 2002; Calise, 2000). Dieses Zeichen wird von Matteo Salvini mit dem Spiel „Vinci-Salvini“ verstärkt (Abb.16).
Abb. 16: Vinci-Salvini: das Spiel des Wahlkampfes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: www.salvinipremier.it/vincisalvini, 2018
Laut Carone und Cavallaro (2019:67) erzeugte dieses Spiel zunächst großen Zuspruch bezüglich der virtuellen Interaktionen auf der FB-Seite der Lega, insbesondere für Salvini (vgl.Abb.20): Diejenigen, die auf Facebook die großte Anzahl der “I like“ angegeben hatten, bekommen als Belohnung eine Anruf oder ein privates Treffen mit Salvini83.
6.2 Ein Wahlkampf mit vielen Feinden
Die Konstruktion des politischen Gegners ist nicht nur auf das Thema „Migration“ gerichtet. Vielmehr arbeitete Matteo Salvini mehrere politische Ziele heraus, die sich auf die Formulierung eines Feindbildes konzentrierten. Daher sind für die Inhalts- und politische Diskursanalyse weitere Teile der Abschlußrede von Matteo Salvini in Rom besonders wichtig.
Die gesamte Rede von Salvini – die etwa eine Stunde dauerte – bestand aus einer Mischung politischer Angriffe auf mehrere politische Zielgruppen: die Linksorganisationen, antifaschistische Gruppierungen und besonderes heftig gegen den PD und seine Spitzenpolitiker: Matteo Renzi, Walter Veltroni, der der erste Vorsitzende des PD war, und Romano Prodi, der in Italien als einer der großen Europäer angesehen wird, sowie auch als Hauptgegner von Berlusconi. Der einzige, der im Jahr 2006 in der Lage war, Silvio Berlusconi mit einem Linkbundnis zu besiegen. In seiner Schlußrede im Wahlkampf 2018 hat Matteo Salvini die unterschiedlichen politischen Ziele der Propaganda der Lega zusammengefasst. Er sprang von einem Thema zum anderen ohne jegliche logische Verbindungen: Seine Einlassungen beinhalteten keine Programmatik, sondern waren eine Wiederholung verschiedener Slogans und Angriffe. Das Ziel war es, beständig den Feind zu identifizieren und den Mißmut und Ärger der Menschen auf den Feind zu richten. Das geht, verglichen mit der M5S, auch ohne besondere Konzentration auf den sachlichen Inhalt der Verlautbarungen. Salvini benutzt häufig eine Sprache, die entweder als direkte persönliche Beleidigung oder als starker und direkter Angriff gewertet werden müssen. Der Beispiele gibt es viele (vgl. Tab.3).
Er verwante das Wort „kriminell“ in Bezug auf die Linksaktivisten (vgl. Punkt 1, Tab.3) und die Metapher der Drogenabhängigkeit, um bestimmte Parteien zu beschreiben, die entsprechend seiner Redeweise, die Idee und die Werte der europäischen Union rechtfertigen und voranbringen wollen, so wie ein Drogenabhängiger nach Heroin sucht (vgl. Punkt 4, Tab. 3). Er übte keinerlei Rücksicht hinsichtlich Organisationen wie ANPI84, die die ehemaligen PartisanInnen repräsentieren und denjenigen, die im Zweiten Weltkrieg gegen den Faschismus gekämpft hatten. Ironisierend und mit Hänselei beschrieb Salvini die „Faschisten“ quasi wie Außerirdisches Leben (Alien), um zu betonen, dass es eine Phantasie oder etwas Unrealistische ist (vgl. Punkt 5, Tab.3). Ähnlich ist auch mit den Organisationen verfahren worden, die sich insbesondere mit dem Thema „Antirassismus“ beschäftigten.
Verglichen mit dem politischen Stil von Umberto Bossi oder Roberto Maroni – den ehemaligen Parteivorstizenden der Lega Nord – nutzte Matteo Salvini häufig religiose Anspielungen (vgl. Abb.17). Dies verweist auf ein Aufweichen des Laizismus als tragendem Element des politischen Diskurses. Er schmückt sich mit religiösen Symbolen und macht sie in öffetlichen Debatten oder im Fernsehen mehr als sichtbar. Dass die rechtsradikalen sowie die konservativen Parteien ihr politisches Profil oft religiös ummäntelt haben, ist keine Neuigkeit (vgl. Minkenberg, 2018).
Wie kein anderer politischer Führer, in Italien, setzte Salvini religiöse Symbole wie z.B. Rosenkränze oder die Bibel im Laufe des Wahlkampfes 2018 ein. Die Verwendung religiöser Symbole für den politischen Wahlkampf der Lega irritierte sogar die Katholische Kirche und ihre Spitze85. Im Punkt 6 der Tabelle 5 bezieht sich Salvini auf die Worte vom Heiligen Matteo und mit denen greift er einen anderen Matteo – Renzi – mit dem Begriff „Lügner“ an.
Abb.17: Matteo Salvini und die religiösen Symbole im Wahlkampf 2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Corriere della Sera, 24.12.2018, Foto Ansa86.
Schließlich wendet er sich gegen die Europäische Union – die er als einen Gegner beschreibt –, die die lokalen Identitäten und die Vielfalt unserer Gemeinschaften abschaffen möchte – und auch gegen die Deutschen und zwar, mit einem als Ganzem beleidigenden Stereotyp (vgl. Punkt 9, Tab.3).
Tab.3: Abschnitte der Schlußrede von Matteo Salvini in Rom: Die Konstruktion der Gegner 87
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Bearbeitung, Inhaltsanalyse der Schlußrede von Matteo Salvini, Rom, 2018
6.3 Die Programmatik der Lega: eine rechtsradikale Agenda
Dass das Thema „Migration“ den88 Wahlkampf der Lega im Jahr 2018 dominiert hat, wurde bereits mehrmals betont. In gewisser Weise wurde das Thema „Migration“ häufig in Bezug auf andere Themenfelder (Sicherheits- , Familien- und Arbeitspolitik usw.) verwendet, um zu unterstreichen, dass es als das Hauptthema zu verstehen ist. Die Anti-MigrantInnen Rhetorik der Lega wurde dadurch verstärkt. Es wäre aber ein Fehler zu meinen, dass die Lega nicht auch weitere Themen angesprochen hätte. Die Konzentration auf einen starken Führer dringt auch in die Rhetorik, die Wortwahl des Programms ein. Die erste Seite des Programmes stellt die Figur Salvinis mit einem Zitat (vgl. Abb.18) und einer Überschrift vor: „Salvini Premier. La Rivoluzione del Buonsenso“, auf Deutsch: „Salvini Premier. Die Revolution des Commonsenses“.
Abb.18. Das Wahlprogramm der Lega, 2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lega Nord Website, 2018. Link: https://www.leganord.org/programma-politiche
Das Zitat soll eine Äußerung von Salvini dokumentieren: “Es ist Zeit , unseren Kindern die Gewissheit bezüglich einer besseren Zukunft zu geben: Mehr Arbeit, mehr Sicherheit, weniger Steuern, weniger Migranten; und stolz zu sein, weil wir das schönste Land der Welt sind89 ”. Hinsichtich der verschiedenen Themen stellte die Lega in ihrem Programm90 deutlich ihr rechtsradikales Profil vor – rassistisch, fremdenfendlich und nationalistisch, und dies auch entsprechend der Kategorien von Minkenberg (1998; 2013). Mit Hilfe der folgenden Dimensionen werden die Kernvorschläge, der Programmatik der Lega, entsprechend der qualitativen Inhaltsanalyse des Wahlprogrammes themenbezogen vorgestellt:
(1) Flat-Tax
- 15% Steueranteil für jede gesellschaftliche Schicht (S.3)
- „Pace Fiscale“: eine nationale Indemnitätserteilung für diejenigen, die ihre steuerliche Situation mit den Finanzämtern nicht geklärt haben. Das bedeutet, dass Schulden erlassen werden sollen (S.3-4).
(2) Migrations- und Religionsfragen
- „Afrika passt nicht zu Italien91 “ – Verschärfung der Asylrechts und neue Regelungen für die Abschiebungen (S.6)
- Neue Strafgesetzgebuhng für die illegale Einwanderung (S.6)
- Einschränkung der sozialen Leistungen (S.7)
- Politische Agenda gegen die Islamisierung der Gesellschaft beginnend mit Bestrafungen für StudentInnen bestimmter Fächer, in der Schule, bis zum Verbot für die Gründung von Parteien, die sich nicht frei vom Islam halten (S.7)
(3) Europa
- „Ja für ein Europa des Volkes, für Frieden und Freiheit. Nein für ein Europa der BürokratInnen und SpekulantInnen92 “ (S.8)
- Rückkehr zum Prä-Maastricht-Status (S.8)
- Neue Vereinbarungen hinsichtlich sämtlicher Verträge (S.9)
- Rückgewinnung der finanziellen, territorialen und rechtlichen Souveränität (S.9)
(4) Sicherheit
- Das Recht auf Selbstverteidigung (S.14)
- Die Erhöhung der Anzahl der Polizeitbeamten auf nationaler und lokaler Ebene (S.15)
- Roma als Sicherheitsproblem (S.15)
- Beschränkung von Straßendemonstrationen (S.16)
- Bekämpfung des Terrorismus mit einer Reihe von Instrumenten für die Online-Kontrolle sowie einer Verschärfung der Kontrollen der Moscheen (S.17)
- Medizinische Entmannung als mögliche Bestrafung für sexuelle Übergriffe gegenüber Minderjährigen (S.19)
- Einwanderung aus Afrika als nationale Bedrohung (S.23)
(5) Familienpolitik
- Finanzielle Unterstützung für Familien, die als eine natürliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gefaßt wird (S.52). Die Lega betont, dass ihre Vorstellung von Familie sich auf die binäre Kategorie Mann/Frau beschränkt. Alle anderen Formen von Familie werden nicht anerkannt und sind aus diesem Grund, von finanziellen Förderungen ausgeschlossen.
- Die Förderung, die die Lega einführen möchte, ist nur für Familien mit Kindern, die explizit „italienisch“ sind und zwar mit italienischer Staatsangehörigkeit (S.52).
(6) Umweltpolitik und Green Economy
- Interessanterweise ist das Thema Umweltpolitik und Green Economy in den Programmteilen der Lega erheblich relevanter. Von Seite 35 bis Seite 41 werden verschiedene Vorschläge präsentiert, die Investionen für Innovationen und Erneuerbare Energien sowie Reduzierung verschiedener Arten von Steuern, um den Kohleverbrauch zu reduzieren und mit alternativer Nutzung von Abfall. Die Lega, die großes Interesse an kleinen Gemeinschaften bzw. Gemeinden hat, zeigt, dass sie auch ein starkes Interesse an Umweltsfragen hat. Und es wird betont, dass Umwelt bisher als ein Thema betrachtet, bzw. und das nur eindimensional diskutiert wurde. Und damit lehnen sie diese bisherige Sichtweise ab. Die Lega signalisiert, dass sie eine klare Position zum Thema Umweltpolitik hat (S.35).
(7) Wohnen und Immobilien
- Reduzierung der Immobilien- Häusersteuer, weil „ das Haus, dass Zuhause ein heiliger Ort ist, wo die Familie existieren kann“ (S.53).
Die Entscheidung, bestimmte Kategorisierungen bestimmten Themenfelder zuzuordnen, kennzeichnet die ideologische Perspektive der Lega. Die MigrantInnen, die als Ursache aller Probleme gesehen werden, werden in Bezug auf eine vielfältige Reihe von Thematiken immer wieder angesprochen. Zum Beispiel sind sie als Gefahr in Verbindung mit den Sicherheits- und Verteidigungsfragen betrachten. Aus diesem Grund wird im Programm das Thema „Terrorismus“ im Zusammenhang mit „Migration“ vorgestellt. Insbesondere ist die Haltung gegenüber dem Islam interessant.
Der Islam wird als kritisches und zentrales Element der anti-terroristischen und nationalistischen Rhetorik der Lega verwendet. Im Laufe des Wahlkampfes (am 30.01.2018) deklarierte Salvini z.B. seine Erschütterung hinsichtlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezogen auf eine Klage der Verwendung der Figuren der Heiligen Maria und von Jesus in kommerziellen Flyern. Salvini griff den EU-Gerichtshof an, und beschrieb ihn als „islamistischen Gerichtshof93 “.
Die starke Polemik hinsichtlich der Identitätsfrage, die mit dem Thema Religion verbunden ist, versucht die Unterstützung bestimmter reaktionärer bzw. traditionalistischer Teile der katholischen Kirche zu gewinnen und sie damit politisch einzusetzten (vgl. Introvigne und Palmisano, 2014; Zamagni, 2018) .
In der Tat existiert innerhalb der katholischen Kirche ein Konflikt zwischen denjenigen, die den neuen Weg von Papst Franziskus bekämpfen wollen und denjenigen, die seinen Kurs unterstützen wollen. Insbesondere provozierten die Äußerungen des Papsts zum Thema Migration und zur Aufnahme von Flüchtlingen schon seit Beginn seines Pontefikats (2013) harsche politische Diskussionen in der Kirche sowie in der Zivilegesellschaft (vgl. Quadrelli, 2018; 2019). Matteo Salvini positionierte sich heftig gegen den Papst und dessen Ansichten.
Dieser Umgang mit der katholischen Religion ist ein wichtiges und – in der aktuellen Form – neues Element der politischen Rhetorik der Lega. Als die verschiedenen Gruppierungen der Autonomisten (die „Leghe“) sich vereint haben, war Religion für die Lega Nord nicht so relevant (vgl. Minkenberg, 2018). Unter Umberto Bossi und Roberto Maroni war „Religion“ ein ambivalentes politisches Thema (vgl. Bertezzolo, 2011; Guolo, 2011). Der Islam wurde von der Lega Nord schon ab dem Jahr 2001 als ein kritisches politisches Problem identifiziert. Die öffentlichen Angriffe von Bossi und der Lega Nord auf den Islam sind bekannt (vgl. Testa und Armstrong, 2012). Die Lega verwendete die Anti-Islam-Rhetorik als ein Mittel der „moral panic“ (ibid.). Daher wurden die Beziehungen zur Katholischen Kirche grundsatzlich von (politischem) Opportunismus getragen. Nichtsdestotrotz bleibt das Verhalten gegenüber der Katholischen Kirche kompliziert: Für eine Identitätspolitik könnten klare und positive Beziehungen mit dem Vatikan sehr nützlich sein. Andererseits sind aber die katholischen Botschaften der globalen Brüderschaft, der kontinuierlichen Berufung auf internationale Solidarität und die Werte des Zweiten Vatikanischen Konzils selbst, starke Konfliktlinien. Außerdem waren über Jahre hinweg die Rituale der Lega Nord, die eine Verbindung mit einem (imaginierten) keltischem Volk herstellen wollte, oft als Merkmale einer Form von Heidentum angesehen (vgl. Guolo, 2011).
Aus diesem Grund schrieb Bertezzolo (2011), dass für die Lega die katholische Religion eine zweckdienliche Rolle spielte. Aber weder Maroni oder Bossi haben die religiösen bzw. katholischen Symbole auf eine solche überbelichtete Art und Weise genutzt, dass die offiziellen Organe des Vatikans sich über den Weg der italienischen Bischofskonferenz äußern mussten94. Außerdem waren auch die Roma und Sinti Ziel der rassistischen Propaganda der Lega. Sie werden als Gefahr für die urbane Sicherheit beschrieben und als Kriminelle95. Dementsprechend wurden, im Zusammenhang mit dieser Sichtweise, Initiativen gegen die Hausbesetzungen vorgeschlagen. Im Hintergrund steht dann die Behauptung, die ein sehr diffuses Stereotyp in westlichen Länder ist, dass Roma und Sinti in der Illegalität agieren und leben. Eine ganze ethnische Gruppe wurde, offiziell in einem Wahlprogramm, auf diese Weise charakterisiert96.
Die entsprechende Rhetorik scheint die folgende zu sein: Es geht, auch in der Programmatik, um die Konstruktion des Gegners, der aber deutlich als Feind bezeichnet wird und zu betrachten ist. Bestimmte ethnische, religiöse und soziale Gruppen sind so wahrzunehmen, dass sie quasi automatisch mit dieser diffusen Illegalität in Verbindung gebracht werden. Dies rechtfertigt, irgendwie direkt Außerungen von SpitzenpolitikerInnen der Lega, oder anderer rechtsradikaler bzw. rechtspopulistischer Parteien; oder indirekt, das Stereotyp durch gezielte politische Vorschläge und produziert eine Aufspaltung in der Gesellschaft: Sie gehören nicht zum Volk.
Unter Bezug auf die Begrifflichkeit von Minkenberg (1998; 2013) können viele inhaltliche Elemente gefunden werden, die das rechtsradikale Profil der Lega verdeutlichen. Entsprechend ethnischer, religiöser und sozialer Exklusions- und Inklusionskriterien sind ganze Gruppen innerhalb der Gesellschaft ausgegrenzt. Und zwar aufgrund ihrer personalen, kollektiven und sozialen Merkmale.
7 Die Ergebnisse der Wahlen 2018: Die Populisten an der Macht
Die Wahlen im Jahr 2013 und im Jahr 2018 repräsentieren, aus unterschiedlichen Gründen, zwei wichtige Wasserscheiden in der italienischen Politik. Im Jahr 2013 entwickelte sich eine starke Veränderung des politischen Parteiensystems in Italien, mit dem Abbruch eines zweipoligen Systems. Aus diesem Grund spricht Piero Ignazi (2019:5) von einem neuen „Tripolarismus“.
Die M5S, die im Jahr 2007 von Beppe Grillo und Gianroberto Casaleggio gegründet wurde, erreichte in der Tat im Jahr 2013 bei den Wahlen einen unerwartet hohen Prozentanteil an Stimmen und im Jahr 2018 das höchste Ergebnis, als Einzelpartei und nicht als Koalitionspartei. Der große Erfolg der M5S, die mit 32,7% der Stimmen die Wahlen gewann, stellt eine politische Zäsur dar, insbesondere in Bezug auf vorherigen Regierungserfahrungen97. Trotz dieser positiven und unerwarteten Ergebnisse konnte die M5S allein keine Regierung bilden, da mit dem italienischen Wahlgesetz ein eher proportionales System mit einer niedrigen Sperrklausel von 3% existierte98. Dies ermöglicht eine komplexe Parteienkonstellation mit vielen kleinen Gruppierungen im Parlament. Aus diesem Grund mussten Sondierungsgespräche mit den größten Parteien im Parlament (PD, FdI, FI und Lega) geführt werden, um eine Mehrheit für eine Regierung zu finden.
Die Lega war die einzige Partei, die sich nach wochenlangen Gesprächen zur Verfügung stellte. Die Möglichkeit einer Gelb-Rot-Regierung wurde von Matteo Renzi sofort abgelehnt ( vgl. Ignazi, 2018). Im Mitte-Rechtsspektrum spielte hingegen die Lega die wichtigste Rolle. Zum ersten Mal erreichte die FI keine Mehreit innerhalb der Koalition und damit verlor Berlusconi die Chance, eine Führungsposition zu besetzen. Davon profitierten Matteo Salvini und die (neue) Lega, die den größten Stimmenszuspruch (+13% im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2013) verzeichnen konnte. Ohne Berlusconi konnte Salvini sich politisch profilieren, und daher stellte er sich für die Koalitionsverhandlungen mit der M5S zur Verfügung. Diese Entscheidung hat eine Gelb-Grüne Koalition ermöglicht, die offiziell am 1. Juni 2018 begann zu arbeiten99. Diese Erfahrung hat sofort gezeigt, dass die Lega, trotzt ihrer Rolle als Juniorpartner in der Regierung, eine stärkere Rolle spielen konnte.
7.1 Analyse der Wahlergebnisse 2018
Die Wahlen in März 2018 bestätigten, dass der Zerstörungsprozess der Zweiten Republik, der mit den Wahlen im Jahr 2013 begann, an seinen Zenit gelangt war. Diese Veränderung wird auch durch verschiedenen Umfragewerte bestätigt. Laut dem italienischen Forschungsinstitut Demos&Pi (2018) entwickelte sich nach fast einem Jahrzehnt der negative Trend (ab 2010) hinsichtlich des Institutionenvertrauens der ItalinerInnen (vgl. Abb.19). Die interessante Wahlanalyse des Instituts Ipsos (2018) zeigt, wie die WählerInnen sich im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2013 entwickelt haben. Die Wählerwanderung vom PD zu der M5S und von der FI zur Lega zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der Politik der etablierten Parteien sehr groß war. Trotz des Wahlerfolges im Jahr 2014 mit Matteo Renzi bei den EU-Wahlen, als der PD allein 40,1% aller Stimmen erreichte, verlor der PD in der Folge die meisten seiner WahlerInnen, während die M5S die ihren halten konnte.
Abb.19. Institutionenvertrauen der ItalienerInnen 2002-2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Abbildung auf Basis von Daten des italienischen Forschungsinstituts Demos&Pi
Im Vergleich zu den Wahlergebnissen vom 2013 erhielt der PD 43% der Stimmen, die M5S 76% und Forza Italia lediglich 33% der vorherigen Stimmanteil. Der PD verlor 14% seiner Stimmen von 2013 an die M5S und 22% an die Nicht-WählerInnen. Forza Italia verlor 41% ihrer Stimmen an die Lega. 79% der Nicht-WählrerInnen des Jahres 2013 hat ihre Entscheidung nicht verändert und sie sind daher in derselben Größenordnung geblieben. Das Mitte-Linksspektrum löste sich dann quasi zwischen den Nicht-WählerInnen und der M5S auf. Demgegenüber haben sich die Stimmen der FI innerhalb der Mitte-Rechtskoalition stabilisiert: 12% ihrer Stimmen sind an die neue rechtsnationalistische Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) gegangen und 33% an die Lega von Salvini: Eine klare Verschiebung der ehemaligen Wählerstimmen von Berlusconi zu mehr nationalistisch ausgerichteten Parteien. In Bezug auf bestimmte sozio-demographische Merkmale wie z.B. Beruf, Bildungsniveau, Geschlecht und Alter (vgl. Tab.4) bestätigt die Erhebung von Ipsos (2018) die besondere Fähigkeit der M5S sich als eine „Catch-All-Party“ (vgl. Revelli, 2019) zu profilieren. Die Parolen der Bewegung hatten ihr Ziel erreicht.
Tab.4: Wählerwanderung 2013-2018 PD, M5S, Lega und FI
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Tabelle auf Basis der Daten von Ipsos (2018)
Tab.5: Prozentuale Anteile des abgegebenen Stimme für M5S, PD und Lega nach Bildungsniveau und Beruf
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Tabelle auf Basis der Daten von Ipsos, 2018
7.2 Die Regierung der Veränderung: der Koalitionvertrag zwischen Lega und M5S
Cambiamento (auf Deutsch „Veränderung“) war das Schlüsselwort dieser Koalition. Die Lega und die M5S – und zwar Matteo Salvini und Luigi di Maio – betonten im Kontext der Methapher dauerhaft den angezielten politischen Wechsel. Tatsächlich entwickelten sich innovative Elemente in den politischen Prozessen.
Zuallererst war mit dem Koalitionsvertrag eine Neuheit in der italienischen Politik geschaffen worden. Normalerweise verhandelten die politischen Kräfte hinter verschlossenen Türen. Dass die Ergebnisse dieses politischen Prozesses in einem Vertrag festgeschrieben werden, ist beispielsweise typisch für die deutsche Politik, nicht aber für die italienische.
Im ersten Schritt wurde auf Basis eines Mitgliedervotums der M5S der Koalitionvertrag zwischen Lega und M5S diskutiert und es wurde über ihn abgestimmt. Die Lega wartete hingegen einfach nur diese Diskussion innerhalb der M5S ab, ohne sich selbst solchen partizipatorischen Prozessen auszusetzen. Der Koalitionsvertrag selbst firmierte unter dem Begriff Veränderung: „Contratto per il Governo del Cambiamento“.
M5S und Lega einigten sich bezogen auf verschiedene politische Themenfelder: Verteidigungs- und Außenpolitik, Migrations- und Integrationspolitik, Steuer- und Arbeitspolitik sowie Familienpolitik, und schließlich in Bezug auf institutionelle Reformen (vgl. Tab. 6). – Im Weiteren wird dann gezeigt, wie die Lega und/oder die M5S sich auf ihre programmatischen Positionen zurückgezogen oder an diesen festgehalten haben.
Die Lega konnte, wie gezeigt wird (vgl. Tab. 6), viele ihrer Vorschläge in den oben genannten Kernfeldern durchsetzen. Der Koalitionsvertrag war in den Bereichen Sicherheits-, Verteidigungs- und Migrationspolitik stark von den Vorstellungen der Lega geprägt. Vor allen übte die M5S keinen erkenbaren Widerstand aus, weder gegen die Kriminalisierung von Roma und Sinti (die als Nomaden bezeichnet wurden), noch gegen die Charakterisierung des Islam und seiner vermutlich problematischen Rolle in Bezung auf Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Wenn man auf die traditionellen politischen Kategorien von Links/Rechts rekurrieren möchte, ist der analysierte Koalitionsvertrag ein interessantes Beispiel, da mit ihm mehrere politische Perspektiven aufeinandertrafen. Auch in der Programmatik ist ein starker Einfluß der Lega zu erkennen. Ihre traditionellen Kampfthemen finden sich in dem Koalitionsvertrag wieder: das Engagement für eine stärkere Regionalisierung, insbesondere in Bezug auf die Regionen des reichen Nordens; ein stärkerer Impuls hinsichtlich der Verschärfung des Asylrechts, die Kriminalisierung von Minderheiten, mit einem expliziten Angriff auf Roma und Sinti, die als Sicherheitsproblem im Wahlprogramm und nun auch im Regierungsprogramm identifiziert sind sowie eine spezielle Ausrichtung auf den Islam.
Tab.6: Der Koalitionsvertrag zwischen Lega und M5S im Vergleich mit der Programmatik vor den Wahlen 2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erstellung auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse des Koalitionsvertrages von 2018
Im Wahlprogramm der Lega sowie auch im Koalitionsvertrag werden Moscheen in Verbindung mit Terrorismus gebracht. Hier findet man auch die Stärkung der Rolle der Polizei und der Verteidigungspolitik, die als traditionelle Themen des Rechtskonservatorismus angesehen werden können. Die M5S gewährte ihrem Juniorpartner (der Lega) in diesen für sie sehr wichtigen Bereichen einen großen Spielraum. Dies führte in der politischen Agenda sowie in der Kommunikationsstrategie der Bewegung (vgl. die folgenden Abschnitte) zu weitergreifenden Veränderungen. Verglichen damit musste die Lega keinen großen Schritt weg von ihren ursprünglichen politischen Vorstellungen machen. Das Akzeptieren der Vorschläge der M5S in Bezug auf die Arbeits- und Sozialpolitik stellte keine große Herausforderung für Salvini und die Lega dar: In ihrem Programm fanden sich in der Tat schon allgemein gehaltene Andeutungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer besseren Lebensqualität, durch bessere Arbeitsbedinungen und radikaler Änderungen der kürzlich verabschiedeten Arbeits- und Rentenreform. Die frühere Arbeitsreform von Renzi (vgl. Jobs Act, 2015) und die sogenannte „Legge Fornero“ wurden stark kritisiert. Dies war, wie die Inhaltsanalyse der Wahlprogramme zeigte, ein gemeinsames politisches Feld der Lega und der M5S (vgl. Kap. 4). Mit diesen Verhandlungen dokumentierte die Lega ihre politischen Fähigkeiten und ihr starkes Profil. Das zeigte sich insbesondere in Bezug auf ein Thema, das für die M5S sehr kompromittierend war: die Akzeptanz des sogenannten „Pace Fiscale“ im Koalitionsvertrag. Von dieser Indemnitätserteilung tritt der Staat einen Schritt züruck: Davon profitieren dann nicht nur die „kleinen Leute“, die trotz ihres Engagements und redlichen Verhaltens durch Steuern und Schulden bedrängt werden, sondern auch diejenigen, die gar keine Steuern zahlen wollen, d.h. die, die über große Vermögen verfügen und die, die die Möglichkeit haben, den Staat zu betrügen. Mit einem Wort: Ungerechtigkeit. Jedoch versprach die Bewegung, sich dagegen zu stellen. Dieser Gesetzentwurf kann als ein wesentliches Beispiel der ideologischen bzw. politischen Veränderung der M5S (vgl. Kap.8) gelten.
In Folgendem soll die politische Rhetorik der Populisten an der Macht analysiert und diskutiert werden.
7.3 Populismus des Regierens
Trotz ihrer Rolle in der neuen Regierung versuchten die M5S ihre Kommunikationsstrategie, ebenso wie im Verlaufe des Wahlkampfes, zu wiederholen. Sie führtet mit Hilfe von Plakaten, Videos und/oder Reden ihre Strategie fort, d.h. genauso wie vor der wahlen: eine dauerhafte Anstrengung, um GegnerInnen zu identifizieren und anzugreifen.
Entsprechend Revelli (2015) ist diese Besonderheit der italienischen Populismus mit dem Begriff „Populismo di governo“ am besten beschrieben (vgl. Kap. 1): eine andauerde Anstrengung, die unter Bezug auf den Volksbegriff und gegenüber dem Gegner, ihre populistische Natur an den Tag legten. Nun können aber Regierung und Institutionen nicht als „böse Elite“ präsentiert werden, die bekämpft werden müssen, sondern als etwas radikal „Neues“. Die Umsetzung der populistischen Rhetorik der M5S (und auch der Lega) ist die folgende: Die Regierung wird nun als „Freund des Volkes“ anstatt als Gegner vorgestellt. Die M5S installierte als Ministerpräsidenten eine unbekannte Person, Giuseppe Conte. Seine Rolle wurde in den Medien als inkonsistent und schwach bezeichnet. Der Grund dafür war, dass er keine Parteiorganisation hinter sich hatte und dass er beständig zwischen den Interessen und den Äusserungen der beiden Vize-Präsidenten – Luigi di Maio für die M5S und Matteo Salvini für die Lega – lavieren musste. Die Worte von Giuseppe Conte100, als er von Sergio Mattarella – dem italienischen Staatspräsidenten – die Verantwortung eine Regierung zu führen, übertragen bekam, waren die folgenden:
Mein Vorhaben ist es eine Regierung zu bilden, die an der Seite der BürgerInnen ist und deren Interessen schützt. Ich bin Professor und Rechtsanwalt. Ich bin für das Recht vieler Menschen eingetreten nun schicke ich mich an, die Interessen aller ItalienerInnen zu schützen, auf der europäischen sowie internationalen Ebene und im Dialog mit den anderen Staaten. Ich beabsichtige, der Verteidiger des italienischen Volkes zu sein101
Diese Regierung wurde dann – genau wie im Koalitionsvetrag – als „Regierung der Veränderung“ (Governo del cambiamento) bezeichnet, um zu betonen, dass es ab jetzt eine neue Politik mit neuen PolitikerInnen gab. Eine Politik für das Volk, und nicht für kleinliche und persönliche Interessen dieser oder andere PolitikerInnen. Luigi di Maio betonte bei verschiedenen Gelegenheiten, dass der Staat ein „Freund des Volkes“ werden sollte, anstatt ein Staat zu sein, der als „Gegner des Volkes“102 agiert.
Abb.20: Die M5S Propaganda für die Regierung der Veränderung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Website der M5S, 31.05.2018103.
Entsprechend der M5S-Propaganda ist der Staat nun endlich an der Seite des Volkes: Seine Repräsentanten vertreten legitime Interesse und ihre Vertretungsmacht ist ebenso legitim. Die M5S-Propaganda betont auf jede mögliche Art und Weise, dass die MinisterInnen und die Vize-MinisterInnen – generell die Mitglieder der Regierung – „sauber“ und „ehrlich“ sind. Die folgende Abbildung (vgl. 21, a) zeigt die gesamte Regierung mit dem Präsidenten Sergio Mattarella. Der Text lautet: „Ein Regierungsteam ohne Beschuldigte und Verurteilte (Personen). So war es seit 1994 nicht104 “. Das Narrativ der Bewegung sowie des politischen Führers Luigi di Maio beinhaltete folgende Botschaft: Ab heute ändert sich alles (vgl. Abb.21b). Die Nachrichten, die die Sozialen Medien verarbeiteten, betonen, dass „ es in Italien eine neue Regierung gibt, und daher nichts wie früher sein wird“.
Abb.21 Offizielle Online-Plakate der M5S nach der Gründung der neue Regierung in Italien (2018)
(a)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (b)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: (a) Instagram, Movimento 5 Stelle, 04.06.2018. (b) Quelle: Facebook, offizielle Seite von Luigi di Maio, 12.06.2018105
Wenn Widerstand hinsichtlich der „Veränderung“ auftritt, ist er nicht auf die gewählten VertrerInnen des Volkes, sondern auf die Bürokratie und Funktionäre in den Ministerien oder innerhalb der Organe des Staates zurückzuführen. Ein Paradebeispiel wurde am 17.10.2018 von Luigi di Maio angeboten. Es wurde eine Sondersendung in den öffentlichen Fernsehsendern organisiert, um ein Komplott aufzudecken. Luigi di Maio, Gast bei „Porta a Porta“ – eine der bekanntesten politischen Talk-Shows in Italien –erzählte von „Jemanden“, die oder der einen Gesetztentwurf im Arbeitsministerium zum Thema „Pace Fiscale“ (vgl. Kap. 8.) abgeändert hat:
(...) [meine] Vorstellung vom Staat ist, dass er nicht Feind der [Bürger] sondern Freund sein soll. Das ist meine Vorstellung von Befriedung. Ich habe nicht gesagt, und dies steht in den politischen Vereinbarungen, dass es möglich sein würde, die Vermögen der Mafiösi oder der Korrupten aus dem Ausland abzuschirmen, und sie nach Italien, ohne Konsequenzen, zurückzuholen. Wir haben nie gesagt, dass dies die Straflosigkeit für den Steuerhinterzieher sein könnte (...). Der Text war nicht in den Regierungsvereinbarungen enthalten, daher werde ich morgen eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft einreichen (...), wer das getan hat, ob sie/er eine technische oder politische Hand gewesen ist, wird von der Justiz untersucht. Dieser Text, der an die Quirinale geschickt wurde, kann nicht ins Parlament gelangen (...) (Luigi di Maio, 17.10.2018)106
Luigi di Maio sprach von einer “manina” (auf Deutsch „Händchen“), um jemanden zu identifizieren, der/die gegen ihn und die Regierung agiert hat. Anstatt diesen ernsthaften Vorfall innerhalb der Regierungskoalition anzusprechen, äussert er sich im Fernsehen, um „die BürgerInnen zu informieren, dass jemand auf diese Weise tätig gwesen ist“ (vgl. Di Maio, 17.10.2018).
Wie schon erwähnt, fokussierte sich die M5S stark auf die Konstruktion des Gegners und auf den Versuch, eine direkte Verbindung – im Fernsehen anstatt hinter verschlossenen Türen – mit dem Volk herzustellen. Um die Regierung als „unschuldig“ und „ehrlich“ erscheinen zu lassen, musste „draussen“ ein Gegner gefunden werden und das Thema „Komplott“ scheint der beste Weg zu sein, um Zweifel zu verbreiten und sich als Partei gegen mögliche Angriffe zu wappnen sowie sich von diesem Gesetz zugleich zu distanzieren (vgl. Kap. 8). Das populistiche Narrativ der Fünf-Sterne-Bewegung an der Macht beinhaltet sodann die identitsche Merkmale bezogen auf die Zeit, als die M5S Oppositionspartei war. Es geht um eine Anpassung der Art der Kommunikation und der Ziele an die neue Regierungssituation. Das Ziel war die Denunziation, dass „Jemand“ mit diesem „Komplott“, die M5S als „Verräter“ des Volkes beschreiben wollte. Daher wird betont, dass die „Bewegung und diese Regierung für immer an der Seite des Volkes stehen werden. Das wird niemand ändern“.
Abb. 22: Luigi di Maio und sein Verhaltnis zum Volk
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, 25.09.2018, Movimento 5 Stelle107.
Der PD und die ehemaligen Regierungsparteien bleiben als Gegner weiterhin vor Augen – wie das hier vorgestellte Paradebeispiel – Luigi di Maio und die M5S spielen die Rolle des politischen Opfers: Sie haben nun eine große und schwierige Herausforderung anzunehmen, weil es Komplotte gegen die „Regierung der Veränderung“ und die wahren Repräsentanten des Volkes gibt. Entsprechend der M5S-Propaganda sind diese Komplotte und Attacken sowohl von internen als auch externen, negativen Kräften organisiert: Funktionäre innerhalb der Institutionen und Ministerien (La manina), andere Staaten (wie Frankreich oder Deutschland), die europäischen Institutionen usw. Die Angriffe auf die politischen Gegner bleiben heftig. Mit jeder politischen Aktion bzw. Entscheidung wird im Vergleich mit den früheren Regierungen angestellt und es wird dann auch graphisch immer wieder so präsentiert, als seien sie die einzigen, rechtmässigen RepräsentantInnen des Volkes, die und nur die, wie von Müller (2016) beschrieben wurde, diese Legitimation besitzen. Sie agieren dann gleichzeitig als „Helden“ und „Opfer“. Sie bedienen sich einer aggressiven und kämpferischen Rhetorik, um zu betonen, dass sie immer „auf der richtigen Seite stehen werden“ und zwar, auf der Seite des Volkes gegen „Jeden“, ohne Angst und mit Mut. Schließlich zeigt die Abbildunge 23 (a), wie die M5S sich – auch als Teil der Regierung – präsentieren und darstellen möchten. Im oberen Teil liest man „zwischen dem Wohlstand der Bürger und den Bürokraten in Brüssel, wissen wir immer, auf welcher Seite wir stehen“.
Das Narrativ verweist immer wieder auf eine Trennung zwischen den „Guten“ und den „Bösen“. Das gilt für den internen sowie externen Konfliktraum. Das „idealisierte Volk„ – wie in der Literatur beschrieben (vgl. Kap. 1) – ist gegen die bösen Eliten, und das können sowohl die nationalen oder supranationalen und auch politischen, ökonomischen oder kulturellen Eliten sein. Die „Anderen“ werden dann mit verächtlichmachenden Adjektiven beschrieben und/oder mit Metaphern, die prahlerisch, wie gesagt, verächtlichmachend und manchmal auch grotesk sind. Die politischen/kulturellen oder ökonomischen Persönlichkeiten und die politischen Gruppierungen werden dann als opportunistisch und selbsfokussiert vorgestellt, also nur auf die eigenen Interessen orientiert. Diese Diskussion ist zu fassen unter dem Begriff „La Casta“, eine der analytischen Kategorien für die Analyse dieser Arbeit (Vgl. Kapitel 4 und 6). Interessant ist, dass nun, formell auch die M5S zur „Casta“ gehört und zwar insofern, als sie die Posten und Funktionen besetzen kann und dass sie – theoretisch – im eigenen Interesse oder im Interesse ihrer Familien, Verwandten und Freundeskreise agieren können. Um sich von dieser Zuschreibung zu distanzieren, musste die Bewegung an ihre eigene Propaganda anknüpfen.
Abb.23: Die Propaganda der M5S gegen die „grauen“ Bürokraten in Brüssel und die Casta
(a)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (b)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, Movimento 5 Stelle, 09.10.2018108.
Mit der Abbildung 23 (b) wird ein zweites Paradebeispiel angeboten: Eine dichotomische Darstellung des Parlaments: „- poltrone“ (wenige Sitze) in roter Farbe, um die „Opposition“ zu kennzeichnen, und zwar die Linkskoalition (PD usw.). „+ democrazia“ (mehr Demokratie) wird mit der Farbe gelb vorgestellt, um die positive Seite der Politik, die von der Bewegung (gelb ist die Farbe der M5S) repräsentiert wird, zu identifizieren. Im unteren Teil steht dann geschrieben: „#riformedelcambiamento. I cittadini adesso contano davvero”, was ins Deutsche so übersetzten werden kann: „Reformen der Veränderung. Die BürgerInnen können nun wirklich entscheiden109 “. Die M5S stellt sich als die Einzige der, die auch an der Regierung an der Seite der BürgerInnen ist. Sie entwickelte eine Rhetorik, die von einem Mix aus Opfer- und Heldengefühlen charakterisiert ist: eine Besonderheit – laut Revelli (2019) des italienischen Populismus an der Macht.
7.4 Die Lega (wieder) an der Macht
An der Macht zu sein, ist für die Lega nichts Neues. Als älteste Partei im italienischen Parlament hat die Lega eine lange politische Geschichte hinter sich. Wie schon erwähnt (vgl. Kapitel 3 und 4) hat sich die Lega in ihrer organisatiorischen, politischen und rhetorischen Ausrichtung (vom Regionalismus zum Nationalismus) verändert, aber ihre politischen Führungskräfte sind meist noch die „selben“, wie die in den vergangenen Jahren110.
Die Lega regiert seit Jahren zusammen mit Forza Italia und den rechtsnationalistischen Kräften (Alleanza Nazionale früher, heute Fratelli d’Italia), auch auf regionaler Ebene in wichtigen und reichen Regionen wie der Lombardei, im Piemont und im Venezien. Mit den Wahlen im Jahr 2018 veränderten sich jedoch die Machtverhältnisse innerhalb der Mitte-Rechtskoalition komplett. Die Rolle der Lega ist nun in der Tat prominenter. Im Jahr 2018 wurde die Lega auch in Mittelitalien stark. Damit konzentrierte die Lega den größten prozentualen Anteil der gesammten abgegebenen Stimmen auf sich (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019). Auch konnte die Lega mit ihrer politisch-rhetorischen Veränderung unter Salvini (ohne Norden) eine breitere Zustimmung erreichen: in Mittel- sowie in Süditalien. Wie bereits erwähnt: die Rhetorik wurde geändert, aber der Kern ihrer ideologischen Ausrichtung bleibt. In der Tat verstärkte sich – mit noch gröberen rassistischen und fremdfeindlichen Elementen – ihr rechtsradikales Profil, wie es Minkenberg bereits hervorhob (1998;2013). Wie Diamanti und Pregliasco (2019) betonten, hat die Lega – Dank der charismatischen Rolle ihres Führers, Matteo Salvini – die Kommunikations- und politische Agenda der Gelb-Grün Regierung stark beeinflußt und die politische Diskussion in den traditionellen sowie neuen Medien unmittelbar dominiert. Wie Diamanti und Pregliasco betonen, haben sich die Kommunikationsstrategien der Lega und die von Salvini an der Regierung nicht verändert. Die politische Diskussion wurde jedoch auf eine bestimmte Auswahl von Themen, die das Interesse der Medien und Menschen auf sich zogen, begrenzt. Mit111 Hilfe institutioneller Pressemitteilungen sowie mit Hilfe von Videos und Posts auf Facebook, lenkte Matteo Salvini, als Innenminister, kontinuierlich die Aufmerksamkeit der Medien und der WählerInnen, vor allen auf Migrations- und Sicherheitsfragen um. Die ökonomischen und sozialen Themen bleiben hingegen für Monate am Rand der politischen Debatte. Exemplarisch sind hierfür die politischen, instituonellen und/oder legislativen Initiativen, die von Matteo Salvini nach seiner Ernennung zum Innenminister, nach vorne gebracht wurden.112 113
Tab. 7: Politische Initiativen von Innenminister Salvini (06.2018-12.2018)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Bearbeitung nach Analyse der Pressemitteilungen des Innenministeriums (2018); Zusammenfassungen der Sitzungen im Senat und im Parlament
Migrations- und Sicherheitsfragen dominieren die politische Agenda der Regierung von Juni 2018 bis Dezember 2018 und Matteo Salvini konnte auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Medien auf sich lenken (vgl. Diamanti und Pregliasco, 2019; Ignazi, 2018; 2019). Ein dauerhafter Konflikt zwischen dem Innenminister und den sogenannten „buonisti“ (auf Deutsch: Gutmenschen), die sich als ItalienerInnen entgegen ihren eigenen Interessen verhalten: Salvini nennt die Gutmenschen Gegner des Volkes. Mit Hilfe der sozialen Medien (Twitter und Facebook) stellte sich Salvini als Bannerträger der italienischen Interessen gegenüber den europäischen Institutionen (Brüssel) dar, die „Gutmenschen“114 und zwar, die ehemaligen PolitikerInnen (insbesondere des PD), die die „italienische Souveränität verkauft haben“. Am 8. Juni 2018 veröffentlichte Salvini eine Post in Facebook mit dem Titel „meine erste Woche als Minister“ (La mia prima settimana da Ministro115 ):
Seit nur sieben Tagen arbeite ich nun in der Regierung und ich arbeite daran, beinahe sieben Jahre an Verzögerungen und „buonismo“ zu heilen: Unser Ziel ist es, das Anlanden (von MigrantInnen) zu reduzieren und Abschiebungen zunehmen zu lassen, die Kosten für den Unterhalt dieser mutmaßlichen Flüchtlinge zu reduzieren, ebenso wie die zeitliche Dauer ihres Aufenthalts in Italien. – Und dies unter Einbezug europäischer und internationaler Institutionen, die die Italiener bisher allein gelassen haben. – Wir werden uns Gehör verschaffen!116
Letztlich änderte Matteo Salvini seine Rhetorik und seine Art und Weise der politischen Propaganda weder vor und noch nach den Wahlen. Als ein Paradebeispiel kann seine Entscheidung als Innenminister gelten, die persönlichen Mitarbeiter als „Konsulenten“ für seine Kommunikationspolitik im Innenministerium eingestellt zu haben. Damit wurde die sogenannte Kommunikationsmaschine der Lega – La Bestia (auf Deutsch: Das Tier) mit öffentlichen Ressourcen gefördert. Aufgrund dessen findet sich in den Kommunikatonsstrategien von Salvini als Innenminsiter auch eine fortdauernde Kontinuität.
8 Populisten an der Macht: sechs Monate nach der Konstituirung der Regierung
Das Cattaneo Institut (2019) aus Bologna veröffentlichte eine interessante Zufriedenheitsanalyse bezüglich verschiedener Regierungen in Europa. Man erfaßte nach den ersten sechs Monaten bezogen auf die jeweiligen Regierungsbildungen die Zufriedenheit beziehungsweise das Vertrauen der BürgerInnen. Das italienische Beispiel zeigte, dass im Vergleich mit anderen Fällen, wie zum Beispiel mit Deutschland, Frankreich oder Österreich, eine deutliche Zustimmung erfahren hatte (vgl. Abb.24). Die Ländern, in denen die populistischen Bewegungen oder Parteien an die Macht gelangten, zeigen, dass die Populisten nach den ersten sechs Monaten eine positve Bewertung der BürgerInnen erlangten. Hingegen sind die Regierungen in Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien von einen negativen Trend charakterisiert.
Abb.24: Zufriedenheit der BürgerInnen mit der Regierung sechs Monate nach ihrer Konstituierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Bearbeitung bezüglich der Daten des Istituto Cattaneo und ParlGov, 2019
Laut Demos&Pi (2019) kann man hinsichtlich der politischen Lage in Italien einen besonderen Trend feststellen: Die Lega wuchs und die M5S hingegen wurde kleiner. Insgesamt nahm aber die Zufriedenheit im Laufe der Monate mit der gelb-grünen Regierung deutlich zu. Dieser positive Entwicklungstrend satzte sich im Laufe des Jahres 2019 fort117. In der Tat wurden sehr hohe Zufriedenheitswerte erreicht – durchweg zwischen 50% und 62% – was beispielsweise, verglichen mit den Regierungen Renzi oder Gentiloni, stark verändert war. Trotz einer aggressiven und eindimensionalen politischen Propaganda, die sich in den ersten sechs Monaten gründsätzlich auf die Migrations- und Sicherheitsfragen richtete, nahm die Unterstützung durch die Bevölkerung zu. Gleichzeitig wandelten sich die Machtverhaltnisse innerhalb der italienischen Regierung, mit einer stärkeren und radikalisierten Lega.
In den folgenden Kapiteln wird daher eine vertiefte Analyse der Regierungsprogrammatik sowie der verwendeten Kommunikationsstrategien der Lega und der M5S vorgenommen. Bezogen auf die Analysen der parlamentarischen Berichte118 von Juni 2018 bis Dezember 2018 zeigt sich, dass nur ein begrenzter Anteil politischer Initiativen als Dekret oder Gesetzentwurf diskutiert wurde und lediglich einer wurde zur Abstimmung gebracht und in der „Gazzetta Ufficiale“ (auf Deutsch: Bundesgesetzblatt) als Gesetz erlassen.
Tab.8: Zusammenfassung der politischen Initiativen der italienischen Regierung von Juni bis Dezember 2018
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Bearbeitung bezogen auf die parlamentarischen Berichte und Dekrete, 2018
8.1 Decreti Salvini: Der rechtsradikale Kampf gegen MigrantInnen und NGO’s
Das Thema „Migration“ beherrschte vor und nach den Wahlen, wie in den vorherige Kapiteln dargelegt wurde, den italienischen politischen und medialen Diskurs. Die Lega und ihr Führer Salvini unterstrich dauerhaft die Notwendigkeit neue Regelungen im Rahmen der Migrations- und Sicherheitspolitik zur Abstimmung vorzulegen. Von Juni 2018 bis Ende November 2018 fand die Diskussion in Bezug auf den sogenannten „Decreto Salvini“ im Parlament sowie in den (sozialen) Medien statt119. Die Rolle der Medien hinsichtlich dieses Themas ist nicht zu unterschätzen: In verschiedenen Fernsehensendungen sowie in lokalen oder nationalen Zeitungen wurden Berichte mit negativen Konnotationen hinsichtlich der Seenotrettungsaktionen und der Ankunft von Migrantinennen aus Afrika verbreitet.
Die Propaganda der gelb-grünen Regierung – insbesondere die von Matteo Salvini und der Lega verwendete – sprach von tausenden und sogar „Millionen“ Asylsuchenden aus Afrika, die als „Krankheitsträger“ (portatori di malattie), Vergewaltiger und/oder als versteckte Terroristen qualifiziert wurden120. Salvini trat als Innenminister, bezogen auf die europäische Institutionen sowie hinsichtlich wichtiger ausländischer politischer Persönlichkeiten, wie Emmanuel Macron und Angela Merkel, einen Konflikt los, der sich auch direkt gegen Frankreich und Deutschland richtete. Ein zusätzliches Element dieser politischen Propaganda war die Betonung des Souveränitätsverlustes der letzten Jahrzehnte: die NGO’s, die sich unter ausländischer Flagge im Mittelmeer befinden und sich auf Seenotrettungsaktionen konzentrieren, wurden zur Zielscheibe der politischen Propaganda der gelb-grünen Regierung in Italien und dies insbesondere von Salvini. Damit versuchte er herauszustreichen, dass er – und nur er – die Interessen Italiens und des italienischen Volkes gegenüber den EU-Institutionen oder anderen Ländern verteidigen könnte und auch vorhat, dies zu tun. Daher waren die Hauptkonflikte die Schiffe, die für Tage ohne die Berücksichtigung von Minderjährigen, Frauen oder Kranken, auf dem Mittelmeer gelassen wurden. Der Slogan war: „i porti sono chiusi“ (auf Deutsch: Die Häfen sind geschlossen)121.
Als Minister agierte Salvini dann in einer aggressiven Art und Weise auch gegenüber der Oppositionen, den europäischen Institutionen und/oder anderen Regierungschefs, aber insbesondere gegenüber NGOs und MigrantInnen. Ein Paradebeispiel wurde am 08.06.2018 von Salvini selbst geboten, als er mit einem FB-Live-Session auf seinem Profil – zum ersten Mal – als Innenminister mit „seinem“ Volk sprach. Das Video dauerte 19 Minuten und war hauptsächlich auf das Thema „LifeLine122 “ fokussiert. Salvini saß in seinem Büro in Rom, zur Mittagspause, und grüßte die ItalinerInnen, mit dem Wort „Guten Tag, und guten Appetit“. Das ist eine vergleichbare Art der Begrüßung, wie sie von Papst Franziskus für das Angelus (jeden Sonntag um 12.00 Uhr) verwendet wird. Eine persönliche und familiäre Art und Weise der Kommunikation. Mit dieser Begrüßung übermittelte Salvini eine klare populistische Botschaft:
(...) guten Morgen, guten Appetit (...) Ich wollte zuerst direkt mit Euch sprechen, bevor ich es mit Journalisten, Radios, Fernsehern tue und Pressemitteilungen schreibe. Von meinem Büro aus, werde ich zum ersten Mal und als Innenminister lächeln, weil ich wirklich wütend bin. Wie meine Mutter zu sagen pflegt, werde ich geduldig/gelassen bleiben, weil ich es nicht mehr tolerieren kann, nicht nur als Innenminister, sondern auch als Italiener an der Nase herumgeführt zu werden (...)123
Diese Ansprache von Salvini ist besonders interessant hinsichtlich der Analyse des politlischen Diskurses. An dieser Stelle kann man deutlich die beiden Dachkategorien – Konstruktion des Gegners sowie des Volkes – identifizieren und diskutieren. Salvini, mit einem komplexen Mix aus rhetorischen Schachzügen (vgl. Milkowska-Samul, 2011), wie die sogenannten „reduplicatio“, „gradatio“, Anaphoras und Hyperbole124, betonte die negativen Auswirkungen der Agierens von NGOs und gleichzeitig bittet er um die Unterstützung der „echten“ ItalienerInnen (das legitime Volk). Die NGOs, die im Mittelmeer agieren und die Seenotrettungsaktionen durchführen, werden als Vebrecher bezeichnet. Die folgenden Abschnitte zeigen deutlich, dass Salvini das Volk gegen die NGOs „mobilisieren“ möchte: Sie haben die Warnungen der italienischen und der lybischen Küstenwachen ignoriert und haben ihre Respektlosigkeit gegenüber dem italienischen Gesetz gezeigt:
(die NGO) hat, entgegen aller Regeln und Gesetze, 224 illegale Einwanderer (…) eingeschifft. Und was haben diese verdammten Menschen getan? Sie haben das Leben der Migranten, die sich auf den Schlauchbooten befanden, gefährdet (…). (Die NGO) griff ein, um diese kostbare Menschenmenge, menschliches Fleisch an Bord zu holen (…)125
(…) die lybischen Patrouillenboote waren an dieser Intervention beteiligt, die jedoch aufgrund der Arroganz und Rücksichtslosigkeit dieser Pseudo-Freiwilligen zunichte gemacht wurde (…)126
Die fremdenfeindliche und aggressive Art und Weise der politischen Rhetorik von Salvini wird durch die verwendete Begrifflichkeit deutlich belegt: er beschreibt die MigrantInnen als „quantitativo prezioso di esseri umani“ (Warenmenge von Menschen) und meldet Zweifel an der Ehrlichkeit und Solidarität den „Pseudo-Freiwilligen“, die von Salvini mehrfach so bezeichnet werden, um sie schlecht zu machen und zu delegitimieren. Dann fragt er: „Warum sollen das Gute sein? Warum haben sie das getan [und macht das Handfingerzeichen hinsichtlich Bar-Geld]? Lasst mir den Zweifel, dass sie es tun, nicht weil sie Gutmenschen sind, sondern weil sie eigene Interessen haben?“127.
(...) Diese Schiffe, die sich im Mittelmeer befinden, agieren nicht auf freiwilliger Basis. Sie unterstützen den Menschenhandel. Heute möchte ich wissen, wer diese NGO (die LifeLine) finanziert, bezahlt hat, die nicht auf die italienische Küstenwache gehört hat, die die lybische Küstenwache behinderte, und die Hunderte verzweifelter Menschen als Ware benutzte. Ein Hinweis für Seefahrer: Diese NGO`s werden keinen Fuß in die italienischen Häfen setzen (...)128
Laut Salvini agieren die Seenotrettungsschiffe – wie LifeLine oder Acquarius129 – nicht aus Menschlichkeit sondern aufgrund schmutziger ökonomischer Interessen. Es wird auf die Mafia und ihre Interesse angespielt. Daher sprang Salvini in Laufe seiner Live-Session vom Thema „MigrantInnen“ zu einem anderen: dem Kampf gegen die Mafia. Er attackiert den Anti-Mafia Journalisten Roberto Saviano, der sich mehrfach kritisch in Bezug auf Salvini geäußert hatte, und sprach von seinen Zielen als Innenminister: Er betonte, dass er gegen die Mafia und gegen das „Business der illegalen Zuwanderung“ im Mittelmeer vorgehen möchte. Seine Rede bezieht sich dann auf die tiefgreifende und direkte Delegitimation der Anderen, mit dem Versuch, sich als den „Einzigen“ darzustellen, der etwas Positives für die Italiener sowie für die MigrantInnen erreichen kann:
(...) Ich möchte Leben retten. Aber ich werde von den Italienern bezahlt, um ihre Sicherheit zu verteidigen. Daher akzeptiere ich nicht, dass es sozusagen pseudo- freiwillige Vereine gibt, die das Leben derer gefährden, die aus Afrika fliehen, und die dann vorhaben, diese alle in Italien anlanden zu lassen (…) , daher eine klare Botschaft, die keine der italienischen Regierung ist, aber des italienischen Ministers.Aber ich gedenke und hoffe alles im Sinne des italiensichen Volkes zu tun.. Wir wollen die Mafia der illegalen Einwanderung zerschlagen. Das bereichert nur wenige Straftäter und schadet sowohl Afrikanern als auch Italienern. (…) Diese ausländischen NGO`s mit ausländischem Personal und ausländischen Finanziers, die unter ausländischer Flagge segeln, werden italienischen Boden nicht mehr betreten (...)130
Inhaltlich wird dies auch von Salvini dazu genutzt, um andere EU-Länder und andere Repräsentanten der EU, wie Macron, zu attackieren und delegitimieren:
(...) Ich erinnere mich zum Beispiel an Frankreich, an Macron, der uns eine Woche lang Großzügigkeit lehren wollte. Er sollte dann mindestens 9.000 Flüchtlinge, die in Italien Schutz erhalten hatten, nach Frankreich zurücknehmen, und weitere Tausende sollten nach Spanien gehen. Großzügigkeit, wenn es nur bei Worten bleibt, nützt uns nichts. Das brauchen wir nicht (...)131
Schließlich betonte Salvini in seiner FB-Live Session, was in der italienischen Regierung „really matters“ und zwar für ihn und die Lega: Mit diesem letzen Teil dokumentierte er, dass der Ministerpräsident (Giuseppe Conte) die „Erlaubnis“ von Ihm selbst und der gesamten italienischen Regierung bekommen hat, um mit „Europa“ zu diskutieren und um neue Regelungen zu vereinbaren.
(...) Der Premierminister Conte bekam von mir, von der gesamten Regierung und der Mehrheit der ItalienerInnen den Auftrag, mit Europa die uns schadenden Regeln neu zu verhandeln. Wir akzeptieren es nicht mehr, als Dummköpgfe angesehen zu werden“ (...)132
Für Matteo Salvini war der Juni 2018 ein Monat des Kampfes. Bis Ende November wurde die mediale Aufmerksamkeit primär auf Salvini und seinen Konflikt mit den MigrantInnen, NGOs und europäischen Institutionen gerichtet. Die folgenden Abbildungen wurden im Laufe des Monats November veröffentlicht.
Abb.25: Salvini auf Twitter: Die Anti-MigrantInnen Propaganda des Innenministers
(a)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(b)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Twitter, 10.06.2018133
Mit der Botschaft auf der 2. Abbildung (vgl. Abb. 25, b) berichtete Salvini, dass:
sich im Mittelmeer befinden Schiffe mit holländischen, spanischen, britischen Flaggen sowie deutsche NGOs. Malta möchtet niemanden aufnehmen. Es gibt Frankreich, das an der Staatsgrenze MigrantInnen zurückgewiesen hat. Es gibt Spanien, das seine eigene Staatsgrenze mit Waffen schützt. In Europa denkt jeder an seine eigenen Interessen. Ab heute fängt Italien auch zum Menschenhandel Nein zu sagen. Nein zum Business der illegalen Zuwanderung. Mein Ziel ist es, ein glückliches Leben für diese Jugendlichen aus Afrika und unsere Kinder in Italien zu garantieren.
Entsprechend der Untersuchungen des Demos&Pi Instituts (2018) sympathisierten 54% der ItalienerInnen mit dieser Entscheidung der Regierung: Dafür waren 85% der Lega- und 75% der M5S WählerInnen134 ; 44% der Bevölkerung war dagegen. Dieser Trend offenbarte eine zunehmende Unterstützung, auch in der M5S-Wählerschaft, für die politische Agenda der Lega. In der Tat wurde, laut Umfragen des Instituts, der Konsens mit der Lega (vgl. Abb.26) und mit Matteo Salvini bekräftigt (vgl. Abb.27). Die mediale Beschreibung der Migranten als Gefahr diente als politische Rechtfertigung, um Verschärfungen des Asylrechts und der Integrationssregelungen voranzubringen. Gleichzeitig wurde Salvini als die stärkste Figur der Regierung angesehen und damit konnte der Innenminister seine politische Rolle konsolidieren.
Abb.26: Wahlumfragen von März 2018 bis Januar 2019 in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Bearbeitung auf Basis von Demos&Pi, n.78, Februar 2019.
Abb.27: Wer ist der wahre Führer der aktuellen Regierung (in Prozent nach politischer Orientierung und als Gesamtbewertung)?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Bearbeitung auf Basis von Daten des Demos&Pi, n.77, November 2018.
8.2 Sicherheitsthema: „La difesa è sempre legittima“
Im Zusammenhang mit dem Thema „Migration“ wurde von der Lega und Salvini eine Diskussion über die Notwehr (legittima Difesa) in Gang gesetzt, um die „fahrlässige Überschreitung der Notwehr“ zu revidieren. Das Ziel war die Bestrafung derjenigen, die jemanden in einer bestimmten Gefährdungssituation getötet oder verletzt hatten, zu reduzieren oder abzuschaffen. Der Slogan wurde dann der Folgende: „la difesa è sempre legittima135 ”.
Die unterliegende Botschaft dieser Abbildung bezog sich auf das „sacrosanto“ Recht, und zwar als unveräußerliches Recht, sich gegen diejenigen, die eine Person in seiner eigenen Wohnung oder in seinem eigenen Haus angegriffen hatten, sich mit allen Mittel zu verteidigen. Dann fragt Matteo Salvini: „Ich möchte alles tun, um die Verbrecher zu entwaffnen, und die ItalienerInnen zu verteidigen. Ist das falsch? Von Worten zu Taten.“ Entsprechend der Daten der Institute Censis (2018) und Istat (2018) sind Straftaten von 2008 bis Ende 2018 deutlich gesunken. Dennoch ist die Wahrnehmung von Unsicherheit in der Bevölkerung deutlich gestiegen. Und hier spielte die Propaganda eine wichtige Rolle (vgl. Massariolo, 2019).
8.3 La pace fiscale: Ruhe an der Steuerfront
Ein drittes Thema bezieht sich auf den sogenannten „Pace Fiscale“. Mit einem Dekret übte die Lega starken Druch auf die M5S aus. Daher begann eine Zeit des Konflikts innerhalb der Koalition. Die Kommunikationsstrategien der M5S und der Lega liefen in zwei entgegengesetzte Richtungen. Für die M5S war es notwending zu dokumentieren, dass sie sich nach wie vor auf den Kampf gegen Korrupte und/oder Betrüger konzentrieren wollten. Mit diesem Dekret konnten sich BürgerInnen, die jedoch ihre Steuern nicht bezahlt hatten, ohne gesetzliche Konsequenzen, ihrer Steuerschulden entledigen. Die Auseinandersetzung mit der Lega richtete sich auf die Frage: Wer soll diese Möglichkeit nutzen? Die Lega, die die Interessen des produktiven Nordens verteidigen wollte, versuchte die Höhe der Gehaltsgrenze zu senken, damit auch große Unternehmen und Großeverdiener, davon profitieren könnten. Insbesondere irritierte jedoch die M5S der Vorschlag wiederum, dass auch diejenigen, die ihr Kapital ins Ausland gebracht hatten, um in Italien keine Steuern zu zahlen, diese Möglichkeit nutzen könnten. Daher war für die M5S sehr wichtig zu zeigen, dass sie in ihrem Kampf gegen Korrupte sowie Betrüger noch engagiert war. Luigi di Maio und Matteo Salvini engagierten sich dann im einem Kommunikationsskampf: Tweets, FB-Posts, Interviews im Fernsehen und Video-Nachrichten, um sich gegenseitig zu attackieren136.
Wie in Kapitel 7 aufgeführt, bot Di Maio ein Paradebeispiel an: Um sich von der Endversion des Dekrets „Pace Fiscale“ zu distanzieren, sprach Di Maio von einer „kleinen Hand“, die, im Hintergrund, den Text verändert hätte (vgl. Kap. 7). Dieser Konflikt entstand als Versuch der M5S sich wieder mit der Anti-Casta-Politik und ihrer moralischen Position gegenüber der Lega und Salvini zu profilieren. Die Umfragen zeigten jedoch, dass Schritt für Schritt der Konsens der Bewegung sank. Aus diesem Grund orientierte sich Di Maio und orientierte sich die M5S sehr stark auf ein zweites Thema, obwohl es weder als Dekret noch als ein konkreter Vorschlag diskutiert wurde: die sogenannte „Reddito di Cittadinanza“ (auf Deutsch: Bürgergeld).
8.4 Reddito di Cittadinanza: Eine sozialpolitische Agenda gegen Armut und sozialen Ausschluß
Die Propaganda der M5S musste sich ändern. Der starke Zuspruch für Salvini und die Lega, senkte die Zustimmung für die M5S. Das Thema „Glaubwurdigkeit“, das im Laufe des Wahlkampfes 2018 seine positiven Effekte gezeigt hatte, war, aufgrund des Tatsache, dass die M5S nun selbst Teil der Regierung geworden war, nicht mehr verwendbar. Daher konzentrierte sich die Bewegung auf die soziale Agenda ihres Programms. Der „Reddito di Cittadinanza“ wurde dann als neues Thema in den politischen und medialen Diskurs eingebracht, obwohl es bis Dezember 2018 keinen konkreten Vorschlag hierzu gab. Die M5S versuchte, die Aufmerksamkeit der Medien und der Gesellschaft auf anderes Thema zu lenken. Migrations- und Sicherheitsfragen wurden als das Hauptthema der Lega angesehen. Das Thema der Anti-Casta Politik verlor seine Kraft, und zugleich machte auch der Konflikt mit Salvini zum Thema „Pace Fiscale“, die Schwäche der Bewegung sowie die Schwäche ihres politischen Führers, Luigi di Maio, deutlicher.
Die soziale Agenda der Bewegung konnte, in der Tat, noch viele WählerInnen überzeugen. Laut ISTAT (2018) lebten in Italien etwa fünf Millionen Menschen in Armut: 8,4% der gesamten Bevölkerung, die meiste in Süditalien. Der Kampf gegen Ungleichheit und Armut wurde dann als ein sinnvolle Idee betrachtet und wurde insbesondere von den Linksgruppierungen positiv begrüßt. Die Propaganda der Bewegung übertrieb jedoch das Potential des Vorschlages und es wurde folgender Slogan verwendet: „Abbiamo eliminato la povertä“ (auf Deutsch: Wir haben die Armut abgeschafft).
In der Folge wurden auch ergänzende sozialpolitische Vorschläge diskutiert mit dem Slogan „Manovra del Popolo“ (auf Deutsch: Dem Volk dienen).
Die Idee war, die Überlegung als Anti-Casta-Politik zu präsentieren und zu betonen, dass das kommende Haushaltsgesetz (Dezember 2018) dieses Mal „dem Volk dient“, d.h. nützt, anstatt den Eliten. Die folgende drei Dimensionen wurden herausgestellt: (1) Reddito di Cittadinanza: Bürgergeld für 6,5 Millionen Menschen, die sich in Armut und in sozialen Schwierigkeiten befinden; (2) Bürgerrente: 780 Euro pro Monat; Abschaffung der Fornero-Reform (wie im Wahlkampf versprochen wurde, vgl. Kap. 5); und (3) Fondo Truffati dalle banche: 1,5 Milliarden Euro für diejenigen, die von Banken (vgl. Kap.5) betrogen wurden.
Abb.28: Slogan der M5S: Wir haben die Armut abgeschafft!
(a)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(b) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Instagram, M5S, (a)137 (b)138 28.09.2018
Auf dem unteren Teil des Plakats (vgl. Abb. 28 b) steht geschrieben: „Wir opfern die Privilegien und die Interesse der Mächtigen, um die BürgerInnen an die erste Stelle zu setzen. Die Veränderung hat nun wirklich begonnen“. Diese Botschaft wurde dann über die sozialen Medien verbreitet, und mit der typischen populistischen Rhetorik der Bewegung: nach Emotionen und mit Farbspielen auf Plakaten. Die Verwendung des Begriffes „Manovra del Popolo“ ist ein rhetorischer Expedient, um strittige Themen im Dunkeln zu lassen. Mit der ersten Abbildung wird (vgl. Kap.5), ein Spiel mit Farben und zeitlichem Vergleich geschaffen, um zu betonen, dass nun sich alles verändert habe oder sich verändert wird. Trotz dieser Anstrengunen in der Propaganda, sank die M5S kontinuerlich in den Umfragen, während die Zustimmungeswerte der Lega und die Zufriedenheit der Bevölkerung mit Salvini stark zunahmen.
Schlußbetrachtung
Mit dieser Arbeit wurden die Kommunikationsstrategien und die politischen Agenden der M5S und der Lega untersucht und hinsichtlich zweier zeitlicher Perioden verglichen. Es wurde analysiert, wie sich eine rein populistische Partei (M5S) und eine rechtsradikale Partei (Lega) vor und nach den Wahlen 2018 verhalten und verändert haben, insbesondere im Laufe ihrer Regierungsarbeit. Die Inhalts- und politische Diskursanalyse konzentrierte sich auf spezifische Reden von Luigi di Maio und Matteo Salvini sowie auf eine begrenzte Auswahl von Online-Plakaten und Dokumenten, die relevant für die politische Arbeit der Gelb-Grünen Koalition waren (vgl. Kap.4).
Die These, die der Arbeit zugrunde lag, war die folgende: Lega und M5S haben vor und nach den Wahlen einen differenzierten Veränderungsprozess vollzogen. Zwar haben sie ihre Kommunikationsstile nicht substantiell verändert, jedoch haben sie sich in Bezug auf ihre politische Agenda und Praxis in unterschiedliche Richtungen entwickelt, um sich auf den für sie neuen politischen Kontext des Regierens einzustellen. Um diese These zu überprufen wurden zwei Hypothesen formuliert:
(1) Trotz ihrer Rollen als Regierungsparteien haben die Lega und die M5S ihre Kommunikationsstile nicht verändert, weil sie den Konflikt zwischen ihnen und „den Anderen“ – das meint insbesondere die supranationalen Institutionen, die MigrantInnen oder die sogenannten „guten Menschen“ – immer auf einem Höhepunkt halten müssen, um ihre Rolle als „Difensori del popolo“ (Beschützer des Volkes) rechtfertigen zu können;
(2) Die M5S hat aufgrund ihrer rein populistischen Natur, die als thin-centered Ideology (vgl. Mudde, 2004) definiert wurde, im Vergleich mit der Lega eine stärkere Veränderung in ihren politischen Agenden und Praxen erlebt. Aufgrund ihrer ideologischen Flexibilität hat sie sich dem politischen und ideologischen Einfluß der Lega, die eine langjährige und gefestigte politische Geschichte hat, ausgesetzt.
Hinsichtlich der ersten Hypothese wurden die Kommunikationsstrategien und politischen Inhalte der Lega und der M5S vor und nach den Wahlen analysiert und verglichen. In den Kapiteln 6 und 7 wurden die typischen populistischen Merkmale der politischen Kommunikation identifiziert und beschrieben. Der Wahlkampf im Jahr 2018 war getragen von einer starken, aggressiven und teilweise rassistischen Propaganda. Die Lega und Matteo Salvini konzentrieten sich auf politische Angriffe gegen Mitte-Linksparteien sowie gegen ethnische und religiöse Minderheiten (z.B. Flüchtlinge, Roma und Sinti, Islam). Luigi Di Maio und die M5S attackierten hingegen prominente politische Personen und die ökonomischen und politischen Eliten. Die Inhalts- und politische Diskursanalyse bestätigt, dass die Lega ihre traditionellen politischen Themen, wie zuvor, verbreitete, um Gegner zu identifizieren. Was sich innerhalb der Lega verändert hat, ist die Verschiebung auf eine autonomiebezogene Diskussion zu einer nationalistischen Propaganda. Der Stil ist aber nach wie vor derselbe. Vergleichbar verhielt es sich bei der M5S, obwohl sie eine komplexere Strategie verfolgte: sehr aggressiv im Laufe des Wahlkampes gegenüber Eliten und politischen Parteien bzw. Personen aber nicht mit rassistischen Angriffen auf Minderheiten und so weiter. Im Laufe der Regierungsmonate hat sich die M5S jedoch Schritt für Schritt der politischen Rhetorik der Lega angepasst. Daher attackierten die M5S ab und zu auch MigrantInnen und vor allem NGOs, die im Mittelmeer aktiv waren.
In einem weitern Schritt wurde die zweite Hypothese überpruft: Die M5S offenbarte ihre ideologischen und politischen Schwächen deutlich. Die Lega und Matteo Salvini konnten unmittelbar die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen und die ersten sechs Monate der Regierung wurden stark von den politischen Vorstellungen der Lega geprägt. Die Umfragen signalisierten ab Juni 2018 eine starke Veränderung innerhalb der Wählerschaft: Die Zustimmung zu der M5S sank deutlich und die für die Lega nahm hingegen stark zu. In den Kapiteln 7 und 8 konnte dargelegt werden, dass die ideologische bzw. politische Agenda der Bewegung sich auf ihre Positionen im Koalitionsvertrag sowie die verschiedenen, verabschiedeten Gesetze reduziert hat.
Schließlich ist anzumerken, dass diese Arbeit im Laufe des Jahres 2019 geschrieben wurde, und, dass die politische Lage sich in Italien schon wieder stark verändert hat. Dennoch wurden die bisherigen Befunde auch durch die Ergebnisse der EU-Wahlen in Mai 2019 und der regionalen Wahlen 2019 und 2020 bestätigt: Die Lega liegt nun zwischen 29% und 31% an Zustimmung, während die M5S bei 14% und 16% gelandet ist.
Wie gesagt, diese Arbeit hat sich auf den ersten Teil der Regierungserfahrung der Lega und der M5S konzentriert, um einen Forschungsbeitrag zu leisten, zum Thema Populisten an der Macht.
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Appendix
1) Analysedokument Nummer 1: Rede von Luigi di Maio am 20.01.2018. Progammvorstellung der Bewegung für die Wahlen 2018: 20 Punkte für die Lebensqualität der ItalienerInnen. Die FB-Live Session heisste „PARTECIPA, SCEGLI, CAMBIA“
“Buonasera a tutti. Stasera siamo qui per due importantissime cose [[ da dire al popolo italiano.]] Abbiamo davanti due importanti sfide. Una è la composizione del nuovo gruppo parlamentare del movimento 5 stelle della diciottesima legislatura. I risultati delle parlamentarie che comporranno le liste plurinominali per le elezioni alla camera e al senato arriveranno in serata. Prima di questo, oggi, presentiamo i 20 punti per la qualità della vita degli italiani. Che sono il nostro programma per andare al governo di questo paese. [[ Quando, immaginate la vittoria, del movimento cinque stelle, non dovete immaginare qualcuno che varca la soglia di palazzo chigi o qualcuno che entra in un ministero o la sera in cui festeggeremo il risultato. Quando immaginate la nostra vittoria, dovete immaginare i venti punti per la qualità della vita degli italiani che diventano realtà per gli italiani.]] Il 5 marzo potremmo svegliarci con un governo 5 stelle. Questo dipende da voi, dipende da tutti quanti noi che siamo qui. Dipende dai milioni di italiani che in questo momento ci seguono e ci conoscono.
Abs.1 [[Il nostro non sarà un governo come quelli che hanno governato in questi anni]]
Per me sono importanti due cose in una squadra di governo e di cui non possiamo fare a meno: la prima è sicuramente la competenza, la testa, l’intelligenza, la capacità. Ma la seconda è il cuore. Perché se oggi ci troviamo qui e siamo la prima forza politica del Paese e vogliamo cambiare questo Paese è perché chi in questi anni ha governato non ha mai messo cuore, umanità nelle scelte che faceva, mai [applausi, bravo]. Quando hanno fatto la riforma delle pensioni per far quadrare i conti, nessuno si è chiesto che fine stessero facendo gli esodati, coloro che lavorano nei lavori usaranti, e i giovani che dovevano entrare nel mondo del lavoro che non ci potevano entrare perché avevano aumentato l’età pensionabile. Non c’hanno mai messo cuore quando hanno fatto le varie riforme dei contratti di lavoro, per cui oggi ci sono il 33% dei contratti interinali che durano un giorno, e dicono pure a quei ragazzi che stanno lavorando con un contratto che si rinnova ogni giorno, la nuova schiavitù, quella del 2017, del 2018, figlia delle varie riforme del precariato. Testa e cuore. Questi saranno i requisiti della nostra squadra di governo. E vi chiedo un’altra cosa. Dovremmo diffonderla il più possibile.
Abs.2 [[I cittadini italiani, nei prossimi 40 giorni di campagna dovranno sopravvivere a un bombardamento di slogan. Ma noi dobbiamo dire ai cittadini italiani che non devono valutare e le forze politiche per gli slogan di questi giorni, ma le devono valutare per quel che hanno fatto negli ultimi 20 anni.]]
Per come hanno governato. Non sono gli slogan quelli che fanno la differenza. È la credibilità. E permettetemi di dirvi che noi arriviamo qui dopo 5 anni in Parlamento e in tante altre istituzioni, con la credibilità che serve ad una forza politica, che ha fatto quel che diceva. Lo abbiamo detto cinque anni fa che avremmo fatto tutto quello che si poteva per rinunciare a privilegi, a quelle cose che ci facevano arrabbiare come cittadini italiani, che ci facevano allontanare dalle istituzioni. Vi avevamo detto che avremmo fatto la battaglia contro le forze politiche che volevano salvare i banchieri e non i risparmiatori, vi avevamo detto che avremmo fatto una battaglia per difendere i giovani italiani dalle leggi sul precariato e gli imprenditori dalla burocrazia.
Abs.3 [[Io oggi, finisco questa legislatura, da presidente della camera, senza aver mai toccato la mia auto blu, il mio volo di stato, il mio vitalizio, il mio doppio stipendio, i miei doppi rimborsi, mai [applausi] e questo ci dà la credibilità, questo ci dà la credibilità per presentarci agli italiani e dirgli che applicheremo queste regole a tutti gli altri. A tutti gli altri eletti nelle istituzioni]]
I venti punti che sto per presentarvi dobbiamo andarli a raccontare a tutt’Italia. So che qui ci sono tanti attivisti, tanti portavoce, tante persone che si sono date da fare per diffondere le idee del movimento il più possibile. Adesso, prentete questi punti e portateli a casa degli italiani. Raggiungete più persone possibili e raccontategli che cosa vogliamo fare per l’Italia, con la credibilità di chi, in questi anni, dall’opposizione, ha mantenuto le promesse stando in Parlamento.”
Minuto 06, secondo 44.
Link: https://www.facebook.com/watch/?v=1588748687828338
Gesehen am 11.6.2019
Zuschauer: 323.933
2) Analysedokument Nummer 2 : Schlußrede von Luigi Di Maio in Rom
Allora, mi vedete particolarmente sorridente. Io non posso dirvi nulla sui sondaggi. Ma ne ho appena letto uno e vi posso dire che siamo a un passo dalla vittoria. Al di là di quale % si tratti a quello che ho visto io sia nelle ultime settimane che nei dati, il movimento cinque stelle può vincere in tutti i collegi uninominali del sud e in molti del nord. E così possiamo raggiungere la maggioranza per governare. Ora, io ve lo dico perché [applausi]. Vi dico questo perché c’è ancora tanta gente che crede che andare a votare domenica non faccia la differenza. Io vi posso dire questo: in ogni collegio, di tutto il Paese, la differenza la può fare anche un solo voto e non dipende da una questione romantica, ma da una questione matematica.
Abs.1 [ [ Oggi per fortuna il CSX o presunto CSX è fuori combattimento per quanto ci riguarda. Voi ve lo ricordate il treno di Renzi [fischi]. Stamattina quel signore che guidava il treno, Renzi, ha detto sono disposto a farmi da parte. È finita per loro. E lo sanno già. Qui non dipende più da quei signori lì]]
in ogni collegio del paese voi potrete fare la differenza, decidendo se quel voto darlo a chi non ha mai governato questo paese, ma ieri ha anche presentato una squadra di governo di persone giuste al posto giusto, oppure decidere di affidarsi ancora a quelli là che ci hanno governato per vent’anni, e hanno anche il coraggio di venirci a dire che vogliono cambiare le cose. Perché non le avete cambiate quando stavate governando? Perché? Perché?
Abs.2 [[Ho chiesto in tutti questi mesi al CDX ditemi chi è il candidato alla presidenza del consiglio dei ministri [in Italia non esiste però un sistema con una candidatura a Presidente del consiglio dei ministri]. Era una domanda semplice. Mica ho chiesto ditemi il programma o le coperture economiche visto che promettevano anche la batteria di pentole in omaggio insieme al programma. Gli ho chiesto ditemi chi è il vostro candidato Premier. E loro rispondevano in tre: sono io, diceva Salvini. Sono io, diceva la Meloni. Berlusconi diceva: nessuno di tutti e due, ve lo presenterò, ma dopo le elezioni, perché io sono ineleggibile. Questa barzelletta non ci deve preoccupare tanto per la campagna elettorale, ma per quello che succederà dopo. Perché in ogni collegio il vostro voto può decidere se mandare al governo noi, o loro, che non sono stati nemmeno capaci di trovare un candidato premier in tre, figuriamoci se sono in grado di governare questo Paese. Passeranno il tempo a litigare fra di loro. E noi questo non lo possiamo permettere.]]
Il 4 marzo sarà un referendum tra due idee di Paese. Noi un referendum lo abbiamo già vinto e ve lo ricordate. È stato un Referendum che si pensava sarebbe finito con un testa a testa, e poi abbiamo avuto una bella sorpresa la sera delle elezioni [votazioni]. E avremo una bella sorpresa anche domenica sera, però dobbiamo impegnarci al massimo. Nelle prossime 24 ore nello spiegare alle persone che il loro voto fa la differenza. Io stasera prima di tutto vi voglio ringraziare tutti per una ragione. Negli ultimi due mesi e mezzo ho percorso 30.000 km in quello che abbiamo definito un rally. Abbiamo raggiunto quante più persone possibili, nelle peggiori condizioni anche metereologiche e vi assicuro che la cosa più emozionante di questi mesi è stato incontrare tutti quei portavoce che sono stati eletti e per cui io in questi cinque anni, da parlamentare, avevo fatto la campagna sui palchi. Li incontravo come degli eletti nelle istituzioni, li avevo visti la prima volta su un palco, quando erano candidati. Io ho sostenuto loro insieme ad Alessandro, a Paola, tutti quanti gli altri per cinque anni, e adesso io andavo lì e loro organizzavano a me gli eventi, per andare in Parlamento, una grande comunità, bellissima, di persone che si danno una mano a vicenda e si sostengono. E questa è la cosa più bella che ci possa essere. Non dobbiamo dimenicarlo mai perché è la nostra grande forza. Ma sono stati mesi in cui anche voi ci avete messo il cuore, circa 810.000 euro di donazioni in media di 43 euro a persona. Siamo una forza incredibile anche per questo: non prendiamo rimborsi elettorali, non prendiamo finanziamenti privati dalle grandi lobby, ci finanziamo con la gente che ci crede, e questo ci ha fatto diventare la prima forza politica del Paese [applausi].
Ed è per questo che voglio dirvi grazie. Grazie perché tutto questo esiste perché ognuno ha fatto la sua parte, lo ha fatto durante questa campagna, come lo ha fatto in questi cinque anni in cui il movimento non spariva il giorno dopo le elezioni.
Abs.3 [[Noi c’eravamo prima delle elezioni e c’eravamo anche il giorno dopo le elezioni. Rispetto a tutti gli altri che li vedevi due mesi prima, e non li vedevi più il giorno dopo. ]]
E se vi posso dire quale è la responsabilità che sento di più oggi come negli ultimi mesi, è di non deludere tutta questa aspettativa, tutta questa speranza. Noi non dobbiamo deludere i cittadini italiani perché ripongono in noi una fiducia immensa. Che ci deve onorare, ci deve far lusingare, ci deve far fare solo una cosa: da lunedì iniziare a fare tutto quello che abbiamo detto fino a questa sera. È questo l’unico grande obiettivo che ci dobbiamo dare.
Ora, voi sapete che io, ieri ho presentato la nostra squadra di governo. Abbiamo mantenuto anche quella promessa. Ve l’avevamo fatta nel 2014. Ve l’aveva fatta un signore che si chiamava Gianroberto Casaleggio [applausi]. Che insieme a Beppe Grillo hanno fondato questo movimento, che è stato dato per morto ogni sei mesi, negli ultimi cinque anni. Ogni sei mesi ci dicevano, state per morire, siete un fuoco di paglia. Ed oggi siamo qui con un consenso ancora maggiore rispetto al 2013. E se nel 2013 siamo entrati in Parlamento come opposizione, stasera inizia l’era del governo 5 stelle [applausi]. Siamo l’unica, l’unica [cori: presidente! Presidente!]
Oggi, pensateci un attimo, siamo l’unica forza politica del Paese ad aver presentato una squadra di governo prima delle elezioni, per una semplice ragione: noi non abbiamo poltrone da spartire il giorno dopo le elezioni. Noi, ci possiamo prendere la libertà di poter scegliere le persone giuste al posto giusto. Loro, invece, il giorno dopo le elezioni devono contrattare i posti tra liste, correnti e capibastone. E alla fine è così che ti ritrovi Alfano agli Esteri poi all’interno, la Lorenzin alla salute o la Boschi [fischi] ai rapporti col Parlamento [fischi].
Noi abbiamo scelto di fare un’altra cosa. Di mettere insieme i migliori. Che non sono i tecnici. Guardate che non è una questione di essere tecnicamente preparati. La conoscenza, è alla base per fare le cose, le politiche pubbliche. Quando, il professore Pasquale Tridico che è il nostro candidato a Ministro del Lavoro metterà mano al tema delle pensioni, per finalmente superare la legge Fornero, Pasquale Tridico non dovrà solo preoccuparsi di far quadrare i conti, lui si dovrà preoccupare della vita, della qualità della vita dei pensionati in Italia. Quello che non si sono mai chiesti la Fornero, e tutti quelli che sono venuti prima di lei. Noi abbiamo sempre chiesto a chi governa umanità. Quando fai la legge sui contratti sul lavoro, ti devi chiedere che fine facciano i giovani che hanno contratti precari a tal punto che il 33% dei contratti interinali dura un giorno in Italia, e hanno anche il coraggio di dire che aumenta l’occupazione giovanile [fischi].
Non sta aumentando l’occupazione giovanile, sono i giovani che se ne vanno all’estero, e escono dal calcolo della disoccupazione. E hanno anche il coraggio di vantarsene di questi dati. Noi non siamo venuti a dirvi, e non siamo un movimento che dice, aumenteremo di punto il PIL o aumenteremo di 2 punti l’occupazione. Noi abbiamo fatto venti punti per migliorare la qualità della vita degli italiani. Che significa una cosa molto semplice: realizzare un programma in modo tale da farvi svegliare la mattina e sentirvi dire: io non sto meglio perché me lo dice il TG, ma perché mio figlio è più felice, perché mia mamma è più felice, perché mio nonno è più felice [applausi].
La grande sfida è realizzare questo programma, per farvi percepire i miglioramenti. Non per somministrarveli con dei dati, che oggi non significano nulla e stanno scoraggiando tanti cittadini. Sapete quanti ragazzi mi scrivono e mi dicono: Luigi, magari sono io un incapace a non trovare lavoro, visto che il TG ogni giorno dice che la disoccupazione giovanile sta calando, vuoi vedere i tanti imprenditori che mi dicono, vuoi vedere che sono io incapace con la mia impresa? Perchè ora c’è la ripresa, sta andando alla grande. Poi vai a parlare con gli investitori internazionali a Londra e ti dicono, ma che ripresa? Voi state andando all’1,5 e siete gli ultimi in Europa dopo la Grecia. E anche se andate al doppio della velocità non riuscirete mai a raggiungere la Grecia e avete anche il coraggio di dire che state andando alla grande [ride]. È tutto una grande allucinazione.
Abs. 4 [[ Allora con noi il 4 marzo se vorrete finisce l’epoca delle poltrone, di quelli che lavorano per la gente dentro le istituzioni, e inizia l’epoca di una politica che lavora per le persone fuori dalle istituzioni, per i cittadini [applausi]. E non è che veniamo a dirvi ci pensiamo noi dateci il voto, non sono venuto a dirvi questo, io sono venuto a dirvi un’altra cosa: che se ci permetterete di andare al governo vi riconsegneremo le chiavi delle istituzioni e di questo Paese. Così che potete decidere in prima persona le politiche pubbliche che si devono adottare. Noi siamo nati per questo e non dobbiamo dimenticarlo mai. Vogliamo andare al governo prima di tutto per fare un po’ di trasparenza, ma soprattutto per attivare i meccanismi di democrazia diretta e partecipata che consentano a voi di decidere anche sul cosa e non solo sul chi debba ricoprire gli incarichi in questo Paese. È il vero grande obiettivo che abbiamo sempre avuto e per il quale oggi esistono strumenti di democrazia diretta come la piattaforma Rousseau.]] Abs.3
Oggi vi ho portato una cosa. Ieri vi ho presentato la squadra di governo. Oggi vi presento il nostro primo decreto legge del primo consiglio dei ministre del governo cinque stelle [questo prima delle elezioni, da sottolineare] [applausi].
Questo decreto potrà essere approvato dal consiglio dei ministri che ieri vi ho presentato, se domenica deciderete di dare la maggioranza al movimento cinque stelle. Vi dico di che si tratta. Un decreto in tre punti: 1) dimezziamo lo stipendio ai Parlamentari della repubblica [applausi ed ovazione]; 2) togliamo i vitalizi ai politici [applausi ed ovazioni]; 3) tagliamo 30 miliardi di sprechi e li rimettiamo in aiuti alle famiglie che fanno figli, a chi perde il lavoro e ai pensionati [applausi ed ovazione].
Ora queste sono... [il pubblico grida: onestà, onestà, onestà]. Queste sono nove pagine di decreto legge, bastano 20 minuti di Consiglio di ministro. Ma non potrete mai, mai, andare a votare domenica, pensando che ci ha creato questi privilegi e questi sprechi possa approvare un decreto del genere. Noi abbiamo la credibilità per approvare questi tagli, perché senza aspettare una legge li abbiamo già tagliati a noi [il pubblico grida: onestà, onestà, onestà].
Voi la sapete bene ma lo dobbiamo ricordare a tutte quelle persone che ci seguono. Questo non è solo un movimento dove i parlamentari, gli eletti, devono rinunciare ai privilegi, ma è un movimento dove si pensa che le regole siano sacre. E i cittadini italiani devono sapere che il Movimento 5 Stelle al governo, i furbi, li punisce e li espelle. Non li fa ministri [applausi]. Lo abbiamo dimostrato in tutti questi anni al nostro interno e lo dimostreremo anche andando al governo cominciando a premiare la meritocrazia e ieri quando ho deciso di presentare i nostri ministri sono andato a chiedere alle più grandi energie e risorse ed eccellenze di questo Paese [ma secondo chi?] che erano state emarginate dalla politica delle poltrone.
E quando sento dire – DiMaio ha candidato degli sconosciuti – sono sconosciuti alle segreterie di Partito, perché sono persone indipendenti intellettualmente e politicamente [applausi]. E non hanno mai detto “sissignore” ai leader dei partiti che hanno distrutto questo Paese. E sarà molto interessante sentir dire dopo le elezioni perché no a questi ministri.
Per esempio, il centrodestra mi deve spiegare perché no Andrea Lorentini al ministero dell’economia e delle finanze quando loro propongono Renato Brunetta [fischi]. Mi devono spiegare perché una persona che insegna alla Sant’Anna di Pisa, ha l’età di Macron, già scrive con i Nobel ed è nel top 10% degli economisti a livello mondiale, deve essere sostituito da Renato Brunetta. Mi devono spiegare perché [fischi].
La grande sfida che abbiamo lanciato ieri è mettere persone giuste al posto giusto. E poi sfidare tutti gli altri sul perché no. Non sul perché sì. E insieme a queste persone ci sarà un gruppo parlamentare del movimento 5 stelle che sarà almeno tre volte più grande di quello degli ultimi cinque anni. Un gruppo di persone che viene dal territorio, dai problemi dei cittadini, che conosce bene le questioni dell’Italia e delle varie regioni, e che rappresenterà una maggioranza di governo che vi renderà orgogliosi della politica italiana finalmente.
Ma tutto questo dipende da voi. I soldi ci sono. Ve lo abbiamo dimostrato bene in questi anni. Vi ricordate quando ho raccontato in questa campagna il fatto che quando sono diventato Vice-Presidente della Camera a 26 anni, alla camera dei deputati , nell’ufficio di Presidenza, scoprimmo che i parlamentari si facevano rimborsare addirittura le punture d’insetto, le insolazioni, le malattie tropicali, si rimborsavano per un milione di euro i viaggi agli ex-parlamentari, 30 milioni d’euro d’affitti d’oro. Quella roba non la state pagando più perché lì dentro ci entrato il Movimento 5 Stelle. Fino a quel momento tutti se ne sono nutriti. Oggi vi parlo di 30 milioni. Domani possiamo approvare 30 miliardi con questo decreto. E recuperare risorse da investire nelle cose giuste.
Siamo l’ultimo paese che fa figli in Europa. Tutti parlano della crescita economica. Parliamo della crescita demografica. Perché se continuiamo così saremo il terzo paese più anziano del mondo nel 2050. Crescita demografica significa che quando mi nasce un figlio devo sapere che lo Stato è dalla mia parte. Ma che significa che lo Stato è dalla mia parte quando mi nasce un figlio? Significa che come in Francia, che è il primo Paese che fa figli in Europa, lo Stato mi deve dare una mano con mio figlio pagando l’asilo nido, il babysitter, i pannolini, un assegno d’istruzione, una corsia preferenziale con la pubblica amministrazione. C’è una bella differenza tra il welfare familiare francese e il nostro. E poi hanno anche il coraggio di dirci che non facciamo figli. Hanno anche il coraggio di dire che non ci facciamo una famiglia. Con un contratto precario alla settimana, con un costo dei bambini, quando nascono, che è tutto a carico delle famiglie. Con una precarietà lavorativa e una pensione che non ti permette neanche di arrivare a fine mese, hanno anche il coraggio di dire che la colpa in Italia è degli italiani se non si fanno figli. Io penso semplicemente che sia una deduzione logica, se lo Stato è contro di me io non ho fiducia nel futuro. È per questo che il 4 marzo possiamo pensare finalmente di creare uno Stato dalla nostra parte. Che stia con noi nei momenti più difficili della nostra vita.
Abs.5 [[Voglio leggervi una lettera. Una lettera che parla della mia generazione, tutte quelle persone che sono nate tra la metà degli anni ’70 e la fine degli anni ’90, quelli che oggi hanno grossomodo tra i 20 e i 40 anni, ed è indirizzata a tutti quelli che ci guardano perchè noi siamo il futuro del Paese, ma che ancora non si fidano del tutto di noi. Noi siamo stati chiamati in tanti modi. Generazione y, millennials, tanti nomi perchè in fondo chi ci guardava da fuori non ci ha mai capito. La realtà è che siamo la generazione del “nonostante tutto”.]]
Perché noi siamo quelli che nonostante tutto ce la stanno facendo. All’inizio sembrava tutto perfetto. I nostri genitori avevano un lavoro e il futuro sembrava assicurato. Poi mentre crescevamo tutto è cambiato all’improvviso e lì per lì non ce ne accorgemmo. Il muro di Berlino che cadeva in diretta Tv. Tangentopoli e Mani Pulite. Il rumore del modem 56k che si diffondeva in casa. L’11 settembre del 2001. Un ordine che era lo stesso da 50 anni si stava sgretolando.
Poi siamo cresciuti e abbiamo fatto l’università perchè ci avevano raccontato che bastava prendere una laurea per avere un posto fisso, guadagnare dei soldi, fare un mutuo e mettere su famiglia. Invece non è stato così. Ci siamo trovati ad affrontare un mondo che non eravamo stati preparati ad affrontare. Non è stato facile, anche perchè mentre ci attrezzavamo per prendergli le misure dovevamo sorbirci pure quelli che ci dicevano che era colpa nostra se non riuscivamo ad avere successo, se non compravamo la casa, se non ci sposavamo. Ci davano dei bamboccioni.
Non ci siamo abbattuti. Ci siamo evoluti. Abbiamo cambiato mentalità. Ci avevano detto che dovevamo seguire dei binari prestabiliti, ma poi ci siamo accorti che era un binario morto. E allora abbiamo spiccato il volo. Abbiamo mollato i vecchi metodi e abbiamo cominciato a cercare nuove informazioni su internet e le abbiamo trovate. Abbiamo fatto i camerieri per pagarci gli studi. Abbiamo speso un sacco di soldi in affitto, mezzi pubblici e cellulari. Ci siamo inventati nuove professioni. Abbiamo creato startup. Abbiamo fallito innumerevoli volte. Abbiamo viaggiato come mai nessuna generazione prima di noi. Abbiamo imparato le lingue. Siamo andati all’estero a fare esperienza perchè qui le porte erano aperte solo per ai figli di o per quelli che avevano il doppio dei nostri anni e non avevano nessuna intenzione di mollare il loro posto.
Abs. 6 [[Il mondo è cambiato e allora noi siamo cambiati assieme al mondo, adattandoci ai nuovi contesti. E ora siamo diventati grandi. E vogliamo rivendicare il diritto a guidare il cambiamento di cui il Paese ha bisogno. Perchè il mondo è cambiato, noi siamo cambiati, ma l’Italia è sempre la stessa. Quelli che comandano, quelli che si candidano a governare sono sempre gli stessi da 20 anni. La mobilità sociale non esiste, i più ricchi di oggi sono gli stessi del secolo scorso. E questo succede solo in Italia. Questo Paese non cambia e non si adatta al mondo perchè chi comanda non vuole cambiare e ci sta portando sempre più giù tutto il Paese. Per una evoluzione della specie devono cedere il passo. Non è una minaccia, è una legge biologica: è la storia a dircelo.]]
Noi abbiamo il dovere di cambiare questo Paese, abbiamo la responsabilità di dotarlo delle nostre competenze per farlo entrare dalla porta principale nel mondo che è cambiato. Perché così com’è non si va da nessuna parte. Chiedete a un burocrate di scrivere una poesia. Non ci riuscirà mai.
Il mondo di oggi è caratterizzato dall’incertezza, ma quello che rovina è l’assenza di solidarietà. L’orologio dell’apocalisse, non so se lo sapete, ma oggi segna 2 minuti. Vuol dire che ci vogliono 2 minuti per distruggere tutto il mondo. Noi viviamo in quest’epoca di precarietà estrema. Ci siamo adattati, sappiamo cavalcare questa tigre e vogliamo farlo con due obiettivi fondamentali: la massima qualità della vita e il massimo senso della comunità. Vogliamo un lavoro, vogliamo una famiglia, vogliamo una casa. Ma con il sistema che c’è adesso non lo avremo mai bisogna cambiare e adattare al mondo che è cambiato tutti quanti noi. Noi sappiamo come farlo e la nostra parola d’ordine è una sola: solidarietà. Io ricordo una famiglia giovane una coppia con una bambina che ha una malattia rara. Li ho incontrati mesi fa in un paese in Lombardia. Per andare a lavoro usavano ogni giorno un ponte sul Pò. Un ponte che una classe politica indegna non si è mai curata di fare manutenzione. Quel ponte è stato chiuso ed ha peggiorato la vita di decine di migliai di persone. Devono fare i salti mortali per recarsi al lavoro per andare a prendere la bambina hanno costruito una rete di solidarietà tra amici e familiari. Perché è questo che succede in Paese in cui è lo Stato a non essere mai stato solidale. Questo lo vogliamo e lo dobbiamo cambiare. Abbiamo lo spirito degli imprenditori, dei commercianti, dei grandi invetori. Siamo l’Italia degli Olivetti, di Marco Polo e degli Enrico Fermi. Sappiamo che il mondo non è stabile, ma è ricco d’opportunità che possono essere colte. Guardare al futuro non ci spaventa ma ci esalta. Gli altri guardano al futuro e vedono il buio, noi stiamo vedendo la luce da anni. Siamo noi che dobbiamo aprire l’Italia al mondo. Dimenticheremo la retorica della crescita dello zero virgola, la stabilità del più zero virgola, che è una truffa: è una media tra lo 0.1 ricchissimo che diventa sempre più oscenamente ricco senza prendersi cura del 99% che resta, che è fuori da tutte le politiche pubbliche del Paese [applausi] e diventa ancora più povero. Io dico che dobbiamo dire basta ai tagli, alle politiche di austerità che ci hanno distrutto la vita. Dobbiamo rovesciare il paradigma. Noi vogliamo crescere, vogliamo raddoppiare, triplicare, decuplicare, giungere a livelli mai visti prima, non solo nei parametri economici ma nella qualità della nostra vita. Dicono che non lo possiamo fare, ma siamo noi a fissare l’asticella dove vogliamo. L’indicatore non sarà più il PIL, che ormai non è preso più in considerazione nemmeno dagli economisti, ma solo dai vecchi politici che lo usano per giustificare i loro fallimenti.
Per loro se il PIL sale dobbiamo essere tutti felici. Questo è il loro ragionamento. Io questo pensiero non capisco questo pensiero, e non lo voglio capire. Lo voglio ribaltare. Vogliamo prendere come indicatore la felicità e la qualità della vita. La politica economica che per noi è naturale è quella espansiva, che non significa solo mettere soldi pubblici nell’economia, ma è un modo per rischiare e iniziare finalmente a scommettere sul futuro. Sul nostro futuro. In questi mesi io ho girato tutta l’Italia, in un pulmino, da Nord a Sud. Ho incontrato tantissime persone, studenti, imprenditori, giovani che ce l’hanno fatta, nonostante tutto. Sono persone che mi hanno guardato negli occhi e mi hanno detto che non vogliono demordere, per niente al mondo!
Pretendiamo un ricambio veloce e vogliamo che sia mantenuto costante. La flessibilità deve essere massima per chi prende le decisioni. Io ho il diritto di sapere cosa fa chi ha un incarico. Trasparenza. Se uno non è in grado se ne va. Competenza. Se uno è bravo va avanti. Meritocrazia! Questo è quello che pretendiamo da uno Stato onesto.
Noi vogliamo volare, ma con la tranquillità di sapere che puoi osare perché c’è lo Stato che ti protegge se cadi. Mai più soli e sempre liberi di volare e rischiare. Uno Stato solidale, ma liberale. Uno Stato a misura di chi vuole il massimo di vita. Di chi è disposto a rischiare per dare il massimo alla sua famiglia. Perché sappiamo bene e lo abbiamo vissuto sulla nostra pelle quando siamo andati all’estero, quando abbiamo fatto i camerieri per pagarci gli studi, quando siamo stati accolti da una università straniera perché in Italia non trovavamo spazio, quando ci siamo inventati un lavoro, quando abbiamo fatto una startup, quando abbiamo portato all’estero un’idea perché qui non era possibile realizzarla, quando abbiamo aperto la partita iva, che se non rischi non vai da nessuna parte. L’apatia vogliamo combatterla con l’entusiasmo. L’immobilità l’annienteremo con il dinamismo. La precarietà sarà vinta dalla solidarietà.
Abs. 7 [[Non vogliamo più sentire promesse di falsa stabilità]]
da elettrocardiogramma piatto, non vogliamo più sentirci dire che andrà tutto bene ma fa come ti dico io. Adesso le promesse vogliamo farle noi perché sappiamo che possiamo mantenerle.
Abs.8 [[Non vi possiamo promettere che andrà tutto bene, anzi ve lo assicuriamo che non sarà tutto rose e fiori. Il nostro sforzo sarà per ottenere il massimo possibile, per consentire a tutti di avere il massimo di quello che questo Paese offre a ognuno.]]
Abs. 9 [[Ci saranno dei momenti belli e dei momenti difficili. Ma vi prometto che nessuno sarà lasciato solo dallo Stato [applausi].]]
Noi siamo quello che nonostante tutto ce la stanno facendo. Se tutti partecipiamo e scegliamo, allora davvero cambiamo l’Italia [applausi].
Dauerte 1 Stunde, 3 Minuten und 30 Sekunden.
Vgl. Link: https://www.youtube.com/watch?v=Eamtzt5xnvg
3) Analysedokument Nummer 3: Rede von Matteo Salvini bei der Pressekonfernz: Logo-Vorstellung und “lancio della campagna elettorale”
Approfitto per fare gli auguri di buon natale a tutti i vostri lettori, telespettarori, ascoltatori. Da oggi inizia un percorso che dal nostro punto di vista porterà la Lega a superare il 20% ed essere il primo movimento del centro-destra che vincerà l’elezione e che avrà un candidato Premier che per serietà abbiamo messo nel simbolo. Chi ci vota sa per chi scegliere.
Abs.1 [[È una Lega che cresce e che unisce. Questa è la nostra scelta. Offrire il buon governo, la concretezza, la serietà e l’esperienza amministrativa ventennale della Lega non più a una parte di Paese, ma a 60 milioni d’italiani.]]
Siamo al nostro massimo storico pur con tutta la diffidenza che io nutra per i sondaggi, però non ci basta eleggere tanti parlamentari vogliamo essere il punto di riferimento che governerà questo paese per i prossimi dieci anni.
Abs. 2 [[Dietro al simbolo c’è un percorso culturale che abbiamo iniziato tre anni fa che è stato riconfermato dal congresso di maggio, che è stato riconfermato dal consiglio federale di oggi, la sostanza, e sono orgoglioso di presentarlo come primi in Italia, è il programma di governo della Lega]]
che è questo [mostra il documento] e che per correttezza presenteremo per la sottoscrizione agli alleati ovviamente, che spiega quale è la riforma delle pensioni, quale è il salario minimo, quale è la politica per l’ambiente, che parla di rapporti con l’Islam, di permesso di soggiorno a punti, di un ruolo di protagonista del governo Salvini e dell’Italia nell’Unione Europa, quindi, noi siamo pronti. Sottoporremo agli alleati per la firma e la condivisione il nostro progetto d’Italia e il nostro programma di governo. Ovviamente siamo ben disponibili a raccogliere suggerimenti, indicazioni, proposte aggiuntive, con oggi si parte. Abbiamo chiuso e chiuderemo il 2017 col massimo storico d’iscritti e sostenitori, della lega non solo nelle regioni del nord, ma in tutta Italia. Avremo candidate e candidati della Lega in tutt’Italia. E anche all’estero. Ci sono 5 milioni di italiani residenti all’estero che avranno il nostro programma e il nostro simbolo a loro disposizione, in tutti i Paese esteri dove risiedono. Un pensiero particolare mentre qualcuno si occupa di Ius Soli per chi la cittadinanza non ha, mi rivolgo a quei centocinquanta mila con passaporto italiano che cercano di sopravvivere in Venezuela. A una forma di dittatura infame che fa mancare il minimo vitale dal punto di vista medico, sanitario ed economico, a cui porremo particolare attenzione perché sono 150 mila cittadini italiani dimenticati dal governo italiano in un Paese lontano. Quindi questo è l’obiettivo: una Lega che cresce, che offre la sua proposta in quella Bari in cui più di 1000 persone sono venute ad ascoltarmi lunedì, in quella Cagliari che erano 1200 e quindi l’ambizione è quello di offrire quello che abbiamo dal punto di vista del buon governo, dell’onestà e della concretezza, in più di 1000 comuni da parecchi anni, di offrirlo a 60 milioni di italiani. Non parlerò e non mi sto occupando di questioni più piccole e marginali come quarte gambe,quinte gambe, seste gambe, perché noi pensiamo a una coalizione pulita, concreta, seria e coerente. Serietà e coerenza impediscono che chi ha governato male per anni con il centrosinistra possa governare con Salvini Premier. Però ripeto, sono fatti talmente marginali, che non comportano nemmeno particolari riflessioni. Noi siamo pronti. Ci siamo. Al programma abbiamo lavorato in silenzio e ci sono alcune proposte assolutamente innovative e rivoluzionarie di cui avremo modo di parlare nei prossimi giorni. Facciamo una campagna elettorale partendo senza una lira in tasca. Questo in molti lo danno per scontato. Io lo ricordo. Siamo l’unico movimento politico occidentale che ha avuto i conti bloccati, sequestrati, prosciugati senza nessuna sentenza di condanna in via definitiva. Vorrà dire che sarà ancora più bello arrivare alla Presidenza del consiglio nonostante alcuni poteri forti non ci amino. E la riforma della giustizia, non solo penale, ma anche civile e tributaria, per 60 milioni di cittadini italiani e tutti coloro che vorrebbero fare impresa in maniera normalmente in Italia sarebbe una delle parti fondanti del nostro progetto di governo del Paese. Questo è. Ho letto nelle scorse settimane le più varie ed eventuali su simboli, nomi e cognomi, chi va e chi viene, penso che il marchio Lega sia riconosciuto e apprezzato da alcuni milioni di italiani, e quindi con oggi si parte. Con i pochi mezzi che abbiamo a disposizione, ma con un enorme entusiasmo e una presenza sul territorio, noi chiudiamo quest’anno con più di 1500 sedi animate, pagate, gestite e aperte da volontari su tutto il territorio nazionale che di questi tempi penso sia un unicum a livello continentale. Questo è il simbolo [mostra il simbolo su stampa A4] pulito, chiaro, lineare, orgoglioso della nostra storia, ma rivolto al futuro e con questo chiediamo la fiducia di 60 milioni di italiani per fare al governo quello che altri non sono mai riusciti a fare.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=AEhBat2lycU
4) Analysedokument Nummer 4: Schlußerede von Matteo Salvini in Rom, 3.3.2018 – “Buon senso è prima gli italiani”.
“Innanzitutto grazie.
[[E questa è Roma e non quei quattro delinguenti dei centri sociali che vanno in giro. ]] Tab.3 Punkt. 1
[[Questa è Roma che non è la Roma a una stella di un sindaco che abbiamo il dovere di mandare a casa perché sta combinando solo disastri. Per strada facciamo lo slalom tra le buche, sui marciapiedi tra la monnezza.]] Tab.3 Punkt. 2
Non è esattamente la capitale che voglio restituire a chi viene in questo paese. Innanzitutto grazie. Sapete come si fa a capire che vinciamo? Dal fatto che ci sono giornalisti che arrivano dal Giappone, dalla Francia, dalla Germania che han capito che qua si sta vincendo si sta facendo la storia. Si sono svegliati. [Applausi] [perché hanno paura! Gridano dalla folla].
[[Noi vinceremo nonostante il vergognoso silenzio di gran parte dei giornali, delle radio, delle televisioni italiane. Con giornalisti pubblici o privati che cancellano le idee. Che hanno provato a cancellare una piazza stupenda come la piazza di Milano sabato scorso con 50.000 persone educate e per bene, ma fortunatamente siamo nell’epoca in cui c’è la rete, in cui la gente si confronta, in cui ci sono i social network e quello che hanno cancellato i telegiornali della RAI, delle televisioni, è stato visto in rete da 10 milioni di italiani [dati non provati]. E quindi noi vinceremo anche alla faccia di quei giornalisti servi che sono lì per rispondere ai loro padroni.]] Tab3. Punkt 3
Il bello è che noi non abbiamo padroni voi non avete padroni. Qualcuno vi ha costretto a venire qua? Vi han pagato per venire qua? No. Io ho debiti nei confronti di qualuno? Ecco, è questo che per loro è un problema. Sono un uomo libero. Siete uomini liberi. Facciamo solo quello che è l’interesse del paese.
Un giornalista entrando m’ha chiesto: però in Europa chiedono garanzie su di voi. Io dico, che è vero l’esatto contrario. Saranno gli italiani a dover essere tutelati da un’Unione Europea che ci ha massacrato indegnamente per anni [applausi] senza che nessuno al governo facesse o dicesse niente. Quindi semmai saremo noi.
[[C’è un partito che si chiama +Europa. +Europa? Come se sei è un tossico e dicessi più eroina. Vabbhé, +Europa. Chi sceglie la Lega sceglie un’altra cosa. Più Italia, non più Europa. Serve più Italia. Serve difendere l’interesse nazionale.]] Tab.3 Punkt 4
Prima di venire qua ho fatto una conferenza stampa con tutta la squadra. Con tutta la coalizione, ovviamente, non si vince da soli si vince di squadra, c’è un programma comune, vedremo di mantenere uno per uno tutti gli impegni presi, ovviamente, la Lega è la Lega. Chi sceglie la chiarezza, chi sceglie il coraggio, domenica può scegliere un simbolo [Salvini! Gridado in sala] [Applausi, risate].
Io vi devo dire, poi non faccio un comizio, qua essendo magari usciti prima dall’ufficio, dallo studio, poi stasera si va a casa, ci sono mariti, mogli, figli, suocere che aspettano – le suocere possono aspettare, gli altri no – e quindi non voglio fare un comizio. Voglio fare una chiacchierata di pochi minuti in cui vi voglio dire che per me è stata un’esperienza stupenda. Oggi facevo i conti. Qualcuno ha fatto la campagna elettorale o stando davanti alla televisine o dietro un computere. Io ho fatto 300 comizi in tutta Italia. Abbiamo fatto 15.000 km, siamo andati anche in piccoli paesi dove non vedevano un esponente politico da 10 anni. Ho stretto una marea di mani. E ho ascoltato tante storie di vita. Che poi sono il programma della vita vera, dell’Italia vera.
[[È una campagna surreale perché altri è un mese che si dedicano alle manifestazioni antifasciste. Fanno le manifestazioni antifasciste ma non trovano i fascisti. Fanno le manifestazioni antirazziste, ma non trovano i razzisti. Adesso mi aspetto che settimana prossima, dopo che avremo vinto, fanno una grande manifestazione contro l’invasione degli alieni perché alla fantasia della sinistra non c’è limite.]] Tab.3. Punkt 5
Hanno cercato di parlare di passato, Renzi, La Boldrini, Minniti, Gentiloni, ecco uno mi è mancato in questa campagna elettorale lo confesso. Ho nostalgia di Alfano. Non so dove è Alfano [risate]. Ma se uno passa tutto il tempo a processare il passato, a parlare del passato, perché lo fa? Perché non ha nemmeno mezza idea per il futuro. A me la gente non chiede: mi raccomando i fascisti, i comunisti, i razzisti, i venusiani, i vegani. No mi chiede più lavoro, il lavoro è la vera emergenza dei questo paese, il lavoro! Per creare lavoro, non lo fai per legge. L’unico modo è ridurre le tasse a chi dà lavoro. E far pagare meno tasse alle aziende e alle imprese che possono assumere le persone quindi ridurre le tasse è un dovere. Non è un diritto. Ricordo, siccome poi arrivano tutti a dire, si è una mia proposta, che l’unica proposta di legge presentata in Parlamento sulla Flat Tax è della Lega, di tre anni fa. Poi se molti altri se ne sono accorti meglio tardi che mai. Ridurre le tasse – prima ho fatto una conferenza stampa seduto di fianco c’era Berlusconi,
Abs.1 [[la prima legge che ormai lo sento come un dovere morale, ancora prima che politico, una missione umana, come giustizia sociale, che vincendo le elezioni vado a cancellare, è la legge Fornero che sta rovinando milioni di italiani. Non solo sta rovinando i cinquantenni, ma sta anche rubando il lavoro ai ventenni. Quindi riaprire le porte del mondo del lavoro, lasciar lavorare chi vuol lavorare, quindi cancellando spesometri, creditrometri, studi di settore, fatture emesse, incassate, elettroniche, incasso iva, anticipo, posticipo, lasciar lavorare la gente che vuole lavorare. Una parola però ve la do: al governo, ne faremo sbarcare di meno e ne espelleremo di più [applausi]. Molto semplicemente ne faremo sbarcare di meno e ne espelleremo di più.]]
Io sto girando i quartieri di Roma, sono stato a Tor Bella Monaca, ad incontrare le mamme i cui bimbi fanno gli slaloom fra le siringhe, e alla fine del giro, al di là dei problemi di spaccio, occupazioni abusive, gli zingari, e tutto quel che volete voi, arriviamo alla fine, ed è per questo che abbiamo scelto come missione “prima gli italiani”, finiamo tutto questo giro e c’è una fiat punto vecchia, con le gomme a terra, coperta da coperte e cartoni, bussi al finistrino, apri, e ci stanno dormendo da ottobre due italiani di cinquantanni. Due italiani di cinquantanni con un cagnolino – ottobre, novembre, dicembre, gennaio, febbraio. Quest’anno sembra faccia anche un po’ freddino: donna, uomo, cagnolino, pomodori, scatolette di piselli sul cruscotto, che è il loro angolo cottura. E poi mi dicono, eh siete razzisti, dovete accogliere. Io voglio dare un tetto a quegli italiani. Non possono esserci a Roma degli italiani in macchina e gli immigrati in albergo a non fare un accidente dalla mattina alla sera. Questa non è generosità questo è razzismo! [applausi]
Lunedì comincia un percorso di normalità. Normalità vuol dire: che a casa mia, nel mio negozio, nella mia farmacia, nel mio taxi, la legittima difesa è sempre e comunque legittima difesa [applausi]. Questo accade in un paese normale. Non ho detto una cosa eccezionale. Ho detto una cosa quasi banale. Come quasi banale è garantire a quasi 4 milioni di italiani gli stessi diritti che hanno altri. Ed io sarò felice di andare al governo e fare una scelta che nessuno ha mai fatto nella storia della Repubblica e nel governo Salvini ci sarà un ministro che si occuperà solo dei diritti dei disabili. Si occupa solo di restituire diritti e dignità ai 4 milioni di disabili che faticano ad arrivare a fine mese.
Abbiamo lanciato su FB questa roba del “Vinci Salvini”, cosa vince chi partecipa, altri magari mettono un posto di lavoro a Monte dei Paschi o Banca Etruria, noi non li abbiamo, abbiamo detto vince una telefonata con Salvini, uno dice: cazzo, che gran vincita. Però, ho parlato con tante persone, che hanno portato la loro esperienza di vita: dal vigile del fuoco alla mamma, al ragazzo di 14 anni. Stamattina prima di prendere l’aereo per venire a Roma ho parlato con questa ragazza di Foligno, ci sono stato anche una ventina di minuti, che fa l’insegnante di sostegno. Fa la maestra di sostegno e segue per 12 ore alla settimana due gioielli, mi ha detto, una bambina non vedente e un bimbo autistico di 8 anni, in terza elementare. Una cosa bellissima, la cosa più difficile del mondo. Ma sai cosa è Matteo, che quando finiscono le elementari rischiano di perdere tutto e di ricominciare da capo. Perché rischiano di girare ufficio per ufficio, il diritto allo studio, il diritto al lavoro, le barriere architettoniche, le medicine,
[[io nel mio Paese voglio applicare quello che un Matteo molto più importante di me, che non è il bugiardo fiorentino, ma chi ha scritto qualche cosa di importante: gli ultimi saranno i primi.]] Tab.3 Punkt 6
Non esistono gli italiani ultimi nel paese che ho in testa. Tutti devono avere le stesse opportunità. Soprattutto chi parte un pochino più svantaggiato. Chi parte un pochino più indietro. Le idee le ho totalmente chiare. Non vedo l’ora di smentire tutti quelli che non votandoci dicono: si è vero questi vincono, poi tanto non riescono a fare quel che si sono impegnati a fare. Il bello sarà concretizzare, mattoncino per mattoncino, come faccio quando gioco coi miei figli al Lego, arriva la casa. La casa la costruisci. Vedo l’Italia come una casa distrutta. Anzi, vogliono far sentire noi in colpa, come se l’avessimo noi distrutta questa casa e invece
[[c’è qualcuno a Bruxelles che ha deciso che la casa Italia andava distrutta e c’è qualcuno, dei servi, al governo in Italia, che hanno permesso che questa casa venisse distrutta [applausi].]] Tab.3 Punkt 7
Avete presente no cosa ci dicono? Ci hanno messo in tasca una moneta tedesca, ci hanno dato regole tedesche, ci hanno riempito di immigrati, e poi se l’artigiano non riesce più a vendere il commerciante ha chiuso,e il disoccupato il lavoro non lo trova, ci dicono pure in televisione, ma è colpa tua. Perché non hai fatto i compiti a casa. Non sei come i tedeschi. Ma come? Fino a vent’anni fa gli italiani erano i primi al mondo. Avevamo meno disoccupati noi dei tedeschi, e adesso improvvisamente in vent’anni gli italiani si sono rimbambiti.
[[Semplicemente ci hanno messo delle regole, scelte da altri, che complici gli italiani, uno su tutti, che ancora ha il coraggio di parlare di dichiarare per chi voterà è Prodi, Romano Prodi [fischi, applausi]. Poi c’è quell’altro. Che avete avuto come sindaco che ha detto: vado in Africa a scrivere libri. Ma perché non è rimasto in Africa a scriver libri?]] Tab.3 Punkt 8
Abbiamo idee chiare. Siamo uomini liberi. Non dipendiamo da nessuno. Non siamo agli ordini di nessuno. Non abbiamo preso soldi o avuti favori da nessuno e ne sono ben contento. E metteremo davanti a tutto e a tutti gli interessi del nostro Paese. E questo significa che gli italiani dovranno poter mangiare i frutti che ci dà la nostra terra. Sono stufo di dover bere l’olio tunisino, mangiare le arance marocchine, il grano canadese, la carne brasiliana, il riso cambogiano.
“con le regole europee che gli hanno messo è più facile fare lo spacciatore che il pescatore. Quindi gli ho detto: dammi una cassetta di pesce. Entro in studio da Vespa e gli piazzo questa cassetta di pesce fresco. E lui mi guarda come un matto: no, dico, siccome l’uomo è ciò che mangia. Io non voglio che i miei figli mangiando schifezze diventino come Renzi. Voglio che i miei figli mangino i prodotti della nostra terra, i pesci del nostro mare. Perché è salute e perché è lavoro. Sono 1 milione e mezzo di posti di lavoro l’agricoltura italiana.”
Ieri abbiamo fatto una conferenza stampa per presentare le idee della Lega sul tema cultura, musei. A Roma c’è qualcosina di bello. C’è qualche monumento, c’è qualche piazza, qualche fontana, c’è qualche chiesa, qualche quadro, c’è qualche palazzo. Secondo voi sono manutenuti e sfruttati adeguatamente? Non mi sembra. Ovviamente sui giornali di oggi, proposte della Lega, la defiscalizzazione degli sponsor privati, la gratuità dei 200 musei statali come avviene in UK e negli Stati Uniti per incrementare il turismo e quando parlo di turismo parlo dei turisti che pagano e non quelli che paghiamo per stare in albergo. Turisti che vengono a portare valore aggiunto a Roma. Voi avete letto mezza riga sul giornale oggi? No, figurati. La Lega che parla di cultura? Hanno provato a metterci nell’angolino: non ci sono riusciti. Stanno provando a fermare il fiume in piena con le mani. E ma non riesci a fermare l’acqua che scende da monte a valle con le mani: io vedo questo, orgoglio e speranza.
[[Una lega che ha scelto di unire, nel nome dell’autonomia e del federalismo. Meno scelgono lo Stato centrale e l’Unione Europea, meglio si sta a Roma, a Torino e a Lamezia Terme. L’Italia è composta da 8000 comunità, 8000 santi patroni, 8000 lingue, profumi, teatri e cucine. Ed è quello che vogliono cancellare e ci invidiano. Perché in Germania che c’hai? Il Wurstel. Il Crauto. Noi siamo delle comunità diverse, ma che insieme nessuno può fermare. E quindi stanno cercando di azzerarci.]] Tab.3 Punkt 9
Cancellare le lingue, le culture, far finta che siamo tutti uguali, mangiare tutti lo stesso panino da McDonalds, andare tutti allo stesso centro commerciale, guardare tutti lo stesso programma alla televisione, ascoltare tutti la stessa musica, in una parola: rincoglionirsi. Diventare dei numeri. Non più uomini o donne, ma numeri da consumare con contratti di lavoro a tempo determinato rinnovabili di sei mesi in sei mesi. Rinnovabili sotto ricatto di sei mesi in sei mesi [applausi]. E quando la multinazionale fa click ne licenzia 500 in un botto. Dalla mattina alla sera ti scrivono e ti dicono: sai cosa c’è, tra un mese sei a casa. Perché sei un numero. Perché mi conviene di più andare in slovacchia, andare in Polonia, andare in Romania, andare in Bulgaria. Legge che sarà operativa col governo Salvini: le grandi aziende che hanno preso denaro pubblico per legge non possono licenziare operai in Italia e assumerli in un altro paese [applausi] hai preso soldi italiani, fai lavorare degli italiani.
Al governo abbiamo dei complici. Almeno spero siano stati pagati bene. Che non sia solo incapacità o imbecillità. Spero siano stati pagati. Per svendere il meglio delle aziende italiane.
Non vedo l’ora che mi mandiate a lavorare al governo. Non vedo l’ora che arrivi lunedì.
C’è un popolo che il 4 marzo non vota. Non vota perché fanno tutti schifo, perché sono tutti uguali, perché tanto non ce la fanno, perché tanto mi fregano, perché sono tutti ladri, quindi per punirli non voto. Fenomeno: se non voti e ti lamenti perché a Tor Bella Monaca fa schifo, perché la Magliana, perché il campo Rom, perché mio figlio ha mandato 30.000 cv e nessuno gli risponde, se la tua reazione a qualche cosa che non funziona è starsene a casa, non è che il tuo non voto punisca i politici ladri, chi non vota punisce se stesso. Anzi i politici ladri sono ben contenti. Se le persone per bene non votano. Vi chiedo quindi di parlare alla testa, ma soprattutto al cuore, di chi domani trovate in ufficio e ti chiederà: dove eri ieri sera. Ma sono andato lì, all’EUR a sentire Salvini. Ci sono diverse categorie: quello di sinistra irrecuperabile, ci sono, per carità di Dio, lo dico antropologicamente – mio nonno votava a sinistra, mio padre votava a sinistra, io voto a sinistra perché c’è il rischio del ritorno a fascismo e del razzismo – gli date una carezza, gli fate un sorriso e fate a meno di parlare. Li è mission impossibile [applausi]. Attenzione però. Sono andato a fare un incontro con 300 operai fuori dalle acciaierie di Piombino – classico esempio dove la multinazionale x rischia di schiacciare un bottone e un patrimonio industriale ed operaio dell’Italia rischia di chiudere – e c’erano tanti operai, ne ho sentiti parecchi, che sono venuti alla fine del discorso ed io me li porto dietro questo accento toscano: mio nonno votava a sinistra, mio padre votava a sinistra, io ho votato sempre a sinistra, ma nelle fabbriche ci ho visto solo te. E quindi questo giro voto per te [applausi].
A Torino ne ho trovati tanti di operai, artigiani, commercianti, tre avvocati che mi han detto noi l’anno scorso abbiamo provato a fare la rivoluzione votando i 5 stelle. Per carità di Dio. E quindi ci provo. Io voto te. Poi c’è gente che ti dice: io non votavo da 20 anni. Non so più nemmeno dove ho la tessera elettorale. Non guardo i programmi televisivi, mi facevate tutti schifo. Anche lei mi faceva un po’ schifo. Poi ho inziato ad ascoltarla, a seguirla e mi si è aperto un mondo: dite cose di buon senso. Non dite cose eccezionali. Mi garantite un Paese normale. Quindi dopo ventanni io rimetto piede in cambina elettorale e ti voto. Attenzione: se mi freghi ti vengo a prendere a casa. Ed è giusto. È giusto è un contratto. Non è un assegno in bianco. Deve essere così. Abbiamo preso degli impegni con gli italiani? Non voglio fare il Renzi qualsiasi. Tanto che adesso non lo vota più nemmeno sua moglie probabilmente. Io voglio andare in giro a testa alta. Rischia di essere l’ultima volta in cui possiamo scegliere. Perché a questo giro gli abbiamo bloccato alcune leggi folli. Ma se per caso non si vince. Questi nei prossimi cinque anni si inventano lo Ius Soli, regalano case, lavoro e diritto di voto a qualche milione di immigrati e buona notte [applausi] e sono gli italiani ad essere profughi in Italia.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=S9NAbSh6W9E
5) Analysedokument Nummer 5: Die erste FB-Session von Matteo Salvini als Innenminister, Rom
Abs. 1 [[Buongiorno, buon appetito. Buon qualsiasi cosa stiate facendo. Ci tenevo a parlare direttamente con voi. Prima di farlo con giornalisti, radio, televisioni facendo comunicati stampa. Direttamente dal mio ufficio, per la prima volta, da ministro dell’interno perché sono veramente arrabbiato, sorrido, come dice la mia mamma, porto pazienza ma sono arrabbiato perché di essere preso in giro, non come ministro, ma come italiano, sono stufo.]]
Abs. 2 [[C’è una ONG, questa LifeLine – una nave fantasma, perché hanno staccato i radar – battente bandiera olandese, con equipaggio straniero, tedesco, olandese e via dicendo, che contravvenendo a tutte le regole e tutte le leggi ha caricato a forza 224 clandestini che erano su dei gommoni in acqua di competenza libica.]]
[[La guardia costiera italiana ha scritto a questa ONG – non muovetvi, ci pensano le autorità libiche. La guardia costiera libica ha detto a questa ONG – non muovetevi ci pensiamo noi. Cosa hanno fatto questi disgraziati? Anche mettendo a rischio la vita dei migranti che erano presenti su quei gommoni? Non ha ascoltato le autorità italiane. Non ha ascoltato le autorità libiche ed è forzosamente interventua per caricare il prezioso quantiativo di esseri umani, carne umana, a bordo.]]
Abs. 3 [[Perché suono buoni? [e fa il segno con le dita dei soldi] Mi lasciate il dubbio che non lo fanno perché sono buoni, ma per interesse?]]
Altrimenti, se fossero realmente buoni, con le motovedette libiche lì nei pressi non sarebbero intervenuti rispondendo alle autorità libiche e italiane. Ora cosa facciamo? Numero 1) questa nave di pseudo volontari, batte bandiera olandese. Abbiamo scritto nei giorni scorsi al governo olandese e chiesto: è una nave olandese o una nave fantasma? Aspettiamo risposta. Nel frattempo questa nave l’Italia la vede solo in cartolina. Non perché Matteo Salvini è brutto, cattivo, egoista. No, perché le regole se ci sono vanno rispettate. Non si gioca con le vite umane. Non si mettono a rischio le vite umane. Quindi, avete fatto un atto di forza, non ascoltando le autorità italiane e libiche? Bene, questo carico di esseri umani, che non so se e quale guadagno comporti per voi, ve lo portate in Olanda. Penso che in Olanda siano disponibilissimi ad appoggiare la vostra generosità. E la vostra bontà. Quindi fate il giro un po’ largo. Porti italiani nisba. Ma nel frattempo, cos’altro succede?
Abs. 4 [[Visto che le motovedette libiche erano impegnate per questo intervento reso impossibile dall’arroganza e dall’imprudenza di questi pseudo volontari,]]
a ovest sono stati segnalati altri due gommoni con altri disperati a bordo. Cosa fanno? Chiamano la guardia costiera italiana. Sono a 18 miglia dalla Libia e dal confine con la Tunisia [ride]. È in corso la Maturità. Non so la geografia a che punto sia arrivata negli istituti superiori. Ma se ci sono imbarcazioni in difficoltà al confine tra la Libia e la Tunisia, non si sa per quale motivo debba intervenire la guardia costiera italiana che sta più a nord e sta molto lontana. Quindi, in questi minuti abbiamo scritto chiedendo l’intervento delle autorità tunisine. Quindi, se i libici non possono andarci perché stanno litigando, incredibilmente, con questa pseudo associazione, di pseudo volontari, di pseudo olandesi bene, intervengano o i tunisini o i maltesi. Che sono più vicini alle coste libiche rispetto agli italiani. Questo volevo dirvi: vi sembra un atteggiamento cattivista? Egoista? No. Se si vuole dare un taglio al business dell’immigrazione clandestina, se vogliamo stroncare quegli schifosi essere umani, che non definisco esseri umani, degli scafisti, bisogna far capire che i taxi del mare [le ONGs] si fermano.
Abs 5 [[Voglio salvare vite. Ma sono pagato dagli italiani per difendere la sicurezza dei cittadini italiani. Quindi non ammetto che ci siano associazioni di pseudo volontariato che mettano a rischio le vite di chi scappa dall’Africa, e poi pensino di sbarcarli tutti in Italia. Questo vale per i gommoni che sono ovunque. Dunque messaggio chiaro che arriva non dal governo italiano, dal ministro italiano. Ma penso e spero dall’intero popolo italiano. Vogliamo stroncare la mafia dell’immigrazione clandestina. Che arricchisce pochi delinquenti e danneggia sia gli africani sia gli italiani. Causando migliaia di vittime. Queste NGO straniere con personale straniero, con finanziatori stranieri, battente bandiera straniera non toccheranno più il suolo italiano.]]
Però, anche le navi della marina militare italiana e della guardia costiera italiana, che fanno un lavoro meritorio, eccezionale, che gli ultimi anni hanno salvato centinaia di migliaia di vite, però, stiano vicine alle coste italiane, proteggano e salvino le vite nei pressi dei confini italiani. Ci sono altri che possono e io dico debbono intervenire, non possono più lavarsi la coscienza, penso alle autorità tunisine e alle autorità maltesi: intervengano!
Non possiamo più farci carico da soli dei costi e dei costi sociali conseguenza di un’immigrazione fuori controllo. Non penso sia niente di eclatante. Rispetto delle regole, buon senso, intelligenza. Poi non dedico tempo alle polemiche inesistenti: Saviano! Figuratevi se con questi problemi mi interessa cosa fa o dice Saviano che continua ad insultarmi giorno e notte. Non sono io a decidere sulle scorte. Ci sono organismi preposti che decideranno chi va protetto e come va protetto, quindi, che Saviano continui a scrivere, continui a fare, continui a pontificare: è l’ultimo dei miei problemi [ride].
Il mio problema è combattere, non a parole, ma nei fatti, la mafia, la camorra e l’ndrangheta. Perché l’antimafia a parole è un conto. Preferisco sostenere chi la mafia la combatte nei fatti. Tanto che oggi sarò a Roma a fare un sopralluogo in una delle ville sequestrate ai Casamonica, Clan di tutto rispetto che mi ha minacciato pochi giorni fa, villa sequestrata 4 anni fa e che vorrei fosse rimessa il più presto a disposizione dei cittadini. E ne approfitterò per visitare, insieme al Governatore del Lazio, del PD, perché io faccio il ministro di tutti, non di qualcuno, è stata messa a disposizione dei bimbi autistici e delle loro famiglie. Questa è l’antimafia dei fatti. Quello che fa Saviano della sua casa a New York, delle sue gite, delle sue vacanze, dei suoi soldi, mi interessa meno che zero.
Prendo atto che i giornalisti italiani sono incredibili. Pensate [ride] che c’è un titolo dell’ANSA che dice: “la borsa cala e lo spread sale per colpa di Salvini” Ho detto: ohibò, cosa ho fatto stamattina? La borsa, secondo questi giornalisti – e lo dico da giornalista – siete incredibili [ride]. Comunque, se non ci foste ci sarebbe da inventarvi. Ma è per questo che io preferisco parlare con milioni di italiani così, bypassando giornali, agenzie, telegiornali, che a volte fanno un esercizio di fantasia che è inimmaginabile. Ebbene, la borsa starebbe scendendo e lo spread starebbe salendo perché io ho confermato che vogliamo intervenire sulla legge Fornero e che in Europa vogliamo starci da protagonisti perché non è possibile che noi continuiamo a pagare per avere in cambio immigrati. Quindi per aver detto quello che c’è nel programma di governo e che voglio fare e non dire quindi superare la legge Fornero e rivedere il ruolo dell’Italia in Europa nell’interesse degli italiani, secondo qualche giornalista la borsa starebbe scendendo [ride]. Ragazzi, siamo seri! Poi uno dice: un ministro non può fare le dirette facebook. Se c’erano altri ministri, che avevano altri atteggiamenti, ed erano più silenti: scelta loro. Io penso non sia mio diritto, ma mio dovere raccontarvi come impiego i minuti, visto che voi mi pagate lo stipendio, per difendere la sicurezza dei cittadini italiani. La lotta alla mafia, alle droghe, soprattuto le droghe sintetiche con ragazzini di 13-14 anni che pensano di divertirsi di più e di sballarsi, impasticcandosi, e come ministro dell’interno e come Papà cercherò di dichiarare guerra a questo traffico che c’è anche online; potenziamento dell’organico dei vigili del fuoco, potenziamento dell’organico della polizia di stato. Riduzione dei costi legati all’immigrazione e riduzione dei tempi di asilo politico, sostegno ai sindaci che vorranno garantire spiagge sicure, dicendo no al contrabbando e alla merce contraffatta, e ai vucumprà [slang]
Intanto però voglio vederci chiaro. Mi secca usare la parola volonariato. Lo dico da donatore di sangue, di organi, da sostenitore di diverse Onlus che cercano di aiutare chi sta male.
Abs. 6. [[Queste navi che ci sono nel mediterraneo non fanno volontariato. Queste navi aiutano il traffico di esseri umani. Oggi, con questa Lifeline, vorrei sapere chi finanzia e paga. Che non ascolta la guardia costiera italiana. Che ostacola la guardia costiera libica. E usa centinaia di disperati come merce. Quindi avviso ai naviganti: le ong nei porti italiani non metteranno piede ]]
però nel contempo, le navi della guardia costiera italiana e della marina militare, che hanno il diritto e dovere di continuare a salvare vite, cosa che hanno fatto meritoriamente negli ultimi anni, non possono e non devono fare sempre tutto da sole. Ci sono autorità tunisine, ci sono autorità maltesi. Ci sono autorità francesci e spagnole. Eh, si dessero una mossa.
Abs. 7 [[Io ricordo, per esempio la Francia, di Macron, quello che ci ha dato lezioni di generosità per una settimana, dovrebbe riprendersi almeno 9000 rifugiati che hanno ottenuto protezione in Italia e dovrebbero andare in Francia. E altre migliaia dovrebbero andare in Spagna. Generosità a parole non ci serve. Non ci interessa.]]
Abs.8 [[Il presidente del consiglio Conte ha totale mio e di tutto il governo, e della maggior parte del popolo italiano, per andare in Europa a ricontrattare le regole che ci stanno danneggiando, però per fessi non passiamo più.]]
Poi ho visto che sono stato attaccato perché ho mandato un bacione a Saviano [ride] non ho mica mandato un pernacchione [slang]. Ho mandato un bacione affettuoso. Poi mi attacca Saviano. Mi attacca qualche calciatore. Mi attacca qualche scrittore. Mi attacca qualche cantante. Chi mi attacca s’attacchi. Però ci tenevo a dirvelo, perché poi quando fai un comunicato stampa i giornalisti poi scrivono tutte le loro cose.
Link: https://www.facebook.com/salviniofficial/videos/10155859226973155/
[...]
1 Nach der Niederlage der M5S in den Abruzzen, im Februar 2019, sagte Di Maio, dass sie, und diese Regierung, „der einzige Schutzwall hinter Berlusconis Rücken sind“. Vgl. http://www.affaritaliani.it/politica/di-maio-il-governo-durera-5-anni-noi-unico-argine-a-berlusconi-587686.html, abgerufen am 16.01.2020.
2 Berlusconi ist immer noch Präsident der Partei „Forza Italia“, aber aufgrund seines Status als gerichtlich Angeklagter konnte er in Italien nicht mehr kandidieren.
3 Eine der ersten komparativen Studien zum Thema Populismus wurde im Jahr 1982 von Michael L. Conniff vorgelegt. Als Historiker hat sich Conniff auf Lateinamerika konzentriert, vgl. Conniff, Michael (1982) Latin American Populism, in: Comparative Perspective. Editor and contributor: University of New Mexico, New Mexico.
4 Für eine Vertiefung des Themas vgl. Pessin, Alain (1997) Le Populisme: Le populisme russe (1821-1881) ou la rencontre avec un peuple imaginaire, Atelier de création libertaire, Lyon; Wortman, Richard (1967) The crisis of Russian populisms, Cambridge University Press, Cambridge. Op. Cit. in Diamanti und Lazar (2018).
5 Der Originaltext lautet: “una soluzione di una facilità inaccettabile, perché in questo caso bisognerebbe scartare quasi tutti i sostantivi politici: socialismo, comunismo, fascismo, totalitarismo e perfino democrazia” (vgl. Diamanti und Lazar, 2018:15). Übers. vom Verfasser, F.Q.
6 Der Originaltext lautet: „il populismo rimane un termine difficile da maneggiare, ambivalente, polisemico, troppo generico e tanto indefinito da contenere una molteplicità estrema di oggetti e di soggetti: un significante con troppi significati, una catch-all-word. Un po‘ come la parola democrazia che ha una copertura infinitamente estesa, ecumenica, capace di ospitare una molteplicità di casi, di esperienze e di modelli tra loro spesso in evidente conflitto”. Übers. vom Verfasser, F.Q.
7 Cas Mudde orientiert sich an der Kategorisierung der Ideologien von Michael Freeden. Laut Freeden können Ideologien in zwei Formen untergliedert werden: die eine Morphologie umfasst, wie bzw. den Liberalismus oder den Sozialismus und diejenige, die subtiler ist. Diese subtilen Ideologien, wie Feminismus, Ökologismus oder Nationalismus, beziehen sich auf eine begrenzten Zahl politischer Konzepte und benötigen Verbindungen mit weitesergreifenden Ideologien. Vgl. Freeden, Michael (1996;2003). Eine kritische Diskussion des Populismus und die vorgeschlagene Morphologie der Ideologien von Freeden wurde von Lorella Cedroni evaluiert. Vgl. Cedroni, Lorella (2011) Die Morphologie des Populismus. In: Totalitarismus und Demokratie, 8 (2), S.237-250, Göttingen.
8 Die Autoren betonen aber, dass „it is not always easy to attach neat labels to right-wing populists, who increasingly share concerns about socio-economic inequalities, but in particular how they apply to the white” (2018:47).
9 Der original Text lautet: „[I]l populismo sarebbe cioè un elemento paradossale che sta dentro la democrazia, ne accetta gli aspetti formali (come il dibattito pubblico, la partecipazione elettorale o l’espressione informale della volontà popolare) e, nel contempo, impedisce che questa si chiuda (...) nella gabbia fatta di procedimenti stabiliti, relazioni istituzionali, rituali rassicuranti.”. Übers. vom Verfasser, F.Q.
10 Die Autoren zeigen, dass die Mehrheit der WahlerInnen in EU-Ländern und in den USA die Demokratie und ihre Werte schätzen: „[i]n 2017, the Pew Research Center found that across the US and Europe an average of only one in ten rejecte democracy, from 5 per cent in Germany to 17 per cent in Spain.“, vgl. Eatwell und Goodwin (2018:118-119).
11 Im Jahr 1997 sagte Umberto Bossi bei einer Podiumsdiskussion in Como: „wenn ich die tricolore (italienische Fahne) sehe, empöre ich mich. Die tricolore nutze ich als Klopapier“. Daher wurde Bossi ein paar Jahre danach von einem Gericht wegen Herabwürdigung der italienischen Fahne verurteilt. Vgl. La Repubblica, „Ha offeso il tricolore: Bossi condannato”, 23.05.2001, Link: https://www.repubblica.it/online/politica/vincitoritre/bossi/bossi.html, abgerufen am 28.12.2019. Ein zweiter Fall erfolgte 2015: Bossi wurde wegen Herabwürdigung der Figur des Präsidenten der italienischen Republik, Giorgio Napolitano, verurteilt. Vgl. Rainews.it, “Bossi condannato a 18 mesi per vilipendio del Capo dello Stato”, 22.09.2015. Link: http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Bossi-condannato-a-18-mesi-per-vilipendio-al-Capo-dello-Stato-Napolitano-Seconda-condanna-dopo-quella-per-vilipendio-alla-bandiera-1b430889-4202-49af-a4f3-771264817425.html, abgerufen am 28.12.2019.
12 TAV ist die Abkurzung von „Treno ad Alta Velocità” (Hochgeschwindigkeitszug). Das Projekt wurde von den M5S stark kritisiert und als eine unnötige, umwelt- und menschenunfreundliche Aktion beschrieben. Die Anti-TAV-Bewegung heisst „No Tav“.
13 Mit einer Studie zu der Mitgliedschaft der Lega Nord haben Passarelli und Tuorto (2012) bestätigt, dass die Mitglieder oder/und WählerInnen der Lega Nord aus der ehemaligen Partei DC, aus der PSI und teilweise auch aus der MSI stammen. Dass die UnterstützerInnen der Lega, die früher im PCI waren, ganz Wenige sind, ist keine Überraschung. Die Lega Nord war schon in den vergangenen Jahren durch eine rechtsorientierte Mitgliedschaft geprägt. Vgl. Gianluca Passarelli und Dario Tuorto (2012), “Attivisti di partito nella lega nord. Un caso anomalo?” In: Polis, 2 luglio 2012, pp.255-284.
14 Vgl. La Stampa (2016): Salvini e Marine Le Pen insieme a Milano: “Schengen è morto, qui per un’altra Europa”, 28.01.2016.Link:https://www.lastampa.it/politica/2016/01/28/news/salvini-e-marine-le-pen-insieme-a-milano-schengen-e-morto-qui-per-un-altra-europa-1.36555958; abgerufen am 28.12.2019; Huffington Post, (2016): Salvini, Le Pen e gli altri euroscettici si incontrano a Milano. "Basta euro e migranti, siamo pronti a governare", 29.01.2016. Link: https://www.huffingtonpost.it/2016/01/29/salvini-le-pen-milano_n_9114812.html, abgerufen am 28.12.2019; Repubblica (2016): Milano, l'incontro Salvini-Le Pen con le altre destre anti europee: si alza la protesta, 27.01.2016. Link: https://milano.repubblica.it/cronaca/2016/01/27/news/lega_e_destre_prove_di_anti_europa-132108213/, abgerufen am 28.12.2019.
15 Op.Cit. in Falanga G., (2010) Italien. Ein Länderporträt. Ch. Links Verlag, Berlin. Italien hat wie Spanien und Deutschland eine komplizierte Geschichte. Nach der faschistischen Zeit hat Italien sich als Demokratie entwickelt. Es war kein einfacher Prozess. Ende der 60er Jahre begann in Italien eine Zeit der politischen Gewalt. Auf Italienisch „Anni di Piombo“. Links- (Rote Brigade) und Rechtsterroristen (Avanguardia Nazionale) haben die junge italienische Demokratie stark bedroht. Diese dunkle Zeit endete offiziell Ende der 80er Jahre, als die Roten Brigaden sich aufgelöst hatten. La Palombara beschreibt diese spezifische politische und soziale Situation; und diese Ausführungen von La Palombara sind nach wie vor noch relavant. Anfang der 90er Jahre wurde der Staat z.B. von der Mafia bedroht, von den sogenannten „stragi“: vgl. Mattiello, Davide (2015) L’onere della prova. Stragi di mafia e politica: una questione aperta. Milano: Melampo editore.
16 Vgl. Regierungen in Italien seit dem Jahr 1943. Offizielle Webseite der italienischen Regierung. Link: http://www.governo.it/i-governi-dal-1943-ad-oggi/191, abgerufen am 31.12.2019.
17 Die Koalitionen der Linken in Italien wurden von 1987 bis 1994 von Achille Occhetto geführt, von 1995 bis 2006 von Romano Prodi, ehemaliger EU-Kommissionspräsident, mit der Gründung des italienischen PD von 2007 bis 2008 von Walter Veltroni. Danach wurde ab 2013 eine neue Linkskoalition von Pierluigi Bersani geführt und im Jahr 2018 von Matteo Renzi und Paolo Gentiloni.
18 Vgl. Cancellato, Francesco (2017) Se pensate che sia Renzi il problema della sinistra non avete capito nulla, in Linkiesta, 07.11.2017. Link: https://www.linkiesta.it/it/article/2017/11/07/se-pensate-che-sia-renzi-il-problema-della-sinistra-non-avete-capito-n/36085/, abgerufen am 31.12.2019.
19 Die Lega (Nord) ist eine Partei, die in verschiedene Kategorien eingeordnet wurde. Das hat auch mit der politischen Entwicklung dieser Partei zu tun. Laut Eatwell und Goodwin (2018) ist die Lega eine nationalpopulistische Partei wie der Front National, für Bezt und Decker ist eine rechtspopulistische Partei und für Minkenberg (2018) eher eine Partei, die als radikale Rechte eingeordnet werden kann. Vgl. Kap.2.
20 In der Tat gibt es wenige und kontroverse akademischen Analysen des Rechtsextremismus, bezogen auf Casapound und Forza Nuova in Italien, vgl. Di Nunzio, Daniele und Toscano, Emanuele (2011) Dentro e fuori CasaPound: capire il fascismo del terzo millennio. Roma: Armando Editore; Giannulli, Aldo und Rosati, Elia, (2017) Storia di ordine nuovo. Milano: Mimesis; Rosati, Elia (2018) CasaPound Italia. Fascisti del terzo millennio. Milano: Mimesis. Der journalistische Diskurs zeigt eine zunehmende Entwicklung von Analysen, Büchern und Artikeln zum Thema.
21 In dem Buch „National populism. The revolt against liberal democracy“ haben Eatwell und Goodwin Forza Italia nicht als nationalpopulistische Partei bezeichnet. Silvio Berlusconi wurde ebenfalls nicht als Beispiel für den Populismus bezeichnet. Laut anderen Autoren war hingegen Berlusconi ein Prototyp des populistischen Führers in Europa, wie es heute Viktor Orban in Ungarn ist.
22 Der Originaltext latuet: (...) quello che s’incarna in un più riconoscibile soggetto politico, dotato di una propria specificità e impegnato non solo a dar voce alla protesta, ma anche a candidarsi alla gestione del governo (e all’esercizio del potere). Übers. vom Verfasser, F.Q.
23 Berlusconi hat mehrmals die Funktion des Ministerpräsidenten übernommen und mit der Lega und der Alleanza Nazionale zwei Regierungen geführt. Das war kein volligneues Phänomen: Eine populistische Erfahrung gab es schon in den 40er Jahre, mit „il movimento dell’uomo qualunque“, mit dem italienischen Journalist Gugliemo Giannini (vgl. Tarchi, 2018:171-191). Andere populistische Erfahrungen waren gegeben mit den italienischen „I Radicali“, vgl. Tarchi, 2018:214-219).
24 Eine kurze aber sehr informative Zusammenfassung der Berlusconi- Ära wurde von dem Journalisten Fabrizio d’Esposito veröffentlicht, vgl. D’Esposito, Fabrizio (2019) Silvio Berlusconi, 25 anni dopo: il bilancio in 3 punti del primo populista dei tempi moderni. In: Il Fatto Quotidiano, 26.01.2019. Link: https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/26/silvio-berlusconi-25-anni-dopo-il-bilancio-in-3-punti-del-primo-populista-dei-tempi-moderni/4926087/, abgerufen/gelesen am 31.12.2019.
25 Die politische Debatte war in Italien ebenso wie in anderen Ländern in Europa auf die Person Berlusconi und seine Rolle fokussiert. Vgl. Polistina, Francesca (2019) Der Sieg des Berlusconismus, Der Freitag, 29.03.2019. Link: https://www.freitag.de/autoren/francesca-polistina/der-sieg-des-berlusconismus, abgerufen am 31.12.2019.
26 Der Originaltext lautet: “se il gruppo al potere si presenta come una elite virtuosa inamovibile, e poi per giunta degenera, chi lo avversa non può che essere ipso facto antisistema. Poiché il tentativo di realizzare il disegno modernizzante conserva se non accresce la distanza fra l'élite politica e il popolo, inoltre, la carta populista è diventata una risorsa importante per qualsiasi opposizione. Quasi sempre questa carta è stata utilizzata strumentalmente: la corruzione e il carattere non rappresentativo delle élite sono stati denunciati nel nome di un'élite alternativa che si presumeva più virtuosa, in più stretto contatto con la parte "buona" del popolo (fosse essa definita in termini sociali, geografici o culturali), in grado di realizzare un diverso e miglior disegno di trasformazione del paese. Molto raramente invece il populismo è stato non strumentale ma strutturale: quando ha puntato a cambiare profondamente e in permanenza il rapporto tra potere politico e popolo, dando fiducia al popolo (a tutto il popolo) e liberandolo una volta per tutte da qualsiasi gabbia ortopedica o pedagogica. In questo caso la reazione all'eccesso di politica si è spinta fin quasi al rifiuto della politica tout court e il rifiuto di un'élite fino al rifiuto di qualsiasi élite". Übers. vom Verfasser, F.Q.
27 Silvio Berlusconi war mit der italienischen Politik schon in der 70er und 80er Jahren sehr verbunden. Vgl. Fabrizio d’Esposito (2019) Füßenote 24.
28 Der Originaltext lautet: (...) il populismo al governo non si limita a sostituire una precedente maggioranza, ma cerca di modificare in modo significativo l’assetto istituzionale, anche tramite riforme costituzionali, come è evidente nei casi di Ungheria e Polonia. Übers. vom Verfasser, F.Q. Vgl. auch Blokker, Paul (2018) Populist constitutionalism, in C. De la Torre (ed.) Routledge handbook of global populism, Routledge, London-New York, S.113-128.
29 Das gilt ab 1994. Bis 1994 war die Lega Nord als regionale Partei als Anti-System zu sehen. Aber mit der Entscheidung sich als Koalitionspartner mit Berlusconi und Forza Italia, sowie zusammen mit der ehemaligen nationalistischen Partei MSI, wurde die Lega, laut Revelli, Teil des Systems. Und in der Tat hat sich die Lega Nord nach den 199 stark verändert. Sie hat zwei Mal an Nationalregierungen teilgenommen und seit 20 Jahren regiert sie in verschiedenen wichtigen Regionen des Nordes (Piemont, Lombardei, Friuli und Veneto).
30 Zum ersten Mal hat Berlusconi keine Rolle bei der Formierung der Regierung gespielt. Sehr relevant war die Pressekonferenz, die nach den Sondierungen mit dem Präsidenten der Republik, Mattarella, stattgefunden hat. Giorgia Meloni (FdI), Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (FI) traten gemeinsam auf, aber das Wort wurde von Matteo Salvini ergriffen als Leader der Koalition. Die Lega wurde mit ihren 17.4% als starkste Fraktion der Mitterechtskoalition angesehen. Berlusconi blieb neben Matteo Salvini und spielte mit seinen Händen. Vgl. Presidenza della Repubblica Italiana (2018) Dichiarazioni “Lega-Salvini Premier”, “Forza Italia-Berlusconi Presidente” e “Fratelli d’Italia”, 12.04.2018. Link: https://www.youtube.com/watch?v=LG1Lf3k3rvA, und 07.05.2018, Link: https://www.youtube.com/watch?v=ueCdTcmouaE, abgerufen am 31.12.2019.
31 Der Originaltext lautet: “in dieci anni esatti l’Italia ha visto mutare radicalmente per ben tre volte la struttura del proprio sistema politico. Un bipolarismo quasi perdetto nel 2008, quando dopo gli interventi simmetrici e strutturali di Walter Veltroni e di Silvio Berlusconi, PD e PDL si erano costituiti come monopolisti delle rispettive aree. Un tripolarismo inaspettato nel 2013 (...), [i]nfine un nuovo tendenziale bipolarismo costruito sulla marginalizzazione dei due antichi dominus (PD e PDL), in un contesto che vede le cosiddette forze antiestablishment essere maggioranza assoluta e farsi, nonostante la polarizzazione dei rispettivi programmi, maggioranza di governo”. Übers. vom Verfasser, F.Q.
32 Vgl. Luigi di Maio, Appello al PD: contratto di governo alla tedesca su punti comuni è possibile. Il Fatto Quotidiano, 29.04.2018, Link: https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/04/29/appello-di-di-maio-al-pd-contratto-di-governo-su-punti-comune-e-possibile-e-rilancia-su-art-18-e-agenti-sotto-copertura/4323093/, abgerufen am 28.12.2019.
33 Vgl. Beppe Grillo, in Il Sole 24 Ore. Link: https://www.ilsole24ore.com/art/SoleOnLine4/Italia/2009/10/grillo-movimento-nazionale-partito.shtml, gesehen am 28.12.2019. Der originale Text lautet: “non siamo un partito, nè un'associazione. Siamo un movimento che già c'è. Quello di oggi è il parto di una lunga gestazione iniziata nel gennaio del 2005.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
34 Das Entsprechende für Meet-Up wäre im Deutschen Stammtisch.
35 Vgl. Fußnote N. 33.
36 Der Blog von Grillo war von Anfang an „der politische Ort“, wo die AktivistInnen sich treffen könnten. Die Meet Ups haben nicht die Rolle des Blogs übernommen, sondern haben ihn flankiert. Durch Meet Ups konnte Grillo seine Ideen und Vorschläge in das Off-Line-Leben bringen und verbreiten. Der Blog war jahrelang eines der am meisten besuchten Blogs in Italien und laut „The Observer“ (2008) eines der zehn einflussreichsten Blogs der Welt. Der Blog von Grillo ist auf folgendem Link zu erreichen: http://www.beppegrillo.it/, gelesen am 28.12.2019. Dazu auch The „Guardian“, 2008, Link: https://www.theguardian.com/technology/2008/mar/09/blogs, gelesen am 28.12.2019. Schließlich bekommt im Jahr 2010 der Blog den Webby Award, vgl. Webby Awards. Link:https://www.webbyawards.com/winners/2010/web/general-website-categories/activism/beppe-grillos-blog/?/, abgerufen am 28.12.2019.
37 Vgl. La Repubblica, 2009, PD. Beppe Grillo si candida alle primarie: offro un’alternativa al nulla, 12.07.2009. Link: http://www.repubblica.it/2009/07/sezioni/politica/partito-democratico-30/grillo-primarie/grillo-primarie.html, abgerufen am 28.12.2019; und La Repubblica, 2009, Pd, Grillo annuncia: "Prendo la tessera" Ma il Pd dice no: "Non ha i requisiti, 13.07.2009.Link:http://www.repubblica.it/2009/07/sezioni/politica/partito-democratico-30/grillo-fassino/grillo-fassino.html, abgerufen am 28.12.2019.
38 Der Originaltext lautet: „Se Grillo vuol fare politica fondi un partito, si presenti alle elezioni e vediamo quanti voti prende”. Vgl. Piero Fassino, Inteview Repubblica.tv, in Huffington Post, Piero Fassino e la profezia su Beppe Grillo, 27.02.2013.Link:https://www.huffingtonpost.it/2013/02/27/piero-fassino-e-la-profezia-su-beppe-grillo_n_2771363.html, abgerufen am 28.12.2019.
39 Als Beispiel kann an die politische Erfahrung von Silvio Berlusconi erinnert werden: Er hat persönlich und nach persönlischen Interesse Personen hier und da kandidieren lassen, die mit ihm besondere persönliche Beziehungen hatten. Das ist aber nicht eine Besonderheit von Berlusconi gewesen. Das System selbst hat es ermöglicht. Silvio Berlusconi hat diese Art und Weise der Politik und als ein Merkmal seines Leadership verstärkt.
40 Im italienischen Text: „(...) L’Assemblea, in ogni caso, si considera tenuta nel luogo ove si trova il Presidente e il segretario.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
41 Ebd. Art. 7, Buchstabe a): „Il Capo Politico è il rappresentante legale ed istituzionale del MoVimento 5 Stelle e in tale veste è indicato quale capo della forza politica, qualora tale figura sia prevista dalle leggi pro temporevigenti per l’elezione della Camera dei Deputati e del Senato della Repubblica.Egli ha tutti i necessari poteri di ordinaria amministrazione.Gli atti di straordinaria amministrazione sono subordinati al consenso e/o ratifica da parte dei componenti del Comitato di Garanzia.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
42 Im italienischen Text: „ Il Garante è il custode dei valori fondamentali dell’azione politica dell’Associazione. In tale spirito esercita con imparzialità, indipendenza ed autorevolezza le prerogative riconosciute dallo Statuto.In tale veste, oltre ai poteri previsti nel presente Statuto, al Garante è attribuito il potere di interpretazione autentica, non sindacabile, delle norme del presente Statuto.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
43 Im Jahr 2017 hat Grillo eine Entscheidung, die von den 5-Sterne AktivistInnen getroffen wurden, ohne konkrete Gründe annulliert und ein anderer Kandidat, von ihm nominiert, als Kandidat für die Kommunalwahlen in Genova vorgeschlagen. Vgl. La Repubblica, (2017) Caos M5S. Grillo toglie il simbolo a Cassimatis, 17.03.2017. Link: https://genova.repubblica.it/2017/03/17/news/caos_m5s_grillo_toglie_il_simbolo_a_cassimatis-160746937/ abgerufen am 28.12.2019.
44 Diese Online-Platform gehört zu den „Casaleggio Associati“. Die Casaleggio Associati ist eine techno-digitale Firma, die von Gianroberto Casaleggio, dem Mitgründer der M5S, gegründet wurde. Für die politische und journalistische Diskussionen bzw. Analyse zu dem Thema vgl. Iacoboni, Jacopo (2018) L’esperimento. Inchiesta sul M5S. Roma-Bari: Laterza; Biondo, Nicola und Canestrari, Marco (2019) Il sistema Casaleggio. Partito, soldi e relazioni: ecco il piano per manomettere la Democrazia, Ponte alle Grazie. Milano: Il Librario.
45 Beppe Grillo wurde im 2009 im italienischen Senat zugehört. Er hinterlegte einen Gesetzentwurf gegen die Korruption. Das war der politische Anfang des moralistischen Kampf der Bewegung gegen die korrupte Eliten Italiens. Vgl. Beppe Grillo, 2009, Parlamento Pulito in Commissione al Senato, 10.06.2009. Den Beitrag von Grillo im Senat. Link: http://www.beppegrillo.it/parlamento-pulito-in-commissione-al-senato/, abgerufen am 28.12.2019.
46 Diese Vorstellung basiert aus einer konkreten Erfahrung. Die Judikative hat seit Ende der ersten Republik in Italien eine wichtige Rolle gespielt. Zahlreiche PolitikerInnen der Links- sowie Rechtsparteien, wurden wegen Korruption oder andere Verbrechen verurteilt. Auf der rechten Seite des politischen Spektrums wurde gegen Silvio Berlusconi zum Beispiel insgesamt in 34 Gerichtsprozessen ermittelt. Vgl. Panorama.it: https://www.panorama.it/news/marco-ventura-profeta-di-ventura/processi-berlusconi-lista/, abgerufen am 28.12.2019, und Il Fatto Quotidiano, 2012, I cento Parlamentari condannati/imputati/indagati o prescritti. Link: https://www.ilfattoquotidiano.it/2012/09/30/cento-parlamentari-condannati-imputati-indagati-o-prescritti/368539/ abgerufen/abgelesen am 28.12.2019.
47 Das Wort soll im Deutschen „Gerechtigkeitsliebe“ bedeuten; das ist aber etwas Anderes, als das, was das Wort „giustizialismo“ auf italienisch besagt. Giustizialismo ist negativ konnotiert. Der Begriff deutet nicht auf „Liebe“ für die Gerechtigkeit hin, sondern eher auf eine Zwangsvorstellung und inkludiert auch ein starkes Misstrauen gegenüber anderen Menschen, insbesondere gegenüber PolitikerInnen, die immer in gewisser Weise als Schuldige gesehen werden.
48 Der Originaltext lautet:“non esistono innocenti; esisono solo colpevoli non ancora scoperti ”. Vgl. Interview mit Piercamillo Davigo, in: Il Corriere della Sera. https://www.corriere.it/politica/16_aprile_22/davigo-politici-continuano-rubare-ma-non-si-vergognano-piu-86ad1ea2-07f3-11e6-baf8-98a4d70964e5.shtml, abgerufen am 28.12.2019.
49 Das Thema war im Jahr 2009 sehr aktuell, weil die Regierung eine Privatisierung der Wasserversorgung realisieren wollte.
50 Vgl. Art. 1 Statut der Lega Nord: “è un movimento politico confederale costituito in forma di associazione non riconosciuta che ha per finalità il conseguimento dell’indipendenza della Padania attraverso metodi democratici e il suo riconoscimento internazionale quale Repubblica Federale indipendente e sovrana.” Übersetzung: „eine politische mit-föderalistische Bewegung, die als nicht eingetragener Verein konstituert/gegründet ist, der die Erreichung der Unabhängigkeit der Padania durch demokratische Methoden sowie ihre internationale Anerkennung als föderale, unabhängige und souveräne Republik zum Zweck hat.“
51 Der Präsident der Lega Nord war Umberto Bossi. Als Gründervater der Lega Nord wurde er im Art. 14 der neuen Satzung als lebenslanger Präsident der Partei nominiert.
52 Vgl. Dall’Orto, Bartolo (2019), Salvini: “Se governa ancora la sinistra l’UE diventerà un califfato islamico”, in Il Giornale.it, Politica, 02.05.2019. Link: http://www.ilgiornale.it/news/politica/se-governer-ancora-sinistra-lue-diventer-califfato-islamico-1687997.html abgerufen am 28.12.2019.
53 Zur Diskussion über die Veränderung des demokratischen Systems vgl. Crouch, Colin (2003) Postdemokratie. Laut Diamanti und Lazar (2018:8) ist die Demokratie eine „Popolocrazia“ geworden: das Ergebnis eines doppelten Prozesses, bestehend aus dem Aufstieg populistischer Parteien und Bewegungen, sowie aus der Transformation der Grundfesten der Demokratien. Laut den Autoren beschreibt die Popolocrazia eine neue politische Ära der Hinterfragung der Prinzipien politischer Repräsentanz, um eine direkte Demokratie zu schaffen. Vgl. Kap.1.
54 Wie Chantal Mouffe (2018) geschrieben hat, sollte amn als ForscherInnen ein Phänomen in dem aktuellen Moment analysieren, und zwar in der Konjunktur (vgl. Kap.1).
55 „Casta“ ist ein vom M5S benutzter Begriff, um die politische, ökonomische und bürokratische Elite in Italien zu bezeichnen. Der Begriff wurde von Rizzo und Stella, zwei italienischen Journalisten, in einem Buch vorgeschlagen, das laut verschiedenen Autoren als Auslösefaktor des populistischen Zuspruchs in Italien gilt. Vgl. Cundari F., (2017) La casta degli italiani, in Il Foglio, 03.04.2017 und Rizzo S., Stella G.A., (2007) La Casta. Così i politici italiani sono diventati intoccabili, Rizzoli, Milano.
56 Vgl. Artikel 61 der italienischen Verfassung.
57 Laut AdnKronos wurden von die KommunikationssleiterInnen der M5S schriftliche explizite Bedienungsanleitungen gegeben, um „Ruchlosigkeit, peinliche Bilder und alles was nützlich sein kann zu finden ist, um eine bösartige Kampage in Bezug auf“ Gegner zu führun. Der originale Text, der von AdnKronos publiziert wurde lautet: “trovare nefandezze, foto imbarazzanti e tutto quello che può servire a fare campagna negativa su di loro”. Eigene Übersetzung. Vgl. AdnKronos, 02.02.2018. Link: https://www.adnkronos.com/fatti/politica/2018/02/02/trovate-nefandezze-sui-rivali-ordine-candidati_FiqBA2y4q8SC4WExYNokGO.html, abgerufen am 29.12.2019.
58 Vgl. Appendix Analysedokument N.2 Abschnitt 1 im Appendix.
59 Die Rolle der Emotionen in der politischen Kommunikation ist ein zentrales Thema für viele wissenschaftlichen Fachgebieten: Politik- und Sozialwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Marketing, Sprachwissenschaft oder Psychologie, vgl. Lakoff, George (2004) Don’t think of an Elephant: Know your values and frame debate. Chelsea: Chelsea Green Publishing.
60 Silvio Berlusconi wurde verurteilt und daher kann er in Italien kein öffentiches Amt mehr ausführen. Vgl. Repubblica.it, Link https://www.repubblica.it/politica/2014/03/18/news/cassazione_interdizione_berlusconi-81292722/ abgerufen am 29.12.2019 und für das Gerichtsurteil, vgl. Link: http://download.repubblica.it/pdf/2013/politica/sentenza-berlusconi.pdf, abgerufen am 29.12.2019.
61 2003 wurden Arbeitsmarktreformen abgeschlossen, die eine starke Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – das Prekariat – ermöglicht haben. Diese Arbeitreformen wurden unter den Namen „Legge Biagi“ bekannt. Marco Biagi, dem Arbeitsrechtler, der diese Reformen inspiriert hat, wurde im Jahr 2002 von einer terroristischen Organisation, den Roten Brigaden, getotet.
62 Der Vater von Maria Elena Boschi war ein Vorstandsmitglied der „Banca Etruria“. Die Bank wurde mit Betrügesskandalen in Verbindung gebracht. Entsprechend der Oppositionsparteien haben die Ministerin und der Ministerpräsident Renzi ihre Rolle genutzt, um persönliche und familiäre Interessen zu vertreten. Mit einer speziellen Gesetz, dem sogenannten „Salva Banche“ wurden vier Banken vor dem Bankrott gerettet: Banca Marche, Casse di Risparmio di Ferrara e Chieti, Banca Etruria. Der Skandal wurde aufgedeckt wegen eines Absatzes in einem Buch von Ferruccio De Bortoli, in dem stand, dass die Ministerin sich persönlich mit Unicredit für eine Akquisition der Banca Etruria engagiert hat. Vgl. De Bortoli, Ferruccio (2017) Poteri Forti (o quasi). Memorie di oltre quarant’anni di giornalismo. Bologna: La nave di Teseo.
63 Vgl. Luigi di Maio und Gianluigi Paragone, La7, Interview für L’Aria che Tira, 09.01.2018 https://www.la7.it/laria-che-tira/video/di-maio-lancia-la-candidatura-di-paragone-09-01-2018-230977, abgerufen am 29.12.2019.
64 Vgl. Video-Vorstelung der M5S am 27.11.2017. Link: https://www.youtube.com/watch?v=D6ofgrSGPDU, abgerufen am 29.12.2019 Der originale Text lautet: [n]ei prossimi mesi vedrete gli altri che ci attaccheranno, sarà una campagna in cui noi staremo davanti, e condurremo sui temi, e sul percorso, per portare l’Italia ad essere un paese migliore, e tutti gli altri ci attaccheranno dicendo che siamo poco di buono, che siamo eversivi, che siamo un pericolo per il paese: ignorateli. Perché loro sono indietro, soprattutto fanno promesse dopo aver governato per vent’anni senza realizzarle, io ce la metterò tutta, mettiamocela tutti quanti insieme”. Dieselbe Rhetorik kann man in Abs.1, 2 und 3 des Analysdokuments Nummer 1 gefunden werden.
65 Vgl. Abs. 1 und 2 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
66 Vgl. Abs. 4 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
67 Vgl. Abs. 3 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
68 Vgl. Abs. 5 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
69 Vgl. Abs. 6 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
70 Vgl. Abs. 7 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
71 Vgl. Abs. 9 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
72 Vgl. Abs. 8 des Analysedokument Nummer 2 im Appendix.
73 Der originale Text lautet: “noi siamo quelli che nonostante tutto ce la stanno facendo.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
74 Laut Autoren wie Passarelli und Tuorto (2018) ist die Lega unter Salvini eine rechtsextreme Partei geworden. Bezogen auf eine kritische Diskussion dieserr Aussage vgl. Kap.2.
75 Der Originaltext lautet: „[u]no slogan di impronta nazionalista, che mai si sarebbe sposato con la storia politica del partito prima dell’avvento di Salvini. Su questo punto, risulta significativo comparare lo slogan attuale del partito con quello scelto da Roberto Maroni in occasione del congresso del 2012, e poi utilizzato anche in alcune circostanze elettorali: da “prima il nord” a “prima gl italiani”. Un ribaltamento totale del posizionamento e dell’identità di un partito: da movimento nordista a partito nazionale e nazionalista”. Übers. vom Verfasser, F.Q.
76 Vgl. Abs. 1 und 2 des Analysedokument Nummer 3 im Appendix.
77 Der Originaltext lautet: Salvini è un leader preparato, uno stratega meticoloso, uno che prima di giocare le proprie carte studia attentamentelo scenario, guardando anche al di fuori dei confini nazionali (...) [l]a Lega Nord, lentamente, smette di essere il partito/sindacato del nord e comincia a definire un posizionamento meno localista, meno territoriale, molto più politico, di chiara impronta lepenista.” Übers. vom Verfasser, F.Q.
78 Vgl.Il Fatto Quotidiano, (2018) Salvini: chi prende un voto di più tra me e Berlusconi farà il Presidente del Consiglio, 20.01.2018. Link: https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/01/20/elezioni-salvini-a-travaglio-berlusconi-sarebbe-ottimo-ministro-esteri-lo-ricordiamo-quando-fece-le-corna/4104371/, abgerufen am 30.12.2019; Otto e Mezzo (2018)Salvini, Berlusconi, fratelli coltelli, La7, 22.01.2018. Link: https://www.youtube.com/watch?v=s5hIRdH9X5E, abgerufen am 30.12.2019;
79 Vgl. Fondazione Leone Moressa (2018) “Gli stranieri ci rubano il lavoro?” Analisi e considerazioni sul mercato del lavorodegli stranieri in Italia e in Europa; INSP (2018) Relazione annuale del Presidente INPS, 04.07.2018. Link: https://www.inps.it/docallegatiNP/Mig/Dati_analisi_bilanci/Rapporti_annuali/relazione_presidente_XVII.pdf abgerufen am 13.12.2019.
80 Vgl. Abs. 1 des Analysedokument Nummer 4 im Appendix.
81 Voices on Values “is a research project by the Open Society European Policy Institute and D|Part that explores people's views on the open society and its values in France, Germany, Hungary, Poland, Italy and Greece”. Link: http://voicesonvalues.dpart.org/index.php abgerufen am 13.12.2019.
82 Vgl. Pressemitteilung der Lega, 07.01.2018. Legittima difesa, sempre. Link: https://www.leganord.org/notizie/news-2018/16396-centrodestra-salvini-legittima-difesa-ed-espulsioni-missione-compiuta, abgerufen, am 30.12.2019.
83 Ein Video-Spot wurde am 07.02.2018 veröffentlicht: Vinci-Salvini, 2018 2018. In: Youtube.com. Link: https://www.youtube.com/watch?v=FMXfO_pW1hM, abgerufen am 30.12.2019; www.salvinipremier.it/vincisalvini (Die Web-Site ist nun abgeschaltet worden).
84 ANPI ist ein italienischer nationaler Verein der Partisanen, der im Jahr 1945 gegründet wurde. Link: https://www.anpi.it/ abgerufen am 16.12.2019.
85 Der Osservatore Romano, die Zeitung der Bischöfe in Rom sowie Famiglia Cristiana haben in mehreren Artikeln Salvini darauf hingewiesen, die Figuren der Heiligen Maria, von Jesus usw. in politischen Debatte zu vermeiden. Schließlich hat auch die CEI (2019) sichdazu geaußert. Vgl: http://www.ilgiornale.it/news/cronache/cei-punge-salvini-no-richiami-e-simboli-religiosi-1698524.html, abgerufen am 30.12.2019. Eine tiefere Diskussion zum Thema Religion und Politik wird im folgenden Absatz behandelt.
86 Die Abbildungen zeigen Matteo Salvini mit einem Rosenkranz und in zweiten Bild mit der Bibel. Vgl. Corriere della Sera, Matteo Salvini con il rosario ed il vangelo in piazza Duomo: gli ultimi saranno i primi, 24.02.2018. Link: https://milano.corriere.it/foto-gallery/cronaca/18_febbraio_24/milano-matteo-salvini-il-rosario-vangelo-piazza-duomo-gli-ultimi-saranno-primi-2309d34c-1988-11e8-9cdc-0f9bea8569f6_preview.shtml?rid=READER_ID&destination=RETURN_URL, abgerufen am 30.12.2019.
87 Hinsichtlich der orginalen Textabschnitte, vgl. Analysedokument Nummer 4 im Appendix.
88 Der Begriff “centro sociale” bezieht sich auf Gruppierungen von Jugendlichen, die eine gemeinsame linksgesinnte Ideologie vertreten und die sich in besetzten und selbstorganisierten Räumen treffen. Diese Gruppierungen nehmen manchmal an gewalttätigen Demonstrationen teil, gerichtet gegen rechtsgesinnte Gruppierungen bzw. Fraktionen.
89 Der Originaltext aus dem Plakat lautet: „[è] ora di ridare ai nostri figli la certezza di un futuro migliore. Più lavoro, più sicurezza, meno tasse, meno migranti. Con l’orgoglio di appartenere al paese più bello del mondo“. Übers. vom Verfasser, F.Q.
90 Vgl. Elezioni 2018. Programma di Governo Lega Salvini Premier. Link: https://www.leganord.org/programma-politiche, abgerufen am 30.12.2019.
91 Der Originaltext: “L’Africa non entra in Italia” (S.6 des Wahlprogrammes der Lega).
92 Der Originaltext: “Sì a un’Europa dei popoli, della pace e della libertà. No a un’Europa dei burocrati e degli speculatori” (S.8 des Wahlprogrammes der Lega).
93 Vgl. www.leganord.org, Pressemitteilung von Matteo Salvini, UE: Salvini, sentenza vergognosa. Tutti i simboli religiosi sono sacri, Notizie, 30.01.2018. Link: https://www.leganord.org/notizie/news-2018/16439-ue-salvini-sentenza-vergognosa-tutti-simboli-religiosi-sono-sacri abgerufen am 17.12.2019. Salvini sagte, dass das EU-Gerichtshof nicht für Menschenrechte heissen sollten, sondern eine „Corte islamica“. Auf Detusch: islamische Gerichtshof.
94 Vgl. Interview mit Kardinal Gualtiero Bassetti, Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz, für La Repubblica. Kardinal Bassetti erklärte, dass die politische Nutzung religiöser Symbole ein Fehler ist. Er fügte hinzu, dass eine Unterstützung der Katholiken für die Lega als ein Signal des Mangels an Angebot zu verstehen ist. Schließlich betonte Bassetti“niemand könne die Katholiken vom Papst trennen“. Damit ist geklärt, dass der Kirche bewusst ist, dass es eine bestimmte politische Rhetorik gibt, die die internen Konflikte nutzen möchte, um den Papst zu schädigen. Vgl. La Repubblica (2019): Bassetti (Cei) e il voto leghista: “Nessuno dividerà i cattolici dal Papa”. Link:https://rep.repubblica.it/pwa/intervista/2019/06/08/news/lega_cattolici_salvini_voto_bassetti_cei-228302473/?ref=RHPPLF-BH-I0-C8-P1-S1.8-T1 abgerufen am 20.12.2019.
95 Die aggressive Propaganda der Lega und Salvinis gegen Roma und Sinti war schon seit dem Jahr 2015 bekannt. Während des Wahlkampfs in der Toskana stellte sich Salvini mit einer „Ruspa“ (auf Deutsch: Schaufelbagger) vor ein „Campo nomade“, um zu sagen: „Wenn wir gewinnen, werden wir mit einem Schaufelbagger, werden wir das Roma-Biwak einreißen“. Vgl. La Repubblica, 22.04.2015; Reportage. Link:https://firenze.repubblica.it/cronaca/2015/04/22/foto/salvini_atteso_al_campo_rom_e_i_leghisti_portano_la_ruspa-112576009/1/#12, abgerufen am 30.12.2019.
96 In der Tat wurden auch entsprechende Regelungen, nach der Bildung der italienischen Regierun von M5S und Lega eingeführt, vgl. Kap. 7.
97 Die Vorstellung, dass die zukünftige Entwicklung besser werden würde, war im Jahr 2015, nach dem Beginn der Regierung Renzi stark: 41% der ItalienerInnen erwartet laut Demos&Pi (2017) eine bessere Zukünft. Dieses Vertrauen scheiterte aber nach den Arbeits- und Bildungsreform deutlich: von 41% auf 25%. Kurz vor den Wahlen 2018 erlebte „Vertrauen in die Zukunft“ einen Zuspruch von 25% auf 35%. Vgl. Demos&Pi, XX Rapporto Gli Italiani e lo Stato, 2017. Link: http://www.demos.it/a01472.php, abgerufen am 31.12.2019.
98 Das Wahlgesetz – als Legge Rosato bezogen auf den Namen des Abgeordnenten, der das Gesetz vorbereitet hat – ist so strukturiert: 37% der Sitze werden entsprechend dem englischen System (first past the post) verteilt. 61% der anderen Sitze werden entsprechend der Proporzwahl (mit Listen) und 3% entsprechend der Sperrklausel verteilt. 2% der Sitze werden mit Proporzwahl für die ItalienerInnen im Ausland verteilt. Dieses Gesetz reguliert auch die politischen Verhaltnisse innerhalb von Koalitionen, zum Beispiel, wenn eine Bewegung oder Partei mit einer grösseren koaliert, dann können KandidatInnen dieser Bewegung bzw. Partei auf gemeinsamen Listen kandidieren. Sie können, auch wenn die Bewegung bzw. Partei, der die KandidatInnen entstammen, die 3% nicht erreicht hat, gewählt werden.
99 Die Gelb-Grüne Koalition blieb von Juni 2018 bis Juli 2019 an der Macht. Dies wurde von Matteo Salvini in Frage gestellt und mit dem Rucktritt von Giuseppe Conte hat der Präsident der Republik eine neue Regierung zugelassen. Nun ist eine Gelb-Rote Koalition an der Macht. Diese Arbeit bezieht sich auf die ersten sechs Monate der Gelb-Grünen Koalition.
100 Conte ist ein Rechtswissenschaftler und ein Professor an der römischen Universität. Offiziell ist er parteilos, aber politisch steht er der Bewegung sehr nah.
101 Der Originaltext lautet: „[i]l mio intento è dare vita a un governo dalla parte dei cittadini che tuteli i loro interessi. Sono professore e avvocato, ho perorato cause di tante persone e ora mi accingo a difendere l'interesse di tutti gli italiani, in tutte le sedi europee e internazionali, dialogando con le istituzioni europee e con gli altri Paesi. Mi propongo di essere l' avvocato difensore del popolo italiano”. Übers. vom Verfasser, F.Q. Vgl. La Repubblica: https://www.youtube.com/watch?v=ipacEbGrTGs, abgerufen am 31.12.2019
102 Vgl. Luidi di Maio, interview mit Bruno Vespa, 2018, Porta a Porta.
103 Vgl. Il blog delle Stelle. Nasce il governo del cambiamento: il mio voto conta. Link: https://www.ilblogdellestelle.it/2018/05/nasce_il_governo_del_cambiamento_ilmiovotoconta.html, abgerufen am 31.12.2019.
104 Interessant zu beobachten ist, dass 1994 das Jahr ist, in dem Silvio Berlusconi seine erste Regierung mit der Lega Nord, MSI und Centro Cristiano Democratico gebildet hat. In der Tat wurde Berlusconi, und viele andere seiner Regierung, schon 1994 von der Judikative gerichtlich belangt. Ein Jahr danach scheiterte diese Regierung aufgrund starker Differenzen zwischen der Lega Nord und Berlusconi. Nach mehreren Skandalen unterstützte die Lega Nord ein Misstrauensvotum mit den Linksdemokraten gegen Berlusconi. Dass in diesem Plakat auf das Jahr 1994 verwiesen wurde, erscheint interessant, da es mehrere Interpretationen ermoglicht. Zum Beispiel kann es so gesehen werden, dass die Bewegung darauf verzicht hat, sich als der Nachfolger des damaligen Berlusconi zu sehen, d.h. eine Anti-Establishment Politik voranzubringen oder es wurde einfach betont, dass nach knapp 15 Jahren Italien nun eine glaubwürdige Regierung hat.
105 Vgl. (a) M5S-Instagram. Link: https://www.instagram.com/p/BjmeoTrn8jn/, und Facebook, Luigi di Maio: (b) https://www.facebook.com/LuigiDiMaio/photos/a.564591480244069/1738769596159579/?type=3&theater, abgerufen am 31.12.2019.
106 Der Originaltext lautet: „l]a mia idea di Stato, che da nemico diventa amico [dei cittadini]. Questa è la mia idea di pacificazione. Non ho mai detto, e questo era negli accordi politici, che si potessero scudare i capitali all’estero di mafiosi, corrotti e portarli in Italia. E non abbiamo mai detto ci potesse essere l’impunibilità per chi evade il fisco (...). Il testo non era negli accordi di governo, quindi domani depositerò una denuncia alla procura della Repubblica (...) chi sia stato, una manina tecnica o politica lo accerterà la magistratura per me. Questo testo qui inviato al Quirinale non può arrivare in Parlamento”. Luigi di Maio (2018). Vgl. Link: https://www.youtube.com/watch?v=2pOAcuryWvQ, abgerufen am 18.10.2019. Übers. vom Verfasser, F.Q.
107 Vgl. M5S Instagram: Link: https://www.instagram.com/p/BjqEfrtHKIj/ , abgerufen am 31.12.2019.
108 Vgl.M5S-Instagram, (a) link: https://www.instagram.com/p/BotXXF0Cokc/, (b) link: https://www.instagram.com/p/Bob3AjuC4lb/, abgerufen am 31.12.2019.
109 Eigene Übersetzung.
110 Als Beispiel werden hier nur ein paar Personen vorgestellt: Matteo Salvini ist seit 1994 politisch aktiv. Mehrmals wurde er in verschiedene Position gewählt, in lokale, regionale, nationale - sowie auch auf der europäischen Ebene: Roberto Calderoli, Roberto Maroni, Umberto Bossi, Borghezio, Irene Pivetti (ehemalige Präsidentin der italienischen Kammer/“Camera“).
111 Vgl. Italienischer Senat: http://www.senato.it/3818?seduta_assemblea=11 abgerufen am 01.01.2020
112 Vgl. Italienische Regierung: http://www.governo.it/articolo/consiglio-dei-ministri-n8/9678 abgerufen am 01.01.2020
113 Vgl. Pressemitteilung der Italienischen Regierung: http://www.governo.it/articolo/comunicato-stampa-del-consiglio-dei-ministri-n-20/10026 abgerufen am 01.01.2020. Die italienische Abgeornetenkammer schließt am 27.11.2018 mit 336 Stiemme (249 dagegen) der sogenannten Decreto Salvini: legge n.1346.
114 Unter diesen Begriff fallen insbesondere die Linksorganisationen, die Linkspartein wie PD, Liberi e Uguali, oder die Liberalen wie +Europa, bestimmte katholische Figuren wie Don Massimo Biancalani oder generell Diejenigen, die das Magisterum von Papst Franziskus unterstützen, die NGOs usw.
115 Vgl. Website der Lega (www.Lega.org). Link: https://www.leganord.org/217-notizie/16530-matteo-salvini-sto-lavorando-per-recuperare-quasi-sette-anni-di-ritardi-e-buonismo. Und Facebook: https://www.facebook.com/watch/?ref=external&v=10155828325443155, abgerufen am 01.01.2020.
116 Der Originaltext lautet: Da soli sette giorni al governo, sto lavorando per recuperare quasi sette anni di ritardi e di buonismo: il nostro obiettivo è ridurre gli sbarchi e aumentare le espulsioni, tagliare i costi per il mantenimento dei presunti profughi e i tempi della loro permanenza in Italia, coinvolgendo istituzioni europee e internazionali che fino ad oggi hanno lasciato gli italiani da soli. Sapremo farci ascoltare. Eigene Übersetzung.
117 Entsprechende verschiedener Umfragen wuchs die Zufriedenheit mit der Regierung Conte (M5S und Lega) bis zur Krise im Juli 2019, als die Regierung scheiterte. Diese Arbeit behandelt die Ereignesse bis zum Ende des Jahres 2018. Für weiterführende Wahlanalysen, vgl. Demos&Pi (2019) Atlantte politico n.81, Juli 2019, Link: http://www.demos.it/monitor_italia.php, abgerufen am 11.01.2020.
118 Vgl. Archiv der italienischen Abgeordnetenkammer: https://www.camera.it/leg18/298 ;https://www.normattiva.it/uri-res/N2Ls?urn:nir:stato:legge:2018;132, Gesetzblatt: https://www.gazzettaufficiale.it/eli/id/2018/10/23/18G00151/sg
119 Vgl. Der sogenannte Decreto Salvini wurde am 04.10.2018 im Senat abgestimmt. Link: https://www.interno.gov.it/it/notizie/vigore-decreto-legge-sicurezza-e-immigrazione, und am 28.11.2018 im Abgeordnetenkammer. Link: https://www.camera.it/temiap/documentazione/temi/pdf/1135900.pdf?_1578165418968, abgerufen am 16.01.2020.
120 Libero Quotidiano ist einer der bekanntesten italienischen Zeitungen, die politisch rechtsorientiert ist, die ständig negative Berichte über MigrantInnen herausgestellt. Die Strategie ist einfach: Es wird jeder mögliche Schritt betont, wenn ein Straftat von ein Ausländer bzw. Migrant bzw. Asylsuchende getan ist. Hingegen wird die Staatsangehörigkeit vollig ignoniert, wenn es um Italiener geht. Beispiel gibt es etliche. Die Kommentare in den verschiedenen Artikeln, die sich mit dem Thema Migration bzw. MigrantInnen beschäftigen, überschritten deutlich den Minderstandard einer zivilisatorischen Diskussion: Users kommentieren ohne Filter, und wunschen sie ethnisce Säuberungen, Razzien, Totüngsstragien usw., vgl. https://www.liberoquotidiano.it/news/italia/13367211/stupro-nella-notte-di-san-lorenzo-quindicenne-violentata-da-due-immigrati.html, abgerufen am 16.01.2020.
121 Vgl. Der Spiegel, Innenminister will deutsches Flüchtlingsboot blockieren, 11.06.2018. Link: https://www.spiegel.de/politik/ausland/italien-innenminister-matteo-salvini-droht-auch-fluechtlingsboot-sea-watch-3-mit-blockade-a-1212255.html und Süddeutsche Zeitung, "Jetzt zeig ich's euch mal", 11.06.2018. Link: https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-im-mittelmeer-jetzt-zeig-ich-s-euch-mal-1.4010785, abgerufen am 16.01.2020.
122 LifeLine ist ein Schiff unter holländischer Flagge, das im Mittelmeer Seenotrettungsaktionen organisierte. Im Juni 2018 versuchte die LifeLine die italienische Küste zu erreichen, aber Matteo Salvini began seine Anti-MigrantInnen Politik als Innenminister. LifeLine ist besonders wichtig als Beispiel, da Salvini zum ersten Mal als Innenminister mit Hilfe der Social Media sprach. Und zwar auf seine übliche, aggressive und fremdenfeindliche Art und Weise.
123 Vgl. Abs.1 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
124 Für eine weitgreifende Diskussion zur Rhetorik als Element der politischen Diskursanalyse, vgl. Milkowska-Samul, Kamilla (2011). Das Essay wurde auf polnisch und auf italienisch veröffentlicht und bezieht sich auf sozialwissenschaftliche Studien der Rhetorik für die Sozialwissenschaften.
125 Vgl. Abs.2 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
126 Vgl. Abs.4 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
127 Vgl. Abs.3 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
128 Vgl. Abs 6 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
129 Acquarius ist ein zweites Beispiel, das die selbe politischen Rhetorik folgt. Vgl. Matteo Salvini Official (FB), 13.10.2018.Link:https://www.facebook.com/salviniofficial/photos/a.10151670912208155/10155987174323155/?type=3, abgerufen am 16.01.2020. Die gesamte FB-Posts, Tweets und Pressemitteilungen von Salvini befinden sich auch auf die Lega-Webseit, vgl. https://www.leganord.org/notizie/news-2018/16561-stop-ai-trafficanti-di-esseri-umani-e-ai-loro-complici, abgerufen am 16.01.2020.
130 Vgl. Abs 5 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
131 Vgl. Abs 7 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
132 Vgl. Abs 8 des Analysedokuments Nummer 5 im Appendix.
133 Vgl. (a) Matteo Salvini (Twitter Account): https://twitter.com/matteosalvinimi/status/1005860118959882241 (b) vlg. Hingegen: https://twitter.com/matteosalvinimi/status/1005855205156642816?lang=it; abgerufen am 16.01.2020.
134 Vgl. Die Demos&Pi, Atlante Politico n.76, September 2018. Link: http://www.demos.it/a01532.php, abgerufen am 16.01.2020.
135 Der Slogan wurde von der italienischen Zeitung Libero Quotidiano unterstützt, vgl. Libero Quotidiano „Salvini fa partire la legge. Era ora: legittima difesa,05.10.2018. Link: https://www.leganord.org/notizie/news-2018/16580-matteo-salvini-la-difesa-e-sempre-legittima, gesehen am 16.01.2020; vgl. Twitter, Account von Matteo Salvini, 28.06.2018: https://twitter.com/matteosalvinimi/status/1011898059545030657?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1011898059545030657&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.ilfattoquotidiano.it%2F2018%2F06%2F27%2Fsicurezza-censis-reati-in-calo-del-10-in-un-anno-ma-una-famiglia-su-tre-ha-paura-salvini-serve-legittima-difesa%2F4454699%2F, abgerufen am 16.01.2020.
136 Vgl. Il Fatto Quotidiano, 2018, Pace fiscale: scontro tra i vice-premier. 19.10.2018. Link: https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/10/19/pace-fiscale-scontro-tra-i-vicepremier-salvini-in-cdm-conte-leggeva-e-di-maio-scriveva-il-vicepremier-m5s-io-bugiardo-o-distratto-non-ci-sto/4704235/, abgerufen am 11.02.2019.
137 Vgl. Instagram-Seite der M5S:https://www.instagram.com/p/BoQxrQuCSpF/ abgerufen am 11.02.2020.
Häufig gestellte Fragen
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- Die Forschungsfrage, Gegenstand und Methodologie.
- Die Kommunikationsstrategien und Programme von M5S und Lega vor und nach den Wahlen 2018.
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Die Analyse verwendet einen qualitativ-interpretativen Ansatz mit einer Fallstudie. Innerhalb dieser Fallstudie werden Inhalts- und politische Diskursanalyse als Methoden eingesetzt.
Wer sind die Hauptakteure, die in der Analyse betrachtet werden?
Die Hauptakteure sind die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die Lega (ehemals Lega Nord), Luigi di Maio und Matteo Salvini. Auch Silvio Berlusconi wird als Vorläufer des italienischen Populismus betrachtet.
Was sind die Hauptthesen und Hypothesen der Arbeit?
Die Hauptthese ist, dass Lega und M5S vor und nach den Wahlen einen differenzierten Veränderungsprozess vollzogen haben, insbesondere in Bezug auf ihre politische Agenda und Praxis, während ihre Kommunikationsstile weniger verändert wurden. Die Hypothesen beinhalten, dass beide Parteien ihre Kommunikationsstile beibehalten, um ihre Rolle als "Beschützer des Volkes" zu rechtfertigen, und dass die M5S aufgrund ihrer flexibleren Ideologie stärkere Veränderungen in ihrer politischen Agenda erfahren hat.
Was ist die Konstruktion des Gegners im Kontext der Analyse?
Die "Konstruktion des Gegners" bezieht sich auf die Art und Weise, wie die M5S und die Lega politische Feindbilder schaffen, um ihre Anhänger zu mobilisieren und ihre politische Agenda zu rechtfertigen. Dies beinhaltet die Darstellung von Eliten, Migranten oder supranationalen Institutionen als Bedrohung für das "reine Volk".
Was ist die Bedeutung von "La Casta" im italienischen politischen Diskurs?
"La Casta" bezieht sich auf die etablierten politischen und wirtschaftlichen Eliten, die von der M5S und der Lega als korrupt und abgehoben vom Volk dargestellt werden. Dies dient als zentrales Element ihrer Anti-Establishment-Rhetorik.
Was sind die Hauptelemente der Programmatik der M5S?
Die Programmatik der M5S umfasst eine Mischung aus sozialdemokratischen und rechtskonservativen Positionen, darunter:
- Bekämpfung der "Kosten der Politik" (Anti-Casta).
- Einführung des "Reddito di Cittadinanza" (Bürgergeld).
- Kritik an der EU Bürokratie.
Was sind die Hauptelemente der Programmatik der Lega?
Die Programmatik der Lega umfasst rechtspopulistische und nationalistische Elemente, darunter:
- Flat-Tax.
- Verschärfung des Asylrechts und Begrenzung der Einwanderung.
- Einschränkung der sozialen Leistungen für Ausländer.
- Rückgewinnung der nationalen Souveränität gegenüber der EU.
- Betonung des Rechts auf Selbstverteidigung.
Was sind „Decreti Salvini“ und was bewirken diese?
Die "Decreti Salvini" sind Gesetzesdekrete, die von Matteo Salvini als Innenminister initiiert wurden. Sie zielen darauf ab, die Migrationspolitik zu verschärfen, die Rechte von Asylbewerbern einzuschränken und die Abschiebung von illegalen Einwanderern zu beschleunigen.
Was ist die „Reddito di Cittadinanza“?
Das „Reddito di Cittadinanza“ ist ein Bürgergeld, das von der M5S vorgeschlagen wurde, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Es ist ein Kernpunkt der sozialpolitischen Agenda der Bewegung.
Wie hat sich die politische Landschaft in Italien seit den Wahlen von 2018 verändert?
Seit den Wahlen von 2018 hat sich die politische Landschaft in Italien durch den Aufstieg der Lega und den Rückgang der Unterstützung für die M5S verändert. Die Gelb-Grüne Koalition hat die politische Agenda stark geprägt, wobei insbesondere Matteo Salvini und die Lega eine dominierende Rolle spielten.
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- Federico Quadrelli (Author), 2020, Populisten an der Macht. Das italienische Beispiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1168236