In Deutschland herrscht eine Ausnahmesituation. Die Regierung schließt die Kitas und die Kinder verbringen 12 Wochen ausschließlich zuhause bei ihrer Familie. Die vorliegende Bachelorarbeit hat das Ziel, die Auswirkungen der Kita-Schließungen in dem Corona Lockdown auf die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von 2-6-jährigen Kindern zu erforschen. Meinungen von Experten, wie Psychologen oder Pädagogen werden kritisch gegenübergestellt, um die Emotionen der Gesellschaft aufzugreifen. Es werden die theoretischen Grundlagen der kindlichen Entwicklung und der oben genannten Bereiche aufgeschlüsselt. Das Anlagen - Umwelt - Verhältnis wird thematisch erarbeitet und aufgezeigt, um Erkenntnisse über Einflussfaktoren der Entwicklung zu erhalten. Die Kita als Ausgangspunkt dieser Arbeit wird mit ihren bedeutendsten Aufgaben eingehend beleuchtet, um Rückschlüsse ziehen zu können. Die Thematik Familie wird als Pendant zur Kita aufgezeigt, um die Erkenntnisse in der Schlussfolgerung einzubeziehen. Diese Arbeit ist für Eltern, Pädagogen und Psychologen ein interessanter Denkansatz, die sich mit der Frage beschäftig: „Werden die plötzlichen Kita-Schließungen auch spätere Auswirkungen auf die Kinder haben.“
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Corona Pandemie in Deutschland
2.1 Definition der Begriffe
2.1.1 Definition Covid-19
2.1.2 Definition Pandemie
2.1.3 Definition Lockdown
2.2 Kontaktverbote und Kitaschließungen- Maßnahmen der Regierung
2.3 Die Fachöffentlichkeit- Expertenmeinung während der Kitaschließungen
3 Einführung in die kindliche Entwicklung
3.1Definition Entwicklung
3.2 Der Einfluss von Umwelt und Anlage auf die kindliche Entwicklung
3.3 Bedürfnisse - Das Fundament kindlicher Entwicklung
3.4 Einführung in die geistige und seelische Entwicklung in der frühen Kindheit
3.4.1 Einführung und Definition der kognitiven Entwicklung in der frühen Kindheit
3.4.2 Einführung und Definition der sozialen Entwicklung in der frühen Kindheit
3.4.3 Einführung und Definition der emotionalen Entwicklung in derfrühenKindheit
4 Die Kindertagesstätte - Entwicklung des Bedarfs familienergänzender Betreuung
4.1 Die Kita - Frühkindliche Bildungseinrichtung
4.2 Die Kita - Begegnungsstätte sozialer Beziehungen
4.2.1 Die Erzieher-Kind-Beziehung
4.2.2 Beziehungen zu Gleichaltrigen - Bedeutung der Peergroup
4.2.3 Kinder brauchen Freunde - Die Bedeutung von Kinderfreundschaften
4.3 Das kindliche Spiel in der Kita - Unterstützung wichtiger Entwicklungsprozesse
5 Die Familie- Grundstein der kindlichen Entwicklung
5.1 Sozialisation in der Familie - Definition und Grundlagen des Begriffs
5.2 Bildungsort Familie - Chance von Lernerfahrungen während der Kitaschließung
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Executive Summary
In Deutschland herrscht eine Ausnahmesituation. Die Regierung schließt die Kitas und die Kinder verbringen 12 Wochen ausschließlich zuhause bei ihrer Familie. Die vorliegende Bachelorarbeit hat das Ziel, die Auswirkungen der Kita-Schließungen in dem Corona Lockdown auf die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von 2-6-Jährigen Kindern zu erforschen. Meinungen von Experten, wie Psychologen oder Pädagogen werden kritisch gegenübergestellt, um die Emotionen der Gesellschaft aufzugreifen. Es werden die theoretischen Grundlagen der kindlichen Entwicklung und der oben genannten Bereiche aufgeschlüsselt. Das Anlagen - Umwelt - Verhältnis wird thematisch erarbeitet und aufgezeigt, um Erkenntnisse über Einflussfaktoren der Entwicklung zu erhalten. Die Kita als Ausgangspunkt dieser Arbeit wird mit ihren bedeutendsten Aufgaben eingehend beleuchtet, um Rückschlüsse ziehen zu können. Die Thematik Familie wird als Pendant zur Kita aufgezeigt, um die Erkenntnisse in der Schlussfolgerung einzubeziehen. Diese Arbeit ist für Eltern, Pädagogen und Psychologen ein interessanter Denkansatz, die sich mit der Frage beschäftig: „Werden die plötzlichen Kita-Schließungen auch spätere Auswirkungen auf die Kinder haben."
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Maslows Bedürfnispyramide
Abbildung 2:,, Mangelhafte Passung und mögliche Folgen für die kindliche Entwicklung
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Themen der Kognitiven Psychologie
Abbildung 4: Die Erzieher-Kind-Beziehung
1 Einleitung
Am 11. März 2020 erklärt die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch eines neuartigen Virus, dem sogenannten Covid-19 Virus, welches am 28.01.2020 erstmals in Deutschland bestätigt wird, zu einer Pandemie (vgl. Weltgesundheitsorganisation 2020). Diese Erklärung stellt die ganze Welt vor neue Aufgaben und Herausforderungen, denn das Robert-KochInstitut definiert eine Pandemie als eine weltweite Epidemie, die durch ein neuartiges Influenzavirus verursacht wird und sich schnell von Mensch zu Mensch verbreitet (vgl. Robert-Koch-Institut 2009). Weltweit werden Gesundheits - und Hygienekonzepte erarbeitet, die helfen sollen das Virus einzudämmen und die Verbreitung zu verlangsamen. Die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland entscheiden sich aufgrund steigender Infektionen zu drastischen Maßnahmen und legen das öffentliche Leben mit einem Lockdown größtenteils still. Dazu gehören ein landesweites Kontaktverbot (vgl. Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2020) und die Einstellung von Freizeit-, Sport-, und Bildungsangeboten (vgl. Westdeutscher Rundfunk 2020). Ebenso schließen die Bundesländer am 16. März 2020 für mehrere Wochen flächendeckend alle Kitas um mögliche Infektionsketten zu unterbrechen (vgl. ZDF 2020). Von dieser Entscheidung sind 57.600 Kitas und alleine 2.616.087 Kinder im Alter von 2-6 Jahren im ganzen Land betroffen (vgl. Statistisches Bundesamt 2020). Für die Familien und vor allem für die Kinder bedeuten diese Maßnahmen eine immense persönliche Begrenzung und einen ungewissen Alltag, denn infolge der Einschränkungen dürfen die Kinder von einem auf den anderen Augenblick ihre Großeltern, Freunde, Spielkameraden und Erzieher1 nicht mehr sehen. Die Eltern haben der Pflicht ihrer Arbeit nachzukommen, müssen aber auch ihre Pflichten als Erziehungsberechtigte erfüllen. Mit der Schließung der Kitas stehen somit viele Familien vor großen Herausforderungen, denn der Stellenwert der Kinderbetreuung durch Kitas hat an enormer Bedeutung gewonnen, so geht es lange nicht mehr nur um die Betreuung eines Kindes. Neben etwaigen Bundesländern ist in Nordrhein-Westfalen am 01.08.2008 ein Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern, dem sogenannten KiBiz (vgl. Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NordrheinWestfalen 2020) in Kraft getreten, welches die Kita als einen qualitativen Bildungsort als Familienergänzung verspricht. Die Betreuungsquote in deutschen Kitas für das Alter von 36 Jährigen liegt laut dem statistischen Bundesamt bei 92,5% (Statistisches Bundesamt 2020). In Anbetracht dessen, dass der Bedarf an Ganztagesplätzen von u3 Kindern mit über 35 Stunden/Woche bei 54,4% und Ü3 Ganztagesplätze bei 51,3% liegt, ist die Kita für viele Kinder, aber auch Familien, zu einem Lebensmittelpunkt geworden, der weit über einen Betreuungsort hinaus geht (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2019: S.32). Durch die Schließung entfällt für die Kinder nicht nur die Betreuung, sondern auch die Möglichkeit auf vielfältige Lernerfahrungen die ihre Entwicklung beeinflussen können. Außerdem haben sie durch die Maßnahmen des Kontaktverbots keine Alternativen, den Tag zu verbringen. Sie sind gänzlich und ohne Ausnahme im Kreise ihrer Familie isoliert. Freunde treffen, auf den Spielplatz gehen, zum Kinderturnen oder zum Schwimmen zu gehen oder die Oma und den Opa in den Arm nehmen scheinen Aktivitäten aus weiter Ferne zu sein. Für die Kinder sind diese Maßnahmen definitiv ein einschneidendes Erlebnis, welches manche von ihnen vielleicht auch nicht so schnell vergessen werden. Fragwürdig ist daher, ob solch eine Zeit spurlos an Kindern vorbei gehen kann.
Aus diesem Grund, soll in dieser Arbeit herausgearbeitet werden, wie sich die Einschränkungen der Kita - Schließung auf die soziale-, emotionale- und kognitive Entwicklung eines Kindes im Alter von 2-6 Jahren auswirkt.
Zu Beginn der Arbeit wird das Covid-19-Virus definiert und die Bedeutung einer Pandemie und eines Lockdowns erläutert. Im Anschluss werden die Kontaktverbote und die Kitaschließungen als Maßnahmen der Regierung beschrieben, um danach die Meinungen von Experten kritisch zu betrachten. Da in dieser Arbeit herausgefunden werden soll, wie sich die Maßnahmen auf die oben genannten Entwicklungsbereiche auswirken, ist es notwendig sich vorweg ein Bild davon zu verschaffen, was Entwicklung bedeutet, wie sie grundsätzlich verläuft und welche Bedeutung die Anlage und Umwelt auf sie haben. Darauffolgend werden die Bedürfnisse von Kindern thematisch erarbeitet. Nach diesen Grundlagen, werden die Bereiche der kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung definiert und allgemein erläutert. Dadurch soll deutlich gemacht werden, welche Fähigkeiten grundsätzlich zu den einzelnen Bereichen gehören.
Im nächsten Kapitel wird die Kindertagesstätte und ihre Entwicklung als familienergänzende Betreuung vorgestellt. Die Kita stellt ein wichtiges Kapitel dar. Denn um erfassen zu können, welche Auswirkungen die Kitaschließung auf die Entwicklung hat, ist es dringend notwendig aufzuschlüsseln, wie die Kinder sich in einer laufenden Kita entwickeln können. Denn erst wenn klar wird, welche Möglichkeiten die Kinder in der Kita haben, können daraus Rückschlüsse gezogen werden, was passieren kann, wenn ihnen diese Möglichkeiten verwehrt werden. Es wird folglich auf die Kita als frühkindliche Bildungseinrichtung eingegangen und die Bedeutung von sozialen Kontakten erörtert. Dafür wird die Erzieher-Kind-Beziehung betrachtet und auf die Wichtigkeit von Peergroups und Freundschaften eingegangen. Abschließend werden die Formen und Möglichkeiten des kindlichen Spiels erarbeitet und der Zusammenhang zu den Entwicklungsbereichen erläutert.
Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik der Familie. Denn Aufgrund der Kitaschließungen und Kontaktverbote, verbringen die Kinder den ganzen Tag über Wochen mit ihren Familien. Der Begriff der Familie wird definiert und die grundlegenden Aufgaben dargestellt. Aufgrund dessen, dass die Kinder über Wochen ihre Freunde, Bezugspersonen oder andere soziale Kontakte nicht sehen können, ist es aufgrund der Eingangsthese wichtig auch darzustellen, welche Sozialisationsmöglichkeiten in der Familie bestehen. Hiernach werden die Lernerfahrungen innerhalb der Familie hinterfragt. Als soll herausgearbeitet werden, in wie weit es auch in Familien frühe Bildungsmöglichkeiten gibt. Im letzten Teil befasst sich das Fazit reflektierend mit den gesamten Ausführungen und wird konstruktiv auf die Fragestellung der Arbeit eingehen.
2.0 Corona Pandemie in Deutschland
2.1 Definition der Begriffe
Mit dem Ausbruch einer neuen Erkrankung in Deutschland finden sich auch neue Begrifflichkeiten, die fortan von der Gesellschaft in Zusammenhang mit dieser Erkrankung genutzt werden. Hierunter fallen das Covid-19 Virus, die Pandemie und der Lockdown, die seitdem zum täglichen Gebrauch gehören. Sinnvoll und für ein besseres Verständnis ist es, diese Begriffe zu definieren und zu entschlüsseln.
2.1.1 Definition Covid-19
,,Coronaviren (CoV) bilden eine große Familie von Viren, die Erkrankungen von einer normalen Erkältung bis zu schweren Krankheitsverläufen verursachen können. Ein neuartiges Coronavirus (nCoV) ist ein neuer Stamm des Virus, der bisher bei Menschen noch nicht identifiziert wurde. Das neue Virus erhielt später die Bezeichnung „COVID-19-Virus". (Weltgesundheitsorganisation 2020)
Bei dem Covid-19-Virus handelt es sich also um eine neuartige Viruserkrankung, welche in der Form noch nicht bekannt ist.
2.1.2 Definition Pandemie
„Eine Pandemie bezeichnet eine weltweite Epidemie. Eine Influenzapandemie wird durch ein neuartiges Influenzavirus verursacht, das in der Lage ist, schwere Erkrankungen hervorzurufen und sich gut von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Da dieser neue Erreger zuvor nicht oder sehr lange nicht in der menschlichen Bevölkerung vorgekommen ist, ist das Immunsystem nicht vorbereitet und daher auch nicht geschützt. Die Influenza-Pandemien des vergangenen Jahrhunderts gingen mit Erkrankungs- und Sterberaten einher, die übliche, auch schwere, Influenzawellen übertrafen. Die Weltgesundheitsorganisation weist darauf hin, dass auch ein pandemisches Virus, das bei gesunden Menschen überwiegend vergleichsweise milde Symptome verursacht, durch die hohe Zahl von Erkrankten in einem begrenzten Zeitraum die Gesundheitssysteme eines Staates überlasten könne, insbesondere in Entwicklungsländern".(Robert-Koch-lnstitut 2009)
Die Definition macht deutlich, wie ausschlaggebend und gefährlich eine Pandemie für jeden einzelnen Menschen, aber auch für die ganze Welt darstellt. Im Zuge dieser Definition wird bewusst, dass hier ein Vergleich beispielsweise zur Pest gezogen werden kann, was das Ausmaß und die Schwere einer Pandemie sicherlich noch mehr verdeutlicht. Die Bundesärztekammer geht in ihrer Definition noch konkreter auf die Auswirkungen einer Pandemie ein und bezieht auch die Gesellschaftlichen und Wirtschaftlichen Risiken mit ein.
„Eine Pandemie ist eine sich schnell weiterverbreitende, ganze Landstriche, Länder und Kontinente erfassende Krankheit. Sie bleibt also im Gegensatz zur Epidemie nicht regional begrenzt. Bei einer Influenzapandemie führt die fehlende Grundimmunität in der Bevölkerung zu einer erhöhten Zahl von schweren Erkrankungen und Toten. In einem realistischen Szenario muss mit einer etwa zehnfach höheren Zahl von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen gerechnet werden. Dies kann schnell die Funktionstüchtigkeit des Wirtschaftslebens und der öffentlichen Ordnung gefährden sowie zu einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen führen."(Bundesärztekammer o.J.)
Aus beiden Definitionen geht deutlich hervor, dass eine Pandemie eine Bedrohung für die
Gesundheit, aber auch die Grundsätzlichen Lebensbedingungen darstellen kann.
2.1.3 Definition Lockdown
Der Begriff Lockdown wird erstmalig im Frühjahr 2020 in der Gesellschaft und der Politik laut, im Zuge der Überlegungen zur Eindämmung des Virus. Lockdown ist ein Englischer Begriff, der im umgangssprachlichen Sinne so viel wie eine Ausgangssperre oder die Verriegelung von Bereichen oder Gebäuden meint (vgl. Bendel o.J). Die Einschränkungen, die so ein Begriff mit sich bringt, sind sicher für jeden Menschen enorm, denn eine Ausgangssperre stellt ein anderes Wort für eine Zwangsquarantäne im eigenen Zuhause dar. Aber der Begriff unterstreicht auch definitiv die Bedrohlichkeit der Lage und hat eine gewisse Aussagekraft.
2.2 Kontaktverbote und Kitaschließungen - Maßnahmen der Regierung
Wie bereits aus der Einleitung hervorgeht, tritt in Deutschland am 28.01.2020 der erste bestätigte Fall eines neuen Virus, dem sogenannten Corona-Virus oderauch Covid-19 Virus auf. Auf Grund der schnellen Deutschland- und Weltweiten Ausbreitung, erklärt die Weltgesundheitsorganisation am 11. März 2020 den Ausbruch des Covid-19 Virus offiziell zu einer Pandemie (vgl. Weltgesundheitsorganisation 2020). Diese Erklärung ist mit vielen Ängsten verbunden und stellt die ganze Welt vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Die Beschreibung der Bundesärztekammer im Kapitel 2.1.2. macht noch deutlicher, wie bedrohend solch ein Virus für jeden einzelnen, aber auch für die Gesellschaft ist und dass sich dadurch vor allem auch das öffentliche Leben einschneidend verändern kann. Die steigenden Infektionszahlen, aber auch die Erklärung zur Pandemie stellen die Politik vor schwierigen Aufgaben. Trotz vieler Hygienemaßnahmen und Empfehlungen, entscheidet sich die Politik zu drastischen Mitteln und beschließt, ab dem 16.03.2020 zu bundesweiten Kitaschließungen in Form eines Bundesweiten Lockdowns. Zudem erschließt die Regierung ein Maßnahmenpaket, bei dem neben den Kitaschließungen auch das soziale Leben weitestgehend heruntergefahren wird. Demnach sind Kinderspielplätze, Tierparks, Schwimmbäder und ähnliche Freizeitgestaltungen betroffen, ebenso wie Sportvereine (Presse und Informationsamt der Bundesregierung 2020). Kritisch betrachtet, können die Kinder ihre Freizeit nur noch im Familienverbund verbringen. Auch werden hiermit die Möglichkeiten außerhalb der Wohnung oder dem Haus stark eingeschränkt. Das heißt, die Familien müssen Alternativen zum Spielplatz suchen und auf andere Orte wie zum Beispiel den Wald zum Spielen zurückgreifen, wenn sie denn auch die entsprechenden Möglichkeiten dafür haben. Die Menschen, aber vor allem die Familien und Kinder stehen mit der Kitaschließung vor großen Herausforderungen, denn rund 57.600 Kitas und alleine 2.616.087 Kinder im Alter von 2-6 Jahren im ganzen Land sind von den Maßnahmen betroffen (vgl. Statistisches Bundesamt 2020). Darüber hinaus erlässt das Bundesland Nordrhein-Westfalen ab dem 23.03.2020 ein Kontaktverbot, dass Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit von maximal 2 Personen zulässt, sowie später sogar eine Pflicht zum Tragen eines Nasen-Mundschutzes einführt (vgl. die Landesregierung Nordrhein- Westfalen 2020). Auch wird zum Schutze der älteren Mitbürger empfohlen, die Großeltern nicht mehr zu besuchen, was aus zwei Perspektiven sicherlich problematisch erscheint. Zum einen bedeutet dies für die Kinder, ihre Bezugspersonen nicht mehr zu sehen und aus der Perspektive der Eltern eine alternative Betreuungsmöglichkeit zur Kitaschließung zu verlieren. Eine Situation, die zuvor schier undenkbar schien bestimmt das Leben in ganz Deutschland. Sind diese Maßnahmen für die Erwachsenen nachvollziehbar, aber nur schwer zu akzeptieren, stellt sich die Frage, wie die Kinder diese Einschränkungen verkraften. Denn die Kita ist für viele Kinder neben der Familie ein Lebensmittelpunkt geworden. Die Kinder verbringen täglich mehrere Stunden in der Kita, in der sie mit anderen Kindern spielen, toben und lernen. Mit den Schließungen dürfen die Kinder somit den Großteil ihrer Freunde und Bezugspersonen nicht mehr sehen. Die Möglichkeiten zum Malen, Basteln und Experimentieren in einem strukturierten und geschützten Raum, mit einer materiellen Vielfalt, stehen für einige Wochen nicht zur Verfügung. Auch in der Öffentlichkeit, nicht nurvon Seiten der Eltern, werden diese einschneidenden Maßnahmen vielfältig diskutiert und vor allem kritisiert. Die Ansätze dieser Diskussionen, werden im folgenden Kapital betrachtet.
2.3 Die Fachöffentlichkeit- Expertenmeinungen während der Kitaschließungen
Die Maßnahmen der Kontaktverbote und damit die einhergehenden Kitaschließungen haben das ganze Land bewegt. Neben verzweifelten Eltern, die neben der Betreuung ihrer Kinder auch noch ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer oder auch Arbeitgeber nachkommen sollen, herrschte in der Gesellschaft große Sorge um das Wohl der Kinder. Verschiedene Organisationen, Vereine, Pädagogen oder Psychologen schalten sich zu dem Thema ein, um ihre Bedenken mitzuteilen. Viele Experten zweifeln an der Kita Schließung und den Kontaktverbote. Stimmen werden in der Öffentlichkeit laut, die davor warnen, dass diese Krise nicht zu Lasten der Kinder gehen soll.
„ Bildung, Versorgung und Schutz von Kindern sind wegen der Ausgangsbeschränkungen unterschiedlich stark eingeschränkt. Existenzängste, räumliche Enge und fehlende Unterstützung im Alltag führen zu einem erhöhten Risiko häuslicher Gewalt - Kinder können dabei vermehrt zu Beobachtern und Opfern werden. Der Staat muss alles Nötige tun, damit die Corona -Krise nicht auch noch zu einer Krise für Kinder wird." (Krüger 2020)
Eine Grundlage dieser Diskussion bezieht sich über die Versorgung und Bildung hinaus, auf den Schutz von Kindern. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder vermehrt Opfer häuslicher Gewalt werden, da die Eltern gegebenenfalls überfordert sind und es keine Ausweichmöglichkeiten aufgrund der Einschränkungen gibt. Diese Befürchtung kann anhand einer Studie derTechnischen Universität München bestätigt werden. 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren wurden befragt. Mit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen wurden 9,2% der Kinder unter 10 Jahren das Opfer von häuslicher Gewalt (vgl. Statista 2020). Die Anzahl der Befragten ist sicherlich gering, allerdings ist die Anzahl der Kinder, die Opfer wurden recht hoch. Zu vermuten ist, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist. Darüber hinaus spricht der Psychologe Thilo Hartmann über die Gefahren von psychischem Stress, der auch schon bei kleinen Kindern durch Überforderung auftreten kann. Denn,, viele Kinder leiden unter der coronabedingten lsolationssituation"(Rbb24 2020), was sich auch schon bei Kitakindern durch verschiedene Verhaltensweisen und Symptome äußern kann. Nicht selten können Stresssymptome wie Schlafschwierigkeiten, Bauch- oder Kopfweh oder auch Anzeichen von aggressivem Verhalten beobachtet werden. Nach Hartmann reagieren Kinder als Symptomträger, die beispielsweise die Überforderung der Eltern und deren gestresstes Verhalten reflektieren. Er macht aber auch deutlich, dass Kinder deren Eltern mit solchen Ausnahmesituationen entspannt umgehen, für Kinder gut zu durchlaufen sind (vgl. Rbb24 2020). Die Psychologin Silvia Schneider bringt noch einen weiteren Aspekt ein, der weitestgehend Anklang in der Öffentlichkeit findet. Demzufolge unterstreicht sie die Bedeutung der Kontakte von Kindern untereinander und bezieht klar die Stellung, die Kitas schnellstmöglich zu öffnen, da die sozialen Kontakte zu anderen Kindern wichtige entwicklungspsychologische Prozesse antreibt (vgl. Spiegel 2020). Die Ansätze der Psychologin sind deutlich und beziehen sich recht allgemein auf die Auswirkungen der Kontaktverbote. Konkreter bezieht die Deutsche Liga für das Kind Stellung zu der Schließung und geht hier vor allem auf die Bedeutung der Kita für die Entwicklung der Kinder ein.
„Den Kindern fehlen Spielkameraden, eine anregungsreiche Umgebung und die Förderung durch pädagogische Fachkräfte. Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen sind für die frühe Bildung, Integration und Inklusion von zentraler Bedeutung. Kinder brauchen Kinder. Eltern können dies nicht ersetzen, zumal Spielplätze, Schwimmbäder, der Zoo etc. geschlossen sind. Schon in dieser Altersphase tut sich eine beträchtliche soziale Schere auf, die für Kinder im letzten Kita-Jahr fatal sein kann, wenn die Einschulung im Sommer zum Beispiel wegen mangelnder Sprachförderung fraglich wird." (Deutsche Liga für das Kind 2020).
Die deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. beschreibt die Kitaschließung und Kontaktverbote, als einen tiefen Einschlag in die Lebenswelt der Kinder. Diese Schließungen bedeuten den Entzug für wichtige Voraussetzungen einer gesunden körperlichen, psychischen und sozialen Entwicklung von Kindern. Darüber hinaus wird ein traumatischer Verlust von wichtigen Bindungspersonen beschrieben, was auf die plötzliche Kitaschließung zurückzuführen ist (vgl. Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. 2020). Ersichtlich wird, dass die Experten in großer Sorge um die Kinder sind, jedoch gibt es auch einige Experten, die diese Krise als Chance sehen. Eine Chance, um sich familiär wieder näher zu kommen und gegebenfalls die Eltern-Kind-Bindung zu vertieft. Viele Eltern genießen sogar die unverhoffte Familienzeit, was aus einer Forsa-Umfrage während der Kita-Schließung hervorgeht (vgl. Vergin 2020). Auch die Psychologin Sabina Pauen sieht eine Chance in der Krise für die Kinder, die Eltern und das Familiensystem. Demnach können die Kinder auch in der Familie wichtige Erfahrungen machen, die sie stärken. Denn diese Krise erzwingt ein neues und anderes Miteinander aufgrund der Schließungen, sodass die Kinder und Eltern ihr Zusammenleben neugestalten müssen. Vollziehen Eltern diese Neugestaltung zusammen mit den Kindern, lernen sie zum Beispiel selbst Lösungen zu finden (vgl. BR24 2020). Die Meinungen sind teilweise Konträr. Aus der öffentlichen Debatte um die Kitaschließung ist hervorgegangen, dass der Großteil der Gesellschaft die Kitaschließung und Kontaktverbote kritisch sieht und von weitausreichenden Folgen bei den Kindern ausgeht. Die Experten befürchten umfangreiche Auswirkungen in Form von häuslicher Gewalt an Kindern, zu schweren körperlichen, sozialen, emotionalen Schäden die bis zu schweren Stress-Traumata führen können. Ein geringer Teil der Experten, sieht für die Kinder und ihre Familien neben den Risiken für die kindliche Entwicklung auch eine große Chance um sich innerhalb der Familie wieder neu zu finden. 12 Wochen schließen insgesamt die Kitas. Am 08.06.2020 öffnen die Kitas für alle Kinder in einem eingeschränkten Regelbetrieb (vgl. die Landesregierung Nordrhein- Westfalen 2020). In wie fern sich so eine Ausnahmesituation auf die kindliche Entwicklung auswirken kann, ist von den Experten nur schwer vorauszusagen. Da es solch eine Situation bis dahin noch nicht gab und es keine Studien darübergibt, ist es sinnvoll sich die einzelnen Komponenten der Entwicklung und der Entwicklungsmöglichkeiten in den einzelnen Institutionen zu betrachten, um daraus Rückschlüsse zu ziehen und ein Fazit aus ziehen zu können.
3. Einführung in die kindliche Entwicklung
Das Kind, dessen Entwicklung vom ersten Tag und die daraus resultierenden Möglichkeiten für den weiteren Lebenslauf, beschäftigt verschiedene Wissenschaften wie Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaften aber auch Gesundheitswissenschaften (vgl. Andresen & Hurrelmann 2010: S. 8). So hat die kindliche Entwicklung in den letzten Jahrzenten in der deutschen Gesellschaft deutlich an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Der Blick auf das Kind ist heutzutage umfangreicher denn je, denn neben den oben genannten Wissenschaften, existieren etwaige Institutionen und Experten, die das Kind bei seiner Entwicklung beobachten und begleiten. Die wohl bekannteste Methode in Deutschland zur Überwachung des Entwicklungsverlaufs von Kindern findet vom ersten Tag der Geburt statt, mit den sogenannten Vorsorgeuntersuchungen, die in regelmäßigen Abständen von Kinderärzten durchgeführt und in einem Untersuchungsheft dokumentiert werden. Des Weiteren obliegt den Kitas durch das Kinderbildungsgesetz, welches erstmalig am 01.08.2008 in Kraft getreten ist, die gesetzliche Pflicht, durch regelmäßige Beobachtungen und Dokumentationen den Entwicklungsverlauf einzelner Entwicklungsbereiche des Kindes festzuhalten (vgl. die Landesregierung NordrheinWestfalen 2010). Die einzelnen Bereiche sind bei jedem Kind beziehungsweise Menschen gleich und können in eine Vielzahl kleinerer Teilbereiche unterteilt werden. Der ausgeprägteste Entwicklungsbereich ist der, der körperlichen Entwicklung, welcher eng mit der Grob und Feinmotorik verbunden ist. Ein bedeutender Entwicklungsbereich ist die kognitive Entwicklung, welche eine Vielzahl von kleineren Teilbereichen enthält wie zum Beispiel die Gedächtnisentwicklung. Weitere Teilaspekte der kognitiven Entwicklung werden im Kapital 3.4.1 grundlegend erläutert. Ebenso von großer Wichtigkeit sind die Bereiche der emotionalen und sozialen Entwicklung, welche für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft unerlässlich sind (vgl. Wagner et. al. 2014: S. 62). Die Grundlagen der emotionalen und sozialen Entwicklung werden im Kapitel 3.4.2 und 3.4.3 näher erläutert. Nach heutigen Erkenntnissen wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung von Kindern nicht mehr ganzheitlich verläuft, sondern sich die einzelnen Entwicklungsbereiche aufgrund abweichender Verläufe voneinander abheben lassen (vgl. Lohaus & Vierhaus 2019. S: 8). Vor allem in den ersten Lebensjahren verändert sich das Kind, sein Verhalten und seine Persönlichkeit so schnell wie zu keiner anderen Zeit und vor allem hier werden die unterschiedlichen Verläufe sichtbar. So ist es gut möglich, dass sich ein Kind motorisch sehr schnell entwickelt und bereits früh das Laufen erlernt, dafür verläuft seine sprachliche Entwicklung verzögert und die ersten Worte werden verhältnismäßig spät gesprochen. Neben den verschiedenen Entwicklungsbereichen wird in der Entwicklungspsychologie die kindliche Entwicklung in einzelne Altersabschnitte unterteilt. Hierbei wird zwischen der frühen, der mittleren und der späten Kindheit, sowie dem Jugendalter unterschieden. Eine klare und offizielle Definition und Altersbegrenzung der einzelnen Phasen gibt es dafür nicht. So findet sich in der Literatur der Begriff der frühen Kindheit unter der Altersspanne von 3-6 Jahren (vgl. Schneider & Lindenberg 2018 S. 191) oder auch für die Altersstufe 1-3 Jahren (vgl. Wicke 2015 S. 23). Obwohl für diese Altersphasen keine einheitlichen Begrifflichkeiten in der Entwicklungspsychologie existieren, gibt es für die frühkindliche Erziehung und Bildung eine klare Abgrenzung des Alters. So bezieht sich der Begriff der frühkindlichen Erziehung und Bildung auf das Kind bis zum Eintritt in die Grundschule (vgl. Dreyer, o.J.). Zur Einheitlichkeit aber auch zum besseren Verständnis wird sich in der folgenden Arbeit der Begriff der frühen Kindheit auf das Alter von 2-6 Jährigen beziehen, da sich auch im weiteren Verlauf auf die Kita als Bildungsstätte bezogen wird. Um noch konkreter auf die kindliche Entwicklung, den Verlauf aber auch die Einflüsse eingehen zu können, wird im Kapitel 3.1 der Begriff der Entwicklung definiert.
3.1 Definition Entwicklung
Die Vorstellung davon was Entwicklung bedeutet und wie sie abläuft hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, welche sich in den Definitionen vergangener Literatur von Remplein 1944 und K. Bühler 1918 zeigt.,, Entwicklung ist die unter Einwirkung äußerer Faktoren erfolgende Entfaltung von Anlagen, wobei die Entfaltung nach einer inneren Gesetzmäßigkeit erfolgt und den äußeren Faktoren die Bedeutung der Auslösung zukommt." ( Schenk-Danzinger 1991: S 31) „Zum Begriff der Entwicklung im ursprünglichen und engen Sinne des Wortes gehört zweierlei: nämlich Anlage im Ausgangszustand und ein Plan, eine Zielrichtung des Werdens"( Schenk-Danziger 1991: S 31). In diesen beiden Definitionen wird deutlich, dass der Ursprungsgedanken von Entwicklung im Zusammenhang mit Einflüssen und Anlagen betrachtet wird. Auf den zeitlichen Aspekt wird hierbei noch kein Bezug genommen, obwohl gerade dieser eine wichtige Bedeutung hat, denn Entwicklung verläuft über eine zeitliche Abfolge, die von verschiedenen Einflüssen angeregt wird (vgl. Haug-Schnabel & Bensel 2005 : S 10). So wird vor allem in jüngeren Definitionen auf die zeitliche Thematik hingewiesen.
„In der Fachliteratur wird unter Entwicklung ein lebenslanger Prozess verstanden, der sich auf relativ überdauernde individuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens über die gesamte Lebensspanne bezieht. Entwicklung bedeutet nicht nur quantitative zunahmen (z.B. Zuwachs von Wissen), sondern auch qualitative Veränderung (z.B. Piagets Theorie der Denkentwicklung)" (Metzinger 2018: S 10).
Aus der Definition geht deutlich hervor, dass sich ein Mensch ein Leben lang auf verschiedene Arten verändern und lernen kann. Zudem wird ein weiterer wichtiger Aspekt der Entwicklung genannt, die quantitative und qualitative Veränderung. Die oben genannten Definitionen beschreiben die allgemeine Entwicklung von Menschen jeden Alters. Grundsätzlich werden die größten Entwicklungsprozesse aber in der Kindheit vollzogen. In keiner anderen Zeit lernt der Mensch so viel dazu, wie in der Kindheit, denn Kinder lernen fast täglich neue Fähigkeiten und Fertigkeiten. So definiert der moderne Entwicklungsbegriff nicht die Entwicklung des Menschen im Allgemeinen, sondern bezieht sich auf die Entwicklung von Kindern.,, Der moderne Entwicklungsbegriff bezeichnet die Entwicklung des Kindes als geordnete und nachhaltige Veränderung, die vorwärts- und rückwärts gerichtet, qualitativ und quantitativ, universell und interindividuell unterschiedlich sein kann" (Schwarzer & Jovanovic 2015 : S 16). Der moderne Entwicklungsbegriff beschreibt somit jedes Kind als Individuum und einer individuell verlaufenden Entwicklung. Zusammenfassend beschreiben alle Definitionen Entwicklung als einen zeitlichen Prozess, der von Einflüssen angestoßen werden kann, und zu einer nachhaltigen Veränderung führt. Über Jahre hinweg galt in der Entwicklungspsychologie die Annahme, dass die kindliche Entwicklung in Stufen oder auch Phasen verlaufe, welche auf ein Entwicklungsmodell oder auch Stufenmodell des bekannten Entwicklungspsychologe Jean Piagets beruhte. In der modernen Entwicklungspsychologie hingegen wird mittlerweile der Auffassung nachgegangen, dass die Entwicklung nicht in festen Stufen, sondern kontinuierlich und nicht einheitlich verläuft (vgl. Wagner et. al. 2014: S. 62). Welche Einflüsse wie auf die kindliche Entwicklung einwirken, wird im nachfolgenden Kapitel näher betrachtet.
3.2 Der Einfluss von Umwelt und Anlagen auf die kindliche Entwicklung
Im Fokus der kindlichen Entwicklung stehen immer wieder die Fragen nach dem „wie" oder „was". Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und die Kita-Schließungen wird der Einfluss von der Umwelt des Kindes und seinen Anlagen diskutiert. Eine elementare Thematik für Entwicklungspsychologen, die eine zentrale Bedeutung für die kindliche Entwicklung darstellt, beschreibt das Anlagen-Umwelt-Verhältnis. Hierbei geht es um die Frage, ob Entwicklungsprozesse bei Kindern durch Einflüsse von sogenannten Anlagen oder der Umwelt gesteuert werden können. Unter Anlagen eines Kindes wird die angeborene, biologische, Prädisposition verstanden, die Eltern ihren leiblichen Kindern als Erbanlagen weitergeben (vgl. Kray 2019: S. 15). So können verschiedene Merkmale, wie die Größe, Augen- oder Haarfarbe aber auch die Intelligenz oder Persönlichkeitsfaktoren durch festgelegte Genstrukturen vererbt werden (vgl. Boeger, o.J. S: 14).,, Unter Erblichkeit versteht man den Anteil an der Gesamtvarianz eines beobachteten Merkmals (z.B. der Intelligenz) in einer Population, die auf Anlageunterschiede in dieser Population zurückzuführen ist." (Kray 2019: S. 16) So kann davon ausgegangen werden, dass Kinder, deren Eltern einen überdurchschnittlichen IQ haben, ebenfalls eine hohe Intelligenz aufzuweisen haben. So wird ein Maß für die Erblichkeit als Erblichkeitskoeffizient beschrieben, welches sich auch im Laufe des Lebens ändern kann (vgl. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik o.J). In der frühen Kindheit liegt die Erblichkeitskoeffizient bei gerade mal 20% und nimmt in der mittleren Kindheit und der Jugend bis zu 50% zu. Der Höhepunkt wird erst im Erwachsenenalter mit 80% erreicht und sinkt im hohen Alter auf 60% (vgl. Kray 2019: S 16). Dem gegenüber steht die Wirkung der Umwelt auf die Entwicklungsprozesse bei Kindern. Unter Umwelteinflüsse wird das gesamte Spektrum des materiellen und sozialen Umfeldes, wie dem eigenen Zuhause, der Kita oder Interessensgemeinschaften verstanden (vgl. Siegler et al. 2016: S. 8). Der Frage, ob Entwicklungsprozesse nun von innen gesteuert und somit endogen oder als außengesteuert und exogen zu verstehen sind (vgl. Lohaus & Vierhaus 2019: S 10), wird sich heutzutage von Wissenschaftlern und Entwicklungspsychologen nicht mehr gestellt, da davon auszugehen ist, dass sowohl die Anlagen als auch die Umwelt in Wechselwirkung zueinander stehen und die Entwicklung eines Kindes im selben Maße beeinflusst (vgl. Höhl & Weigelt 2015: S. 24). Das bedeutet, dass im Hinblick auf die obige Feststellung Kinder mit vererbter hoher Intelligenz auf Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel einen Kindergarten mit entsprechendem Fördermaterial angewiesen sind, um diese Intelligenz entfalten und entwickeln zu können. Aus dieser Korrelation zwischen Erbanlagen und der Umwelt können drei Formen unterschieden werden, die das Wechselspiel von Genen und der Umwelt in einem Modell beschreibt. Hieraus entsteht der Begriff der Genotyp-Umwelt-Kovariation (vgl. Höhl & Weigelt 2015: S. 24).
1. Die passive Genotyp-Umwelt-Kovariation beruht darauf, dass Eltern ihren Kindern nicht nur 50% der Gene vererben, sondern auch die Umwelt des Kindes bestimmen. So schaffen sich Eltern eine Lebensumwelt in Form von Angeboten oder Ressourcen, die zur Entfaltung ihrer eigenen Anlagen passt. Die Kinder werden in eine Umwelt hineingeboren, ohne sich aktiv daran zu beteiligen, die bis zu einem gewissen Maße mit ihren Erbanlagen übereinstimmen. So wird ein Vater, der talentiert Fußball spielt, sicherlich sein Zuhause und seine Zeit auf den Fußball ausrichten und wird seinem Kind sehr früh einen Fußball schenken und mit ihm zusammen zum Fußball gehen (vgl. Pinquart, Schwarzer & Zimmermann 2019: S.29). Daraus geht hervor, dass die Eltern aufgrund ihrer geschaffenen Lebenswelt einen großen Einfluss auf ihre Kinder haben, und diese aufgrund ihres passiven Verhaltens noch in ihrer Entwicklung lenken können.
2. Die evokative oder reaktive Genotyp-Umwelt-Kovariation beschreibt ein von Kindern bestimmtes Verhalten, welches aufgrund ihrer Erbanlagen gezeigt wird, auf welches das soziale Umfeld reagiert und es die Umweltbedingungen an die Erbanlagen des Kindes anpasst (vgl. Pinquart, Schwarz & Zimmermann 2019: S. 30). Beobachten Eltern bei ihrem Kind ein reges Interesse und Talent einen Ball zu schießen, so werden die Eltern dies sicher unterstützen und dem Kind Fußbälle kaufen oder es in einem Verein anmelden. Hier zeigt sich im Gegensatz zur passiven-Genotyp-Umwelt-Kovariation, dass die Erbanlagen die Umwelt beeinflussen können.
3. Unter der aktiven Genotyp-Umwelt-Kovariation wird verstanden, dass das Individuum sich Anregungen aus seiner Umwelt auswählt, die zu seinen Erbanlagen passfähig sind (vgl. Rothgang & Bach 2015 :S. 122). So wird ein Kind, dessen Interesse und Talent vom Fußballspielen geprägt ist, sicherlich aktiv seine Eltern oder andere Bezugspersonen auf den Wunsch nach einem Fußball oder der Teilnahme an einem Verein, aufmerksam machen. Somit kann das Kind seine Umwelt aktiv gestalten und beeinflussen, wodurch es auch seine Entwicklung aktiv selbst mitbestimmen kann. Alle drei Formen sind von immenser Wichtigkeit für die Entwicklung, jedoch erfordern sie auch Maßnahmen, die es dem Individuum ermöglichen sich entfalten zu können. Hierzu gehören neben genügend Spielräumen auch materielle und finanzielle Aspekte, wie zum Beispiel der Beitritt in einen Fußballverein (vgl. Pinquart, Schwarzer & Zimmermann 2019: S. 30). Die einzelnen Formen können sich im Laufe der Zeit verschieben, so ist es naheliegend, dass vor allem die passive Genotyp-Umwelt-Kovariation immer mehr abnimmt, wonach es zu der evokativen und zuletzt der aktiven Genotyp-Umwelt-Kovariation kommt. So wollen Kinder mit zunehmendem Alter und zumeist ab der Kindergartenzeit ihre Umwelt aktiv mitgestalten, indem sie sich mit ihren Wünschen, Ideen oder Vorlieben einbringen (vgl. Höhl & Weigelt 2015: S. 25). Die Erkenntnis über das Verhältnis von Anlage und Umwelt hat eine immense Bedeutung für die pädagogische Erziehungsarbeit. Denn es zeigt, welch großen Einfluss das Umfeld und hier voraus die Eltern im Hinblick auf die Entwicklung ihrer Kinder haben, durch ihreigenes Verhalten aberauch die aktive Mitgestaltung der Umwelt innerhalb der Familie. Zudem zeigt es auch, wie wichtig neben dem Elternhaus die Kita oder Schule als Bildungsort ist. Dort kann das Kind in der aktiven Genotyp- Umwelt - Kovariation seine Vorlieben und Wünsche äußern und hiermit aktiv sein Umfeld gestalten, denn vor allem in Kitas haben die Kinder eine Vielzahl von Möglichkeiten sich auszuprobieren und sich und ihre Anlagen zu entfalten.
3.3 Bedürfnisse - Das Fundament der kindlichen Entwicklung
Wie die kindliche Entwicklung verläuft, wird in Kapitel 3.1 mithilfe einiger Definitionen umfangreich erläutert. Des Weiteren wird im Kapitel 3.2 deutlich, dass die kindliche Entwicklung aufgrund verschiedener Faktoren wie den Erbanlagen, aber auch der Umwelt beeinflussbar und lenkbar ist. Darüber hinaus gilt es noch zu klären, was Kinder grundsätzlich benötigen oder sich wünschen, um sich gesund entwickeln zu können. Obwohl sich jedes Kind anders entwickelt, haben alle Kinder die gleichen Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt, damit sie sich seelisch, geistig und körperlich gut entwickeln können und ihrem Alter und Potenzial entsprechende Fähig- und Fertigkeiten ausbauen können (vgl. Pro Familia o.J.). Der Begriff „Bedürfnis" ist vor allem in verschiedenen Wissenschaften wie der Pädagogik, der Soziologie aber auch der Erziehungswissenschaft allgegenwärtig und die Bedeutung variiert auch innerhalb dieser wissenschaftlichen Disziplinen sehr stark. Dennoch lassen sich inhaltliche Gemeinsamkeiten finden, sodass ein Bedürfnis auf einen Mangelzustand eines biologischen Organismus zurückzuführen ist, der ein bestimmtes Verhalten auslöst, um den Mangelzustand zu beseitigen (vgl. Büttner & Kladzinski 2004). Eine positivere Erläuterung beschreibt, dass jeder Mensch undjedes Kind Bedürfnisse hat, die eine Antriebsfunktion für Handlungen haben, um ein Ziel zu erreichen, welches dem Handelnden als ansprechend oder förderlich erscheint (vgl. Metzinger 2018: S. 91). Können Erwachsene ihre Bedürfnisse noch selbst befriedigen, benötigen Kinder oftmals Hilfe und Unterstützung von erwachsenen Bezugspersonen (vgl. pro Familia o.J). Zudem können Erwachsene im Gegensatz zu Kindern ihre Bedürfnisse für einen gewissen Zeitraum problemlos aufschieben. Grundsätzlich hat jeder Mensch, ob Kind oder Erwachsener, dieselben Bedürfnisse, welche in primär und sekundär unterschieden werden. Als primär werden angeborene Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Schlaf als Ausgangspunkt der Entwicklung beschrieben, welche das gesamte Leben andauern. Vor allem im Säuglingsund Kleinkindalter entstehen Mangelsituationen, die auf eine sofortige Befriedigung ausgerichtet ist. Denn vor allem körperliche Bedürfnisse wie Hunger oder Durst können Säuglinge oder Kleinkinder nicht einfach aufschieben und zurückhalten. Ein Säugling welcher Hunger verspürt, wird in seinem Verhalten etwas unruhiger und beginnt, sollte er nicht zeitnah Essen bekommen, innerhalb weniger Minuten zu schreien und zu weinen, bis ihm sein Bedürfnis befriedigt wird. Die Befriedigung dieser biologischen Bedürfnisse führt bei Kindern zu einem entspannten Wohlbefinden und zur Zufriedenheit (vgl. Metzinger 2018: S. 91). Das Aufschieben oder zurückhalten einzelner Bedürfnisse gelingt mit zunehmendem Alter immer mehr, so schaffen es Kinder in der Kita auch für eine gewisse Zeit auf das Mittagessen warten zu können. Säuglinge und Kleinkinder sind auf die Unterstützung von anderen Personen angewiesen, ihre primären Bedürfnisse zu befriedigen. Sie erfahren so, dass verschiedene Personen und Objekte aus seiner Umwelt, auf unterschiedliche Weise ihre Bedürfnisse befriedigen können. Hieraus lernen Kinder, bei Bedarf die Personen und Objekte aufzusuchen, die ihnen helfen das Bedürfnis zu stillen. Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern bildet die Mutter den Bezugspunkt für die Befriedigung der Bedürfnisse, da meist die Mutter sich in den ersten Lebensjahren um die Erziehung und die Betreuung des Kindes kümmert. Mit zunehmendem Alter und Selbstständigkeit lernen Kinder im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr ihre Bedürfnisse eigenständig und ohne Unterstützung zu befriedigen, womit sich die Mutterbindung dann auch lockert. Im Gegensatz zu den primären Bedürfnissen, welche bei jedem Menschen angeboren sind, verstärken sich sekundäre Bedürfnisse im Laufe der Entwicklung in Verbindung mit einem primären Bedürfnis. Unter Umständen werden sie auch von anderen kopiert. Aufgrund der Anstrengung und der Auseinandersetzung der Kinder mit ihrer Umwelt entsteht der eigene Wille nach Selbstständigkeit. Das Bedürfnis nach Autonomie entspringt, da die Kinder die Umweltbewältigung selbst in die Hand nehmen möchten. Resultierend der Erweiterung der Selbstständigkeit und der kindlichen Erfahrungen entwickelt sich das Bedürfnis nach Kontaktaufnahme von Gleichaltrigen. Ergänzend zu den primären und sekundären Bedürfnissen, können diese auch in 3 Bereiche unterteilt werden, die sich auf die körperlichen, geistigen und seelischen Eigenschaften eines Kindes beziehen (vgl. Metzinger 2018: S. 91).
„körperliche Bedürfnisse: Bewegung, gesunde und ausreichende Nahrung, Schlaf, Pflege, Kleidung, Wärme
Sozial-emotionale Bedürfnisse: tragfähige Beziehung zu Bezugspersonen, Sicherheit und Schutz, Geborgenheit, Zugehörigkeit, Anerkennung, Verständnis, Kontakt zu Gleichaltrigen
Kognitive-kreative Bedürfnisse: Anregung, Spiel, Leistung, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Neugier " (Metzinger 2018: S.91). Die Thematik der menschlichen Bedürfnisse beschäftigt nicht nur Erziehungs- und Entwicklungswissenschaftler, sondern geht weit uber diese wissenschaftlichen Disziplinen hinaus.
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1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung personenspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl fürjedes Geschlecht.
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