Die erste Begegnung mit der neuen Ästhetik als einer Wissenschaft des sinnenhaften Erkennens verdeutlicht, dass sie mit der tradierten Sichtweise auf das bisher als ästhetisch-schön Verstandene in Kunst und Architektur bricht. Sie erweitert die Perspektive um die sinnliche Wahrnehmung der Dinge und ihr Fluidum, ihre Atmosphäre.
Das sinnenhafte Erkennen ermöglicht eine Ausweitung der logischen und pragmatischen Betrachtungsweise des Realen auf eine sinnliche und leibliche Wahrnehmung der Wirklichkeit. In ihrer phänomenologischen Sichtweise geht die neue Ästhetik der Frage nach, wie Atmosphären erzeugt und leiblich gespürt werden können, wie und wo eine ästhetische Praxis demzufolge berücksichtigt werden kann, und was dabei unter einem Zuviel an Ästhetik, einer Anästhetik, verstanden wird.
Zu Beginn der vorliegenden Hausarbeit werden diese theoretischen Leitfragen mit den Autoren Welsch und Böhme erarbeitet, um eine theoretische Grundlegung zu erreichen.
Die theoretische Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen dient der Ausei-nandersetzung mit den Fragen nach der Beschreibung, des Charakters und der Entstehung von Atmosphären auf Intensivstationen, denen vor dem Hintergrund meiner langjährigen Tätigkeit als Intensivfachkrankenschwester schon lange mein Interesse gilt.
Die Hausarbeit dient als ein erster Versuch, die hochkomplexe und metatheoretische Betrachtungsweise der Atmosphären in der neuen Ästhetik auf das Handlungsfeld der Intensivpflege zu übertragen, sie mit den Vokabeln der neuen Ästhetik zu beschreiben und die Perspektive auf diese Thematik hin auszudehnen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Ästhetik
2.1 Ästhetik, Aisthetik und das aisthetische Denken
2.2 Umschlagen von Ästhetisierung in Anästhetisierung
2.3 Anästhetisierung in einer technischen Welt
2.4 Ästhetische Versöhnungsperspektiven
3 Ästhetisches Denken und Wahrnehmen
3.1 Die Wahrnehmungsweisen des Menschen
3.2 Die Wahrnehmung von Atmosphären
3.3 Ingressions- oder Diskrepanzerfahrung
4 Atmosphäre in der neuen Ästhetik
4.1 Atmosphäre und atmosphärisch
4.2 Charaktere der Atmosphären
4.3 Exkurs Synästhesien
4.4 Erzeugung von Atmosphären durch Ekstasen der Dinge
4.5 Das Leibliche Spüren von Atmosphären
5 Atmosphäre Intensivstation
5.1 Raumatmosphäre
5.2 Das Spezifische der Atmosphäre
5.3 Erzeugung von Atmosphäre durch das Personal
5.4 Wahrnehmung der Umgebungsqualität
5.5 Geräusche spüren und hören
5.6 Ästhetisierung und Harmonisierung des Raumes
6 Diskussion und Ausblick der ästhetischen Praxis
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die erste Begegnung mit der neuen Ästhetik als einer Wissenschaft des sinnenhaften Erkennens verdeutlicht, dass sie mit der tradierten Sichtweise auf das bisher als ästhetisch-schön Verstandene in Kunst und Architektur bricht. Sie erweitert die Perspektive um die sinnliche Wahrnehmung der Dinge und ihr Fluidum, ihre Atmosphäre.
Das sinnenhafte Erkennen ermöglicht eine Ausweitung der logischen und pragmatischen Betrachtungsweise des Realen auf eine sinnliche und leibliche Wahrnehmung der Wirklichkeit. In ihrer phänomenologischen Sichtweise geht die neue Ästhetik der Frage nach, wie Atmosphären erzeugt und leiblich gespürt werden können, wie und wo eine ästhetische Praxis demzufolge berücksichtigt werden kann, und was dabei unter einem Zuviel an Ästhetik, einer Anästhetik, verstanden wird.
Zu Beginn der vorliegenden Hausarbeit werden diese theoretischen Leitfragen mit den Autoren Welsch und Böhme erarbeitet, um eine theoretische Grundlegung zu erreichen.
Die theoretische Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen dient der Auseinandersetzung mit den Fragen nach der Beschreibung, des Charakters und der Entstehung von Atmosphären auf Intensivstationen, denen vor dem Hintergrund meiner langjährigen Tätigkeit als Intensivfachkrankenschwester schon lange mein Interesse gilt.
Die Hausarbeit dient als ein erster Versuch, die hochkomplexe und metatheoretische Betrachtungsweise der Atmosphären in der neuen Ästhetik auf das Handlungsfeld der Intensivpflege zu übertragen, sie mit den Vokabeln der neuen Ästhetik zu beschreiben und die Perspektive auf diese Thematik hin auszudehnen.
2 Die Ästhetik
Was ist unter dem Begriff der Ästhetik zu verstehen?
Die Begriffe Ästhetik und „ästhetisch“ werden in vielfacher Hinsicht verwendet, um das Sinnliche, Poetische oder Künstlerische, sowie das Lustvolle und Scheinhafte zu beschreiben. Auch wenn diese Worte eine semantische Familienähnlichkeit aufweisen, haben sie unterschiedliche Bedeutungen und Herleitungen. Die Ästhetik kann mit der Kunst in Verbindung gebracht werden, was aber nicht der alleinige und ursprüngliche Bezugspunkt des Ästhetischen ist (vgl. Welsch 1996, S. 23 f. u. S. 65).
Der Begriff Ästhetik wurde um 1735 von Baumgarten[1] als eine philosophische Disziplin geprägt, die ein Wissen vom Sinnenhaften anstrebte. Er bezeichnete die Ästhetik als die „Wissenschaft vom sinnenhaften Erkennen“, die primär nicht mit der Kunst in Verbindung zu bringen sei, sondern ein Zweig der philosophischen Erkenntnistheorie darstellt und somit als Gegenpol zur klaren und deutlichen Erkenntnis des Rationalismus nach Descartes fungiert (vgl. Welsch 1996, S. 22). Die Ästhetik sollte nicht in einer Vervollkommnung der analytischen Erkenntnis durch die Bereicherung der sinnlichen Wahrnehmungen und einer Umwandlung der Verstandeserkenntnis[2], sondern ganz und gar der sinnlichen Erkenntnis des Menschen dienen (vgl. Böhme 2001, S. 11 f. u. S. 15).
Baumgarten bezeichnete die Ästhetik als „episteme aisthetike“[3]. Die Ästhetik, als Wissenschaft vom Sinnhaften, beinhaltete für ihn die „sinnliche Erkenntnis“. Später fügte er diesem Begriff auch „das schöne Denken“ hinzu. Die Ästhetik sollte der Logik zur Hilfe kommen und somit der sinnlichen Erkenntnis zur Vollkommenheit verhelfen. Baumgarten sprach hier auch von der Schönheit einer Erkenntnis[4] und nicht nur von der Schönheit der Gegenstände. Später wurde die Ästhetik zunehmend reduziert und lediglich mit der Kunst[5] und dem Schönen in Verbindung gebracht (vgl. Welsch 2003, S. 9 f. u. Böhme 2001, S. 12 f.).
Welsch holt die Ästhetik aus diesem eingeschränkten Blickwinkel der Kunst und des Schönen und rekultiviert die Ästhetik wieder als Aisthetik. Er versteht die Ästhetik als Wahrnehmung aller Art, sei es nun sinnenhaft oder geistig, sei es eine Wahrnehmung im alltäglichen und lebensweltlichen oder im künstlerischen Bereich (vgl. Welsch 2003, S. 9 f.).
2.1 Ästhetik, Aisthetik und das aisthetische Denken
Die Ästhetik als Wahrnehmen und die kultivierte Einstellung zum Sinnenhaften wird auch als Aisthetik bezeichnet. Das ästhetische Denken wird mit dem Bezug zur Aisthetik als ein aisthetisches Denken bezeichnet und verleiht ihr dadurch besonderen Ausdruck und Gewicht (vgl. Welsch 2003, S. 109 u. Welsch 1996, S. 25 f. u. S. 65).
Ästhetik als Aisthetik wird als allgemeine Wahrnehmungslehre bezeichnet. Die Aisthetik berücksichtigt in ihrer Lehre viele Erkenntnisse, die die Wahrnehmung des Menschen beeinflussen und leiten. Wahrnehmungen und Wahrnehmungserfahrungen können unterschiedlich ausfallen. Sie werden maßgeblich durch soziokulturelle und lebensgeschichtliche Erfahrungen des Einzelnen ausgeprägt. Sie werden auch durch das Vorverständnis einer Person und ihren Denkstil geprägt. So kann in cartesianischer Manier mit dem Leib-Seele-Dualismus die Wahrnehmung auf den Köper eines Menschen beschränkt oder auf der Basis eines humanistischen Denkstils auf den Leib gerichtet sein (vgl. Böhme 2001, S. 29 f. u. S. 32).
In der Aisthetik finden nun besonders der humanistische Denkstil und die Sicht auf die menschliche Leiblichkeit ihren Platz. „Es geht also um die Frage, wie wir die Qualität von Umgebungen am eigenen Leibe spüren. Wahrnehmen ist also als Befindlichkeit zu konzipieren im Sinne von Spüren, in welcher Umgebung man sich befindet.“ (Böhme 2001, S. 31)
Die Aisthetik setzt besonders des Menschen leibliches Spüren und seine affektive Betroffenheit von einem Gegenstand in den Mittelpunkt der Wahrnehmung einer Atmosphäre. In der Aisthetik wird die Beziehung von Umgebungsqualitäten besonders zur leiblichen Befindlichkeit gesetzt. Mit diesem aisthetischem Denken wirken eine andere Erschließungskraft und eine andere Orientierung für diese Welt und Wirklichkeit (vgl. Böhme 2001, S. 31).
Neben der gegenstands- und erkenntnisbezogenen objektiven Wahrnehmung wird die subjektive und gefühlvolle Wahrnehmung betont. Dieses Wahrnehmen kann aber nicht nur ein schönes und harmonisches Wahrnehmen von Ästhetischem, ein angenehmes leibliches Spüren sein. Die Aisthetik benennt auch die Grenzen der Ästhetik mit einem schmerzlichen Überschreiten des Ästhetischen in ein Anästhetisches. Die Aisthetik und das aisthetische Denken verlassen somit das reine Schönheitsprimat der alten Ästhetik und weisen darauf hin, dass sich hinter dem Schönen auch Stumpfheit und Bedrohung verbergen können (vgl. Welsch 2003, S. 109-113).
2.2 Umschlagen von Ästhetisierung in Anästhetisierung
Die Kehrseite der Ästhetik ist die Anästhetik. In der Ästhetik werden Empfinden und Empfindungsfähigkeit gestärkt. Die Anästhetik bewirkt eine Empfindungslosigkeit auf allen Ebenen, es kommt zu Verlust, Unterbindung sogar Unvermögen zur Sensibilität, quasi zu geistiger Blindheit und physischer Stumpfheit (vgl. Welsch 2003, S.10).
„Je mehr Ästhetik, desto mehr Anästhetik.“ (Welsch 2003, S. 16)
Die Folge einer immensen Ästhetisierung kann ein Umschlagen in eine An-Ästhetisierung sein. Diese Inszenierung wirkt plötzlich fad und eintönig. „Wo alles schön wird, ist nichts mehr schön, Dauererregungen führen zu Abstumpfungen.“ (Welsch 1996, S. 208) Welsch beschreibt dies mit dem Versuch, extravagante Einkaufszentren in Städten zu bauen, die eine den Konsum fördernde Stimmungslage erzeugen sollen, aber bei genauer Betrachtung ausgesprochen leer und nicht einladend wirken. Der Mensch wird für ästhetische Fakten, der Betrachtung von schönen Details der Umwelt und dem Umfeld mit Anästhetisierung desensibilisiert. Somit werden eventuell auch gesellschaftliche Kehrseiten durch eine soziale Anästhetisierung nicht mehr gesehen. Eine Anästhetisierung kann über einen engen ästhetischen Bereich hinaus reichen. Durch mediale Bilderflut werden die Menschen zunehmend kontakt- und gefühlloser gegenüber der eigentlichen Wirklichkeit. Dies kann als Anästhetisierung gegenüber der Realität verstanden werden (vgl. Welsch 2003, S. 13-16).
Die Ästhetik kennt ihre Kehrseite, die Anästhetik. Der Mensch soll durch ihre Kenntnis für das Umschlagen der Ästhetisierung in Anästhesierung sensibilisiert werden und auf die Kehrseite dieser Prozesse kritisch reagieren können. Die Ästhetik richtet ihr Augenmerk auch auf diese blinden Flecken (vgl. Welsch 2003, S. 67 f. u. S. 150 f.).
Die Anästhetik ist jedoch nicht einfach als ein Hyperphänomen und hyperästhetisches Szenario, als negativer Pol der Ästhetik zu betrachten. Diese Dichotomie wäre zu einfach. Die Anästhetik meint besonders die Anästhesie, das Ausschalten der Empfindungsfähigkeit des Realen. Welsch bringt dazu das medizinische Beispiel der Anästhesie. Sie schaltet die Empfindungsfähigkeit aus und somit auch die erkenntnishafte Wahrnehmung der Person (vgl. Welsch 2003, S. 11).
„Man anästhesiert, um ästhetische Pein zu ersparen... . ... in einen »anderen Zustand« - der dann doch wohl eine Art anästhetischer Zustand sein muß?“ (Welsch 2003, S. 11) Anästhetik ist oftmals notwendig, um bedrohliche und eindringliche Wahrnehmungen zum Selbstschutz ignorieren zu können. Das Wegsehen dient hier der Ermöglichung der Selbsterhaltung. In manchen Situationen sind Wahrnehmungsverweigerungen ein Überlebensschutz vor ästhetischer Unerträglichkeit (vgl. Welsch 2003, S. 64)
„Das macht ... erklärlich, warum Anästhetik nicht bloß das Gegenteil, sondern stets auch ein Fluchtpunkt der Ästhetik ist.“ (Welsch 2003, S. 65)
Ästhetik und Anästhetik sind in einem zwar ungleichen, aber auch untrennbarem Bündnis[6] verwoben, ihre Grenzen sind nicht klar zu trennen, und sie können allenthalben umschlagen (vgl. Welsch 2003, S. 30 f.).
2.3 Anästhetisierung in einer technischen Welt
Die Technologisierung hat die Wirklichkeit sehr verändert. Die Wahrnehmbarkeit der Gefahren ist verloren gegangen. Diese Form der Desensibilisierung der Ästhetik und Vormachtstellung der Anästhetik kann als negativer Aspekt der Anästhetik betrachtet werden.
Bislang war es dem Menschen möglich, mit den Sinnen seine Leibzustände, den Nutzen oder Schaden einer Situation korrekt und zuverlässig wahrzunehmen. In der Neuzeit ist dies durch die hoch entwickelte Technologie den Sinnen nicht immer möglich. Sie können dem nicht mehr folgen und sind in der Informationsgabe limitiert (vgl. Welsch 2003, S. 18-23).
Auf der anderen Seite ist unsere Wirklichkeitsauffassung sehr durch das technische Zeitalter und die Medienwelt geprägt. Realität und Virtualität vermischen sich, ihre Grenzen werden unsicherer und durchlässiger. Die Wirklichkeit wird eine Konstruktion aus realem Bewusstseinszustand und virtuellem Traumgebilde. Die Frage ist, für welche Wirklichkeit der Mensch sich entscheiden wird (vgl. Welsch 1996, S. 309-316).
Auch wenn sich die Welt in Richtung künstlicher Paradiese entwickelt, der Mensch für eine virtuelle Erweiterung offen ist, bleiben dabei sein Körper und Leib[7] ein beständiges und konservatives Element. Leibliche Bedürfnisse können nicht mit einer virtuellen, künstlichen Maschinenwelt und einer cartesianischen Sicht- oder Handlungsweise gestillt werden. Ihnen kann mittels apparativer und medialer Hilfsstützen nicht nachgekommen werden. Sie werden seit jeher durch die direkte Zuwendung zum Menschen in alter humanistischer Tradition gestillt. Dies gilt es aber nicht in leib-fanatischer Hinsicht durchzusetzen, sondern auch im Respekt vor den Errungenschaften der cartesianischen Tradition (vgl. Welsch 1996, S. 319-323).
2.4 Ästhetische Versöhnungsperspektiven
Adorno geht in seiner ästhetischen Theorie der These nach, dass der Mensch in der Natur von einem tiefen Gefühl ergriffen wird. Die Erfahrung des beglückenden Gefühls des Erhabenen entsteht aus dem Subjekt und der Natur beispielsweise beim Anblick hoher Berge oder einer weiten Landschaft. Das Erhabene ist das Schöne und das Befreiende, auch möglicherweise das Versöhnende mit der Natur (vgl. Welsch 2003, S. 119-122). Diese ästhetische Versöhnungsperspektive hilft dem Menschen, sich von der alltäglichen Realitätserfahrung abzusetzen (vgl. Welsch 1996, S. 30).
Eine andere „ästhetische Versöhnungsperspektive“ liegt derzeit in der Verschönerungstendenz von öffentlichen Räumen mit Verhübschungs-, Animations- und Erlebnistendenzen. Welsch nennt dies die Ästhetisierung der Oberfläche. Ästhetisierung meint das Vordringen des Hübschen, Schönen und Gestylten im öffentlichen Raum. Mit der Oberflächenästhetisierung wird die Oberfläche der Wirklichkeit, das Reale, mit ästhetischem Flair und schönen Elementen regelrecht „überzuckert“ (vgl. Welsch 1996, S. 10 f. u. S. 21). Das mit Ästhetisierungsprogrammen „alles besser“ wird, ist eine ungewisse Annahme. Bei der Ästhetisierung kann, wie beschrieben, durch ein Zuviel der Gestaltung einer ästhetischen Inszenierung[8] ein hyperästhetisches Szenario entstehen und das Schöne und Erhabene in ein Lächerliches abgleiten (vgl. Welsch 1996, S. 11 f. u. S. 43).
3 Ästhetisches Denken und Wahrnehmen
„Ein solcher Mensch vermag Dinge wahrzunehmen, die andere über-sehen.“ (Welsch 1996, S. 32)
Ein ästhetisches Denken ist nicht nur an eine visuelle Wahrnehmung gekoppelt, sondern setzt die gesamte Wahrnehmung (aisthesis) mit all ihren Wahrnehmungskanälen[9] voraus (vgl. Welsch 2003, S. 46 f.).
„Ein ästhetischer Denker sieht und hört nicht bloß in umweltlicher Orientierung, sondern er wittert eine Einsicht, ist einem schal schmeckenden Einfall gegenüber skeptisch, tastet das Gewebe eines Gedankens ab.“ (Welsch 2003, S. 47)
Für die Wahrnehmung der Welt bevorzugen die meisten Menschen nur ein oder zwei Wahrnehmungs- und Repräsentationskanäle. An ihrer Sprache und den verwendeten Vokabeln erkennt man die Lieblingskanäle des Einzelnen. Es gibt visuelle, auditive, kinästhetische[10] und olfaktorisch-gustatorische Wahrnehmungskanäle (vgl. Fries et al. 1994, S. 35).
Für das ästhetische Denken sind nicht nur die Sinneskanäle und Wahrnehmungen ausschlaggebend, sondern darüber hinaus ein so genanntes „Gewahrwerden“ der Wahrheit (Wahr-nehmung). Die Wahrnehmungen dienen im ästhetischen Denken primär der originären Wahrheitsfindung und sind somit sehr realistisch. Das ästhetische Denken ist mit seinen Sinneswahrnehmungen nicht auf eine sekundäre Entdeckungsfunktion
reduziert, um die Wahrheit des logischen Denkens zu unterstützen. Die Sinneswahrnehmungen im ästhetischen Denken sind daher sehr sensibel und anspruchsvoll. Des Weiteren bleiben sie nicht beim Ausgangspunkt der Betrachtung stehen, sondern schließen auf die Gesamtsicht des Phänomenbereiches. Aus einem Einzelbild, einer Einzelsituation entsteht eine symbolische Gesamtsituation, ein Bild der Welt (vgl. Welsch 2003, S. 48-50 u. S. 56 f.).
[...]
[1] Neben Baumgartens Ästhetik gab es noch zwei weitere Ursprünge der Ästhetik. Einmal in der Fortführung von Baumgarten, als ästhetische Theorie einer philosophischen Disziplin mit aristotelischer Poetik und Rhetorik, und zum anderen die Ästhetik der englischen Gefühlstheoretiker des frühen 18. Jahrhunderts (vgl. Böhme 2001, S. 173).
[2] Kant gliederte die Ästhetik unter dem Titel der Urteilskraft (vgl. Böhme 2001, S. 30).
[3] epistemisch (gr.) = Wissenschaftslehre, Erkenntnistheorie (vgl. Drosdowsli et al. 1990, S. 224 f.), aisthesis ( gr.) = aisthetos sinnlich, wahrnehmbar (vgl. Welsch 2003, S. 109 u. Welsch 1996, S. 25 f. u. S. 65)
[4] Zur Verbesserung des Verstandes sollte bei Baumgarten nicht die Logik als Hilfsmittel eingesetzt werden, sondern die Ästhetik der Logik zur Hilfe kommen (vgl. Böhme 2001, S. 13).
[5] Zur Definition und Aufgabe der Ästhetik nahmen Philosophen sehr konträre Positionen ein: Mal war es die Kunst, das Sinnliche, mal das Wahrnehmen, mal die Erkenntnistheorie. Hegel beispielsweise verstand unter der Ästhetik die „Philosophie der schönen Kunst“ (vgl. Welsch 1996, S. 22 f.). In dieser Orientierung der Ästhetik an der Kunst geht es nicht um Erkenntnis, sondern um Beurteilung der ästhetischen Gestaltung (vgl. Böhme 2001, S. 17).
[6] Autoren wie Marquard hingegen nehmen eine andere Position ein und sehen die Verbindung der Ästhetik und Anästhetik darin, dass die Kunst als schönes Narkotikum der unschönen und schmerzvollen Wirklichkeit entgegengestellt wird, als eine Art Antidot. Die ästhetische Kunst hat hier den Auftrag, die Menschen in einer solch unschönen Welt und Wirklichkeit zu anästhesieren und somit zu entlasten (vgl. Welsch 2003, S. 12).
[7]Aus phänomenologischer Sicht gibt es kein Verstehen ohne eine Rückbindung an die Körperlichkeit und Alltagserfahrungen (vgl. Welsch 1996, S. 319).
[8] Die Ansprüche an das Urteilsvermögen über ästhetische Arrangements sind im Alltag schon ins Gewöhnliche gerutscht und können nicht mehr mit dem Außergewöhnlichen und Elitären verbunden werden (vgl. Welsch 1996, S. 27 f.).
[9] Welsch empfiehlt, sich von der traditionellen Sinneshierarchie (Sehen, Hören, Riechen) zu verabschieden und alle Sinne gleichmäßig zu schätzen oder sie zweckspezifisch zu hierarchisieren. Damit werden an die Aisthetik neue Anforderungen gestellt, und die Sinne erhalten eine neue Aufmerksamkeit (vgl. Welsch 1996, S. 153).
[10] Das Fühlen, das leibliche Spüren, ist eine Nahesinn, er wird weiterführend unterteilt in den Tastsinn, Temperatursinn, Schmerzsinn und Gleichgewichtssinn (vgl. Böhme 2001, S. 39 f.).
- Arbeit zitieren
- MScN Stefanie Monke (Autor:in), 2007, Die neue Ästhetik und die Atmosphäre Intensivstation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116607
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