„In einem ewigen Kampfe stehen Sage und Geschichte einander gegenüber. Beide beschäftigen sich mit der Vergangenheit. In der Geschichte waltet der herrschende Verstand des Historikers; ihre Aufgabe ist es, die Ereignisse festzustellen, […] das Wahre vom Unwahren und vom Zweifelhaften zu sondern, […] in der Sage dagegen herrscht das Erinnerungsvermögen des Volkes[,] ihr Bestreben ist darauf gerichtet, das Vergangene in einem anschaulichen, lebensvollen Bilde festzuhalten; ihre Methode besteht darin, dass sie den Ereignissen einen bestimmten Mann zum Repräsentanten einen bestimmten Ort zum Hintergrund gibt, und dass sie Dinge, denen solche Gedächtnismarken abhanden gekommen sind, auf andere Männer und Örtlichkeiten überträgt. Zu den Lieblingen der Sage gehört Klaus Störtebeker.“1
Was ist dran an der Geschichte, dass Störtebeker ohne Kopf an seinen Kameraden vorbeigelaufen ist um sie vor ihrer Hinrichtung zu retten? Ist die spätmittelalterlichen Seeräuberbande der Vitalienbrüder und Störtebeker als einer ihrer Anführer vergleichbar mit anderen Räuberbanden, und wenn ja, macht das Störtebeker zu einem ‚edlen Räuber’? Welche Bedeutung hat Klaus Störtebeker heute?
Aufgrund seines heutigen Bekanntheitsgrades erstaunt es, dass es wenig historisch gesichertes Quellenmaterial über Störtebeker selbst und seine Aktivitäten als Pirat auf Ost- und Nordsee gibt. Vieles zu seiner Lebensgeschichte ist daher Spekulation anhand von Hinweisen, die vor allem hansische Zeugnisse seiner Zeit und Städtechroniken des späten Mittelalters bieten. Da sich die Forschung bereits im umfangreichen Maße mit der Historizität der Vitalienbrüder und Störtebeker beschäftigt hat, wird hier auf eine erneute Auswertung des Quellenmaterials verzichtet, sondern vielmehr die jeweiligen Forschungstexte im Kontext betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- I. Gottes Freund und aller Welt Feind
- II. Historischer Überblick
- 1. Politische Lage
- 1.1 Skandinavien und das Haus Mecklenburg
- 1.2 Ostfriesland
- 2. Die Hanse
- 2.1 Entstehung und Entwicklung
- 2.2 Organisation und Ordnung
- 2.3 Interessenkonflikte und militärische Interventionen
- 1. Politische Lage
- III. Störtebeker und die Vitalienbrüder
- 1. Seeräuber, Kaperer, Vitalienbrüder
- 1.1 Das Aufkommen der Vitalienbrüder
- 1.2 Entzug der Legitimation und Reorganisation
- 1.3 Die ostfriesischen Häuptlinge
- 1.4 Die Auflösung der Vitalienbrüder
- 2. Klaus Störtebeker als historische Person
- 2.1 Authentizität Störtebekers
- 2.2 Wer war Störtebeker?
- 2.3 Gefangennahme und Hinrichtung
- 1. Seeräuber, Kaperer, Vitalienbrüder
- IV. Mythen, Legenden und Sagen
- 1. Begriffe und Definitionen
- 1.1 Mythen
- 1.2 Die Volkserzählungen und die verschiedenen Erzähltypen
- 1.2.1 Sagen
- 1.2.2 Legenden
- 2. Mythos Störtebeker in Sage und Legende
- 2.1 Störtebeker-Erzählungen
- 2.2 Mythos, Legende oder Sage?
- 2.3 Störtebekers Laufbahn in Sage und Legende und deren Auswirkungen
- 1. Begriffe und Definitionen
- V. Karriere Störtebekers und neuzeitliche Interpretationen
- 1. Kunst und Kultur
- 1.1 Störtebeker-Porträt
- 1.2 Störtebeker als literarische Gestalt
- 1.3 Bräuche, Festspiele und Unterhaltungsprogramm
- 2. Ökonomische Interessen, Medien und Wissenschaft
- 2.1 Störtebeker in der Konsumkultur
- 2.2 Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Störtebeker
- 3. Ideologisierung Störtebekers
- 1. Kunst und Kultur
- VI. Das Konzept des edlen Räubers
- 1. Das Banditentum
- 1.1 Räuber und Räuberbanden
- 1.2 Sozialbanditentum
- 1.3 Räuberromantik und der ‚edle Räuber‘
- 2. Störtebeker und die Vitalienbrüder – gemeine Räuberbande oder Sozialbanditen?
- 2.1 Robin Hood der Meere
- 2.2 Der Bund der Vitalienbrüder zwischen Raubrittertum, Landsknechten und Räuberbanden
- 1. Das Banditentum
- VII. Forschungsausblick und Resümee
- 1. Was können neue Forschungen noch leisten?
- 2. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die historische Figur Klaus Störtebeker und die Vitalienbrüder, indem sie deren historische Realität mit ihrer Darstellung in Sagen und Legenden vergleicht. Die Arbeit beleuchtet die Unterschiede zwischen geschichtlicher und sagenhafter Überlieferung und erörtert die Mythisierung Störtebekers nach seinem Tod. Weiterhin wird Störtebekers Rolle in der heutigen Konsum- und Unterhaltungskultur sowie seine wissenschaftliche Bedeutung thematisiert und seine ideologische Bedeutung diskutiert. Schließlich wird die Einordnung Störtebekers und der Vitalienbrüder als Räuberbande oder Sozialbanditen untersucht.
- Historische Einordnung der Vitalienbrüder und Klaus Störtebeker
- Vergleich der historischen Fakten mit der sagenhaften Überlieferung
- Analyse der Mythisierung Störtebekers in der Neuzeit
- Störtebekers Rolle in der heutigen Gesellschaft
- Die Debatte um Störtebeker als "edler Räuber"
Zusammenfassung der Kapitel
I. Gottes Freund und aller Welt Feind: Dieses einleitende Kapitel stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor: die Auseinandersetzung mit der historischen Figur Störtebeker und der Vitalienbrüder im Kontext von Geschichte und Sage. Es thematisiert den Gegensatz zwischen historischer Faktenfindung und der volkstümlichen Erinnerung, die Störtebeker zu einer mythischen Figur stilisiert. Der Fokus liegt auf der Diskrepanz zwischen den wenigen gesicherten historischen Quellen und den zahlreichen Legenden, die sich um seine Person ranken. Die einleitenden Worte betonen die Herausforderung, den historischen Störtebeker von den Mythen zu trennen.
II. Historischer Überblick: Dieses Kapitel liefert den notwendigen historischen Hintergrund zur Entstehung und zum Wirken der Vitalienbrüder. Es beschreibt die politische Lage in Skandinavien, Mecklenburg und Ostfriesland im späten Mittelalter, unterstreicht die Bedeutung der Hanse für die Handelswege und den wirtschaftlichen Wohlstand der Region und erläutert, wie die Konflikte und militärische Interventionen der Hanse das Umfeld der Vitalienbrüder prägten. Die Darstellung des komplexen politischen Gefüges dient als Grundlage für das Verständnis der Aktivitäten der Vitalienbrüder.
III. Störtebeker und die Vitalienbrüder: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Vitalienbrüder als Seeräuber, Kaperer und ihre Organisation. Es untersucht das Aufkommen der Vitalienbrüder, den Verlust ihrer Legitimation und ihre Reorganisation. Die Rolle der ostfriesischen Häuptlinge und die schließlich Auflösung der Bruderschaft werden analysiert. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich Klaus Störtebeker als historische Person, hinterfragt die Authentizität der Quellen und untersucht seine Rolle innerhalb der Vitalienbrüder, bis hin zu seiner Gefangennahme und Hinrichtung. Das Kapitel verknüpft so die Geschichte der Gruppe mit der Biographie ihres bekanntesten Anführers.
IV. Mythen, Legenden und Sagen: Das Kapitel definiert die Begriffe Mythos, Legende und Sage und ordnet die Störtebeker-Erzählungen in dieses Schema ein. Es differenziert zwischen historischer Überlieferung und volkstümlichen Erzählungen, um die Entstehung und Verbreitung der Mythen um Störtebeker zu verstehen. Die Analyse der verschiedenen Erzähltypen verdeutlicht, wie die Figur Störtebeker im Laufe der Zeit transformiert und mythologisiert wurde, und welche Bedeutung diese Transformationen für das Verständnis seiner Person haben.
V. Karriere Störtebekers und neuzeitliche Interpretationen: Dieses Kapitel untersucht die Rezeption Störtebekers in Kunst, Kultur, Medien und Wissenschaft. Es analysiert seine Darstellung in Porträts, Literatur und Unterhaltungsprogrammen sowie seinen Einfluss auf die Konsumkultur. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Störtebeker und die ideologischen Zuschreibungen, die ihm im Laufe der Zeit gegeben wurden, werden erörtert, wobei der Fokus auf den unterschiedlichen Interpretationen seiner Rolle liegt.
VI. Das Konzept des „edlen Räubers“: Dieses Kapitel erörtert das Konzept des Banditentums im Allgemeinen und das des "edlen Räubers" im Besonderen. Es analysiert, inwieweit Störtebeker und die Vitalienbrüder diesem Ideal entsprechen. Die Unterscheidung zwischen einfacher Räuberbande und Sozialbanditentum wird diskutiert, wobei die parallelen zu Figuren wie Robin Hood betrachtet werden, um das Bild Störtebekers als Volksheld zu beleuchten. Es wird eine umfassende Analyse des Kontextes des Räubertums angeboten.
Schlüsselwörter
Klaus Störtebeker, Vitalienbrüder, Hanse, Seeräuberei, Mittelalter, Mythen, Legenden, Sagen, Historizität, Banditentum, Sozialbanditentum, "edler Räuber", Konsumkultur, wissenschaftliche Rezeption, Ideologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Klaus Störtebeker und die Vitalienbrüder"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die historische Figur Klaus Störtebeker und die Vitalienbrüder. Sie vergleicht deren historische Realität mit ihrer Darstellung in Sagen und Legenden, beleuchtet die Unterschiede zwischen geschichtlicher und sagenhafter Überlieferung und erörtert die Mythisierung Störtebekers nach seinem Tod. Weitere Themen sind Störtebekers Rolle in der heutigen Konsum- und Unterhaltungskultur, seine wissenschaftliche Bedeutung und seine ideologische Interpretation. Schließlich wird seine Einordnung als Räuberbande oder Sozialbanditen untersucht.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die historische Einordnung der Vitalienbrüder und Klaus Störtebeker, den Vergleich historischer Fakten mit der sagenhaften Überlieferung, die Analyse der Mythisierung Störtebekers in der Neuzeit, seine Rolle in der heutigen Gesellschaft und die Debatte um ihn als "edlen Räuber".
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Kapitel I bietet eine Einleitung und stellt die Fragestellung vor. Kapitel II gibt einen historischen Überblick über die politische Lage und die Hanse. Kapitel III konzentriert sich auf Störtebeker und die Vitalienbrüder als historische Akteure. Kapitel IV behandelt Mythen, Legenden und Sagen um Störtebeker. Kapitel V analysiert die neuzeitliche Rezeption Störtebekers in Kunst, Kultur, Medien und Wissenschaft. Kapitel VI diskutiert das Konzept des "edlen Räubers" im Kontext von Störtebeker und den Vitalienbrüdern. Kapitel VII bietet einen Forschungsausblick und ein Resümee.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf einer Kombination aus historischen Quellen (die im Detail nicht in der Vorschau genannt werden) und der Analyse der zahlreichen Legenden und Sagen um Störtebeker. Die Vorschau betont die Herausforderung, den historischen Störtebeker von den Mythen zu trennen und die Unterschiede zwischen den wenigen gesicherten historischen Quellen und den zahlreichen Legenden zu beleuchten.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel der Arbeit ist es, ein differenziertes Bild von Klaus Störtebeker und den Vitalienbrüdern zu zeichnen, indem die historische Realität von den mythologischen Darstellungen getrennt und analysiert wird. Es geht darum, die Entwicklung des Mythos um Störtebeker nachzuvollziehen und seine heutige Relevanz in der Gesellschaft zu untersuchen.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind Klaus Störtebeker, Vitalienbrüder, Hanse, Seeräuberei, Mittelalter, Mythen, Legenden, Sagen, Historizität, Banditentum, Sozialbanditentum, "edler Räuber", Konsumkultur, wissenschaftliche Rezeption und Ideologie.
Wie werden die Kapitel zusammengefasst?
Die Zusammenfassung der Kapitel bietet einen Überblick über den Inhalt jedes Kapitels und hebt die zentralen Themen und Argumentationslinien hervor. Sie verdeutlicht die Entwicklung der Argumentation von der Einleitung über die historische Einordnung und die Analyse der Mythen bis hin zur Diskussion des "edlen Räuber"-Konzepts und des Resümees.
Wer ist die Zielgruppe dieser Arbeit?
Die Zielgruppe dieser Arbeit sind Personen, die sich für die Geschichte des Mittelalters, die Geschichte der Hanse, die Geschichte der Seeräuberei und die Figur Klaus Störtebeker interessieren. Die Arbeit eignet sich sowohl für Wissenschaftler als auch für ein breiteres Publikum.
- Quote paper
- Nina Nustede (Author), 2008, Mythos Störtebeker. Handel und Piraterie des späten Mittelalters und die Interpretationen in der Neuzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116505