Ziel dieser Arbeit ist es, eine Ex-Post-Evaluierung bzgl. der in Kraft getretenen Richtlinie und der damit einhergehenden nationalen Umsetzung vorzunehmen. Hierbei soll auf Basis einer rechtskritischen Untersuchung die Frage beantwortet werden, ob die nationale Gutschein-Regelung in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie eine praxistaugliche und rechtssichere Rechtsnorm darstellt. In diesem Zusammenhang soll ebenso der Entwurf des BMF-Schreibens mit Hinblick auf die Frage analysiert werden, ob das BMF in seinem Entwurf den Forderungen zur Klarstellung bestehender Praxisprobleme nachkommt und wie es sich zu noch offenen Fragen äußern sollte.
2. Umsatzbesteuerung von Gutscheinen
2.1 Die unionsrechtliche Behandlung
2.1.1 Die Gutschein-Besteuerung vor der EU-Gutschein-Richtlinie
2.1.2 Die EU-Gutschein-Richtlinie vom 27. Juni 2016
2.2.1 Wert- und Warengutscheine vor Anwendung der EU-Gutschein-Richtlinie
2.2.1.2 Einzelfallentscheidungen
2.2.2 Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine in Folge der EU-Gutschein- Richtlinie
2.2.2.1 Abgrenzung von Gutscheinen und anderen Preisnachlassinstrumenten
2.2.2.2 Zeitpunkt der Besteuerung
2.2.2.4 Ein Entwurf des BMF vom 18.12.2019 zur Klärung von Praxisproblemen
3. Kritische Analyse der praktischen Auswirkungen auf die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie
3.1 Vergleich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen vor und nach der Veröffentlichung der EU-Gutschein-Richtlinie
3.2 Problemfelder der aktuellen Umsatzbesteuerung von Gutscheinen
3.2.1 Fehlerhafte oder fehlende Angaben
3.2.2 Die Ortsbestimmung bei Einzweck-Gutscheinen
3.2.3 Nachträglich geändertes Sortiment
3.2.4 Verfall eines Gutscheins
3.3 Konzeption möglicher Ansätze zur Problemlösung
4. Fazit und Ausblick für die Praxis
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
Rechtsquellenverzeichnis
1. Einleitung
Gutscheine sind ein populäres Mittel, um Freunde und Angehörige zu beschenken. Eine statistische Auswertung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young aus dem Jahr 2019 zeigt auf, dass allein zu Weihnachten 56% der befragten Deutschen ihr Geschenk in Form von Bargeld oder Gutscheinen erhalten möchten. Die Konsumgüterindustrie und der Handel profitieren hierbei von der großen Nachfrage nach den Weihnachtsfeiertagen.[1] Doch unabhängig von gegebenen Anlässen nimmt im alltäglichen Kaufverkehr die Nutzung von Gutscheinen zu.[2] Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und reagiert nun auf die bislang ungenauen Vorgaben zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen.
Denn lange Zeit war die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen nicht einheitlich geregelt.[3] Die umsatzsteuerliche Behandlung beruhte rein auf OFD-Verfügungen wie z. B. der OFD Magdeburg und OFD Karlsruhe.[4] Die Anwendung dieser war für andere Bundesländer jedoch nicht verpflichtend.[5] Um Rechtsunsicherheiten zu beheben, sollte für den gesamten europäischen Raum eine Richtlinie veröffentlicht werden, welche die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen europaweit vereinheitlicht. Nach der Veröffentlichung der sog. EU-Gutschein-Richtlinie, welche seit dem 01. Januar 2019 im nationalen Umsatzsteuerrecht Anwendung findet,[6] ist jedoch kein erläuterndes BMF-Schreiben final veröffentlicht worden. Eine Auseinandersetzung mit bestehenden Praxisproblemen wurde allerdings mehrfach gefordert, wie z. B. vom Deutschen Steuerberaterverband e.V., um die korrekte umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen zu gewährleisten.[7] Denn jegliche Begriffsdefinitionen und damit einhergehenden Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen in Bezug auf Gutscheine sind neu geregelt worden, so dass Unternehmen sich aufwendig mit einer korrekten Umsetzung der neuen Regelung beschäftigen mussten.[8] Gut-scheine, die bspw. lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, fallen nach § 3 Abs. 13 S. 2 UStG nicht unter diese neue Regelung. Problematisch hierbei ist, eine klare Definition und Abgrenzung zu formulieren, um die Umsatzbesteuerung für die verschiedenen Arten von Gutscheinen an Kriterien festmachen zu können. Dies ist jedoch für eine rechtssichere Umsatzbesteuerung von Gutscheinen in der Praxis notwendig. Zum 18. Dezember 2019 wurde nun ein erster Entwurf eines erläuternden BMF-Schreibens veröffentlicht.[9] In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Entwurf genügt, um Praxisprobleme zu lösen und eine rechtssichere Umsatzbesteuerung von Gutscheinen zu gewährleisten.
Ziel dieser Arbeit ist es damit, eine Ex-Post-Evaluierung bzgl. der in Kraft getretenen Richtlinie und der damit einhergehenden nationalen Umsetzung vorzunehmen. Hierbei soll auf Basis einer rechtskritischen Untersuchung die Frage beantwortet werden, ob die nationale Gutschein-Regelung in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie eine praxistaugliche und rechtssichere Rechtsnorm darstellt. In diesem Zusammenhang soll ebenso der Entwurf des BMF-Schreibens mit Hinblick auf die Frage analysiert werden, ob das BMF in seinem Entwurf den Forderungen zur Klarstellung bestehender Praxisprobleme nachkommt und wie es sich zu noch offenen Fragen äußern sollte.
Um dieses Ziel zu erreichen, soll das zuvor erläuterte Thema rechtskritisch bearbeitet werden. Zu Beginn werden in Kapitel 2 die unionsrechtlichen Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen vor und nach der Veröffentlichung der EU-Gutschein-Richtlinie dargelegt. Anschließend wird die nationale Umsetzung durch die Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen sowie anderen Preisnachlassinstrumenten übersichtlich dargestellt und das BMF-Schreiben vom 18.12.2019 vorgestellt. An dieser Stelle soll der Fokus nicht auf die umsatzsteuerliche Behandlung von Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheinen gelegt werden, da diese von der EU-Gutschein-Richtlinie und ihrer nationalen Umsetzung nicht erfasst werden.[10] Dennoch soll aufgrund mangelnder Vorgaben auf Unionsebene hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung von derartigen Instrumenten in groben Zügen auf mögliche Praxisprobleme hingewiesen werden. In Folge dieser Abgrenzung sollen in Kapitel 3 die Neuregelungen zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen kritisch hinterfragt werden. Hierzu soll zunächst eine Ex-Post-Evaluierung durch Auswertung wissenschaftlicher Literatur und Berichten bzgl. der bisherigen Vollziehung in der Praxis erfolgen. In diesem Zusammenhang soll, ausgehend vom Unionsrecht, untersucht werden, ob die praktische Umsetzung in das nationale Recht den eigentlichen Zielen der MwStSystRL bzw. im engeren Sinne der EU-Gutschein-Richtlinie entspricht. Grds. soll dem Steuerpflichtigen aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG eine einfache und rechtssichere Anwendung von Gesetzen ermöglicht werden. Aus diesem Grund soll in einem nächsten Schritt durch Anwendung von Steuerrechtskritik die Gutschein-Regelung kritisch hinterfragt und damit die Praxistauglichkeit in Frage gestellt werden, um letztendlich zu beurteilen, ob eine rechtssichere und praxistaugliche Anwendung der neuen Regelungen möglich ist oder ob diese gescheitert sind. Auf dieser Grundlage soll in einem weiteren Schritt eine Handlungsempfehlung für das BMF erarbeitet werden, wie es den Entwurf seines Schreibens bis zur finalen Veröffentlichung überarbeiten und sich zu offenen Fragen äußern sollte. Abschließend werden die Ergebnisse in Kapitel 4 in einem Fazit zusammengefasst und ein Ausblick für die Praxis präsentiert.
2. Umsatzbesteuerung von Gutscheinen
2.1 Die unionsrechtliche Behandlung
2.1.1 Die Gutschein-Besteuerung vor der EU-Gutschein-Richtlinie
Vor der EU-Gutschein-Richtlinie gab es keine Regelung in der MwStSystRL, um Gutscheine einheitlich der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.[11] Mangels konkreter und einheitlicher Regelung beruhte die Behandlung von Gutscheinen auf Einzelfallentscheidungen auf Basis der Rechtsprechung des EuGH.[12] Aus diesem Grund sollen in der Folge beispielhaft Urteile vorgestellt werden, welche aus alltäglichen Situationen bekannt sind und welche die Inkohärenz in der Entscheidungsfindung aufzeigen sollen.
Im Jahr 2010 entschied der EuGH im Fall Astra Zeneca, dass Einkaufsgutscheine, die durch ein Unternehmen gegen einen Preis inkl. Mehrwertsteuer erworben und an deren Beschäftigte gegen Verzicht auf deren Vergütung ausgegeben wurden, eine Dienstleistung gegen Entgelt darstellen.[13] Dies wird damit begründet, dass die Aushändigung des Nennwertgutscheins dem Empfänger das unbestimmte Recht zuspricht, künftig Waren oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, jedoch noch keine Lieferung im Sinne der Verschaffung der Verfügungsmacht über einen konkreten Gegenstand stattfindet.[14] Die Gegenleistung der Beschäftigten äußert sich in dem Verzicht eines Teils ihres Barlohns.[15] Damit bejaht der EuGH in diesem Zusammenhang die Steuerbarkeit der Ausgabe von Nennwertgutscheinen als sonstige Leistung. Folglich führt dies zur Anwendung des Regelsteuersatzes.[16] Hieraus lässt sich ableiten, dass es an einer Gegenleistung fehlt, sofern der Arbeitgeber seinen Angestellten derartige Gutscheine zusätzlich zum Arbeitslohn zur Verfügung stellt. In diesem Fall wäre eine Gutscheinausgabe nicht steuerbar.[17] Aus dem vorliegenden Urteil ergibt sich jedoch das Problem, dass beim späteren Bezug von ermäßigt besteuerten Waren diese dem Regelsteuersatz der besteuerten sonstigen Leistung unterliegen. Darüber hinaus wird nicht geklärt, ob die spätere Warenabgabe bzw. Erbringung der sonstigen Leistung auch zusätzlich der Umsatzbesteuerung unterliegt. Denn in diesem Fall würde eine Doppelbesteuerung vorliegen, weil bereits die Hingabe des Gutscheins als sonstige Leistung besteuert wurde.[18] Das Urteil stellt damit lediglich dar, dass die Ausgabe von Gutscheinen gegen Entgelt als umsatzsteuerbare Leistung anzusehen ist. Dies weicht von der deutschen Rechtsauffassung ab, weil hier der Erwerb von Gutscheinen als nicht steuerbarer Vorgang anzusehen ist. Das BMF erörtert in diesem Zusammenhang, dass die Erkenntnisse dieses Urteils nicht in nationales Recht übernommen werden.[19] Ebenso wurde dieses Urteil nicht in die Neuregelung in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie miteinbezogen.[20]
Anders als im Urteil Astra Zeneca entschied der EuGH im Fall MacDonald Resorts, dass die Veräußerung von Wertepunkten zur späteren Erlangung von Dienstleistungen kein steuerbarer Umsatz ist. Begründet wird dies damit, dass die Wertepunkte nur zu dem Zweck erworben werden, später bestimmte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen und nicht die besagten Punkte zu sammeln. Damit wird die Gegenleistung für die ursprünglich aufgebrachte Zahlung erst in dem Zeitpunkt erbracht, in dem die Wertepunkte gegen die tatsächliche Dienstleistung umgewandelt werden.[21] Das heißt, dass erst bei Einlösung der Wertepunkte eine steuerbare sonstige Leistung erbracht wird und damit der Erwerb der Wertepunkte keinen umsatzsteuerbaren Tatbestand darstellt.[22]
Im Urteil Lebara stellte der EuGH zur Beurteilung von Telefonkarten auf die Frage ab, ob diese Karte bei Einlösung lediglich für einen bestimmten Zweck verwendet werden kann. Denn dadurch, dass nur eine bestimmte Dienstleistung in Anspruch genommen werden kann, kann diese und der entsprechende Mehrwertsteuersatz eindeutig im Voraus bestimmt werden.[23] Entsprechend stellen der Verkauf und der Weiterverkauf von derartigen Telefonkarten als Telekommunikationsdienstleistung steuerbare Umsätze dar. Dies stellt sicher, dass die Mehrwertsteuer proportional zum jeweils gezahlten Preis erhoben wird.[24] Verwendet der Endnutzer die besagte Telefonkarte, so erbringt der Anbieter jedoch nicht eine zweite Dienstleistung an diesen.[25]
Gutscheine, welche zur Erlangung von Sachprämien o. ä. führen, sind ein bewährtes Mittel zur Kundenbindung oder Absatzförderung.[26] Ein derartiger Sachverhalt lag in der Rechtssache Kuweit Petroleum vor.[27] Hier hatte der EuGH zu entscheiden, wie Gutscheine behandelt werden sollen, welche beim Kauf einer bestimmten Menge an Treibstoff zusätzlich herausgegeben wurden und gegen Waren und Dienstleistungen aus einem Geschenkkatalog eingetauscht werden konnten.[28] Der EuGH stellte fest, dass dem Endverbraucher bei Einlösung dieser Gutscheine kein Rabatt i. S. d. Art. 79 lit. b MwStSystRL für die aus dem Geschenkkatalog ausgesuchte Ware bzw. Dienstleistung gewährt wird, da Rabatte keinen Preisnachlass in Höhe des gesamten Wertes darstellen können.[29] Der Verkauf des Treibstoffs und die Hingabe der in dem Geschenkkatalog aufgeführten Waren bzw. sonstigen Leistungen sind als zwei getrennte Vorgänge zu betrachten.[30] Damit ist die die Abgabe der Warengeschenke als unentgeltliche Zuwendung gem. Art. 16 MwStSystRL zu qualifizieren.[31]
Betrachtet man diese vier Urteile des EuGH, so wird bereits deutlich, dass die umsatzsteuerliche Behandlung stark von der Sachverhaltsgestaltung abhängt und keine allgemeinen Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen abgeleitet werden können.
2.1.2 Die EU-Gutschein-Richtlinie vom 27. Juni 2016
Der Rat der Europäischen Union hat mit der Veröffentlichung der EU-Gutschein-Richtlinie verdeutlicht, dass Gutscheine und deren verschiedene Erscheinungsformen in den Rechtsvorschriften der Union zwingend zu definieren sind.[32] Sowohl Wettbewerbsverzerrungen als auch Doppelbesteuerungen oder auch Nichtbesteuerungen mangels einheitlicher Vorschriften sollen vermieden werden, um so Steuerumgehung zu mindern.[33] Aus diesen Gründen wird in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie in Art. 30a MwStSystRL erstmals eine einheitliche Legaldefinition für Gutscheine festgelegt. Diese beschreibt Gutscheine als ein Instrument, das als Gegenleistung oder ein Teil einer Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung angenommen wird. Zudem stehen die zu liefernden Gegenstände oder die Dienstleistungen oder die möglichen Anbieter dieser Lieferung bzw. sonstigen Leistung fest. Diese Definition bezieht sich nicht nur auf gegenständliche Gutscheine, sondern auch auf Gutscheine in elektronischer Form.[34]
In diesem Zusammenhang werden in Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL „Einweck-Gutscheine“ als Gutscheine beschrieben, bei denen der Ort der Lieferung bzw. sonstigen Leistung und die hierfür geschuldete Mehrwertsteuer bei Ausstellung des Gutscheins feststehen. Gutscheine, die keine „Einzweck-Gutscheine“ sind, sind nach Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL „Mehrzweck-Gutscheine“. Sie stellen damit eine Residualgröße dar.[35] Das bedeutet, dass von einem Mehrzweck-Gutschein ausgegangen werden kann, wenn der leistende Unternehmer bei Ausgabe des Gutscheins zwar feststeht, jedoch die zu liefernden Gegenstände bzw. die sonstige Leistung nach Art und Umfang noch nicht bestimmt sind.[36] Nennwert-Gutscheine über einen bestimmten Geldbetrag, welche in mehreren Filialen bspw. europaweit eingelöst werden können, können als wichtiger Anwendungsfall genannt werden.[37] Abgegrenzt werden diese beiden Gutscheinarten zunächst von Gutscheinen, welche für Briefmarken, Personenbeförderung, Eintrittsberechtigungen, Kinos und Museen und Ähnliches eingelöst werden können.[38] Was hier unter „Ähnlichem[s]“ fällt, wird jedoch nicht ausgeführt.[39] Damit verbleibt ein gewisser Interpretationsspielraum.
Wie die Übertragung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen unionsrechtlich zu behandeln ist, wird in Art. 30b MwStSystRL erläutert. Wird ein Einzweck-Gutschein ausgegeben, so liegen in diesem Moment bereits alle Informationen vor, um die mehrwertsteuerliche Behandlung der Lieferung bzw. sonstigen Leistung, auf die sich der Einzweck-Gutschein bezieht, zu bestimmen.[40] Damit wird nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1 MwStSystRL die Besteuerung der im Gutschein genannten Lieferung bzw. sonstigen Leistung bei jeder Übertragung eines Einzweck-Gutscheins fingiert. Bei der tatsächlichen Lieferung bzw. sonstigen Leistung erfolgt nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 MwStSystRL keine Besteuerung des sog. „unabhängiger[n] Umsatz[es]“ mehr.
Hinsichtlich der Ortsbestimmung ist grds. darauf hinzuweisen, dass mangels speziellen Ortsregelungen die allgemeinen Regelungen Anwendung finden sollen.[41] Da bei Übertragungen von Gutscheinen, die sich auf Waren beziehen, im Übertragungszeitpunkt noch keine Warenbewegung stattfindet, sollte für die Ortsbestimmung Art. 31 MwStSystRL für ruhende Lieferungen Anwendung finden.[42] Inwiefern die Vorschriften zur Ortsbestimmung bei der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen jedoch hinterfragt werden müssen, wird in Kapitel 3.2.3. dargelegt.
Für die Bemessungsgrundlage in Bezug auf den Handel mit Einzweck-Gutscheinen ist gem. der allgemeinen Regelungen nach Art. 73 MwStSystRL vorzugehen.[43] Demnach ist alles, was der Abnehmer des Gutscheins für den Erwerb dessen an den übertragenden Unternehmer leistet, als Entgelt anzusehen.
Zusätzlich werden in Art. 30b MwStSystRL Strukturen innerhalb von Vertriebsketten aufgeführt. Handelt ein Unternehmer (A) in Namen eines anderen Unternehmers (B) und überträgt er (A) dabei einen Einzweck-Gutschein, so wird die Besteuerung der Lieferung bzw. sonstigen Leistung gem. Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dem anderen Unternehmer zugeordnet (B). Der im fremden Namen handelnde Unternehmer (A) erbringt damit keinen steuerbaren Umsatz.[44] Ebenso wird in Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL geregelt, was zu beachten ist, wenn der liefernde bzw. leistende Unternehmer, der im eigenen Namen handelt, nicht derjenige ist, der den Einzweck-Gutschein ausstellt. In diesem Fall wird der liefernde bzw. leistende Unternehmer so behandelt, als würde er gegenüber dem Aussteller des Gutscheins die Lieferung oder sonstige Leistung bewirken. Damit werden ein zusammenhängender Leistungsein- und -verkauf bzw. die Grundsätze einer Liefer-/Dienstleistungskommission i. S. d. Art. 14 Abs. 2 lit. c, Art. 28 MwStSystRL unterstellt.[45] Dies soll anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht werden.
Abbildung 1: Eigene Darstellung des Verkaufs eines Einzweck-Gutscheins im eigenen Namen, auf fremde Rechnung i. S. d. Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL.
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, handelt es sich bei dem Gutschein um einen Einzweck-Gutschein, da bei Ausstellung der Lieferort (nach Art. 31 MwStSystRL Dortmund) feststeht sowie auch der Umsatzsteuersatz bestimmt werden kann (7% gem. Anhang III Nr. 6 zu Art. 98 MwStSystRL). Durch den Gutscheinverkauf von B an E wird gem. Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1 MwStSystRL die fiktive Lieferung des Buchs B zugeordnet. Damit hat B im Voranmeldungszeitraum der Übertragung an E eine USt-Schuld in Höhe von 19/119 des Verkaufspreises. Löst E den Gutschein bei A ein, so kommt die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL zur Anwendung. In diesem Moment wird A so gestellt, als würde er die Lieferung gegenüber B erbringen. Das Entgelt hierfür beträgt 100/119 des Betrags, den B vertragsgemäß bei jedem Verkauf eines Gutscheins an A weiterleitet. Damit liegen insgesamt zwei Lieferungen vor.[46] In der Literatur wird jedoch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei diesem Vorgehen von der eigentlichen Systematik des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1 MwStSystRL abgewichen wird, da die Lieferung des A an den B und damit auch die Steuerentstehung nach den obigen Ausführungen in dem Moment fingiert wird, in dem der Einzweck-Gutschein eingelöst wird.[47] Die Einlösung soll jedoch nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL keinen steuerbaren Umsatz auslösen. Für die praktische Umsetzung ist diese Vorgehensweise jedoch zu befürworten.[48] Folglich muss eine Klarstellung erfolgen, wie in diesem Fall in Bezug auf die Steuerentstehung vorzugehen ist. Eine explizite Vorgabe gibt es hierzu auf Unionsebene nicht.
Für die Übertragung von Mehrzweck-Gutscheinen wird geregelt, dass jede Übertragung vor der tatsächlichen Einlösung gegen eine konkrete Lieferung bzw. sonstige Leistung gem. Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Erst die tatsächliche Einlösung des Gutscheins gegen die zu liefernden Gegenstände bzw. die zu erbringende sonstige Leistung unterliegt der Besteuerung. Damit wird auch klargestellt, dass es zu keiner doppelten Umsatzbesteuerung von Gutscheinübertragungen kommt, wie man es aus dem EuGH-Urteil Astra Zeneca interpretieren könnte.[49]
Die Bemessungsgrundlage für die Einlösung von Mehrzweck-Gutscheinen wird in Art. 73a MwStSystRL gesondert geregelt. Steuerbemessungsgrundlage ist demnach die gezahlte Gegenleistung für den Mehrzweck-Gutschein bzw. bei Fehlen dieser Information der Geldwert, der auf dem Mehrzweck-Gutschein angegeben ist abzgl. der auf die Lieferung bzw. sonstige Leistung entfallende Mehrwertsteuer. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass diejenige Gegenleistung gemeint ist, die bei der letzten Übertragung des Gutscheins vor der Einlösung aufgewendet wird, nicht der Betrag, den der leistende Unternehmer bei erstmaliger Übertragung an einen anderen Unternehmer vereinnahmt hat. So wird sichergestellt, dass der Endverbraucher die Mehrwertsteuer proportional zum Preis entrichtet.[50] Aus diesem Grund muss dem leistenden Unternehmer, sofern die Übertragung des betreffenden Mehrzweck-Gutscheins innerhalb einer Absatzkette erfolgt, bei Einlösung ein Dokument vorgelegt werden, aus dem der zuletzt aufgewendete Kaufpreis hervorgeht. Ist dies nicht möglich, so soll gem. Art. 73a MwStSystRL der auf dem Mehrzweck-Gutschein aufgedruckte Wert als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.[51] Diese gesonderte Regelungen zur Bemessungsgrundlage gilt jedoch nicht, sofern ein Mehrzweck-Gutschein nicht eingelöst wird und damit verfällt.[52] Wird nach Verfall des Mehrzweck-Gutscheins dennoch Ware in dem zur Gutscheineinlösung vorgesehenem Geschäft erworben, so unterliegt das, was der Leistungsempfänger zum Empfang der Ware bzw. sonstigen Leistung zahlt, der Umsatzsteuer, und zwar unabhängig davon, dass bereits ein Geldbetrag für den abgelaufenen Gutschein aufgewendet wurde.[53] Der abgelaufene Gutschein findet demnach für umsatzsteuerliche Zwecke keine Beachtung mehr.
Zu beachten ist, dass gem. Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL Leistungen, für die bei Übertragung eines Mehrzweck-Gutscheins ein gesondertes Entgelt verlangt wird, nach mehrwertsteuerlichen Grundsätzen versteuert werden müssen. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmer, der nicht im eigenen Namen handelt, einen Gutschein überträgt und ein gesondertes Entgelt für bspw. die Vertriebs-, Vermittlungs- oder Absatzförderungsleistung erhält.[54] Eine Provision ist bspw. damit grds. steuerbar und steuerpflichtig.[55]
Beispiel:
Der Café-Besitzer C stellt dem deutschen Unternehmer U einen Gutschein im Wert von 25 EUR aus, welcher gegen das gesamte Sortiment des Cafés eingelöst werden kann. Es kann sowohl Ware zum Regelsteuersatz als auch zum ermäßigten Steuersatz erworben werden. U bezahlt für den Gutschein 15 EUR.
Da die zukünftige Leistung noch nicht feststeht und damit auch der Mehrwertsteuersatz bei Ausgabe des Gutscheins nicht festgelegt werden kann, liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor. Es erfolgt keine Besteuerung bei Ausgabe. Veräußert U den Gutschein in fremdem Namen mit einem Aufschlag von 5 EUR an den Endverbraucher E weiter, so liegt eine Vermittlungsleistung vor. Für diese Leistung ist das Entgelt in Höhe von 5 EUR abzgl. Mehrwertsteuer zu versteuern und auf der Rechnung gesondert aufzuführen. Kann E gegenüber C nachweisen, dass er für den Gutschein (abzgl. der Vermittlungsleistung) 15 EUR gezahlt hat, so versteuert C gem. Art. 73a MwStSystRL lediglich 15 EUR abzgl. Mehrwertsteuer. Löst E den Gutschein ohne Nachweis in dem Café ein, so ist das an C ursprünglich entrichtete Entgelt in Höhe von 25 EUR abzgl. der Mehrwertsteuer zu versteuern.
Die mehrwertsteuerliche Behandlung von Preisnachlassgutscheinen bzw. Rabattgutscheinen wird, anders als bereits im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vom 10.05.2012 gefordert,[56] nicht weiter dargelegt. Die neuen Regelungen der EU-Gutschein-Richtlinie sollen demnach nicht für Instrumente gelten, die lediglich einen Preisnachlass beim Erwerb von Waren oder sonstigen Leistungen bewirken.[57] Rabattgutscheine sind als Instrumente zu sehen, die einen prozentualen Abschlag des zu entrichtenden Preises gewähren.[58] Da nach dem Wortlaut des Art. 30a Nr. 1 MwStSystRL aber auch Gutscheine, die nur als Teil der Gegenleistung für die Ware bzw. sonstige Leistung eingelöst werden können, von den neuen Regelungen erfasst sind, kann eine Grenze zwischen Gutscheinen im Sinne der EU-Gutschein-Richtlinie und Preisnachlassinstrumenten nur schwer gesetzt werden.[59] Es bleibt hier folglich abzuwarten, wie in der Rechtsprechung bei neuen Grenzfällen entschieden wird. Grds. wird für die Besteuerung von Preisnachlassinstrumenten jedoch nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu verfahren sein.[60] An dieser Stelle wird die Behandlung von Preisnachlassinstrumenten jedoch nicht weiter vertieft, da diese Grundzüge zur Beurteilung einer rechtssicheren Umsatzbesteuerung von Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen genügen sollen. Zudem liegt der Fokus dieser Bachelorarbeit auf der Untersuchung von Rechtsunsicherheiten der bestehenden Regelungen zu Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen und nicht auf der Analyse von anderen Preisnachlassinstrumenten.
2.2 Die nationale Umsetzung
2.2.1 Wert- und Warengutscheine vor Anwendung der EU-Gutschein-Richtlinie
2.2.1.1 Begriffsdefinition
Gutscheine, die bis zum 31.12.2018 ausgestellt wurden, werden von den neuen Regelungen der EU-Gutschein-Richtlinie nicht erfasst.[61] Ihre Behandlung beruht in Deutschland mangels gesetzlicher Regelungen weitestgehend auf Verfügungen der OFD.[62] Maßgebend für die Unterscheidung verschiedener Gutscheinarten ist aus umsatzsteuerlicher Sicht der Besteuerungszeitpunkt, welcher je nach Art des Gut-scheins abweicht.[63] In der Folge sollen die Gutscheinarten übersichtlich dargestellt werden.
Zum einen werden Wertgutscheine definiert. Diese liegen vor, sofern sie einen nominalen Geldbetrag ausweisen, welcher gegen das gesamte Sortiment eines Händlers oder einer Händler-Gruppe eingelöst werden kann. Da dieser Wertgutschein bei Erwerb praktisch nur gegen Bargeld getauscht wird, liegt zum Zeitpunkt der Ausstellung des Wertgutscheins mangels Leistungserbringung kein umsatzsteuerbarer Tatbestand vor. Auch kann keine Anzahlung i. S. d. § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a S. 4 UStG vorliegen, da die zukünftige Warenlieferung bzw. sonstige Leistung noch nicht bekannt sind. Somit ist bei Ausstellung eines Wertgutscheins keine Umsatzsteuer in der Rechnung auszuweisen. Erst bei Einlösung des Wertgutscheins gegen einen konkreten Umsatz entsteht Umsatzsteuer. Wird ein Wertgutschein innerhalb einer Händlergruppe erworben, so muss der ausstellende Händler den Wert des Gutscheins an den Händler erstatten, bei dem der Wertgutschein letztendlich eingelöst wird. Da hierbei ein Rücktausch von Wertgutschein gegen Bargeld stattfindet, entsteht ebenfalls keine Umsatzsteuer. Allerdings liegt eine steuerpflichtige sonstige Leistung vor, wenn für die Ausstellung des Wertgutscheins eine Gebühr fällig wird.[64]
Hiervon abzugrenzen sind Warengutscheine. Bei Erwerb dieser steht von Beginn an fest, für welche sonstige Leistung oder welche Ware der Warengutschein eingelöst werden kann. Damit wird der hierfür gezahlte Betrag als Anzahlung i. S. d. § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a S. 4 UStG im Rahmen der Mindest-Ist-Besteuerung behandelt und bei Rechnungsausstellung für den Warengutschein Umsatzsteuer ausgewiesen.[65] Sofern bei Einlösung des Gutscheins für die Lieferung bzw. sonstige Leistung noch ein zusätzlicher Betrag fällig wird, unterliegt der daraus entstehende Differenzbetrag ebenso der Umsatzsteuer.[66]
In diesem Zusammenhang wurde von der OFD Frankfurt ebenso die Behandlung von Zahlungskarten umsatzsteuerlich gewürdigt. Bei Multifunktionskarten, welche bei Einlösung für verschiedene Leistungen bei unterschiedlichen Anbietern in Anspruch genommen werden können, liegt wie bei einem Wertgutschein kein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor, so dass bei Ausgabe einer derartigen Multifunktionskarte lediglich Bargeld gegen elektronisch verfügbares Geld getauscht wird. Es entsteht damit bei Ausgabe keine Umsatzsteuer. Telefonkarten wiederum, welche nur für eine bestimmte Leistung von einem feststehenden Leistungserbringer in Anspruch genommen werden können, lösen eine Besteuerung entsprechend der Ausführungen zu Warengutscheinen aus.[67] Diese Ausführungen lassen gewisse Parallelen zu dem später ergangenen EuGH-Urteil Lebara erkennen, welches in Kapitel 2.1.1. erläutert wurde.[68] Die OFD Frankfurt thematisierte ebenso die umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von Telefonkarten von der Deutschen Telekom AG.[69] Da diese Ausführungen jedoch nicht im wesentlichen Zusammenhang mit der Abgrenzung von Waren- und Wertgutscheinen sowie Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie stehen, werden diese im Rahmen dieser Bachelorarbeit nicht weiter ausgeführt.
Darüber hinaus müssen Wert- und Warengutscheine auch von Rabattgutscheinen in Form vom Preisnachlassgutscheinen oder Preiserstattungsgutscheinen abgegrenzt werden. Derartige Gutscheine führen sofort oder im Nachhinein dazu, dass das gezahlte Entgelt gemindert wird. Die unentgeltliche Ausstellung dieser Gutscheine ist dabei nicht steuerbar. Ein Preisnachlassgutschein wirkt wie Entgelt und wird daher als Teil der Gegenleistung für die Lieferung bzw. sonstige Leistung gesehen. Die Einlösung von Preiserstattungsgutscheinen hat gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG zur Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage nachträglich ändert.[70] Die Voraussetzungen hierfür werden in Abschn. 17.2 Abs. 1 S. 4, 5 und Abs. 5 UStAE genauer ausgeführt.
An dieser Unterscheidung wird deutlich, dass die korrekte Einordnung eines Gutscheins sowohl für die Bestimmung des Besteuerungszeitpunktes als auch die umsatzsteuerliche Behandlung essenziell ist.
2.2.1.2 Einzelfallentscheidungen
Die Rechtsprechung befasste sich auf nationaler Ebene ebenso mit der Ausstellung von Gutscheinen in diversen Sachverhaltskonstellationen, welche jedoch von einzelfallspezifischen Merkmalen geprägt waren, sodass eine Umsatzbesteuerung von Gutscheinen anhand allgemeingültiger Kriterien nur schwer ableitbar ist.[71] Einige Urteile sollen nachfolgend exemplarisch vorgestellt werden, um die unterschiedliche Behandlung von Gutscheinen zu verdeutlichen.
Der BFH hatte im Jahr 2011 einen Sachverhalt zu beurteilen, welcher der Rechtssache MacDonald Resorts ähnelte.[72] Anders als im Fall MacDonald Resorts jedoch, steht der Inhalt der Leistung bei Erwerb der hier strittigen Hotelschecks schon fest.[73] Diese konnten nur gegen Übernachtungen in verschiedenen inländischen und ausländischen Hotels aus einem bestimmten Hotelkatalog eingelöst werden.[74] Die Verkäuferin der Schecks wird hier als Vermittlerin von grundstücksbezogenen Leistungen angesehen, sodass bei Ausgabe der Hotelschecks eine Vermittlungsleistung der Anzahlungsbesteuerung zu unterwerfen ist.[75] Da bei Ausgabe noch nicht feststeht, ob der Erwerber der Schecks diese für ein Hotel im In- oder Ausland einlöst, ist der Leistungsort bei dieser Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen und liegt damit im Inland.[76] Wird bei Einlösung der Schecks bekannt, dass der Scheckbesitzer sich für eine Übernachtung in einem ausländischen Hotel entschieden hat, so liegt eine nicht steuerbare Vermittlungsleistung im Inland vor. Demnach muss die Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 S. 1 UStG berichtigt werden.[77] Der BFH stellt demnach hier im ersten Schritt auf eine Anzahlungsbesteuerung ab, sofern der Inhalt der zu erbringenden Leistung von Beginn an bekannt ist.
In seinem BMF-Schreiben vom 24.09.2012 nimmt das BMF Stellung zum EuGH-Urteil Lebara. Für die umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweckguthabenkarten wird hierbei festgehalten, dass eine Telekommunikationsdienstleistung bei Ausgabe der Telefonkarten erbracht wird, sofern Telefonkarten ausgegeben werden, welche nur für eine bestimmte Leistung verwendet werden können. Die Inanspruchnahme des Guthabens wiederum führt zu keiner Umsatzbesteuerung. Wird eine derartige Telefonkarte innerhalb einer Vertriebskette mehrmals übertragen, so muss bei jeder Übertragung festgestellt werden, ob eine Vermittlungs- oder Telekommunikationsdienstleistung vorliegt. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 lit. a S. 1 UStG dann mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist, sofern die Steuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen ist.[78]
Die umsatzsteuerliche Behandlung von „Payback“-Punkten wird u. a. ebenso von der OFD thematisiert. Die OFD Frankfurt erläuterte, dass bei Verwendung der Punkte durch Teilnehmer am „Payback“-Punktesystem für einen Rabatt bei ihren Einkäufen eine nachträgliche Entgeltminderung für den Ursprungsumsatz vorliegt. Demnach muss „Payback“ seinen Partnerunternehmen alle Informationen für die Entgeltminderung i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1UStG mitteilen. Auch der Kunde muss einen evtl. geltend gemachten Vorsteuerabzug wieder berichtigen.[79] Anders als von der OFD Frankfurt im Jahr 2012 vorgegeben, wird jedoch klargestellt, dass keine Barauszahlungsverpflichtung für die Annahme einer Entgeltminderung vorliegen, sondern der Kunde lediglich über die Rabattgewährung frei wählen können muss.[80] Dies wurde vom BFH im Jahr 2020 bestätigt.[81] Grds. lässt sich jedoch festhalten, dass keine umsatzsteuerbare Leistung vorliegt, sofern der Kunde sich die Punkte in Geld auszahlen lässt oder sie gegen eine Spende oder einen Gutschein für ein Partnerunternehmen einlöst. Werden die Punkte gegen eine Sachprämie eingelöst, erbringt „Payback“ eine umsatzsteuerbare und -pflichtige Lieferung, deren Entgelt sich nach dem Gegenwert der einzulösenden Punkten zzgl. möglicher Zuzahlungen durch den Kunden und abzgl. der Umsatzsteuer bemisst. Werden Lieferungen oder sonstige Leistungen mit „Payback“-Gutscheinen bezahlt, so wird in diesem Zeitpunkt ebenfalls eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung bzw. sonstige Leistung erbracht. In den beiden zuletzt genannten Fällen liegt demnach ebenso eine Entgeltminderung vor. Der Verfall derartiger Punkte unterliegt nicht der Umsatzbesteuerung.[82] „Payback“-Punkte können folglich als Rabattgutscheine angesehen werden.[83]
In einer anderen Rechtssache beschäftigte sich der BFH mit der Würdigung eines Sachverhalts, bei welchem ein Käufer von Waren zusätzlich einen Chip erhält, durch welchen die Nutzung von Parkhäusern Dritter verbilligt in Anspruch genommen werden konnte.[84] Es wurde entschieden, dass derartige Chips nicht mit einem Zahlungsmittel bzw. einem Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutschein gleichzustellen sind, da durch sie nur das Recht in Anspruch genommen werden kann, eine bestimmte Leistung eines Dritten verbilligt zu beziehen. Der besagte Chip ist damit als zusätzliche Zuwendung und folglich als unentgeltliche Leistung anzusehen, da das Entgelt für die eigentlich bezogene Ware nicht gemindert wird.[85]
Es wird ersichtlich, dass eine Vielzahl an Fallkonstellationen durch den BFH im Rahmen von Rechtsprechung behandelt wurde. Eine Ableitung allgemeingültiger Kriterien für die Praxis ist aufgrund der Unterschiedlichkeit der zugrundeliegenden Fälle jedoch schwer möglich.[86] Es kann somit nicht jedes mit Gutscheinen in Verbindung stehende Geschäftsmodell hinreichend erfasst werden.[87] Hinzu kommt, dass die in Kapitel 2.2.1.1. angeführten OFD-Verfügungen zwar Anhaltspunkte für die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen geben, diese aber nicht bundesweit verpflichtend anzuwenden sind.[88] Damit kann Steuerpflichtigen in der Praxis kaum Rechtssicherheit gewährleistet werden.
2.2.2 Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine in Folge der EU-Gutschein- Richtlinie
2.2.2.1 Abgrenzung von Gutscheinen und anderen Preisnachlassinstrumenten
Der Gesetzgeber übernimmt den Wortlaut des Rats der Europäischen Union und definiert Gutscheine im nationalen Recht in § 3 Abs. 13 UStG entsprechend der Ausführungen in Art. 20a Abs. 1 MwStSystRL. In § 27 Abs. 23 UStG wird klargestellt, dass auf nationaler Ebene die neuen Regelungen für solche Gutscheine Anwendung finden, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt werden. Das UStG unterscheidet entsprechend der unionsrechtlichen Vorgaben nach Art des Gutscheins zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen.
Stehen der Liefer- bzw. Leistungsort und der Umsatzsteuersatz bei Ausstellung eines Gutscheins von Beginn an fest, so spricht man von einem Einzweck-Gutschein i. S. d. § 3 Abs. 14 UStG. Zu beachten ist, dass entsprechend dem Gesetzeswortlaut gerade keine Voraussetzung für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist, dass eine eindeutige Lieferung bzw. sonstige Leistung von Beginn an feststehen muss.[89] Es kommt nach § 3 Abs. 13, 14 UStG lediglich darauf an, ob der Liefer- bzw. Leistungsort und die geschuldete Steuer bereits bei Ausgabe feststehen, sofern der liefernde bzw. leistende Unternehmer identifiziert werden kann. Wird der Einzweck-Gutschein in fremden Namen verkauft, so gilt gem. § 3 Abs. 14 S. 3 UStG bei Übertragung die Lieferung bzw. sonstige Leistung durch den Unternehmer als erbracht, in dessen Namen gehandelt wird. Damit ist derjenige, in dessen Namen der Einzweck-Gutschein verkauft wird, der Steuerschuldner i. S. d. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.[90] In § 3 Abs. 14 S. 4 UStG wird der Fall verankert, bei welchem der Einzweck-Gutschein zwar in eigenem Namen veräußert wird, jedoch nicht durch den leistenden Unternehmer. Hier wird der leistende Unternehmer so gestellt, als würde er bei Ausstellung des Gutscheins durch den anderen Unternehmer bzw. Vermittler an diesen die Lieferung bzw. sonstige Leistung erbringen. Es liegen damit die Grundsätze eines Kommissionsgeschäfts zugrunde,[91] welche bereits in Kapitel 2.1.2. ausführlich erläutert wurden. Ein Mehrzweck-Gutschein ist wiederum nach § 3 Abs. 15 UStG ein Gutschein, der kein Einzweck-Gutschein ist. Der Ge-setzgeber formuliert damit an dieser Stelle ebenso eine Auffangregel.[92] Das folgende Beispiel soll die Unterscheidung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen deutlich machen. Hinsichtlich der Praxisfragen in Bezug auf die Vorgehensweise bei der Ortsbestimmung wird hier auf Kapitel 3.2.3. verwiesen.
Beispiel:
A geht in seiner Mittagspause in sein Lieblingslokal XY in Düsseldorf. A ist im Besitz eines Gutscheins für Pizza, welchen er in dem Gasthof XY in Düsseldorf einlösen kann. Bestellt er die Pizza zum Mitnehmen, so liegt eine Lieferung von Speisen vor, welche gem. der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG mit 7% USt besteuert wird. Nimmt er sein Essen vor Ort zu sich, so liegt eine Restaurationsleistung als sonstige Leistung i. S. d. § 3a Abs. 3 Nr. 3 lit. b UStG vor, welche mit 19% USt besteuert wird.[93]
Auch wenn das zu erwerbende Gut und der Liefer- bzw. Leistungsort (Düsseldorf) von Beginn an feststehen, liegt kein Einzweck-Gutschein i. S. d. § 3 Abs. 14 S. 1 UStG vor, da bei Ausstellung des Gutscheins die geschuldete Umsatzsteuer nicht feststeht. Welcher Umsatzsteuersatz anfällt, kommt vielmehr auf die Entscheidung des A im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins an. Damit liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor.
An der Unterscheidung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen wird insgesamt deutlich, dass der vorher verwendete Terminus eines Warengutscheins in etwa einem Einzweck-Gutschein gleichgestellt werden kann. Ein Wertgutschein entspricht in etwa einem Mehrzweck-Gutschein.[94]
Gutscheine, die einen Preisnachlass bewirken, sind gem. § 3 Abs. 13 S. 2 UStG keine Gutscheine im Sinne dieser Norm. Es entsteht bei unentgeltlicher Ausgabe derartiger Preisnachlassinstrumente keine Umsatzsteuer.[95] Dies gilt ebenso, wie bereits ausgeführt, entsprechend der EU-Gutschein-Richtlinie für Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen etc.[96] In der deutschsprachigen Literatur wird die Behandlung von Preiserstattungs- und Preisnachlassgutscheinen sowohl vor als auch nach der Veröffentlichung der EU-Gutschein-Richtlinie aufgrund mangelnder einheitlicher Regelung stark diskutiert.[97] Es ergeben sich jedoch auf nationaler Ebene nach Umsetzung der EU-Gutschein-Richtlinie keine Änderungen der Verwaltungsauffassung, sodass die Beurteilung dieser Preisnachlassinstrumente, wie in Kapitel 2.2.2.1. dargestellt, weiterhin in Abschn. 17.2 UStAE ausgeführt wird.[98] Zu beachten ist nun allerdings, dass bei entgeltlicher Ausgabe derartiger Gutscheine wieder eine Unterscheidung in Einzweck- und Mehrzweck-Gutschein erfolgen muss. Denn der Nennbetrag des Gutscheins wird bei Einlösung auf den Kaufpreis angerechnet. [99] Da Preisnachlassinstrumente von der EU-Gutschein-Richtlinie nicht näher thematisiert werden, sollen die gesamten bisherigen Ausführungen zu diesen, wie bereits in Kapitel 2.1.2., nicht weiter vertieft werden, da im Kern dieser Arbeit die Umsatzbesteuerung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen kritisch hinterfragt werden soll. Es soll jedoch verdeutlicht werden, dass eine Abgrenzung von Gutscheinen im Sinne der neuen Regelung und anderen Preisnachlassinstrumenten sich als durchaus schwierig erweisen kann. Damit bleibt festzuhalten, dass eine Einigung seitens der Mitgliedstaaten in Bezug auf eine einheitliche Abgrenzung der geltenden Gutschein-Regelung zur Umsatzbesteuerung anderer Preisnachlassinstrumente durchaus wünschenswert ist.
2.2.2.2 Zeitpunkt der Besteuerung
Ist eine Differenzierung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen erfolgt, so kann auch der Zeitpunkt der Besteuerung bestimmt werden. Hierbei werden auf nationaler Ebene die Vorgaben der EU-Richtlinie, teilweise auch vom Wortlaut her, übernommen.
Bei Einzweck-Gutscheinen wird gem. § 3 Abs. 14 S. 2, S. 5 UStG jede Übertragung vor der tatsächlichen Einlösung so behandelt, als sei die auf dem Gutschein festgeschriebene Lieferung bzw. sonstige Leistung erbracht worden. Die Übertragung meint hierbei die Verschaffung der Verfügungsmacht.[100] Damit werden Einzweck-Gutscheine bei Ausgabe und jeder weiteren Übertragung besteuert.[101] Wird ein Einzweck-Gutschein nicht eingelöst, so bleibt die ursprüngliche Besteuerung bestehen und es erfolgt keine Änderung der Bemessungsgrundlage.[102] Sollte ein Gutschein rückerstattet werden, so wird die fiktiv besteuerte Lieferung bzw. sonstige Leistung rückgängig gemacht. Nur in diesem Fall erfolgt eine Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG.[103] Bei der tatsächlichen Einlösung des Gutscheins kann es nur zu einer Besteuerung kommen, sofern die einlösende Person eine Zuzahlung leisten muss, wenn die Ware bzw. Leistung teurer ist als der auf dem Gutschein aufgedruckte Wert. In diesem Fall entsteht bei Einlösung die Steuer bezogen auf den Differenzbetrag, der den Gutscheinwert übersteigt.[104] Wird der Einzweck-Gutschein gem. § 3 Abs. 14 S. 3 UStG in fremdem Namen verkauft, so ist für eine fristgerechte Versteuerung der Umsätze notwendig, dass dem Unternehmer, dem der Verkauf des Gutscheins zugerechnet wird, von dem eigentlichen Verkäufer bzw. Vermittler der Zeitpunkt des Gutscheinverkaufs mitgeteilt wird.[105] Für den Fall, dass in eigenem Namen auf fremde Rechnung i. S. d. § 3 Abs. 14 S. 4 UStG gehandelt wird, wird an dieser Stelle auf die Problematik in Bezug auf die Bestimmung des Steuerentstehungszeitpunktes verwiesen, welche in Kapitel 2.1.2. ausführlich dargestellt wurde.
Mehrzweck-Gutscheine hingegen werden gem. § 3 Abs. 15 S. 2 UStG bei Einlösung des Gutscheins besteuert und damit in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung bzw. sonstige Leistung tatsächlich erbracht wird. Separate Leistungen, die bei der Übertragung geleistet werden, wie bspw. Vertriebsleistungen, sind entsprechend der unionsrechtlichen Regelungen nach Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL bei Leistungserbringung gesondert zu versteuern. Damit entsteht die Steuer für diese gesonderte Leistung in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Im UStG findet man hierzu jedoch keine separate Regelung.[106] Wird ein Mehrzweck-Gutschein nicht eingelöst, so liegt auch keine steuerbare Lieferung bzw. sonstige Leistung vor. Damit müsste in einem solchen Fall die Umsatzbesteuerung des Mehrzweck-Gutscheins entfallen.[107]
2.2.2.3 Bemessungsgrundlage
Für Einzweck-Gutscheine gelten hinsichtlich der Bemessungsgrundlage die bekannten umsatzsteuerlichen Regelungen i. S. d. § 10 UStG. Hiernach ist gem. § 10 Abs. 1 S. 1, S. 2 UStG alles, was der Gutscheinempfänger für den Erwerb des Gutscheins aufgewendet hat, als Steuerbemessungsgrundlage anzusehen. Es kommt demnach nicht auf den Wert des Gutscheins oder auch auf die spätere Lieferung bzw. sonstige Leistung an.[108]
Um das Entgelt für die Einlösung eines Mehrzweck-Gutscheins zu bestimmen, wurde in § 10 Abs. 1 S. 6 UStG eine Sonderregelung eingefügt, welche Art. 73a MwStSystRL in das nationale Recht umsetzt.[109] Darin wird eine Ersatzbemessungsgrundlage für den Fall geregelt, dass die Höhe der erhaltenen Gegenleistung i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG nicht bekannt ist. In diesem Fall wird das Entgelt nach dem Nennwert des Gutscheins bzw. nach mit dem Gutschein in Verbindung stehenden Unterlagen bemessen abzgl. der darin enthaltenen Umsatzsteuer.[110] Wird ein Mehrzweck-Gutschein mehrmals übertragen, bspw. innerhalb einer Vertriebskette, so ist grds. für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Betrag maßgeblich, den der Endkunde bei der letzten Übertragung vor der Einlösung aufwendet. Nur wenn dieser Betrag nicht bekannt ist, muss als Ersatzbemessungsgrundlage der Nennwert des Gutscheins abzgl. der Umsatzsteuer herangezogen werden.[111]
2.2.2.4 Ein Entwurf des BMF vom 18.12.2019 zur Klärung von Praxisproblemen
Bei näherer Betrachtung der Neuregelungen zu der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen fällt auf, dass bestimmte relevante Sachverhalte für die Praxis nicht näher thematisiert wurden. Zum einen wird bspw. die Ortsbestimmung, auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, im Rahmen der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen nicht ausgeführt. Aber auch die umsatzsteuerlichen Konsequenzen beim Verfall eines Gutscheins oder bei einem nachträglich angepassten Sortiment werden nicht erläutert. Aus diesem Grund hat das BMF zum 18.12.2019 einen ersten Entwurf eines BMF-Schreibens veröffentlicht, um derartige Praxisfragen klarzustellen.[112] In der Folge sollen die wichtigsten Ergebnisse des BMF-Schreibens vorgestellt werden.
Der UStAE soll insofern angepasst werden, als dass ein neuer Abschn. 3.17 UStAE eingefügt wird, welcher sich mit der Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen beschäftigt. Zunächst wird gem. Abschn. 3.17 Abs. 1 S.3-5 UStAE die Abgrenzung von Gutscheinen und anderen Preisnachlassinstrumenten insoweit konkretisiert, als dass Gutscheine, die nicht das Recht zum Erwerb eines Gegenstandes oder einer sonstigen Leistung verkörpern oder die zum Erwerb von Warenproben berechtigen, nicht als Gutschein i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG gelten.[113] Zudem wird für die Ortbestimmung in Bezug auf Einzweck-Gutscheine konkretisiert, dass gem. Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 2 UStAE aus dem Einzweck-Gutschein der steuerberechtigte Mitgliedstaat hervorgehen muss.[114] Damit müsste für die Ortsbestimmung der jeweilige Staat als Angabe genügen und nicht bspw. die Stadt genau bestimmbar sein. Die Lieferung bzw. sonstige Leistung muss nach Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 4-5 UStAE insofern konkretisiert werden, als dass die Gattung dieser bestimmt werden kann.[115] Für den Fall, dass Einzweck-Gutscheine im eigenen Namen und auf fremde Rechnung übertragen werden, gibt das BMF in Abschn. 3.17 Abs. 3 S. 6 UStAE als Steuerentstehungszeitpunkt den Zeitpunkt an, in dem der Gutschein ausgegeben (und nicht eingelöst) wird.[116] Wird durch die Übertragung des Einzweck-Gutscheins das Recht übertragen, eine Lieferung in Anspruch nehmen zu können, so bestimmt sich der Ort gem. Abschn. 3.17 Abs. 5 S. 1f. UStAE nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG. Für die Bestimmung des Leistungsortes gelten die allgemeinen Regelungen des § 3a UStG, sodass feststehen muss, ob der Empfänger der Leistung ein Unternehmer ist. Sofern Vermittlungsleistungen innerhalb einer Vertriebskette erfolgen, so bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG.[117] Für die Nichteinlösung eines Einzweck-Gutscheins wird nach Abschn. 3.17 Abs. 7 UStAE klargestellt, dass sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen ergeben und damit auch keine nachträgliche Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. d. § 17 Abs. 1 UStG in Frage kommt.[118] Kann ein Einzweck-Gutschein remonetisiert werden, so muss nach Abschn. 3.17 Abs. 8 UStAE auch die Umsatzsteuer für den ursprünglichen Umsatz nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt des Rücktausches berichtigt werden.[119]
Zu den bereits erläuternden Ausführungen hinsichtlich der Umsatzbesteuerung von Mehrzweck-Gutscheinen führt das BMF zusätzlich die Weitergabe von Mehrzweck-Gutscheinen innerhalb von Vertriebsketten aus. Die Vermittlungsleistung bemisst sich hier nach der Differenz zwischen dem Gutscheinausgabepreis und dem Einkaufspreis des gutscheinausgebenden Unternehmers, sofern gem. Abschn. 3.17 Abs. 12 S. 3 UStAE eine Vergütung für die Vermittlungsleistung nicht vereinbart wurde.[120] Der Lieferort bestimmt sich, anders als bei Einzweck-Gutscheinen, nach den allgemeinen Regelungen gem. § 3 Abs. 5a UStG.[121] Wird ein Mehrzweck-Gutschein unentgeltlich ausgegeben, so liegt gem. Abschn. 3.17 Abs. 12 S. 4f. UStAE eine unentgeltliche Wertabgabe vor. Im Zeitpunkt der Einlösung wird für die Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 S. 1 UStG der Einkaufspreis bzw. der Selbstkostenpreis herangezogen.[122] Die Nichteinlösung eines Mehrzweck-Gutscheins hat nach Abschn. 3.17 Abs. 13 UStAE keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen und hat auch keine Auswirkung auf eine evtl. zuvor geleistete Vermittlungsleistung.[123] Ein Rücktausch in Bargeld löst nach Abschn. 3.17 Abs. 14 UStAE keine umsatzsteuerlichen Folgen aus, da lediglich ein Tausch von Zahlungsmitteln stattfindet.[124]
Darüber hinaus wird Abschn. 17.2 Abs. 4 UStAE hinsichtlich Preisnachlass- und Preiserstattungsgutscheinen neu gefasst. Im Gegensatz zu Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen wird bei Vorliegen eines Preisnachlass-/Preiserstattungsgutscheins lediglich ein Rabatt- oder Vergütungsanspruch gewährt, jedoch nicht das Recht vermittelt, einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte sonstige Leis-tung in Anspruch zu nehmen. Damit ist bei Vorliegen derartiger Gutscheine Abschn. 3.17 UStAE nicht anzuwenden.[125]
Das vorliegende BMF-Schreiben gibt damit eine erste Orientierungshilfe für bislang ungeklärte Praxisfragen. Dennoch bleiben noch einige Fragen offen, z. B. wie bei einem nachträglichen Sortimentswechsel zu verfahren ist. Auch das in Kapitel 2.1.2. erläuterte Problem bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Steuerentstehung bei Übertragung von Einzweck-Gutscheinen innerhalb von Vertriebsketten, welche im eigenen Namen und auf fremde Rechnung vertrieben werden, wird eher praxisuntauglich geregelt. Somit ist eine weitere Präzisierung des BMF für noch offene Fragen durchaus wünschenswert.
- Quote paper
- Julia Plichta (Author), 2020, Kritische Analyse der Behandlung von Gutscheinen im Umsatzsteuerrecht in Folge der EU-Gutschein-Richtlinie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1162740
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