Im Zeitalter von Fake News und immer undeutlicheren Abgrenzungen zwischen Meinung und Fakten wurde etwas
in Gang gesetzt, was P. Gensing, Leiter der Abteilung "ARD- Faktenfinder" in seiner Schriftenreihe "Fakten gegen Fake News" als politischen Klimawandelbezeichnet. Durch den Siegeszug der Sozialen Medien finden nahezu unkontrolliert Polarisierungen statt, die in der Lage sind, unser bisher gekanntes Demokratieverständnis auszuhöhlen. Eine moderne Demokratie benötige daher laut Gensing eine digitale Zivilgesellschaft, die sich mit Mut und Medienkompetenz
gegen Angriffe unter anderem durch Fake News und Desinformation wehren könne.
Das Erlangen einer solchen Medienkompetenz und Medienbildung sieht die Autorin im Zeitalter von Fake News somit als große Herausforderung an Politik und politische Bildung. Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: Wie kann die Vermittlung von Medienkompetenz im Politikunterricht an Schulen zu einem kritischen Umgang mit Fake News
verhelfen?
Zur Bearbeitung dieser Frage stellen sich folgende Leitfragen: Welche Ziele soll die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen erfüllen (Soll-Zustand)? Wie ist diesbezüglich der Ist- Zustand? Was versteht man unter Fake News? Welche Formen und Verbreitungsmechanismen gibt es? Welche Auswirkungen haben sie auf Demokratie und Gesellschaft? Welche aktuellen Aufgaben ergeben sich damit für die Schulen? Gibt es speziell politdidaktische Überlegungen zu Medienkompetenzen? Mit der Klärung dieser Fragen möchte die Autorin aufzeigen, was speziell im Politikunterricht an Schulen getan werden kann, um die Schülerschaft gut gegen die Tücken von Fake News zu wappnen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Hinweis
Einleitung
1 Medienkompetenz an Schulen
1.1 Medienkompetenz im pädagogischen Diskurs
1.2 Ziele der Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen
1.3 Ist- Zustand
2 Fake News
2.1 Definition
2.2 Warum Fake News funktionieren
2.3 Verbreitungsmechanismen
2.3.1 Trolle
2.3.2 Cybermobbing und Hate Speech
2.3.3 Deepfake: Manipulierte Videos und Bilder
2.3.4 Echokammern und Filterblasen
2.3.5 Social Bots
2.4 Auswirkungen von Fake News auf Demokratie und Gesellschaft
2.5 Verhaltenskodex der Europäischen Kommission
3 Medienkompetenz für einen kritischen Umgang mit Fake News
3.1 Spezielle politdidaktische Überlegungen zur Medienkompetenz
3.2 Aktuelle Aufgaben der Schulen zur Zielerreichung
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Fake News im Unterricht behandeln
Das Thema Fake News im Unterricht behandeln
Linkliste Fake News im Unterricht:
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
„Ich will [.] nur darauf aufmerksam machen, dass Meinungsbildung heute grundsätzlich anders erfolgt als vor 25 Jahren, dass heute Fake- Seiten, Bots, Trolle Meinungsbilder verfälschen können, dass heute sich selbst regenerierende Meinungsverstärkungen durch bestimmte Algorithmen stattfinden. Wir müssen lernen, uns damit auseinanderzusetzen.“ Mit diesen Worten forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede zum Haushaltsgesetz 2017 bereits im November 2016 im Deutschen Bundestag dazu auf, die Einflussnahme der Sozialen Medien auf unser Demokratieverständnis nicht zu unterschätzen. Eine wichtige Schlüsselkompetenz unserer Zeit ist daher, Informationen aus dem Netz kritisch einordnen zu können und so politische Urteils-und Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu erlangen. Doch im Zeitalter von Fake News und immer undeutlicheren Abgrenzungen zwischen Meinung und Fakten wurde etwas in Gang gesetzt, was P. Gensing, Leiter der Abteilung „ARD- Faktenfinder“ in seiner Schriftenreihe „Fakten gegen Fake News“ als politischen Klimawandel bezeichnet. Durch den Siegeszug der Sozialen Medien finden nahezu unkontrolliert Polarisierungen statt, die in der Lage sind, unser bisher gekanntes Demokratieverständnis auszuhöhlen. Eine moderne Demokratie benötige daher laut Gensing eine digitale Zivilgesellschaft, die sich mit Mut und Medienkompetenz gegen Angriffe unter anderem durch Fake News und Desinformation wehren könne. (Gensing, 2020, S.7ff) Das Erlangeneiner solchenMedienkompetenzund Medienbildung sieht die Autorin im Zeitalter von Fake News somit als große Herausforderung an Politik und politische Bildung. Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: Wie kann die Vermittlung von Medienkompetenz im Politikunterricht an Schulen zu einem kritischen Umgang mit Fake News verhelfen? Zur Bearbeitung dieser Frage stellen sich folgende Leitfragen: Welche Ziele soll die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen erfüllen (SollZustand)? Wie ist diesbezüglich der Ist- Zustand? Was versteht man unter Fake News? Welche Formen und Verbreitungsmechanismen gibt es? Welche Auswirkungen haben sie auf Demokratie und Gesellschaft? Welche aktuellen Aufgaben ergeben sich damit für die Schulen? Gibt es speziell politdidaktische Überlegungen zu Medienkompetenzen? Mit der Klärung dieser Fragen möchte die Autorin aufzeigen, was speziell im Politikunterricht an Schulen getan werden kann, um die Schülerschaft gut gegen die Tücken von Fake News zu wappnen.
1 Medienkompetenz an Schulen
Die Förderung der Medienkompetenz hat an deutschen Schulen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. A. Besand, Professorin für die Didaktik der politischen Bildung und W. Sander, Professor für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften, beschreiben in ihrem Sammelwerk „Handbuch Medien in der politischen Bildung“ eine immer stärkere Verflechtung und somit eine immer unschärfere Trennung zwischen Medien und politischer Bildung. Es könne daher „auch im politischen Unterricht nicht länger darum gehen, das Thema Medien allein unter Überschriften wie „Medien als vierte Gewalt“ in einigen wenigen Unterrichtsstunden abzuhandeln.“ (Besand & Sander, 2018, S.10) Vielmehr müsse das Thema Medien selbstverständlicher Bestandteil des Politikunterrichts werden und das Thema Politik über Medien in den Bildungsprozess eingebracht werden. Politische Bildung, die auf Urteils- und Handlungsfähigkeit ziele, habe laut Besand und Sanderdaher die Aufgabe, Bürger in einer reflexiven Mediennutzung zu unterstützen und ihnen Instrumente in die Hand zu geben, politische Informationen zu erkennen und zu bewerten. (Besand & Sander, 2018, S.10)
1.1 Medienkompetenz im pädagogischen Diskurs
Der Begriff der Medienkompetenz wird in vielen unterschiedlichen Kontexten genutzt. Sein Ursprung findet sich im pädagogischen Diskurs, der auch für diese Hausarbeit der relevanteste ist. H. Gapski, Forschungsleiter des Grimme- Instituts in Marl, M. Oberle, Professorin für Politikwissenschaft / Didaktik und W. Staufer, Referent bei der Bundeszentrale für politische Bildung, definieren den Begriff Medienkompetenz im pädagogischen Diskurs in ihrer Schriftenreihe „Medienkompetenz“ folgendermaßen: „Medienkompetenz wird dabei verstanden als integrierter Bestandteil von kommunikativer Kompetenz und von Handlungskompetenz. Sie bildet eine wesentliche Voraussetzung für eine souveräne Lebensführung, die zunehmend davon geprägt ist, mit und über Medien das eigene Leben zu gestalten.“ (Gapski, Oberle & Staufer, 2017, S.21 f)
1.2 Ziele der Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen
Konsequenterweise beginnt die Vermittlung von Medienkompetenz im pädagogischen Diskurs also bereits im Schulalter. Gensing verweist in seinem Buch auf eine digitale Lebenswelt junger Menschen, die mit der vergangenen analogen Welt nichts mehr gemein habe. Jugendliche von heute wüchsen in einer Welt mit sozialen Medien und Smartphones auf, in der Online- und Offline- Welt miteinander verschmelzen. Laut Gensing ergab eine 2020 durchgeführte repräsentative Studie der Vodafone Stiftung Deutschland, dass drei Viertel der Befragten in der Schule etwas über den Umgang mit Fake News und Hate Speech lernen wollten. (Gensing, 2020, S. 39) Die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen sollte sich also laut A. Büsch, Professor für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft, nicht nur auf technische Bedienungskompetenzen der entsprechenden Geräte beschränken, sondern Jugendliche befähigen, kommunikativ in unterschiedlichen Medienwelten zu partizipieren. Dazu gehöre auch die Fähigkeit, zu deren Verlockungen eine gesunde Distanz einnehmen zu können. (Büsch, 2020, S.93)
1.3 Ist- Zustand
Die oben genannten Ziele beschreiben also den Soll-Zustand an deutschen Schulen. Doch wie sieht der Ist- Zustand aus?Die Professorin für Schulpädagogik B. Eickelmann verweist hier auf die 2013 durchgeführte International Computer and Information Literacy Study ICILS , die belegt, dass in Deutschland lediglich ein Viertel der Jugendlichen über ein Medienkompetenzniveau verfüge, dass zu einer selbstbestimmten und reflektierten Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen befähige. (Eickelmann, 2017, S.147 f) Laut Gensing seien in den Klassenzimmern Themen wie Fake News allerdings nach wie vor kaum präsent, obwohl zwei Drittel der 14-24-jährigen die Verbreitung von Fake News als gesellschaftliche Bedrohung ansähen. Laut einer Studieaus dem Jahr 2018 des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet DIVSI vervollständigten lediglich 18 Prozent der befragten Jugendlichen den Satz „Was ich über das Internet bzw. Internetnutzung weiß, habe ich gelernt von.“ mit der Antwort „Lehrer*innen“. Sie belegten damit den letzten Platz nach Verwandten, Eltern und Freunden, obwohl sogar Mehrfachnennungen möglich gewesenwären.(Gensing, 2020, S. 39 f)Auch R. Renatus, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden, sieht die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz zu wenig im Schulunterricht berücksichtigt. Eine Bewertung von Informationsangeboten imHinblick auf Qualität und Vertrauenswürdigkeit werde noch zu selten als Unterrichtsthema vorgeschrieben. Dies werde dem aktuellen Nachrichtennutzungsverhalten von Jugendlichen in Zeiten von Fake News etc. nicht gerecht. (Renatus, 2018, S.14 f)
2 Fake News
Um Nachrichtenkompetenz als Bestandteil der Medienkompetenz so zu vermitteln, dass die Schülerschaft einen kritischen Umgang mit Fake News erlernen kann, muss zunächst einmal geklärt werden, was sich hinter dem Begriff Fake News genau verbirgt.
2.1 Definition
Die Wissenschaftsjournalistin S. Kolonko beschreibt das Phänomen Fake News folgendermaßen: „Nicht alles, was in der Zeitung steht, ist richtig - aber nicht jede Falschmeldung ist gleich „Fake News“. Fake News, zu deutsch „Gefälschte Nachrichten“, verfolgen ein Ziel. Sie sollen Stimmung machen und unter dem Deckmantel einer angeblich seriösen Nachricht Gefühle manipulieren.“ (Kolonko, 2021) Diese Absicht hinter der Nachricht sei der entscheidende Unterschied zu simplen Falschmeldungen, die es in den Medien schon immer gegeben habe. Bei Fake News jedoch würden falsche oder irreführende Informationen gezielt verbreitet, um einer Person, Gruppe oder Organisation Schaden zuzufügen. Das Ziel sei entweder politisch motiviert oder ökonomischer Natur, wenn es etwa darum gehe, Menschen auf bestimmte Webseiten zu locken, mit deren Klickzahlen sich Geld verdienen ließe. (Kolonko, 2021)
2.2 Warum Fake News funktionieren
Falsch- und Fehlinformationen sind im Kontext der Massenmedien nichts Neues. Neu sei laut Büsch allerdings die Nutzung der Sozialen Medien zur Verbreitung. Emotionale Reizthemen hätten es auf diesem Weg besonders leicht, viele Interaktionen auszulösen. (Büsch, 2020, S.92). Die „Gatekeeperfunktion“ seriös prüfender Journalisten entfalle laut Renatus bei Fake News, die Verantwortung, eine Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, liege nun bei jedem Einzelnen selbst. (Renatus, 2017) Der Diplompolitologe T. Prenzel beschreibt in seinem Buch „Fake News“ weitere Mechanismen, warum Fake News funktionieren und nennt dafür zahlreiche Beispiele. So würden Informationen, die leicht zu verarbeiten seien, von unserem Gehirn eher geglaubt als komplizierte. Auch speichere es bereits Bekanntes anders ab als Neues. Je öfter man eine Geschichte höre, desto glaubwürdiger würde man sie bewerten. Als weiteres Problem führt Prenzel auf, dass sich einmal erhaltene Falschinformationen nur schwer wieder löschen ließen. Dies gelte sogar dann, wenn die entsprechende Nachricht als von Faktencheckern angefochten gekennzeichnet sei. Somit seien Fake News nur schwer wieder aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen. Hinzu komme, dass Fakten, die der eigenen Weltanschauung nicht entsprächen, häufiger abgelehnt würden und es die Neigung dazu gäbe, Informationen auszuwählen, die bereits bestehende Ansichten untermauerten. Prenzel bezeichnet diesen Mechanismus als Bestätigungstendenz. In Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheiten und einer kommerzialisierten Medienbranche, in der Form und Inhalt nicht mehr miteinander gekoppelt seien, hätten Fake News großen Erfolg. Zwischen Sender und Empfänger bestehe kein Puffer mehr, der korrigierend eingreifen könne. Als Beispiele für solche Puffer nennt Prenzel etwa die journalistische Sorgfaltspflicht bei der Überprüfung von Quellen oder redaktionelle Unabhängigkeit. (Prenzel, 2020, S.20 ff) Die Verbreitung von Fake News hat häufig zum Ziel, Vertrauen zu zerstören, Empörungen zu schüren und Angst zu verbreiten. Im folgenden Kapitel wird beschrieben, mit welchen Methoden diese Ziele besonders schnell und effektiv erreicht werden können.
2.3 Verbreitungsmechanismen
Gensing bezeichnet Fake News nur als einen Teil von Kampagnen, die öffentliche Debatten manipulieren sollen. (Gensing, 2020, S.25) Die systematische Streuung von Fake News bedient sich vieler unterschiedlicher Methoden. Allein schon die Möglichkeit, über das Internet bereits als kleine Gruppe oder Einzelner mit minimalem Aufwand ganze Massen zu erreichen, führt laut A. Busch, Professor für Vergleichende Politikwissenschaft, zu einer für Jedermann einfach zugänglichen „one-to-many“- Kommunikation mit einer gewaltigen Ausweitung der Informationsmenge. (Busch, 2017, S.56)
2.3.1 Trolle
Der Begriff Troll hat sich im Netz etabliert. Gensing beschreibt einen Troll als eine Person, die ausschließlich kommuniziere, um Diskussionen zu sabotieren und zu manipulieren. Gesprächspartner sollten emotional provoziert werden. Ein Angriff geschehe auf der persönlichen Ebene, eine argumentative Auseinandersetzung solle nicht stattfinden. Das Ziel sei die Beleidigung und Einschüchterung des vermeintlichen Gegners, er solle lächerlich gemacht werden. Ein konstruktiver Meinungsaustausch solle dabei verhindert werden. Politische Trolle versuchten dabei oft, vom eigentlichen Thema abzulenken, indem ein anderes Thema aufgegriffen werde. Diesen Vorgang nennt man Derailing. Als Beispiel führt Gensing zahlreich eingehende Kommentare über linke Gewalt auf, sobald eine Nachrichtenseite über rassistische Gewalttaten berichte. (Gensing, 2020, S. 25 ff)
2.3.2 Cybermobbing und Hate Speech
Wenn Messaging- und Social Media- Dienste dazu missbraucht werden, falsche oder beleidigende Fake News gegen Personen zu verbreiten, spricht man laut Büsch von Cybermobbing. Jeder fünfte Jugendliche gäbe an, hiervon schon einmal betroffen gewesen zu sein. Ein zweites Problemfeld seienHate Speech, zu deutsch Hassbotschaften. Hier werde entweder zu Hass oder Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufgerufen oder deren Menschenwürde durch Beschimpfungen oder Verleumdungen böswillig verächtlich gemacht. 21 Prozent der Jugendlichen berichteten, dass ihnen dies häufig im Internet begegne. (Büsch, 2020, S.91)
2.3.3 Deepfake: Manipulierte Videos und Bilder
Kolonko beschreibt in ihrem Artikel, dass nicht einmal Bilder und Videos vor Manipulationen sicher seien. Bilder seien zwar häufig echt, würden dann aber in einen falschen oder sinnverzerrenden Kontext gesetzt. Videoclips ließen sich mit speziellen Computerprogrammen täuschend echt manipulieren, so dass darin auftretenden Menschen beliebige Zitate in den Mund gelegt werden könnten, die diese nie gesagt hätten. (Kolonko, 2021)
2.3.4 Echokammern und Filterblasen
Laut Prenzel zeigten Studien, dass sich Falschmeldungen in Sozialen Netzen vor allem dann verbreiteten, wenn sie von Nutzern mit ähnlichen Weltanschauungen und Einstellungen geteilt würden. Menschen würden in sozialen Netzwerken dazu neigen, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben, dadurch bilde sich eine Dynamik, die zu einer einseitigen Nutzung führe. (Prenzel, 2020, S. 38) Wer aber nur Nachrichten lese, die ins eigene Weltbild passten, hielte diese laut Kolonko schnell für die einzig existierende Wahrheit. Medienforscher bezeichnen dies als Echokammer. Die eigene Meinung würde durch die eingeschränkte Nachrichtenauswahl wie ein Echo immer wieder zurückgeworfen, andere Argumente könnten den Nutzer so nicht mehr erreichen. Ähnliches beschreibt der Begriff Filterblase: Da in sozialen Netzwerken die Inhalte für jeden Nutzer individuell gefiltert würden, bekäme er vor allem Meldungen angezeigt, die ohnehin zu seinen Interessen und Meinungen passten. (Kolonko, 2021) Bereits 1995 warnte der Medientheoretiker N. Negroponte vor einer Perspektivverengung, die eine nur auf individuelle Interessen zugeschnittene Zeitung mit sich brächte und nannte diese „The Daily Me“. (Busch, 2017, S.57)
2.3.5 Social Bots
Gensing bezeichnet Social Bots als Programme, die Social Media Accounts wie z.B. Twitter automatisiert steuerten. Diese virtuellen Roboter seien in den Sozialen Netzwerken aktiv und täuschten dort ein soziales Verhalten vor. Dies führe zu algorithmischen Verzerrungen. (Gensing, 2020, S.71 ff) Die Vorgehensweise von Social Bots beschreibt Prenzel folgendermaßen: „Als Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die weitestgehend automatisiert Aufgaben abarbeiten, also zum Beispiel Webseiten auf der Suche nach bestimmten Inhalten scannen oder Nachrichten verschicken. [...] Das Hauptziel besteht darin, dass eine Meldung vom Algorithmus der Social- Media- Plattform als sehr interessant eingestuft wird. Nachrichten, mit denen viele Nutzer interagieren, erhalten von den Algorithmen eine höhere Relevanz zugeschrieben und werden folglich weiteren Nutzern priorisiert angezeigt“. (Prenzel, 2020, S. 40). Somit spielen Social Bots eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Fake News.
2.4 Auswirkungen von Fake News auf Demokratie und Gesellschaft
In einer Zeit, in der die Lust auf Empörung und Verschwörung Hochkonjunktur hat, ist die Bereitschaft hoch, sich das eigene Urteilsvermögen trüben zu lassen. Die beiden Publizistikwissenschafter O. Jarren & U. Klinger sehen mit der Digitalisierung neue mediale Vermittlungssysteme, die Kommunikationsregeln und Normen neu institutionalisierten. Dies gelte auch für gesellschaftliche Organisationen wie Parteien oder Vereine. Der Journalismus verliere seine Bedeutung als „Gatekeeper“, Laien könnten einer Nachricht durch entsprechende „Likes“ und deren Weiterleitung Relevanz verleihen. Daher bezeichnen Jarren & Klinger die neuen Medien als eine politische und kulturelle Herausforderung, die nicht staatlich geregelt werden könne und mit deren Pluralität man umzugehen lernen müsse. (Jarren & Klinger, 2017, S. 38 ff) Medien werden laut M. Kneuer, Professorin für Politikwissenschaft, verschiedene politische Funktionen zugeschrieben. Eine davon sei die Informierung und Bildung der Bürger, die befähigt würden, Informationen aufzunehmen, zu begreifen und sich auf deren Grundlage eine Meinung zu bilden. Im Sinne einer „Vierten Gewalt“ leisteten Medien einen Beitrag zur Kontrolle der politischen Akteure. Zudem bildeten sie den öffentlichen Raum, den politische Debatte und Willensbildung benötige. Das technische Potential der digitalen Medien bringe nun neue Merkmale hinzu wie Interaktivität, Echtheit, Ortslosigkeit, Synchronität oder Multimodalität. Der einzelne Nutzer werde zum Sender und Empfänger zugleich. Oft sei die Kommunikation in diesen Netzwerken dünn, dafür aber reich an Identitäts- und Lifestyle- Narrativen. Ideologische oder politische Ziele rückten in der Kommunikation in den Hintergrund. Für die Demokratie bedeute die veränderte digitalisierte Kommunikation optimistisch betrachtet bessere und ungefilterte, direkte Zugangschancen für jeden Einzelnen zur öffentlichen Meinungsbildung und fördere hier eine Inklusion. Pessimistisch betrachtet sei eine Absenkung des Rationalitätsniveaus politischer Debatten zu befürchten, in der in erster Linie nur noch die schrillen und vereinfachten Stimmen zu hören seien. Angesichts der aktuellen Tendenz zu Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust in Politik und Demokratie könnten Internet und Soziale Medien aber auch zu einer Revitalisierung führen. (Kneuer, 2017, S.43 ff) Kneuer schreibt zur Frage, ob die Nutzung Sozialer Netzwerke demokratieförderlich- oder hinderlich seien, dass dies von mehreren Faktoren abhänge: „Den Akteuren, der Art der Nutzung (Was wird wie kommuniziert?), den Nutzungsmotiven- und zielen (Warum wird mit welchem Ziel kommuniziert?) sowie dem politisch- institutionellen und dem sozialen Kontext, in dem sie agieren. Das Gleiche gilt für die Handlungslogiken politischer Akteure.“ (Kneuer, 2017, S.49) Bezieht man diese Aspekte auf Fake News, auf deren Akteure mit ihren Motiven und deren Art der Nutzung, sind Fake News durchaus in der Lage, Demokratie, Politik und Gesellschaft zu beeinflussen. Als Beispiel will die Autorin die jüngsten Präsidentschaftswahlen 2020 in Amerika anführen: Der damalige Präsident Donald Trump schaffte es unter anderem durch das ständige und medienwirksame Wiederholen der Behauptung, die Wahlen würden zu seinen Ungunsten manipuliert, dass große Teile der amerikanischen Bevölkerung diesen Fake News unreflektiert Glauben schenkten. Selbst als sich die Behauptung nach juristischer Überprüfung als unwahr erwies und Social Media Accounts wie Twitter den Account des Präsidenten mit entsprechenden Hinweisen sperrten, ließen sich Tausende seiner Anhänger keines Besseren belehren. Trumps Verbreitung entsprechender Fake News und Hate Speech endeten nach seiner Wahlniederlage mit einem Sturm fanatischer Anhänger auf das Kapitol der Hauptstadt, der die Grundfeste liberaler Demokratien und die Gesellschaft erschütterte.
2.5 Verhaltenskodex der Europäischen Kommission
Um demokratische Prozesse besser absichern und Desinformation in Form von Fake News besser bekämpfen zu können, schlägt die Europäische Kommission einen unionsweiten Verhaltenskodex vor. Durch diesen soll Transparenz bei gesponsorten Inhalten erreicht werden, sowie eine größere Klarheit über die Funktionsweisen von Algorithmen und deren Überprüfbarkeit durch Dritte. Ebenso soll das Auffinden von Informationsquellen erleichtert werden und Faktenfinder, Wissenschaftler und öffentliche Stellen in die Lage einer fortlaufenden Überwachung versetzt werden. Als weitere Maßnahme wird die Stärkung der Medienkompetenz aufgeführt: „Eine größere Medienkompetenz versetzt Europäerinnen und Europäer in die Lage, Desinformation im Internet zu erkennen und mit Online- Inhalten kritisch umzugehen. Hierzu fordert die Kommission Faktenprüfer und Organisationen der Zivilgesellschaft auf, Schulen und Ausbildnern Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen und eine europäische Woche der Medienkompetenz zu veranstalten.“ (Offizielle Webseite der EU, 2018)
3 Medienkompetenz für einen kritischen Umgang mit Fake News
Auch die EU sieht die Vermittlung von Medienkompetenz also als wichtigen Beitrag zum reflektierten Umgang mit Fake News und verweist darauf, dass Schulen diesbezüglich mit Unterrichtsmaterial ausgestattet werden müssten. Die Experten für Allgemeine Didaktik, Schulpädagogik und Medienpädagogik, B. Herzig und A. Martin verweisen in ihrem Beitrag zur Schriftenreihe „Medienkompetenz“ darauf, dass Medienkompetenz sich eben nicht von allein einstelle, sondern der Förderung durch pädagogisch gestaltete Lerngelegenheiten bedürfe. Da die Befähigung zur mündigen Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Prozessen ein grundlegendes Ziel der politischen Bildung sei, sei diese eng an die Medienbildung gebunden. Allerdings erhöhe die bloße Verfügbarkeit technischer Möglichkeiten nicht automatisch die Bereitschaft zu echter politischer Mitgestaltung. (Herzig & Martin, 2017S.126 ff)Deshalb stellen sich auch Gapski et al. die Frage, auf welche Weise Medienkompetenz in der politischen Bildung heute angemessen und zielführend zu vermitteln sei. Sie fokussieren Medienkompetenz als spezifische Herausforderung der politischen Bildung. (Gapski et al., 2017, S.24 f)
3.1 Spezielle politdidaktische Überlegungen zur Medienkompetenz
Die im Politikkompetenzmodell nach Detjen aufgeführten Kompetenzdimensionen Fachwissen, politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit und Einstellung / Motivation müssten nach Ansicht von S. Manzel, Professorin für Didaktik der Sozialwissenschaften, also mit der Thematik Medien verzahnt werden. (Manzel, 2017, S.211) Denn bereits 2012 verwies die Kultusministerkonferenz KMK darauf, dass Medienbildung als Voraussetzung und Teil von politischer Bildung zu verstehen sei. (KMK, 2012) Die Kompetenz, Nachrichten und Behauptungen einordnen zu können und immunisiert zu sein gegen falsche und hetzerische Aussagen, ist auch laut A. Busch eine wichtige Aufgabe der politischen Bildung an Schulen. „Angesichts der zentralen Rolle, die Informationen heute und in Zukunft im sozialen wie politischen Leben spielen werden, ist das eine der wichtigsten Aufgaben, denen sich die politische Bildung im Bereich Medienkompetenz über alle Träger hinweg gegenübersieht“. (Busch, 2017, S.61) Auch die Professorin für Kultur- und Medienpädagogik A. Tillmann sieht die Vermittlung von Medienkompetenz politdidaktisch im Sinne einer kritischreflexiven, sozialverantwortlichen, kreativen und auch genuss- und humorvollen Auseinandersetzung mit Normen, Werten, Ideologien, Einfluss und Macht. (Tillmann, 2017, S.123) Die Vermittlung von Medienkompetenz setzt allerdings voraus, dass der Lehrende selbst eine hohe Affinität zu digitalen Medien besitzt. K.U. Hugger, Professor für Medienpädagogik und Mediendidaktik verweist darauf, dass kaum ein anderes Thema so viel fachfremdes Wissen verlange wie die Vermittlung von Medienkompetenz in der politischen Bildung. Zudem unterliege dieses Gebiet einer permanenten Veränderung der beruflichen Wissensbestände. Es gelte für die lehrenden Fachkräfte, Wissen und Können in Medienpädagogik unddie politische Bildung miteinander vernetzen zu können. (Hugger, 2017, S.175 ff) M. Oberle identifiziert Medienkompetenz als ein klassisches Ziel politischer Bildung in der Mediendemokratie und benennt folgende politdidaktische Aspekte:
- Ein Verständnis für die Rolle der (Massen)Medien als System, das eine wertvolle politische Kontrollfunktion erfülle und zu Transparenz und Legitimität von Politik beitragen könne
- Die Fähigkeit zur kritischen Analyse des Verhältnisses von Politik und Medien
- Die Fähigkeit, Medien für die Informationsgewinnung und politische Meinungsbildung einzusetzen
- Die Fähigkeit, Medien aktiv zur politischen Partizipation zu nutzen
- Die Fähigkeit, die Regulierung des Mediensystems sowie die Interaktion von Politik und Medien politisch zu beeinflussen
Im digitalen Zeitalter sei darüber hinaus erforderlich, in der politischen Bildung neue Medien und politikbezogene Nutzungsformen kritisch zu reflektieren. (Oberle, 2017, S.187 ff) Dies kann in den Augen der Autorin auch zur Fähigkeit einer Enttarnung von Fake News verhelfen.
3.2 Aktuelle Aufgaben der Schulen zur Zielerreichung
Dass laut Oberle die klassischen Medien ihre „Gatekeeper“-Funktion zunehmend einbüßten, verlange nach einem neuen Maß an Orientierungsfähigkeit. Diese zu vermitteln sieht die Autorindieser Arbeit kontextbezogen als zentrale Aufgabe der Schulen. Für Oberle bedeutet diese Orientierungsfähigkeit das Wissen um die Rahmenbedingungen der Informationsbereitstellung. Dazu zählten heute im digitalen Raum Kenntnisse über die Existenz und Funktionsweisen von Algorithmen, ein Bewusstsein des Problems von Echokammern und Filterblasen, Sensibilität für die Verbreitung von Fake News, Wissen um die Existenz von Social Bots und die Rolle von Whistleblower- Plattformen. Um diese Phänomene identifizieren zu können, bedürfe es aber mehr denn je eines politischen Grund- und Orientierungswissens. Um etwa Fake News als solche enttarnen zu können, sei ein gewisses politisches Vorwissen erforderlich, das nach Ansicht der Autorin in Schulen vermittelt werden sollte. Eine weitere Aufgabe der Schulpolitik und somit auch der Schulen sieht Oberle in einer Professionalisierung ihrer Lehrenden in Form von Fortbildungen. Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Fähigkeiten der Medienkompetenzförderung müssten aus- und weitergebildet werden. (Oberle, 2017, S.189 ff)Wichtig in den Augen von Renatus sei außerdem, das Thema Nachrichtenkompetenz verstärkt in die Lehrpläne aufzunehmen. In weniger als der Hälfte der Lehrpläne sei das Thema überhaupt benannt und der Fokus liege dabei vorrangig nach wie vor auf den Printmedien. Auch in die Lehramtsausbildung gehöre das Thema Nachrichtenkompetenz verbindlich verankert. (Renatus, 2017) Die Sozialwissenschaftlerin V. Lange betont in ihrer Publikation „Populismus, Fake News, Lügenpresse“ auch, dass ein Ausgangspunkt des Politikunterrichtes sein müsse, sich mit den Argumenten von Populisten und Extremisten auseinanderzusetzen. Denn nur so könne aufgezeigt werden, dass die dort vertretenen Weltbilder komplexe Zusammenhänge verkürzten und die radikalen Lösungen kaum durchsetzbar seien. Dann werde es Schülern auch ermöglicht, Phänomene wie Fake News zu durchschauen. Das Überwältigungsverbot des Beutelsbacher Konsens dürfe also nicht dahingehend interpretiert werden, dass Lehrende sich menschen- oder demokratiefeindlichen Inhalten unkritisch und neutral nähern müssten und sie deshalb, wie die Autorin befürchtet, unter Umständen lieber ausklammerten. Aufgabe sei es, Schüler zu befähigen, sich selbst ein Urteil bilden zu können. (Lange, 2018) Eine Übersicht, was im Unterricht konkret die Kompetenz fördern kann, Informationen kritisch zu hinterfragen, bietet beispielsweise das Themenportal für Schulen „Bildung digital“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Die Homepage verweist auf Checklisten wie etwa „Fake News erkennen“ der International Federation of Library
Association and Institutions IFLA, Faktenchecker- Plattformen, die Thematik aufgreifende Rollenspiele oder die Produktion eigener Falschmeldungen im Unterricht in einer „Fälscherwerkstatt“. Relevante Abschnitte des Beitragsmit einer Vorgehensweise zu den beschriebenen Methoden befinden sich im Anhang.
4 Fazit
Für die Demokratie bedeutet eine digitalisierte Kommunikation einerseits zwar bessere und direktere Zugangschancen für jeden Einzelnen, andererseits birgt der Verlust gewisser Filter wie der „Gatekeeperfunktion“ aber auch die Gefahr, Fake News ungefiltert „auf den Leim zu gehen“. Um dies zu verhindern, brauchen wir Medienkompetenz. Damit diese hinsichtlich eines kritischen Umgangs mit Fake News im Politikunterricht an Schulen vermittelt werden kann, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Da Medien und politische Bildung immer stärker miteinander verflochten scheinen, sollte die Vermittlung von Medienkompetenz in den Augen der Autorin fester Bestandteil des Politikunterrichts sein. Die Kompetenz, Nachrichten auch im digitalen Zeitalter einordnen zu können und aufmerksam zu sein gegenüber falschen oder hetzerischen Aussagen, ist eine wichtige Aufgabe des Politikunterrichts und sollte daher auch dort geschult werden. Denn darauf zielen auch die im Politikkompetenzmodell nach Detjen aufgeführten Kompetenzdimensionen der Urteils- und Handlungsfähigkeit ab. Doch obwohl zahlreiche Studien den Wunsch von Jugendlichen, Themen wir Fake News im Unterricht zu behandeln, belegen, hinkt der Ist- Zustand an deutschen Schulen diesem Wunsch noch hinterher. Um die Phänomene Fake News, Hate Speech oder Cybermobbing mit all ihren Verbreitungsmechanismen über Trolle und Social Bots in Echokammern und Filterblasen vermitteln zu können, müssen Lehrende zunächst selbst umfassende Kenntnisse darüber besitzen. Daher sollten Lehrende nach Ansicht der Autorin die Möglichkeit haben, sich dahingehend weiterzubilden. Darüber hinaus hält die Autorin es für angebracht, neue Expertenstellen mit speziell ausgebildetem Personal zu schaffen. Auch Schulsozialarbeiter oder Vertrauenslehrer sollten zur Thematik geschult sein. Bereits in der Lehramtsausbildung und schließlich auch in den Lehrplänen selbst müsste das Thema Vermittlung von Medienkompetenz im digitalen Zeitalter verankert werden. Die Autorin stimmt hier mit K. U. Hugger überein, der die erforderlichen Voraussetzungen unter der Kategorie „Verbesserung institutioneller Rahmenbedingungen“ zusammenfasst. Dabei stehe die Erfassung, Gestaltung und Weiterentwicklung personaler, curricularer, ausstattungsbezogener und organisatorischer Bedingungen im Mittelpunkt. (Hugger, 2017, S. 180) Da selbst Gremien wie die Europäische Kommission und die KMK die Wichtigkeit der Medienkompetenz betonen, stehen die zuständigen Institutionen auch in der Pflicht, die Mittel für deren Umsetzung bereitzustellen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine gute Aufklärung gefragt. Nach Ansicht der Autorin ist es wichtig, dass Schüler vermittelt bekommen, dass alltägliche Vorgänge in der Social Media Welt wie Liken und Teilen Auswirkungen haben können. Jugendliche bewegen sich in dieser digitalen Welt allerdings so selbstverständlich, dass es angebracht ist, ihnen diesbezüglich durchaus etwas zuzutrauen. So hält es die Autorin auch für wichtig, Themen, die in Politik, Wissenschaft und der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, auch im Unterricht kontrovers zu diskutieren. Das Indoktrinationsverbot des Beutelsbacher Konsenses darf nicht dazu führen, dass extreme politische Ansichten zu Lasten einer political correctness unter den Tisch fallen. Ebenso wenig verpflichtet es die Lehrkraft dazu, bei extremistischen oder gar gegen die Verfassung verstoßenden Aussagen von Schülern neutral zu bleiben. Die Autorin ist der Auffassung, dass guter Politikunterricht Schüler dazu befähigt, ihre Interessen zu erkennen und diese artikulieren zu können. Dann entsteht auch eine Sensibilität für den Umgang mit Fake News und anderen Phänomenen der digitalen Welt. Dass diesbezüglich bereits gute Arbeit geleistet wird, will die Autorin exemplarisch an zwei Beispielen darlegen. Zum einen am millionenfach aufgerufenen Video „die Zerstörung der CDU“ des YouTubers Rezo vor der Europawahl 2019: Viele Politiker, die sich durch Rezos Aussagen attackiert fühlten, reagierten mit dem Vorwurf, bei den Inhalten handle es sich um Fake News. Da Rezo seine Ansichten- die man gutheißen kann oder nicht-aber durchaus mit Quellen unterlegte, trifft der Vorwurf, er verbreite gezielt Falschmeldungen, nicht zu. Das immense Interesse an dem Video zeigt, dass in Deutschland eine durchaus politikinteressierte Jugend lebt, die gelernt hat, politische Zusammenhänge kritisch zu hinterfragen. Auch die Fridays for Future Bewegung belegt nach Ansicht der Autorin, dass eine digital vernetzte Jugend in der Lage ist, sich für die Durchsetzung ihrer gebildeten politischen und gesellschaftlichen Interessen einzusetzen. Auch falls man diese Interessen inhaltlich nicht teilen sollte, ist die Fridays for Future- Bewegung in den Augen der Autorin ein beeindruckender Beweis, dass das Schülerinteressenartikulationsgebot des Beutelsbacher Konsenses offensichtlich gut umgesetzt und an deutschen Schulen guter Politikunterricht angeboten wird.
Literaturverzeichnis
Besand, A. & Sander, W. (Hrsg.) (2018). Handbuch Medien in der politischen Bildung (1 . Aufl.). Proquest Ebook Central. Frankfurt / Main: Wochenschau Verlag
Busch, A. (2017). Informationsinflation: Herausforderungen an die politische Willensbildung in der digitalen Gesellschaft. In H. Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 53-62). Frankfurt / Main: Zarbock
Büsch, A. (2020). Können Medien krank machen? Padua , 15 (2), 89-94.
Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). (2018).
U25-Studie Euphorie war gestern. Die „Generation Internet“ zwischen Glück und Abhängigkeit. Verfügbar unter https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2018/11/DIVSI-U25-Studie-euphorie.pdf [30.01.2021]
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung. Bildung digital (o. J.). Fake News im Unterricht behandeln. Verfügbar unter https://www.bildung.digital/artikel/fake-news-im-unterricht-behandeln [15.01.2021]
Eickelmann, B. (2017). Schulische Medienkompetenzförderung. In H. Gapski, M.
Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 146-154). Frankfurt / Main: Zarbock
Europäische Union (EU) Vertretung in Belgien (2018). Bekämpfung von Desinformation im Internet: Europäische Kommission schlägt einen unionsweiten Verhaltenskodex vor. Verfügbar unter https://ec.europa.eu/belgium/news/180426 fake de [15.01.2021]
Friedrich Ebert Stiftung. Lange, V. (2018). Populismus, Fake News, Lügenpresse.
Verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/14576.pdf [15.01.2021]
Gapski, H., Oberle, M. & Staufer, W. (Hrsg.) (2017). Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (1 . Aufl.). Frankfurt / Main: Zarbock
Gensing, P. (2020). Fakten gegen Fake News oder der Kampf um die Demokratie (1. Aufl.). Berlin: Heenemann
Herzig, B. & Martin, A. (2017).Erfassung und Messbarkeit von Medienkompetenz als wichtige Voraussetzung für politische Bildung. In H.Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 126-135). Frankfurt / Main: Zarbock
Hugger, K. U. (2017). Professionalisierung der Medienkompetenzförderung in der politischen Bildung. In H. Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 175-184). Frankfurt / Main: Zarbock
Jarren, O. & Klinger, U. (2017). Öffentlichkeit und Medien im digitalen Zeitalter: zwischen Differenzierung und Neu- Institutionalisierung. In H. Gapski, M.
Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 33-42). Frankfurt / Main: Zarbock
Kneuer, M. (2017). Politische Kommunikation und digitale Medien in der Demokratie. In H. Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 43-52). Frankfurt / Main: Zarbock
Kultusministerkonferenz (KMK) (2012). Medienbildung in der Schule. Verfügbar unter https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen beschluesse/2012/2012 03 08 Medienbildung.pdf [05.02.2021]
Manzel, S. (2017). Medienkompetenz als eine Schlüsselkompetenz für politische Urteils- und Handlungsfähigkeit. In H. Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 207-217). Frankfurt / Main: Zarbock
Merkel, A. (2016). Rede zum Haushaltsgesetz 2017 vor dem Deutschen Bundestag am 23.11.2016 [Video]. Verfügbar unter https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/mediathek/haushaltsrede-von- bundeskanzlerin-merkel-379784!mediathek?query= [30.01.2021]
Prenzel, T. (2019). Fake News - Moderne Lügen entlarven und entspannt reagieren (1. Aufl.). Frankfurt / Main: Wochenschau Verlag Renatus, R. (2018). Nachrichtenkompetenz: mangelhaft. Didacta, 18 (2), 14-16
Rezo. (2019). Die Zerstörung der CDU [Video]. Verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ Rezo [30.01.2021]
Tillmann, A. (2017). Informationsverhalten von Kindern und Jugendlichen in digitalvernetzten Welten. In H. Gapski, M. Oberle, & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz - Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 116-125). Frankfurt / Main: Zarbock
Verbraucherzentrale Bundesverband. Renatus, R. (2017). Keine Angst vor Fake News: Wie Schulen kompetenten Umgang mit Nachrichten vermitteln. Verfügbar unter https://www.verbraucherbildung.de/artikel/keine-angst-vor-fake-news-wie- schulen-kompetenten-umgang-mit-nachrichten-vermitteln [15.01.2021]
Vodafone Stiftung Deutschland. (2020). Studie Die Jugend in der Infodemie. Verfügbar unter https://www.vodafone-stiftung.de/die-jugend-in-der-infodemie/ [30.01.2021]
Westdeutscher Rundfunk (WDR)Planet Wissen.Kolonko, S. (2020). “Fake News“- die Macht der Falschmeldungen. Verfügbar unter https://www.planet-wissen.de/kultur/medien/fake news/index.html [15.01.2021]
Anhang
Fake News im Unterricht behandeln
Schülerinnen und Schüler zukunftsfest zu machen, heißt auch, dass sie zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern werden. Dazu gehören ein verantwortlicher Umgang mit Informationen im Netz und die Fähigkeit, Falschmeldungen zu erkennen.
[...]
Und letztlich lassen sich manche Fake News auch auf die Nachlässigkeit einzelner privater Nutzerinnen zurückführen. Anfang Januar 2020 etwa postete eine 18jährige Schülerin mit über zwei Millionen TikTok-Followern auf besagter Plattform ein „kleines Aufklärungsvideo“, in dem sie erklärte, warum durch den Konflikt zwischen den USA und dem Iran der dritte Weltkrieg nah sei. Das Video enthielt klare Falschinformationen wie „Iran verfügt über extrem viele Atombomben und gefährliche Waffen. Wenn da eine hochgeht, sind wir alle futsch.“
Das Thema Fake News im Unterricht behandeln
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie also kann man SchülerInnen dabei helfen, keinen Falschinformationen im Netz auf den Leim zu gehen oder diese sogar selbst weiterzuverbreiten? Zuerst einmal - und das hat sich seit Dieter Baackes Definition von Medienkompetenz nicht verändert - hilft alles, was die Kompetenz fördert, Informationen kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Hierfür gibt es verschiedene Checklisten, etwa „Fake News erkennen“ der IFLA (siehe Infografik, die sich hier in verschieden Sprachen herunterladen lässt).
Dabei helfen auch Faktenchecker-Plattformen, auf denen, ähnlich wie bei den „myth busters“ der WHO, rund um die Uhr Fake News aufgespürt, recherchiert und richtiggestellt werden. Wann immer man im Internet über eine verdächtige Information stolpert, ist die Chance groß, dass man auf correctiv.org oder mimikama.at bereits einen Artikel dazu findet. Beispiele, wie das der TikTok- Nutzerin, die den dritten Weltkrieg heraufbeschwor, können helfen, das Thema Fake News und die möglichen Folgen zu veranschaulichen und dafür zu sensibilisieren.
Wer mit seinen SchülerInnen auch die Hintergründe von Fake News behandeln will, also welche Täuschungsabsichten es geben kann, mit welchen Tricks Falschnachrichten besonders glaubhaft rüberkommen und warum sie sich so schnell verbreiten, für den bieten sich interaktive Unterrichtseinheiten an. Denkbar sind etwa Rollenspiele, bei denen derselbe Sachverhalt aus den Perspektiven von Personen mit unterschiedlichen Haltungen formuliert wird, die jeweils versuchen, die anderen von ihrer Meinung zu überzeugen. Ein gängiger Ansatz in der Medienpädagogik ist es, selbst Medien zu machen, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Bezogen auf Fake News wäre das zum Beispiel eine „Fälscherwerkstatt“, in der die SchülerInnen selbst Falschmeldungen produzieren - natürlich ohne sie zu verbreiten. Wie das aussehen kann, zeigen etwa die Ergebnisse des „FakeLab“ der Friedensburg-Oberschule Berlin.
Zahlreiche Akteure in den Bereichen Medienbildung, digitale Bildung und politische Bildung haben sich in den vergangenen Jahren dem Thema Fake News angenommen und Übersichten, Linklisten, Tipps und Unterrichtseinheiten erstellt. Etliche Beispiele sind in der folgenden Linkliste angeführt - alle garantiert echt!
Linkliste Fake News im Unterricht:
Das niedersächsische Kultusministerium unterhält das Portal:
Stop Fake News
Eine schöne Übersicht gibt es von:
saferinternet.at
Ebenso vom:
Landesmedienzentrum Baden-Württemberg
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat sich dem Thema angenommen und hier viele Links zusammengetragen:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Die journalistischen Medienhäuser mischen ebenfalls mit, etwa der:
Bayerische Rundfunk
Unter anderem die Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Dienstanbieter (FSM) betreibt die Plattform:
Medien in die Schule
... sowie das Projekt Weitklick, auf dem man an kostenlosen Online-Kursen teilnehmen und Materialien für den Unterricht herunterladen kann.
Und eine "Fake News Check"-App gibt es vom Verein:
Neue Wege des Lernens e.V.
Vollständiger Artikel verfügbar unter
https://www.bildung.digital/artikel/fake-news-im-untemcht-behandeln
[07.02.2021]
[...]
- Arbeit zitieren
- Martina Muschel (Autor:in), 2020, Fake News. Eine aktuelle Herausforderung für die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1161762
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