Fitnessstudios in Zeiten der Corona-Pandemie - Das Ende eines jahrzehntelangen Booms der Branche?
"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt".
Dieser Appell von Frau Merkel in ihrer Fernsehansprache am 18. März 2020 richtete sich an die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, um zum einen Verständnis für die Beschränkungen zu schaffen und zum anderen jede und jeden Einzelnen dazu aufzufordern die Hygiene-Maßnahmen und Regeln einzuhalten. Vorausgegangen ist der erste sogenannte „Lockdown“ in Deutschland, der zur Eindämmung der Corona-Pandemie, beitragen sollte. Darunter fielen auch Fitnessstudios, die nicht mehr für Ihre Mitglieder öffnen durften. Die Schließungen der Studios bescherte den Anbietern von Online-Fitness-Aktivitäten hohe Umsätze. Hingegen entwickelte sich die Mitgliederanzahl von Fitnessstudios im Jahr 2020 zum ersten Mal seit vielen Jahren in Deutschland rückläufig. Sind also die Beschränkungen durch die Corona-Krise für viele traditionelle Fitnessstudios der Todesstoß? Oder wird es den Studios gelingen, ihr Angebot anzupassen und auch während und nach dem Lockdown für ihre Mitglieder attraktiv zu bleiben? Und wie ergeht es den zahlreichen Mitgliedern der Fitnessstudios, ergeben sich auch weitreichendere Folgen durch den Verzicht? Der Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, warnt vor Bewegungsmangel. Es seien mindestens 21 Minuten Bewegung für Erwachsene und 60 Minuten für Jugendliche pro Tag zu empfehlen, um körperlichen sowie psychischen Krankheiten vorzubeugen und die daraus resultierenden Kosten für das Gesundheitssystem zu reduzieren. Bilden die Online-Fitness-Angebote tatsächlich einen adäquaten Ersatz oder bestehen bei deren alleinigen Nutzung sogar Gefahren? Laut einer Studie liegt das Infektionsrisiko in Fitnessstudios unter 0,001%. Ergeben sich durch die monatelange Schließung der Fitnessstudios vielleicht sogar größere Schäden für die Gesellschaft, als durch die sehr geringe Gefahr sich beim Training mit dem Corona-Virus zu infizieren? Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der vorliegende Essay mit der Fragestellung, welche Auswirkungen die Schließung von Fitnessstudios aufgrund der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft verursacht.
Fitnessstudios in Zeiten der Corona-Pandemie - Das Ende eines jahrzehntelangen Booms der Branche?
Welche Auswirkungen ergeben sich für die Betreiber und Nutzer von Fitnessstudios?
"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt", Angela Merkel, Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland1
Dieser Appell von Frau Merkel in ihrer Fernsehansprache am 18. März 2020 richtete sich an die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, um zum einen Verständnis für die Beschränkungen zu schaffen und zum anderen jede und jeden Einzelnen dazu aufzufordern die Hygiene-Maßnahmen und Regeln einzuhalten. Vorausgegangen ist der erste sogenannte „Lockdown“ in Deutschland, der zur Eindämmung der Corona-Pandemie, beitragen sollte. So wurde in Bayern am 16. März 2020 der Katastrophenfall durch Ministerpräsident Markus Söder ausgerufen und im Zuge dessen der Betrieb sämtlicher Einrichtungen untersagt, sofern sie nicht der notwendigen Versorgung des täglichen Lebens dienen, sondern der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind. Darunter fielen auch Fitnessstudios, die nicht mehr für Ihre Mitglieder öffnen durften.2 Das Verbot für das Betreiben von Fitnessstudios wurde zunächst bis 07. Juni 2020 in Bayern verlängert.3 Über den Sommer durfte der Betrieb von Fitnessstudios unter strengen Auflagen und unter Evzinhaltung eines Hygienekonzeptes wieder aufgenommen werden. Seit November 2020 sind mit Aufkommen der zweiten Welle im Verlauf der Pandemie die Fitnessstudios wieder geschlossen.4
Die Schließungen der Studios bescherte den Anbietern von Online-Fitness-Aktivitäten hohe Umsätze. Hingegen entwickelte sich die Mitgliederanzahl von Fitnessstudios im Jahr 2020 zum ersten Mal seit vielen Jahren in Deutschland rückläufig.5 Sind also die Beschränkungen durch die Corona-Krise für viele traditionelle Fitnessstudios der Todesstoß? Oder wird es den Studios gelingen, ihr Angebot anzupassen und auch während und nach dem Lockdown für ihre Mitglieder attraktiv zu bleiben? Und wie ergeht es den zahlreichen Mitgliedern der Fitnessstudios? Sind die Einrichtung tatsächlich nur der Freizeitgestaltung zuzuordnen oder ergeben sich auch weitreichendere Folgen durch den Verzicht? Der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, warnt vor Bewegungsmangel. Laut Ghebreyesus seien mindestens 21 Minuten Bewegung für Erwachsene und 60 Minuten für Jugendliche pro Tag zu empfehlen, um körperlichen sowie psychischen Krankheiten vorzubeugen und die daraus resultierenden Kosten für das Gesundheitssystem zu reduzieren.6 Bilden die Online-Fitness-Angebote tatsächlich einen adäquaten Ersatz oder bestehen bei deren alleinigen Nutzung sogar Gefahren? Laut einer Studie liegt das Infektionsrisiko in Fitnessstudios unter 0,001%.7 Ergeben sich durch die monatelange Schließung der Fitnessstudios vielleicht sogar größere Schäden für die Gesellschaft, als durch die sehr geringe Gefahr sich beim Training mit dem Corona-Virus zu infizieren? Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der vorliegende Essay mit der Fragestellung, welche Auswirkungen die Schließung von Fitnessstudios aufgrund der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft verursacht.
Die Entwicklung der Fitnessstudio-Branche und deren Kunden
Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Fitnessstudio-Branche und deren Kunden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mitglieder Fitnessstudios 2018 in Deutschland nach soziodemographischen Merkmalen8
In der Studie „Freizeitmonitor 2018“, die von der Stiftung für Zukunftsfragen in Auftrag gegeben und von der Gesellschaft für Konsumforschung durchgeführt wurde, gaben 11 % der Befragten an mindestens einmal pro Woche und 17 % mindestens einmal im Monat ins Fitnessstudio zu gehen. Die Aufteilung der Fitnessstudio-Nutzer nach soziodemographischen Merkmalen wird in der folgenden Abbildung dargestellt.9 Aus den Studienergebnissen lässt sich unter anderem feststellen, dass die Nutzer von Fitnessstudios über alle Lebensphasen hinweg verteilt sind. Gerade der Anteil von Senioren ist in den letzten Jahren gewachsen.10 So gehen 7 % der Ruheständler und 16 % der Jungsenioren regelmäßig trainieren. Die Schließungen der Studios trifft demnach Menschen aller Altersklassen. Erkennbar ist auch, dass Befragte mit höherem Bildungsstand, höherem Einkommen bzw. mit Wohnsitz in Städten häufiger Fitness-Studios besuchen als Studienteilnehmer mit niedrigem Bildungsstand, niedrigerem Einkommen bzw. mit Wohnort in ländlicheren Gegenden.11
Die Fitness-Branche boomte und war bis zu den Corona-bedingten Beschränkungen auf Wachstumskurs. Seit 1989 werden regelmäßig Daten zur Branchenentwicklung durch den Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV e. V.) publiziert. Daraus geht hervor, dass die Anzahl der Fitness-Anlagen von 3.903 im Jahr 1988 auf 9.343 im Jahr 2018 deutlich angestiegen ist und die Flächen der Studios von durchschnittlich 638 Quadratmeter auf 1.166 Quadratmeter unverkennbar in diesem Zeitraum zugenommen haben.12 Der Umsatz der Branche konnte seit dem Jahr 1989 von 0,72 Mrd. Euro kontinuierlich gesteigert werden auf 5,51 Mrd. Euro im Jahr 2019.13 Diese Entwicklung kann unter anderem auf die „Fit for Fun“-Bewegung in der 1980er Jahren zurückgeführt werden. Bewegung und Gesundheit sind aber auch im Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft zum wichtigen Thema auch auf politischer Ebene geworden. Die positive Wirkung des Sports auf Gesundheit und Wohlbefinden ist auch in den letzten Jahren wissenschaftlich verstärkt untersucht worden, sodass sportliche Betätigung daher unter anderem auch von Krankenkassen unterstützt wird. Hinzu kommt, dass die Ästhetik und Fitness des eigenen Körpers in der Gesellschaft eine immer zentralere Rolle spielten. Sporttreiben ist von einem Vergnügen eher zu einer „sozialen Pflicht“ geworden. Insbesondere in Großstädten bzw. in zunehmend abstrakter werdenden Gesellschaften gilt ein fitter Körper als Visitenkarte für die Fähigkeit, für sich selbst zu Sorgen und somit für eine lebensweltliche Ethik und Moral.14 Hier spiegeln sich die Megatrends Urbanisierung, Individualisierung, Silver Society, Ökonomisierung und Gesundheit wider, die für den Fitnessboom entsprechend dienlich sind.15 So haben die Sportstudios in den vergangenen Jahren diese Trends aufgegriffen und sich seit den 1980er Jahren von reinen „Mucki-Buden“ zu Fitnessstudios gewandelt. Sie bieten oft ganzheitliche Konzepte von Trainings- und Ernährungsplanung über Wellness-Angebote wie Sauna oder Solarium bis hin zu diversen Fitness- und Entspannungskursen oder Reha-Sport an.16
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Betreiber
Verglichen mit dem Umsatz aus dem Jahr 2019 erwartet die Branche nun einen Umsatzrückgang von bis zu 1,1 Mrd. Euro im Jahr 2020 durch die Auswirkungen der Corona-Krise.17 Auch die Anzahl der Mitglieder ging durch die monatelangen Schließungen der Fitnessstudios zuletzt erstmals zurück, wie die folgende Abbildung zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anzahl Fitnessstudio Mitglieder in Deutschland 202018
[...]
1 Vgl.: Dr. Merkel, A.: Ansprache der Kanzlerin, Online-Zugriff am 28.12.2021: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/ansprache-der-kanzlerin-1732108.
2 Vgl.: o. V.: Bayern verschärft Corona-Maßnahmen, Online-Zugriff am 28.12.2020: https://www.br.de/nachrichten/bayern/soeder-werden-katastrophenfall-ausrufen-wegen-corona,RtKtcCr.
3 Vgl.: o. V.: Informationen zum Coronavirus, Online-Zugriff am 28.12.2020: https://www.stmi.bayern.de/miniwebs/coronavirus/lage/index.php.
4 Vgl.: o. V.: Pressemitteilungen, Online-Zugriff am 29.12.2020: https://www.bayern.de/corona-pandemie-bayern-ruft-den-katastrophenfall-aus-veranstaltungsverbote-und-betriebsuntersagungen/.
5 Vgl.: o. V.: Statista-Dossier Fitness-Branche (2020), S. 85, Online-Zugriff am 06.01.2021: https://de.statista.com/statistik/studie/id/6326/dokument/fitnessbranche-statista-dossier/.
6 Vgl.: o. V.: WHO warnt vor Bewegungsmangel, Online-Zugriff am 01.01.2021: https://www.rnd.de/gesundheit/who-warnt-vor-bewegungsmangel-bei-erwachsenen-und-jugendlichen-BKHZ76U5WXVCXMY3QGLXFOT5VM.html.
7 Vgl.: o. V.: Training ist sicher, Online-Zugriff am 31.01.2021: https://www.expertenallianz-gesundheit.de/training-ist-sicher.
8 Eigene Darstellung, Vgl.: Reinhardt, U.: Studie Freizeit-Monitor 2018, Online-Zugriff am 29.12.2020: http://www.freizeitmonitor.de/fileadmin/user_upload/freizeitmonitor/2018/Stiftung-fuer-Zukunftsfragen_Freizeit-Monitor-2018.pdf.
9 Vgl.: Reinhardt, U.: Studie Freizeit-Monitor 2018, Online-Zugriff am 29.12.2020: http://www.freizeitmonitor.de/fileadmin/user_upload/freizeitmonitor/2018/Stiftung-fuer-Zukunftsfragen_Freizeit-Monitor-2018.pdf.
10 Vgl.: o. V.: Alter: Immer mehr Senioren gehen ins Fitnessstudio, Online-Zugriff am 29.12.2020: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/2018-04/alter-immer-mehr-senioren-gehen-ins-fitnessstudio/
11 Vgl.: Reinhardt, U.: Studie Freizeit-Monitor 2018, Online-Zugriff am 29.12.2020: http://www.freizeitmonitor.de/fileadmin/user_upload/freizeitmonitor/2018/Stiftung-fuer-Zukunftsfragen_Freizeit-Monitor-2018.pdf.
12 Vgl.: o. V.: Strukturwandel der Branche, Online-Zugriff am 29.12.2020: https://www.fitnessmanagement.de/fitness/strukturwandel-der-branche.
13 Vgl.: o. V.: Strukturwandel der Branche, Online-Zugriff am 29.12.2020: https://www.fitnessmanagement.de/fitness/strukturwandel-der-branche i. V. m. o. V.: Statista-Dossier Fitness-Branche (2020), S. 85, Online-Zugriff am 06.01.2021: https://de.statista.com/statistik/studie/id/6326/dokument/fitnessbranche-statista-dossier/.
14 Vgl.: Klein, G.: Urbane Bewegungskulturen. Zum Verhältnis von Sport, Stadt und Kultur, S. 16 in Funke-Wienke, J., Klein, G. (Hrsg.): Bewegungsraum und Stadtkultur, 2008, Transcript Verlag, Bielefeld.
15 Vgl.: Altenberger, H.: Die Gesellschaftliche Bedeutung, S. 31 ff. in Hanns Seidel Stiftung (Hrsg.): Politische Studien, 66. Jahrgang, März-April 2015, München.
16 Vgl.: o. V.: Strukturwandel der Branche, Online-Zugriff am 29.12.2020: https://www.fitnessmanagement.de/fitness/strukturwandel-der-branche.
17 Vgl.: o. V.: Statista-Dossier Fitness-Branche (2020), S. 85, Online-Zugriff am 06.01.2021: https://de.statista.com/statistik/studie/id/6326/dokument/fitnessbranche-statista-dossier/.
18 Vgl.: o. V.: Statista-Dossier Fitness-Branche (2020), S. 85, Online-Zugriff am 06.01.2021: https://de.statista.com/statistik/studie/id/6326/dokument/fitnessbranche-statista-dossier/.
- Quote paper
- Bachelor of Science Monika Herrmann (Author), 2021, Fitnessstudios in Zeiten der Corona-Pandemie - Das Ende eines jahrzehntelangen Booms der Branche?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159722
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