Es sind schwierige Zeiten an den internationalen Finanzmärkten: Die US-Hypothekenkrise, auch „Subprime-Krise“ genannt, bedroht die USA mit einer Rezession – die Weltwirtschaft hat sich massiv abgeschwächt; auch die Länder des Euroraums vermelden eine nachlassende Konjunktur.
Die US-Notenbank Federal Reserve System (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) reagieren indes sehr unterschiedlich auf diese Problematik: Während die Fed im Zuge der Subprime-Krise ihren Basisleihzinssatz stetig gesenkt hat, um die Banken zahlungsfähig zu halten, die Funktionsfähigkeit der Märkte wieder herzustellen und darüber hinaus eine Rezession zu verhindern, beharrt die EZB bis heute darauf, ihren Leitzins nicht zu senken, da sie der Inflationsbekämpfung oberste Priorität einräumt.
Woran liegt es, dass die beiden Zentralbanken so unterschiedlich auf die Finanzkrise reagieren? Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank sind in anderen Kontexten entstanden und haben eine unterschiedliche Vergangenheit. Daraus resultiert ihr verschiedenartiger institutioneller Aufbau und ihre rechtliche Stellung. Auch ihre Ziele und Aufgaben weichen zum Teil voneinander ab. Zudem unterscheiden sie sich in ihrer geldpolitischen Strategie. Im geldpolitischen Instrumentarium lassen sich zwar Gemeinsamkeiten feststellen, doch verfügen die beiden Zentralbanken auch in diesem Bereich über verschiedene Ansätze und Möglichkeiten.
Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern der institutionelle Aufbau, die Struktur und Stellung, die Ziele und Aufgaben der beiden Zentralbanken, ihre geldpolitische Strategie und geldpolitischen Instrumente das Verhalten von Fed und EZB während der Subprime-Krise bestimmen. Zudem wird auf die Ursachen der internationalen Finanzkrise eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Subprime-Krise: Bedrohung für die Weltwirtschaft
2. Analyse der Reaktionen von EZB und Fed auf die Finanzkrise
3. Aufbau, Struktur und Stellung von EZB und Fed
4. Ziele und Aufgaben von EZB und Fed
5. Geldpolitische Strategie und Instrumente von EZB und Fed
6. Ergebnisse und Ausblick
Literaturangaben
1. Die Subprime-Krise: Bedrohung für die Weltwirtschaft
Es sind schwierige Zeiten an den internationalen Finanzmärkten: Die US-Hypothekenkrise, auch „Subprime-Krise“ genannt, bedroht die USA mit einer Rezession – die Weltwirtschaft hat sich massiv abgeschwächt; auch die Länder des Euroraums vermelden eine nachlassende Konjunktur.
Die Ursachen dieser Krise sind vielfältig und komplex, können jedoch schon auf den Anfang dieses Jahrhunderts zurück geführt werden. In Folge der Terrorangriffe des 11. Septembers hatte die amerikanische Notenbank, das „Federal Reserve System“ (Fed), ihren Leitzins massiv gesenkt – bis Juni 2004 auf 1,0 Prozent (von 6,5 Prozent im Mai 2000). Millionen US-Bürgern war so die Möglichkeit gegeben, billige Hypotheken aufzunehmen und sich in einen „kreditfinanzierten Konsumrausch“[1] zu stürzen. Davon profitierte die Weltwirtschaft, insbesondere China, das seit Jahren seine Währung künstlich unterbewertet hält, indem es große Mengen an US-Dollar aufkauft. Als die Fed Mitte 2004 den Leitzins schließlich wieder anhob, gingen – anders als geplant – die langfristigen Zinsen nicht nach oben.[2] Damit konnten sich in den USA der vermehrte Konsum und die hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien fortsetzen. Die Amerikaner lebten über ihre Verhältnisse: Die Sparquote war gleich null, Investitionen wurden fast ausschließlich vom Ausland finanziert, das US-Leistungsbilanzdefizit vergrößerte sich fortlaufend. Hinzu kam eine fatale Entwicklung: Günstige Hypotheken wurden nun auch an „Subprime“-Kreditnehmer, Personen mit geringer Bonität, vergeben. Clevere Finanzanalysten hatten entdeckt, dass das Ausfallrisiko dieser Hypotheken dann besonders niedrig ist, wenn sie von den Banken in Bündeln zusammen mit hochwertigen Hypotheken an Zweckgesellschaften verkauft werden, die diese wiederum als Anleihen weitergeben. Das gestreute Risiko erleichterte eine gelockerte Hypothekenvergabe und eine größere Risikobereitschaft der Banken und Hypothekenmakler. Als sich die Immobilienpreiserhöhungen verlangsamten und die Zinsen der Subprime-Hypotheken anstiegen, konnten viele Subprime-Kreditnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Da manche Banken selbst Anleihen gekauft hatten oder nicht alle Subprime-Hypotheken an Zweckgesellschaften weitergegeben hatten, erlitten sie selbst erhebliche Verluste.[3]
Den anfangs guten Renditen der Subprime-Hypotheken erlagen nicht nur US-amerikanische Abnehmer, sondern Kreditinstitute weltweit. Neben privaten Banken haben sie auch manche öffentliche Bank in Deutschland gelockt, die – im Widerspruch zu ihren tatsächlichen Aufgaben – zum Teil große Abnehmer der bonitätsschwachen Anleihen waren.[4] Als erste deutsche Bank räumte am 20. Juli 2007 die Deutsche Industriebank (IKB) ein, Geld am US-Immobilienmarkt verloren zu haben. Die staatliche Förderbank KfW, die mit 37 Prozent größter IKB-Eigner ist, musste in die Bresche springen. Bisher hat sie etwa sechs Milliarden Euro in die Rettung der IKB investiert und muss nun selbst fast zwei Milliarden Euro abschreiben. Am 7. April 2008 trat die Vorstandschefin der KfW, Ingrid Matthäus-Maier, zurück – auch auf politischen Druck. Indes schwindet auch die Unterstützung der Politik für die IKB: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) machte im Februar 2008 klar, dass man die Bank nicht unbegrenzt stützen könne.[5] Auch die sächsische Landesbank verlor im Rahmen der Subprime-Krise große Geldsummen. Der Ministerpräsident Sachsens, Georg Milbradt, musste die Konsequenzen aus seinen Verwicklungen in die Affäre um die Sachsen LB ziehen und trat am 14. April 2008 von seinem Amt zurück.
Inzwischen hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die schwierige Lage der internationalen Finanzmärkte erkannt und als erste internationale Organisation vor einer „systemischen Finanzkrise“[6] gewarnt. In seinem Finanzstabilitätsreport vom April 2008 hat er zudem die Politik zum sofortigen Handeln aufgefordert. Der IWF schätzt die Verluste der Finanzbranche durch die Subprime-Krise auf insgesamt fast 1.000 Milliarden US-Dollar.[7] Für die Krise verantwortlich seien die niedrigen Leitzinsen der US-Notenbank. Noch vor einem halben Jahr hatte der IWF allerdings eben diese Politik der Fed gelobt.[8]
2. Analyse der Reaktionen von EZB und Fed auf die Finanzkrise
Die US-Notenbank Fed hat im Zuge der Subprime-Krise ihren Basisleihzinssatz stetig gesenkt, um die Banken zahlungsfähig zu halten. Betrug der Fed-Leitzins („Funds Rate“) im August 2007 noch 5,25 Prozent, so beläuft er sich seit dem 30. April 2008 nur noch auf 2,0 Prozent.[9] Durch solche massiven Zinssenkungen und durch andere Liquiditätsmaßnahmen, wie der Bereitstellung von zusätzlichem Zentralbankgeld durch Offenmarktgeschäfte, versucht die Fed, die Funktionsfähigkeit der Märkte wieder herzustellen und darüber hinaus eine Rezession zu verhindern.[10] Sie greift damit aktiv in die Geldpolitik ein, um die schwache Konjunktur in den USA zu beleben, wertet den ohnehin schon schwachen US-Dollar so jedoch immer mehr ab und fördert eine hohe Inflation.
Anders die Europäische Zentralbank (EZB). Sie beharrt bis heute darauf, ihren Leitzins nicht zu senken, da sie der Inflationsbekämpfung oberste Priorität einräumt: „Die Hauptaufgabe der EZB ist es, die Kaufkraft des Euro und somit Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten.“[11] Seit Juni 2007 beruht sich der EZB-Leitzinssatz unverändert auf 4,0 Prozent.[12] Allerdings setzt auch die EZB Maßnahmen ein, um die Liquidität des Geldmarktes zu erhalten: Am 9. August 2007 hat sie erstmals seit sechs Jahren wieder in den Geldmarkt eingegriffen, indem sie durch Refinanzierungsgeschäfte mehr Geld an die Geschäftsbanken verlieh als üblich. Seitdem hat die EZB den Banken mehrere Male zusätzliches Zentralbankgeld, zum Beispiel durch Schnelltender, zur Verfügung gestellt. Die negativen Folgen der EZB-Politik, den Leitzins konstant bei 4,0 Prozent zu belassen, sind eine weitere Aufwertung des starken Euros und eine Vernachlässigung von Konjunkturrisiken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
eigenes Schaubild, Daten: http://www.ecb.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html#data und http://www.leitzinsen.info/usa.htm
Die gegensätzlichen Verhaltensweisen von Fed und EZB finden Befürworter und Widersacher. Christoph Scherrer und Bernd Wittkowski sehen die Leitzinssenkungen der Fed in der derzeitigen Krisensituation vor allem deshalb als problematisch an, weil Banken und risikobereite Marktteilnehmer für ihre riskante Vorgehensweise nicht bestraft werden. Die US-Notenbank riskiere damit, dass diese ihr Verhalten nicht ändern würden.[13] Christoph Scherrer: „Ein Skandal bleibt, dass die Krisenauslöser aus Systemerhaltungsgründen geschont werden. Es ist an der Zeit, diese stärker zur Rechenschaft zu ziehen, ihren Hang zur Spekulation einzudämmen, ihre Gewinne für die gesellschaftlichen Risiken ihres Tuns stärker zu besteuern(...).“[14] EZB-Präsident Jean-Claude Trichet unterstützt eine strengere Bankenaufsicht. Weitere Kritikpunkte an einer Senkung der Leitzinsen sind der zu erwartende Inflationsanstieg, der eine Verschärfung der Probleme auf den Finanzmärkten und für die Realwirtschaft mit sich bringe[15] und allgemein das Eingreifen in die Geldpolitik, da dieses ohnehin nur mit Verzögerungen Wirkung entfalten könne.[16]
Mark Schieritz unterstützt hingegen die Leitzinssenkungen der Fed. Seiner Meinung nach muss die Europäische Zentralbank ihre Haltung, sich nicht in die Geldpolitik einzumischen, ändern, um einer „Stagflation“, die bei einer schwachen Konjunktur mit gleichzeitigem Inflationsanstieg vorliegt, entgegenzuwirken. Die Leitzinssenkungen der US-Notenbank seien richtig, weil sich die Fed damit dem potentiellen Ausmaß der Finanzkrise entgegenstelle. Im schlimmsten Falle müsste nämlich der Steuerzahler für die Milliardenausfälle der Banken aufkommen und weite Teile des amerikanischen Bankensystems verstaatlicht werden – wie im Beispiel der britischen Hypothekenbank „Northern Rock“. Eine Zinssenkung der EZB würde nicht nur die lahmende Binnennachfrage in Europa stützen, sondern dadurch auch der Dollar an Wert gewinnen. Damit bestünde nicht mehr die Gefahr, dass plötzlich große Summen an US-Dollar in Euro eingetauscht werden würden. Zudem steht nach Meinung Schieritz’ in Europa ein klassischer Konjunkturabschwung, eine Phase niedrigen Wachstums mit einer niedrigen Inflation, an. Die Europäer hätten also Spielraum für Zinssenkungen, obwohl die Inflation derzeit noch so hoch ist. Die Inflation könnte außerdem von alleine sinken, wenn die Preishausse bei den Rohstoffen abebbt. Mark Schieritz: „Notenbanken sind der Preisstabilität verpflichtet, deshalb macht sich die EZB zu Recht Sorgen über die hohe Inflation. (...) Doch im Moment ist ein Zeitpunkt gekommen, an dem sie umschalten muss. Zumal die Geldpolitik anders als die Fiskalpolitik schnell reagieren kann.“[17]
Woran liegt es, dass die beiden Zentralbanken so unterschiedlich auf die Finanzkrise reagieren? Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank sind in anderen Kontexten entstanden und haben eine unterschiedliche Vergangenheit. Daraus resultiert ihr verschiedenartiger institutioneller Aufbau und ihre rechtliche Stellung. Auch ihre Ziele und Aufgaben weichen zum Teil voneinander ab. Zudem unterscheiden sie sich in ihrer geldpolitischen Strategie. Im geldpolitischen Instrumentarium lassen sich zwar Gemeinsamkeiten feststellen, doch verfügen die beiden Zentralbanken auch in diesem Bereich über verschiedene Ansätze und Möglichkeiten.
Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern der institutionelle Aufbau, die Struktur und Stellung, die Ziele und Aufgaben der beiden Zentralbanken, ihre geldpolitische Strategie und geldpolitischen Instrumente das Verhalten von Fed und EZB während der Subprime-Krise bestimmen.
[...]
[1] Fehr 2008
[2] vgl. Fehr 2008
[3] vgl. Scherrer 2008, S. 63 ff.
[4] vgl. Scherrer 2008, S. 65 f.
[5] vgl. Frey 2008; http://www.ftd.de/unternehmen/; Scherrer 2008, S. 65 und http://www.spiegel.de
[6] Schrörs 2008
[7] vgl. Schrörs 2008
[8] vgl. Schaaf 2008, S. 8
[9] vgl. http://www.leitzinsen.info/usa.htm, letzter Zugriff am 23.05.2008
[10] vgl. http://aktiencheck.de und Scherrer 2008, S. 65
[11] Internetseite der Europäischen Zentralbank, http://www.ecb.int/ecb/html/index.de.html, letzter Zugriff am 30.05.2008
[12] vgl. Internetseite der Europäischen Zentralbank, http://www.ecb.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html#data, letzter Zugriff am 26.05.2008
[13] vgl. http://aktiencheck.de; Scherrer 2008, S. 65 und Wittkowski 2008, S. 8
[14] Scherrer 2008, S. 66
[15] vgl. Wittkowski 2008, S. 8
[16] vgl. Schaaf 2008, S. 8
[17] Schieritz 2008, S. 32
- Quote paper
- Annira Busch (Author), 2008, Das Verhalten von Europäischer Zentralbank und Federal Reserve System während der Subprime-Krise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115954
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