Die vorliegende Bachelorarbeit gliedert sich in einen theoretischen und in einen empirischen Teil. Zu Beginn beschäftige ich mich mit den theoretischen Fundamenten von Rassismus, welche eine essentielle Unabdingbarkeit sowie eine bessere Nachvollziehbarkeit meiner Forschungsfrage implizieren. Des Weiteren folgt eine Darlegung der vielschichtigen und facettenreichen Erscheinungsformen von Rassismus und wird mit dem bittersüßen Rassismus abgeschlossen, der die zentrale Rolle in meiner Bachelorarbeit einnimmt.
Im darauffolgenden Kapitel widme ich mich der Begrifflichkeit der Mehrheitsgesellschaft. Da sich meine Sozialisation und Lebensführung auf Deutschland zurückzuführen lässt, beziehe ich mich auf die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland und greife im anschließenden Gliederungspunkt den Zusammenhang zwischen Rassismus und
Deutschland auf. Diesbezüglich nehme ich in Anlehnung an die Autorin Tupoka Ogette Bezug auf das Ausblenden beziehungsweise das Nicht-Eingestehen rassistischer Denkstrukturen in der Eigen- sowie Fremdwahrnehmung.
Auf dieser Grundlage, erörtere ich welche Normvorstellungen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft wie der deutschen verankert und immer noch gegenwärtig vorzufinden sind. Essentiell dafür ist für mich die thematische Auseinandersetzung mit dem kritischem Weiß-Sein, der einen bedeutungsvollen Aspekt in der Critical Whiteness Studie
einnimmt. Das Ziel, welches damit verfolgt wird, betrifft die reflexive Beschäftigung mit der weißen Norm sowie der eigenen weißen Identität, welche von der Mehrheit einer Bevölkerung nur unzureichend hinterfragt wird.
Im darauffolgenden Kapitel werde ich daher die Lebensrealitäten von Schwarzen Menschen und People of Color in Deutschland näher beleuchten. Es soll darüber Aufschluss geboten werden, wie problematisch der Alltag von rassialisierten Menschen im sozialen Miteinander ist und mit welchen Schwierigkeiten sie sich tagtäglich konfrontiert sehen.
Im Anschluss folgen erste Hypothesen, welche auf Basis der von mir verwendeten Literatur gebildet wurden. Ferner folgt eine Darstellung der ausgewählten Methodik – das Leitfadeninterview. Die von mir durchgeführten Interviews sollen zu einer Beantwortung meiner Fragestellung verhelfen und auf Grundlage der ausgewählten Theorie ausgewertet werden. Anschließend erfolgt ein Zusammentragen der Untersuchungsergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
I THEORETISCHER TEIL
2 Begriffliche Definition
2.1 Der Begriff People of Color
2.2 Der Rassenbegriff
2.3 Rassismus
2.3.1 Die Facetten von Rassismus
2.3.2 Der strukturelle Rassismus
2.3.3 Der institutionelle Rassismus
2.3.4 Der Alltagsrassismus
2.3.5 Der bittersüße Rassismus
2.4 Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Sprache
2.4.1 Die Auswirkungen von rassistischer Sprache auf People of Color
2.4.2 Der erstrebenswerte Umgang mit rassistischer Sprache
3. Die Gesellschaft (in Deutschland)
3.1. Mehrheitsgesellschaft gleich Dominanzgesellschaft
3.2 Deutschland und Rassismus
3.3 Happyland – eine Welt ohne Rassismus
3.4 Die weiße Norm als Mehrheitsgesellschaft
3.5 Die Kritische Betrachtungsweise der weißen Norm – Critical Whiteness
3.6 Die Lebensrealitäten von People of Color in Deutschland
II METHODISCHER TEIL
4 Fragestellung und Forschungsinteresse
4.1 Forschungsstand
4.1.1 Studie zu Rassismus und Schwarze Menschen/People of Color in Deutschland
4.1.2 Auszüge aus einer Fachtagung
4.2 Kommentar zum Forschungsstand
4.3 Reflexion unter (forschungs-) ethischen Grundsätzen
5 Methodologische Positionierung
5.1 Forschungsfeld
5.2 Die Erhebungsmethode
5.2.1 Das Leitfadeninterview
5.2.2 Begründung für den Leitfaden
5.2.3 Der Leitfragebogen
6 Die Untersuchung, Aufbereitung und Auswertung
6.1 Die Stichprobe
6.2 Die Vorbereitung der Untersuchung
6.3 Die Durchführung der Untersuchungssituation
6.4 Die Aufbereitungsmethode
6.5 Die Auswertungsmethode
7 Ergebnisse der empirischen Untersuchung und Resümee
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Transkribierregeln nach Jefferson (vgl. Kuckartz 2014, S. 137)
Transkribierte Interviews
Kodierungsleitfäden
Eidesstaatliche Erklärung
1 Einleitung
“I have a dream that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character.” (Martin Luther King 1963, S. 5).
Mit diesen bekannten Worten verbalisierte Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington einen seiner anti-rassistischen und humanistischen Träume (vgl. Schweizer Radio und Fernsehen 2013), welcher auf die Gleichstellung und Gleichberechtigung Schwarzer und weißer Personen in der Gesellschaft abzielte. Auch 56 Jahre nach seinem Tod besitzt Martin Luther Kings Vorstellung Aktualität und Relevanz, da die anti-rassistische Wertschätzung von Menschen auch zum heutigen Zeitpunkt eine Wunschillusion zu sein scheint. Zwar wird in den westlichen Nationen die Vorstellung einer anti-rassistischen und humanistischen Gesellschaft proklamiert, doch auch noch im gegenwärtigen 21. Jahrhundert bleibt Rassismus ein prekäres und präsentes gesellschaftliches Problem, das sich vermehrt auf der unbewussten Ebene ereignet. Dies liefert einen Indikator dafür, dass rassistische Strukturen sowohl gesellschaftlich als auch politisch stark im kulturellen Gedankengut verwurzelt sind, jedoch durch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft ausgeblendet oder zumindest unzureichend wahrgenommen werden. Diese ambivalente Situation kann als Normzustand begriffen werden und deutet gleichermaßen auf eine Etablierung dieser Normalität in unserer Gesellschaft hin (vgl. Rohrdantz 2009, S. 31).
Heutzutage ist es recht schwierig Rassismus als solches zu identifizieren. In der Zeit, als Rassismus fast ausschließlich offen ausgelebt wurde, konnte sich an allgemeingültigen Ideologien orientiert und Rassismus ausübende Personen einem Kollektiv, wie beispielsweise den Neonazis oder dem Kuckucksklan, zugeordnet werden. Doch seit dem ‚Racial Turn‘, also dem Wandel von Ideologien zu sozialen Ausübungen, tritt Rassismus in diversen Formen auch scheinbar latent und unterschwellig in Erscheinung (vgl. ebd.). Rassismus wird stets negativ konnotiert wohingegen positive Zuschreibungen in der Gesellschaft als nicht rassistisch angesehen werden. Es fehlt dahingehend das Bewusstsein darüber, dass auch vermeintlich positive Zuschreibungen unter das Phänomen Rassismus fallen; nämlich dem bittersüßen Rassismus, da auch positive Zuschreibungen in diesem Zusammenhang den Menschen auf körperliche Merkmale reduzieren und an Stereotype gekoppelt ist. So sind also Äußerungen, die eine Korrelation zwischen besonderen Talenten und einer Bevölkerungsgruppe getätigt werden, ebenso schlichtweg rassistisch und falsch, wie der offen ausgelebte Rassismus (vgl. ebd., S. 32).
Als Tochter einer binationalen Ehe ist für mich Rassismus ein omnipräsentes Thema, unabhängig davon, ob ich in der mentalen oder emotionalen Verfassung für eine thematische Auseinandersetzung bin oder nicht. Das unterscheidet mich von den meisten Mitmenschen in meiner sozialisierten Umgebung, denn sie haben aufgrund ihrer weißen1 Hautfarbe oft die freie Wahl, ob und wann sie sich mit dieser umfassenden Thematik auseinandersetzen wollen. Meine Hautfarbe und die damit verbundenen Erfahrungen, welche ich als Schwarze2 Deutsche im alltäglichen Miteinander erlebe, liefern mir genug Gründe, weshalb ich mich der Rassismusthematik nicht entziehen kann. Als Schwarze, weibliche Frau oder Person of Color3, bin ich persönlich vorwiegend mit positiven Zuschreibungen konfrontiert, die auf Grundlage meines Äußeren oder meiner vermeintlichen Herkunft gebildet wurden. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass von vorwiegend weißen Menschen in meiner Umgebung eine „Exotisierung“ oder Zuschreibung „besonderer“ Fähigkeiten gegenüber meiner Person formuliert wird.
Der Versuch diese Personen auf ihr unangemessenes Verhalten aufmerksam zu machen und zu thematisieren scheitert oft damit, dass ich von Menschen, gleichwohl vom Alter oder Bildungsstand unabhängig, Unverständlichkeit vermittelt bekomme, indem mir beispielsweise mitgeteilt wird: „Ich verstehe nicht, auf was du hinaus möchtest“ oder „Es ist doch als Kompliment zu verstehen, diese Äußerung kannst du ja jetzt keinesfalls negativ bewerten“.
Dass diese Erfahrungen eben nicht positiv zu werten sind und die Annahme, dass alle Schwarzen Menschen und People of Color aufgrund ihrer Gene besser als weiße Personen tanzen könnten, lässt solche Aussagen auf rassistische Denkmuster zurückführen. Diese Arbeit soll stückweit als Aufklärungsarbeit betrachtet werden, welche darauf aufmerksam macht, dass vermeintlich positive Zuschreibungen gegenüber Schwarzen Menschen und People of Color ebenso verheerende Auswirkungen beinhalten kann wie der offen ausgelebte Negativrassismus.
Da ich davon überzeugt bin, dass diese Erfahrungen nicht ausschließlich auf ein individuelles Erleben zu reduzieren sind, sondern stellvertretend für viele Schwarze Menschen und People of Color, welche in einer mehrheitlich weiß geprägten Gesellschaft aufgewachsen sind und/oder leben, eine Realität darstellen, hat mich dazu veranlasst mich mit folgendem Themenschwerpunkt auseinanderzusetzen:
Aufgrund meines Hintergrundes behandele und nehme ich in meiner Arbeit vorwiegend die Perspektive von Schwarzen People of Color ein. Da ich in meiner Arbeit jedoch versuche alle Menschen mit einzubeziehen, die nicht weiß sind und die Begriffserklärung People of Color nicht nur ausschließlich Schwarz meint, benutze ich bewusst die kontinuierliche Verwendung von Schwarze Menschen und People of Color.
Ferner beabsichtige ich mit dieser Arbeit in Anlehnung an Reni Eddo-Lodges Buch „Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe spreche“ (Eddo-Lodge 2019), welches paradoxerweise den Diskurs mit weißen Menschen sucht, eine Sensibilisierung der weißen Mehrheitsgesellschaft gegenüber bittersüßen Rassismus zu erreichen. Mit dieser Arbeit soll nicht-rassifizierten Menschen ein Hineinversetzen in die Lebensrealitäten von Schwarzen Menschen und People of Color ermöglicht und ein Hinterfragen der eigenen Privilegien in der Gesellschaft motiviert werden.
Die vorliegende Bachelorarbeit gliedert sich in einen theoretischen und in einen empirischen Teil. Zu Beginn beschäftige ich mich mit den theoretischen Fundamenten von Rassismus, welche eine essentielle Unabdingbarkeit sowie eine bessere Nachvollziehbarkeit meiner Forschungsfrage implizieren. Zuerst widme ich mich den diversen begrifflichen Definitionen, vorangestellt die politische Begrifflichkeit People of Color, welche Aufschluss über die von mir gewählte Zielgruppe bietet. Ferner beziehe ich mich auf die Konstruktion der „Rassen“, die es zu berücksichtigen gilt und die Entstehung von Rassismus bedingt. Des Weiteren folgt eine Darlegung der vielschichtigen und facettenreichen Erscheinungsformen von Rassismus und wird mit dem bittersüßen Rassismus abgeschlossen, der die zentrale Rolle in meiner Bachelorarbeit einnimmt.
Im darauffolgenden Kapitel widme ich mich der Begrifflichkeit der Mehrheitsgesellschaft. Da sich meine Sozialisation und Lebensführung auf Deutschland zurückzuführen lässt, beziehe ich mich auf die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland und greife im anschließenden Gliederungspunkt den Zusammenhang zwischen Rassismus und Deutschland auf. Diesbezüglich nehme ich in Anlehnung an die Autorin Tupoka Ogette Bezug auf das Ausblenden beziehungsweise das Nicht-Eingestehen rassistischer Denkstrukturen in der Eigen- sowie Fremdwahrnehmung. Diesen Zustand beschreibt die Autorin mit „Happyland“ und konstruiert ein Bild davon, wie Menschen in einer Welt ohne scheinbaren Rassismus leben.
Auf dieser Grundlage, erörtere ich welche Normvorstellungen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft wie der deutschen verankert und immer noch gegenwärtig vorzufinden sind. Essentiell dafür ist für mich die thematische Auseinandersetzung mit dem kritischem Weiß -Sein, der einen bedeutungsvollen Aspekt in der Critical Whiteness Studie einnimmt. Das Ziel, welches damit verfolgt wird, betrifft die reflexive Beschäftigung mit der weißen Norm sowie der eigenen weißen Identität, welche von der Mehrheit einer Bevölkerung nur unzureichend hinterfragt wird. Weiß -Sein stellt somit für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit und Normalität dar, da diese Personen selbst keine rassifizierte Markierung erfahren und somit auch die Identität als weißes Individuum nicht weiter hinterfragt wird. Menschen mit einer weißen Hautfarbe konstruieren damit ein hierarchisches Machtverhältnis, in dem Weiß -Sein eine Höherwertigkeit zugesprochen und das Nicht- Weiß -Sein problematisiert wird (vgl. Dietze 2006, S. 222).
Im darauffolgenden Kapitel werde ich daher die Lebensrealitäten von Schwarzen Menschen und People of Color in Deutschland näher beleuchten. Es soll darüber Aufschluss geboten werden, wie problematisch der Alltag von rassialisierten Menschen im sozialen Miteinander ist und mit welchen Schwierigkeiten sie sich tagtäglich konfrontiert sehen.
Im Anschluss werde ich in Anlehnung an mein begründetes Forschungsinteresse den empirischen Teil dieser Arbeit einleiten. Es folgen erste Hypothesen, welche auf Basis der von mir verwendeten Literatur gebildet wurden. Ferner folgt eine Darstellung der ausgewählten Methodik – das Leitfadeninterview. Die von mir durchgeführten Interviews sollen zu einer Beantwortung meiner Fragestellung verhelfen und auf Grundlage der ausgewählten Theorie ausgewertet werden. Anschließend erfolgt ein Zusammentragen der Untersuchungsergebnisse. Im abschließenden Kapitel meiner Arbeit, werde ich ein persönliches Resümee verfassen, welches Auskunft darüber geben soll, mit welchen prekären Verhaltensweisen und verbalen Äußerungen die betroffenen Schwarzen Menschen und People of Color konfrontiert sind und welche Konsequenzen daraus resultieren.
Ich verwende in dieser Arbeit als Mittel einer geschlechtersensiblen und inklusiven Sprache das Gender-Sternchen und beabsichtige damit ein Einbeziehen aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten.
I THEORETISCHER TEIL
2 Begriffliche Definition
Da ich mich im Verlauf meiner Bachelorthesis kontextual auf diverse Begrifflichkeiten beziehe, erachte ich es als sinnvoll folgende Definitionen vorzunehmen. Dadurch soll eine Nachvollziehbarkeit bewirkt werden, die es der Leserschaft ermöglicht, den inhaltlichen Kontext zu erschließen.
2.1 Der Begriff People of Color
Es wird nicht verwundern, dass im deutschen Wörterbuch kein Eintrag zu dem Begriff People of Color zu finden ist. Dies kann damit begründet werden, dass der Begriff hierzulande noch nicht ausreichend etabliert ist. Ferner fehlen der in Deutschland geführten antirassistischen Diskussionstheorien, theoretische und politische Zusammenhänge in Verbindung mit dem Begriff People of Color (vgl. Ha 2010b, S. 80). Zusammengefasst verweist dies auf einen Zustand der politischen Unsichtbarkeit und macht auf ein Fehlen einer grenzüberschreitenden Adaptierung in der antirassistischen Identitätspolitik rassifizierter Gruppen aufmerksam (vgl. Ha. 2016, S. 31). In einigen englischsprachigen Ländern sieht der Umgang mit dieser Begriffserklärung jedoch anders aus, da dieser dort vor allem im aktivistischen und akademischen Kontext eine gebräuchliche Bezeichnung darstellt (vgl. Sow 2018, S. 26). So waren es Initiativen, welche es sich zum Auftrag gemacht hatten mit Menschen, die Rassismuserfahrungen erlebt haben, einen Begriff zu erarbeiten, mit dem sie sich selbst benennen und identifizieren können und dies auch so wünschen (vgl. Ha 2010b, S. 80). Daran anlehnend lässt sich die Begriffserklärung People of Color bis in die Kolonialzeit zurückführen und wurde erst in den 1960er Jahren durch anti-rassistische Befreiungsbewegungen in den USA zu einer Selbstbezeichnung (vgl. Ha; Lauré Al-Samarai; Mysorekar 2016, S. 12).
Die Verwendung dieses Begriffes kann als politische Eigenbezeichnung für nicht weiße Menschen verstanden werden. Die Begrifflichkeit People of Color symbolisiert den solidarischen Zusammenschluss zwischen allen rassifizierten Personen mit afrikanischen, asiatischen, lateinamerikanischen, arabischen, jüdischen, indigenen oder pazifischen Hintergründen (vgl. ebd.) die in einer vorwiegend weiß dominierten Mehrheitsgesellschaft, einige gemeinsame Erfahrungen erlebt haben (vgl. Sow 2018, S. 26). Ziel dieses Zusammenschlusses ist es Einteilungen, welche aus der Perspektive des Weiß -Seins gesehen werden, aufzubrechen und auf die rassistischen Denk- und Handlungsweisen hinzudeuten, die es zu kritisieren gilt.
Es lässt sich nur erahnen, warum in Deutschland noch keine flächendeckende Etablierung des Begriffs stattgefunden hat, doch mag es vielleicht daran liegen, dass in Deutschland ein weit gehendes Desinteresse besteht, wenn die Lebensrealitäten von weißen Menschen sowie People of Color thematisiert werden. Denn die Benennung von verdeckten Klassifizierungen in einer Gesellschaft durch die Verwendung von ausdrucksstarken Begriffen, bringen das Machtgefüge ins Wanken, da auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam gemacht wird (vgl. Sow 2018, S. 26). Darum ist anzumerken, dass durch eine Erweiterung der Sprache, also der Nutzung und Etablierung der Begrifflichkeit, ein Bewusstwerden über vorhandene Differenzen entsteht und somit eine Kommunikation auf der Grundlage von Gleichberechtigung geschaffen werden kann (vgl. Ha 2016, S.38).
2.2 Der Rassenbegriff
Der Begriff „Rasse“ ist heutzutage ein unreflektierter Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs und wurde bereits verwendet, bevor die Bemühungen unternommen wurden, eine wissenschaftlich fundierte Definition zu formulieren (vgl. Trey 2014, S.15). Mitunter ist dies die Erklärung für den unpräzisen Umgang mit diesem Begriff, welcher sich über Generationen fortgeführt hat (vgl. ebd.). Heute dominiert eine unklare Auffassung über die etymologische Herkunft der Begrifflichkeit „Rasse“. Einiges spricht für die Annahme, dass die Begrifflichkeit „Rasse“ ursprünglich aus dem arabischen (ra’s) herzuleiten ist und mit Kopf, Haupt, Herkunft sowie Ursprung übersetzt werden kann (vgl. Bühl 2016, S. 35). Die arabische Sprache nahm in der Al-Andalus-Epoche eine bevorzugte Bedeutung in der Wissenschaft ein und begründet dadurch die vermeintliche Übernahme des arabischen Wortes in den spanischen und französischen Sprachgebrauch, welcher schließlich ins Englische sowie ins Deutsche übersetzt wurde (vgl. ebd.).
Der Begriff „Rasse“ fand zunächst seinen Gebrauch in der Pferdezucht, wurde jedoch im Spätmittelalter vereinzelt dazu genutzt, um die adlige Oberschicht angemessen zu beschreiben (vgl. Geulen 2018a, S. 24). Bis heute findet das Wort „rassig“ angelehnt an das Wort „edel“ im deutschen Sprachgebrauch seine Verwendung und wird dazu genutzt, Menschen sowie Gegenstände dahingehend zu charakterisieren. Deshalb scheint es zunächst nicht unlogisch, dass diversen Erscheinungsbildern zwangsläufig Eigenschaften zugeschrieben werden (vgl. ebd., S. 25). Aus anthropologischer Sicht bezeichnete die Begrifflichkeit „Rasse“ ein Merkmal, welches signifikant für die erbliche Gemeinsamkeit einer Gruppe steht, die sich beispielsweise auf die Kausalität hinsichtlich des äußerlichen Merkmals der Hautfarbe bezieht (vgl. Bühl 2016, S. 36). Diese Perspektive bedient sich fälschlicher Weise der Annahme, dass biologische Eigenschaften auf eine genealogische Analyse zurück zu führen seien, welche dazu dienen sollten, die Begrifflichkeit „Rasse“ mit der Abstammung zu verbinden (vgl. Trey 2014, S 16). Die Auffassung, Menschen sinngemäß nach Familienstamm beziehungsweise Abstammung einteilen zu können, stellte geschichtlich eine wesentliche Relevanz für den Adel dar, der sich zum einen auf die einzelnen Adelsfamilien und zum anderen auf den Adelsstand selbst bezog. Die Einteilung, ob eine Person zu einer guten oder vornehmen „Rasse“ zugehörig war, wurde nach einem männlich dominierten Prinzip entschieden, da der Name der Familie einen wichtigen Indikator für die Qualität der Zugehörigkeit darstellte und sich vom Vater auf den Sohn vererbte (vgl. Trey 2014, S. 16).
Ferner legt die Literatur den Schluss nahe, dass François Bernier der erste Autor gewesen sei, der den Rassenbegriff auf Menschen anwandte. Er nahm eine Klassifizierung der Menschen vor und teilte sie in vier unterschiedliche „Rassen“ ein: die Europäer, die Afrikaner, die Asiaten und die Lappländer. Diese Zuordnung in diverse „Rassen“ sollte zudem eine neue geographische Einteilung der Erde darstellen (vgl. ebd.). Heute erkennt die Wissenschaft an, dass die diskursive Anschauung von „Rassen“, welche durch Unterscheidungssysteme geprägt ist und nachweislich einen erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der heutigen Zeit einnimmt und die Versuche, Menschen nach genetisch bedingten Merkmalen zu klassifizieren, kein wissenschaftliches Fundament bietet (vgl. Hall 2018, S. 57). Die UNESCO verweist folgerichtig in dem Schreiben „Declaration on Race and Racial Prejudice“ von 1978 im Article 1 auf folgendes hin:
„All human beings belong to a single species and are descended from a common stock. They are born equal in dignity an rights and all form an integral part of humanity” (UNESCO 1978).
Die UNESCO verweist auf einen essentiellen Gesichtspunkt der besagt, dass wir Menschen, unabhängig von der Nationalität und Ethnie, Angehörige einer gemeinsamen und einzigen Art sind und von den gleichen Vorfahren abstammen. Schlussfolgernd sind wir Menschen gleichberechtigt an Würde und Rechten und repräsentieren als Gesamtheit die Menschheit (vgl. Fernandes Sequiera 2015, S. 110). Auch davon ausgehend, dass in der heutigen Zeit vor allem in westeuropäischen Sprachen vermehrt auf die Verwendung des Rassenbegriffs verzichtet wird, welches auf die Argumentation zurück zu führen ist, dass keine Person im wissenschaftlichen und politischen Kontext über das präzise Verständnis und die eindeutige Bezeichnung von „Rasse“ verfügt (vgl. Geulen 2018a, S. 23). Ferner ist man der Meinung, dass dieser Begriff einen willkürlichen Fachausdruck darstellt. Dies ist damit begründet, dass es bisher keine vorhandene wissenschaftliche Fundierung gab, die in der globalen Welt, im Naturreich oder unter der Menschheit stattgefunden hat. Wahrscheinlich, weil erst wir Menschen im Hinblick auf die Tierwelt,- den Begriff „Rasse“ selbstverständlich und ohne schlechtes Gewissen anwenden, obwohl es eben keine vorgegebene Naturordnung ist, sondern auf einer konstruierten Naturform basiert (vgl. ebd.).
Eine weitere Argumentation, welche sich auf den Verzicht des Begriffes bezieht, ist die, dass das Wort übergeordnet auf eine ideologische Funktion zurückzuführen ist, die es erlaubt bestimmte Zugehörigkeitsgruppen aus der Gesellschaft auszugrenzen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Diese Behauptung macht den Begriff zu einem Legitimations- und Begründungsbegriff, der Menschen grundlegend unterscheidet und zur Abgrenzung unterschiedlicher Gruppierungen führt. Kritisch zu betrachten ist die Funktion, den der Rassenbegriff hier einnimmt. Einerseits wird er willkürlich verwendet, andererseits soll ein naturgegebener Zustand beschrieben werden. Diese Ambivalenz lässt den Rassenbegriff als womöglich ideologischsten Begriff der Neuzeit erscheinen (vgl. Geulen 2018a, S. 23).
Die Tatsache, dass vor allem weiße sozialisierte Menschen über das Privileg frei verfügen zu entscheiden, ob und wann sie sich mit der Thematik Rassismus auseinandersetzen wollen, macht das Aufbrechen dieser ideologischen Denkweise nicht einfacher (vgl. Arndt; Ofuatey-Alazard 2011, S. 13f.).
Die Konsequenzen dieses Dilemmas bleiben für Menschen stets präsent, welche täglich zwischenmenschlichen Rassismus aushalten müssen und auf Bewältigungsstrategien angewiesen sind. Ein Handlungsbedarf erklärt sich dahingehend von selbst und dies erfordert eben auch die Auseinandersetzung mit der Sprache (vgl. ebd.). Statt auf eine ideologische sowie rassistische Kennzeichnung von Menschen zurückzugreifen, sollte das Anliegen, die Verwendung von Eigenbezeichnungen, welche von rassismuserfahrenen Menschen ausformuliert wird, ernstgenommen und angewendet werden. Die Verwendung von Eigenbezeichnungen wie Schwarze Deutsche oder People of Color ermöglicht markierten Personengruppen eine selbstgewählte Sichtbarkeit in einer weiß dominierten Mehrheitsgesellschaft, die es zu unterstützen gilt (vgl. ebd.).
Abschließend lässt sich erwähnen, dass der Begriff „Rasse“ in einem engen Zusammenhang mit dem Phänomen des Rassismus steht, welcher sogar heutzutage in jeglichen migrationsgesellschaftlichen Zuständen, auf die Historie des Begriffs „Rasse“ zurück zu führen ist (vgl. Tißberger 2017, S. 23).
2.3 Rassismus
Da das Thema Rassismus einen essentiellen Schwerpunkt meiner Arbeit darstellt, halte ich es für notwendig, diverse Perspektiven einzunehmen, um verschiedene Definitionen nachvollziehen zu können.
Mit dem Begriff Rassismus können vermutlich viele Personen in unserer Gesellschaft etwas anfangen. Spannend ist, wie unterschiedlich die Auffassung von Rassismus ausfällt. Jedes Individuum verfügt über andere Erfahrungen mit Rassismus und definiert diese in Folge dessen individuell für sich. Laut Literatur scheint es fast unmöglich zu sein, sich auf eine einheitliche Definition für Rassismus zu einigen. Vielmehr tritt das Phänomen Rassismus divers in Erscheinung und nimmt unterschiedlichste Funktionen ein (vgl. Melter 2006, S. 18).
In der gesellschaftlichen Funktion dient Rassismus als Herstellungs- und Aufrechterhaltungslegitimation von gruppenbasierten Hierarchien und fördert somit diskriminierendes Handeln (vgl. Zick; Küpper 2008, S. 112). In der psychologischen Funktion fördert Rassismus die Bildung von Vorurteilen und schafft diverse Gruppenzusammenschlüsse, welche nach einem internen Verhaltenskodex agieren. Hierfür stellt der Rechtsextremismus ein anschauliches Beispiel dar. In der Wissensfunktion unterstützt Rassismus dabei, kompliziert erscheinende Informationsstrukturen zusammenzufassen und erstellt ein vereinfachtes und eindimensionales Weltbild (vgl. ebd.).
Die Historik rassistisch geprägter Prozesse reicht mitunter bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. zurück und bildete den antiken Rassismus, der der griechischen Bevölkerung die Versklavung von unzivilisiert etikettierten Menschen, die „nicht-des-Griechischen-mächtig“ waren, legitimierte (vgl. Bühl 2016,S. 81). Um unserer Zeit etwas näher zu kommen, nehme ich auf das 18. Jahrhundert n. Chr. Bezug, wo sich eine Schnittstelle zur „Rassenlehre“ aus dem Nationalsozialismus finden lässt (vgl. Zick; Küpper 2008, S. 111). Der Rassismus kann als Basis für Kategorisierung und Diskriminierung verstanden werden und wird in einer Sichtweise als Folge des „Rassenkonstrukts“ erklärt. So veranschaulichen Ergebnisse aus der Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2000, dass die Präsenz einer „fremden Rasse“ als störend empfunden wird. 17% der befragten Deutschen schlossen sich dieser Aussage an (vgl. ebd.). Eine andere Sichtweise beschreibt einen differenzierten Blickwinkel, in welchem keine Kausalität zwischen Rassismus und „Rasse“ besteht. Hierbei geht es vielmehr um die kulturelle Zugehörigkeit eines Individuums als um die äußerliche Markierung (vgl. ebd.).
Der Soziologe Stuart Hall beschreibt Rassismus wiederum als „eine soziale Praxis, bei der körperliche Merkmale zur Klassifizierung bestimmter Bevölkerungsgruppen benutzt werden, etwa wenn man die Bevölkerung nicht in Arme und Reiche, sondern z.B. in Weiße und Schwarze einteilt“ (Hall 2016, S. 172). Er ist der Auffassung, dass Markierungen der äußeren Unterscheidbarkeit mit Personengruppen verknüpft werden, die im weiteren Prozess zur hierarchischen Abgrenzung genutzt werden und soziale, politische sowie wirtschaftliche Handlungen begründen, die wiederum eine bestimmte Gruppe davon ausschließt, den gleichen Zugang zu materiellen und symbolischen Reserven zu erhalten (vgl. ebd.). Ziel der ausschließenden Gruppe ist die Einnahme einer privilegierten Stellung, die den Zugang zu den oben genannten Möglichkeiten sichert. Maßgebend dabei ist, dass die Personengruppe, welche für sich die Privilegien einfordert, auf ausgewählte Kriterien zurückgreift, die sich beispielsweise auf eine andere Hautfarbe oder der Herkunft berufen (vgl. Rommelspacher 2011, S. 25).
Die Definition des Rassismusforschers Albert Memmi schließt sich dieser Beschreibung weitgehend an. Er definiert Rassismus als „die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden des Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ (Memmi 1992, S. 165).
Allerdings konstatiert Memmi im Gegensatz zu Hall, dass sich die Unterscheidungskriterien zwischen den Personengruppen nicht eindeutig nur an körperlichen Merkmalen, sondern ebenso an fiktiven Zuschreibungen orientieren können und mit einer Wertung dieser Unterscheidungskriterien verknüpft sind. Beide Forscher sind sich jedoch dahingehend einig, dass die Klassifizierung und Zuweisung in eine andere Personengruppe als die eigene, eine hegemoniale Verteilung und den Anspruch von Privilegien sowie der benachteiligenden und schädigenden Handlungen legitimiert (vgl. Kerner 2009, S. 46f).
Weiterhin ist Memmi der Annahme, dass nicht nur bestimmte biologische Kriterien ausreichen, um rassistisch zu denken, sondern auch kulturelle Unterschiede, die den Menschen zugeschrieben werden. So wird auf der einen Seite die fremde Kultur mit negativen Eigenschaften besetzt, während auf der anderen Seite die Kultur der eigenen Gruppe positive Eigenschaften zugesprochen werden (vgl. Hergesell 2000, S. 124). Damit lässt sich zusammenfassend ein großer gesellschaftsrelevanter Raum bezeichnen, in dem auf verschiedenste Art und Weise auf globaler Ebene Diskriminierungs- und Ausgrenzungsereignisse stattfinden, denen Personen angesichts ihrer biologischen oder kulturellen Selbst- oder Fremdzuschreibung ausgesetzt sein können (vgl. Kerner 2009, S. 44).
Ferner wird dahingehend argumentiert, dass sich Rassismus sowohl in einer gewissen Art des Denkens als auch des Handelns äußern kann. In diesem Sachzusammenhang wird die Meinung vertreten, beide Formen unabhängig voneinander betrachten zu können, indem konkrete personenbezogene Handlungen, welche ein hohes Gewaltpotenzial darstellen, als eindeutig rassistisch eingestuft werden ohne dass die Intention der agierenden Personen oder Gruppen berücksichtigt wird (vgl. Geulen 2018b, S. 13). Deshalb lässt sich die Frage formulieren, ob es sich denn wirklich um einen rassistischen Hintergrund handle oder nicht andere Merkmale eine viel stärkere Priorität einnehmen, welche wiederum auf andere Motive hindeuten (vgl. ebd.).
Dieser Kontext beschreibt die Annahme, dass „echter“ Rassismus nur in Verbindung mit dem Hauptmotiv „Andere“ zu hassen in Erscheinung treten kann und diesbezüglich eine Anfeindung darstellt. Damit wird sichtbar, dass die Handlung nicht allein als solches in den Vordergrund rückt, sondern insbesondere das Denken, welches mit einer zielgerichteten Handlung verknüpft ist, dafür verantwortlich ist, ob Rassismus als solches entweder tituliert oder ausgeschlossen wird (vgl. Geulen 2018b, S 13).
Die historische Evaluation des Rassismus macht diesbezüglich ebenfalls deutlich, dass eine Differenzierung in rassistische Handlungen und in rassistischen Denkstrukturen nicht für sinnvoll erachtet wird, sondern vielmehr erkannt werden muss, dass in bestimmten Kontexten ein gezieltes Denken an eine gezielte Form des Handelns gekoppelt ist (vgl. ebd.).
In einer Zeit wie dieser, in der Grenzen und Ordnungen von Zugehörigkeit immer unsicherer und fragwürdiger werden, sieht Rassismus eine neue Möglichkeit, tradierte oder auch veränderte Zugehörigkeitsordnungen theoretisch neu zu fundieren und praktisch herzustellen. Dafür wird auf ein bestimmtes Wissen zurückgegriffen, welches nicht nur etwas über die Natur des Menschen und über das daraus resultierende Verhältnis zwischen Menschengruppen aussagt, sondern auch einerseits darüber, welcher Gefahr diese Menschengruppen in ihrer angeblichen Natur ausgesetzt sind und andererseits darüber, welche Veränderungen sie in Betracht ziehen sollten, um weiterhin in ihrer natürlichen Art überleben zu können (vgl. ebd.). Auf der Grundlage dieses Wissens werden sowohl Handlungsspielräume als auch -anleitungen konstituiert, welche eine rechtfertigende Funktion im Umgang mit „andersartigen“ Personengruppen einnehmen. Diese Grundannahme spiegelt natürlich nicht die realen und repräsentativen Erfahrungen wider, sondern zielt auf die Erschaffung einer Imagination ab, wie die Welt „von Natur aus“ auszusehen habe (vgl. ebd.).
Folglich lässt sich festhalten, dass Zugehörigkeitsordnungen für das Phänomen Rassismus nicht einfach gegeben sind, sondern einer Entdeckung, Identifizierung, Bewertung, Klassifizierung sowie einer Vermittlung vorangegangen sein müssen, um die reale Welt dann praktisch handelnd an diese ideale Ordnung anpassen zu können (vgl. ebd.).
Summa summarum wird ersichtlich, wie komplex das Thema Rassismus ist. Allein der Versuch, eine einheitliche Definition zu formulieren stellt eine Herausforderung dar. Die drei oben aufgeführten Funktionen von Rassismus machen auf die Gefahren aufmerksam, die es dringend aufzuklären und entgegen zu wirken gilt. Die von Rassismus betroffenen Individuen können sich in der Gesellschaft benachteiligt fühlen. Ihnen werden Bezüge von Ressourcen verwehrt und sie müssen politischer, sozialer und gesellschaftlicher Unterdrückung standhalten. Die Motivation der rassismusausübenden Personen und Gruppen lässt sich stets auf ein Bedürfnis nach Macht und Überlegenheit zurückführen, welches bereits in der Historik des Rassismus wiederzufinden ist. Auch im 21. Jahrhundert ist der Rassismus allgegenwärtig und wird durch zielgerichtete Denk- und Verhaltensmuster banalisiert und praktiziert.
2.3.1 Die Facetten von Rassismus
Wie im obigen Kapitel erläutert, bedient sich Rassismus an Vorurteilen und nimmt biologische sowie auch naturwissenschaftliche Eigenschaften als Grundlage, um Menschen zu diskreditieren (vgl. Zick; Küpper 2008, S. 111). Der Begriff Rassismus legt einen detaillierten Fokus auf den Zusammenhang verschiedener Ebenen des gesellschaftlichen Miteinanders, welcher in veränderbarer und vielseitiger Form etabliert ist (vgl. Broden; Mecheril 2010, S. 14).
Rassismus ist ein generalisiertes Konzept, auf das zurückgegriffen werden kann, eine Interpretation und Handlungsmöglichkeit, das bezogen auf ihre Bedeutungen, Verankerungen und Auswirkungen auf ideologisch-diskursiv-kultureller, strukturell-gesellschaftlicher, institutionell-organisationaler, interaktiver sowie intrapersonal-subjektiver Dimension untersucht werden kann (vgl. ebd.).
2.3.2 Der strukturelle Rassismus
Schon seit Jahrhunderten ziehen bestimmte Gesellschaftsgruppen der deutschsprachigen Bevölkerung ein Nutzen aus Privilegien, welche auf gesellschaftsstrukturellen Rassismus beruhen. In diesem Zusammenhang suggerieren weiße Deutsche ein Erscheinungsbild, das der gesellschaftlichen Norm entspricht, weshalb sie darauf vertrauen können, niemals gesellschaftliche Benachteiligungen aufgrund ihrer Hautfarbe zu erfahren (vgl. Nduka-Agwu; Lann Hornscheidt 2010, S.14). Weiterhin ist gewährleistet, dass die deutsche Identität eines Menschen mit einer weißen Hautfarbe in unserer Gesellschaft nie angezweifelt oder sogar infrage gestellt wird. Und dies lediglich, weil das äußere Merkmal, die weiße Haut, nicht im Widerspruch zum Deutschsein steht. Damit bilden sie eine Personengruppe, welche von strukturellen Privilegien in der deutschen Gesellschaft profitieren, welche unglücklicherweise von dieser Personengruppe nicht ausreichend anerkannt oder reflektiert werden (vgl. ebd., S.14f). Doch ist anzumerken, dass Schwarze Deutsche und People of Color sowohl früher als auch heute eine Position in unserer Gesellschaft einnehmen, die fatalerweise mehrfach von strukturellen sowie persönlichen Nachteilen und Diskriminierungen geprägt ist (vgl. ebd.).
Die strukturellen Methoden der Exklusion wird aus ökologscher Sicht mit dem Verwehren von gesellschaftlichen Ressourcen beschrieben und aus wirtschaftlicher Sicht auf die ungleichen Rechte bezüglich der finanziellen Unterstützung zurückgeführt (vgl. Bühl 2016, S. 215f).
Die Problematik besteht darin, dass jede Person, welche in einer Gesellschaft von Reproduktion und tradierten Weltanschauungen aufgewachsen ist, in der gleichermaßen veränderte rassistische Strukturen die Norm darstellen, beabsichtigt oder nicht, Auszüge rassistischer Formen implizieren und sie als selbstverständlich wahrnehmen (vgl. Nduka-Agwu; Lann Hornscheidt 2010, S.14f). Dies hat zur Konsequenz, dass gewisse Denk- und Handlungsweisen, welche als Konstrukte der Normalität gelten, permanent reproduziert werden. Dahingehend lässt sich festhalten, dass solche Reproduktionen von allen Personen ausgeübt werden, unabhängig von der politischen Haltung, der Ethnie, der Rassifizierung oder der Migratisierung (vgl. ebd.).
Das von Menschen konstruierte, über Generationen vermittelte und an dem Bestehen von „Rassen“ festhaltende Unterdrückerverhältnis, festigt das Machtgefüge in der Gesellschaft, sodass einige Personengruppen strukturelle Privilegien erhalten und ihnen diese auch zugeschrieben werden, während die strukturelle Benachteiligung anderer Gruppen anhand dessen begründet wird. (vgl. ebd.). Es wird die Meinung vertreten, dass der strukturelle Rassismus einen Teil der gesellschaftlichen Norm darstellt und gesellschaftliche Anerkennung erfährt und eine selbstverständliche sowie unreflektierte Grundlage staatlicher Handlungsweisen etabliert, die mehreren Meinungen von in Deutschland lebenden Personen entspricht (vgl. ebd.). Somit lässt sich festhalten, dass struktureller Rassismus nicht nur geringfügigen Einfluss auf die hegemonialen Vorstellungen sowie der Selbst- und Fremdwahrnehmung einnimmt, sondern ihn mit entscheidender Bedeutung prägt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Auffassungen, welche eindeutig auf rassistische Handlungsweisen hinweisen, im öffentlichen Kontext Legitimation erfahren. Dies kann beispielweise durch öffentliche Meinungsäußerung, durch gesetzliche Bestimmungen, aber auch durch nicht vorhandene Chancengleichheit bezüglich der Bildungsmöglichkeit und der Wahrnehmung finanzieller Unterstützung verstärkt werden. Aber auch der Umgang mit rassistischen Konzepten, die grundlegend und unhinterfragt für und in einer Gesellschaft anzutreffen sind, bestärkt den strukturellen Rassismus, wie er hier in Deutschland existiert (vgl. ebd.).
Der Professor für Soziologie Dr. Achim Bühl stellt den strukturellen Rassismus als rassifizierende soziale Ordnung mit unterschiedlichen Auswirkungen dar. Die Rassifizierung findet dadurch verschiede Schnittstellen mit diversen Institutionen, wodurch sich eine Art Netzwerk bildet und die Diskriminierung von etikettierten Personengruppen korrelativ beeinflusst (vgl. Bühl 2016, S. 225f). Er behauptet dass all diejenigen, welche der deutschen Norm entsprechen, Vorteile auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt genießen können, wohingegen Menschen, welche von der Norm abweichen, beispielsweise mit schlechten Schulempfehlungen, Polizeikontrollen und Benachteiligungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt konfrontiert sein können (vgl. ebd.) Dieses Beispiel macht die Vernetzung der unterschiedlichen Institutionen transparent, welche strukturell rassistische Handlungen praktizieren. Demzufolge berichten Schwarze Menschen und People of Color von Erfahrungen, welche sie in Verbindung mit den Institutionen der Schule, der Polizei und der staatlichen Bürokratie erlebten und sich dabei unfreundlich sowie ungerecht behandelt fühlten. Dies hat zur Folge, dass viele Schwarze Menschen und People of Color einen unmittelbaren Kontakt mit unterschiedlichen Institutionen meiden, da sie einen ungerechten und respektlosen Umgang erwarten (vgl. Fernandes Sequeira 2015, S. 149).
2.3.3 Der institutionelle Rassismus
Zunächst ist wichtig zu erklären, dass der Begriff Institution im Zusammenhang mit institutionellem Rassismus weitläufiger angewendet wird. Als Institution ist kontextual von Ausbildungs- und Bildungsbereichen die Rede, aber auch öffentliche Einrichtungen wie Ämter und Behörden fallen in diese Kohärenz. Demnach liegt hierbei nicht der Schwerpunkt auf dem Handlungsresultat eines/einer Akteur*in, da es sich an institutionelle Rahmenbedingungen zu halten gilt, die den Habitus kontrollieren und auch nicht um Vorurteile, sondern um Handlungsschemata der genannten Institutionen, welche Einfluss auf das Handeln der Subjekte nehmen (vgl. Bühl 2016, S. 227).
Anzumerken ist, dass der institutionelle Rassismus hierzulande bis jetzt nur wenig bis unzureichend thematisiert wurde. Dies könnte damit zusammenhängen, dass im wissenschaftlichen Diskurs, in der Medienberichtserstattung sowie im politischen und pädagogischen Kontext in den meisten Fällen von einer Voreingenommenheit einzelner Personen oder sozialen Gruppen gesprochen wird, wenn es sich um die Thematisierung von Rassismus, Sexismus oder Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen handelt (vgl. Gomolla 2010, S. 61). Diese Annahme ist fatal, denn dadurch werden vermehrt ausgrenzende sowie rassistische Handlungen als Einzelfall in der Gesellschaft behandelt und beschönigt. Der Blick für das Wesentliche geht verloren. Einige Personen werden bereits an der Teilnahme an Institutionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und des sozialen Miteinanders gehindert. Dies führt zu sozialen Ungleichheiten und Hindernissen, die sich beispielsweise im Bildungs- und Ausbildungsbereich sowie im Beschäftigungssystem zu erkennen ergeben (vgl. ebd.). Da aber argumentiert wird, dass ausgrenzende und rassistische Handlungsweisen vorwiegend auf individuelle Orientierungen zurückzuführen sind, wird ein in Betracht ziehen des institutionellen Rahmens nicht berücksichtig. Ein Hinterfragen der eigenen Institution bezüglich der Arbeitskultur, der rechtlichen und organisatorischen Grundlage und das Wissen darüber, welche sozialen Unterschiede durch Akteur*innen hervorgebracht- und verfestigt werden, ist essentiell (vgl. ebd.), denn der Fokus des institutionellen Rassismus liegt auf dem Gerüst der gesellschaftlichen Normen und somit begreifen rassismusausübende Personen und Gruppen ihr Handeln als normadäquat und nicht als eine Form des selbstausgeführten Rassismus. (vgl. Bühl 2016, S. 241).
2.3.4 Der Alltagsrassismus
Unter Alltagrassismus wird vor allem eine subtile Methode verstanden welche dazu dient, bestimmte Menschengruppen, die in einer Gesellschaft als „anders“ markiert werden, als solche zu definieren und zu benachteiligen. Philomena Essed prägte 1991 die Begrifflichkeit Alltagsrassismus und machte darauf aufmerksam, dass es einen Zusammenhang zwischen dem gelebten Alltag und den dort befindlichen strukturellen und individuellen Ausschlusskriterien gibt (vgl. Melter 2007, S. 108f). Ihrem Verständnis zur Folge, stellen Interkationen sowie Gesellschaftsstrukturen relevante Bezugssysteme dar, wenn es um die Auffassung von Alltagsrassismus geht (vgl. ebd.). Zurückweisung und Ausgrenzung sind zentrale Termini für Personen mit einer Hautfarbe, welche nicht die Norm einer Mehrheitsgesellschaft repräsentiert und stellen eine alltägliche Konfrontation für diese dar. Subtile rassistische Formen, wie beispielsweise der freigelassene Nachbarsitz in der Bahn, bedingen eine Lebenswelt aus „Microaggressionen“, die bei Schwarzen Menschen und People of Color ein Gefühl des Unsichtbarkeitseins bewirken (vgl. Lavorano 2016, S. 69). Dementsprechend beinhaltet der Begriff Alltagsrassismus rassistische Praktiken bezüglich lebensweltlicher Zusammenhänge und deren Erlebnisse sowie auch die Einschreibung von rassistischen Denk- und Handlungsweisen, welche die emotionale Reaktion und Prägung einschließen. So gesehen distanziert sich der Alltagsrassismus von den Strukturen des hegemonialen Rassismus, welcher in Institutionen und im politisch öffentlichen Dialog präsent ist (vgl. ebd., S. 70). Somit lässt sich festhalten, dass der Alltagsrassismus eine beständige Auseinandersetzung neben der großen Rassismus-Debatte erfordert, indem Alltagsrassismus eine Gegenüberstellung von soziologisch deduktiven Methoden der Rassismusforschung und der präzisen Betrachtungsweise von Erfahrungen vornimmt (vgl. ebd.). Dies verweist noch einmal auf den Umstand, dass Alltagsrassismus durch seine subtile Erscheinungsform von Teilen der Bevölkerung als nicht prekär eingestuft wird und die Konsequenzen, welche der Alltagsrassismus nachhaltig impliziert, verharmlost werden (vgl. Bühl 2016, S. 269).
Claus Melter hat in Anlehnung an Rudolf Leiprechts Definition eine Erweiterung sowie Neufassung von Alltagsrassismus konzipiert. Er ist der Annahme, dass Einzelpersonen sowie auch Gruppen Rassismus in Form von rassistischen Handlungsweisen in regelmäßigen Abständen offen oder aber auch subtil praktizieren (vgl. Melter 2007, S. 109f). Melter benennt diese Form der Ausgrenzung „alltäglicher Rassismus von Einzelpersonen und Gruppen“ (vgl. ebd.). Diesbezüglich kann nachweislich festgehalten werden, dass vor allem Schwarze Menschen und People of Color mit der Frage „Woher kommst du?“ am häufigsten konfrontiert werden (vgl. Brühl 2016, S. 270). Damit wird ersichtlich, dass zum einen ein Interesse an der befragten Person bekundet wird und zum anderen wird gleichermaßen eine Markierung vorgenommen, welche darauf verweist, dass die befragte Person keinesfalls in Deutschland geboren sein kann (vgl. Brühl 2016, S. 270). Weiterhin macht Melter darauf aufmerksam, dass sich in der Gesetzgebung sowie in institutionell internen Regelungen und in der Handlungsweise rassistische Ausgrenzungsformen wiederfinden, welche von Institutionen und Organisationen übernommen werden. Die Rede ist dann von „institutionellem Alltagsrassismus“. Ferner ist zu bedenken, dass ebenso eine allgemeine Benachteiligung von definierten Personen in Bezug auf Nationalität, kultureller Prägung oder Ethnie stattfindet, welche sich unter anderem auf dem Arbeitsmarkt etabliert hat und sich in den ungleichen Einkommensverhältnissen bemerkbar macht. Darüber hinaus erfahren definierte Gruppen keine Chancengleichheit bezüglich des Schul- und Bildungssystems. Dieses Ausmaß von Ausgrenzung, welche Migrant*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Schwarze Deutsche und generell Personen, die in unserer Gesellschaft als nicht-deutsch gelten, widerfährt, ist auf struktureller Ebene zu finden, weshalb Melter in diesem Zusammenhang von „strukturellem Alltagsrassismus“ spricht (vgl. Melter 2007, S. 109f).
2.3.5 Der bittersüße Rassismus
Hingegen der bereits beschriebenen Dimensionen von Rassismus, welche eindeutig die Markierung und die Unterscheidungen fokussieren, beschreibt folgende Form eine skurrile Kontroverse im Rassismus. Zunächst verwende ich in Anlehnung an Noah Sow, eine deutsche Theoretikerin und Autorin, beabsichtigt die Begrifflichkeit Positivrassismus. Dies begründe ich mit der in Deutschland unzureichend ausgereiften Etablierung des Begriffs bittersüßer Rassismus. Jedoch ist festzuhalten, dass diese Begrifflichkeit gleichzusetzen mit Positivrassismus ist. Im Folgenden nehme ich Bezug auf die Erklärung der Begrifflichkeit bittersüßer Rassismus, welche ich selbst in meiner Bachelorarbeit verwende, da ich der Meinung bin, dass bittersüßer Rassismus den vorliegenden Zustand adäquater beschreibt.
Noah Sow verweist in ihrem Buch „Deutschland Schwarz Weiß“ darauf, dass positiver Rassismus so gesehen nicht existiert. Sie begründet ihre Aussage damit, dass Menschen, welche Rassismus erfahren, eine rassistische Handlung nie mit einer positiven Konnotierung bewerten würden. Rassismus nimmt eine dominierende Einteilung vor, indem Menschen Eigenschaften zugeordnet werden, die nichts mit der Persönlichkeit gemein haben, sondern auf die vermeintliche Abstammung hinweisen (vgl. Sow 2018, S. 90). Diese Zuschreibungen von Eigenschaften, sollten unterbunden werden, gleichwohl welche Motivation sich dahinter verbirgt. Der Begriff Positivrassismus wird beispielsweise dann verwendet, wenn man pauschal davon ausgeht, dass alle Schwarze Menschen und People of Color hervorragende Tänzer*innen und Sänger*innen seien, da ihnen das musikalische Talent im „Blut“ liegt und ihnen das in die „Wiege“ gelegt wurde (vgl. ebd., S. 91). Wenn dann zusätzlich noch die Aufforderung folgt, etwas vor einem Publikum vorzutragen, stellt das für viele betroffene Personen eine prekäre Situation dar. So wird fälschlicher Weise Positivrassismus aus Sicht der weißen Bevölkerung als vermeintlich „nett“ und als Kompliment verstanden (vgl. Sow 2018, S. 91). Die Annahme, dass diese Assoziation nichts mit den anderen Formen von Rassismus gemein hat ist schlichtweg falsch, denn eine Form von Rassismus kann nicht separiert von anderen Formen von Rassismus betrachtet werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass solchen Aussagen nichts Positives zu entnehmen ist, sondern ganz deutlich auf rassistisches Gedankengut zurückzuführen ist. Erklärbar dadurch, dass Annahmen vertreten werden, die es erlauben, menschliche Eigenschaften auf die körperliche Konstitution zu übertragen (vgl. Arndt 2017, S. 30). Es muss vor Augen gehalten werden, dass die „alten“ Einteilungen, mit welchen wir täglich in Kontakt treten dadurch geprägt sind, dass mit weiß immer noch positive Besetzungen wie Zuschreibung als „intellektuell überlegen, technisch überlegen, zivilisiert, fortgeschritten, rational, hohe Selbstkontrolle“ vorgenommen werden und mit schwarz hingegen Besetzungen wie „intellektuell unterlegen, technisch rückständig, unzivilisiert, primitiv, impulsiv, triebhaft, sexuell, wenig Selbstkontrolle“ (vgl. Sow 2018, S. 91) assoziiert werden. In einer genaueren Betrachtung wird ersichtlich, dass weiß im Gegensatz zu schwarz mit „geistigen“ Merkmalen besetzt wird während mit schwarz „körperliche“ Merkmale markiert werden (vgl. ebd.). Damit wird eindeutig eine Essentialisierung vorgenommen und dem Schwarzen Mensch und Person of Color ihre Individualität abgesprochen, ganz nach dem Motto: Ich weiß wie du bist, deswegen weiß ich auch wie alle Schwarze Menschen und People of Color sind (vgl. Arndt 2017, S. 30). Schaut man sich die Wörter der „neuen“ Einteilung von Positivrassismus an, so wird erkenntlich das eine Umschreibung der Wörter erfolgt ist, jedoch die Einteilung in schwarz und weiß weiterhin besteht und im Prinzip das Selbe meint (vgl. ebd.). Heute werden Aussagen wie „Musik im Blut“ mit „impulsiv und sexuell“ assoziiert. Auch Aussagen wie „exotische Schönheit“ werden oft mit der Annahme in Verbindung gebracht, dass die angesprochene Person, aus einem anderen Land kommen muss und falls das nicht der Fall sein sollte, wird der Person trotzdem eine andere Zugehörigkeit unterstellt (vgl. ebd.).
Aus diesem Grund bezieht sich Grada Kilomba,‘eine portugiesische Theoretikerin und Autorin, welche sich kritisch mit dem Thema Rassismus auseinandersetzt, auf die Bezeichnung des bittersüßen Rassismus und macht in einer ihrer Ausführungen deutlich, worauf sie mit der Verwendung dieses Begriffes abzielt:
„The beautiful‘Negerin‘! Look how nice the‘Negerin‘ looks. And the beautiful eyes that the ‘Negerin’ has! And the beautiful skin that the ‘Negerin’ has! ”: […] An interesting combination of words, in which a positive word,‘beautiful,‘ is followed by a very traumatic one […] It is a game of sweet and bitter words that makes it difficult to identify racism” (Kilomba 2008, S. 94).
Sie weist damit auf einen relevanten Aspekt hin, den es zu beachten gilt. Sie beschreibt den bittersüßen Rassismus, so wie sie ihn tituliert, als eine interessante Kombination durch die Verwendung von zwei unterschiedlichen Besetzungen. Bittersüßer Rassismus bedient sich immer an einer positiven sowie negativen Zuschreibung. So kann unter „süß“ das vermeintlich „nett“ gemeinte Kompliment verstanden werden und mit „bitter“ die rassistische Markierung, die in Kilombas Ausführungen durch die Anwendung der rassistischen Sprache erfolgt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass mit bittersüßem Rassismus und der vermeintlich positiven Zuschreibungen eine Form gewählt wird, die den Rassismus auf den ersten Blick nicht entlarven kann, doch wie in den anderen Formen von Rassismus wird auch hier ein Ausdruck von Macht und Dominanz vermittelt, der zu Benachteiligung und Stigmatisierung führt ( vgl. Sow 2018, S. 92).
2.4 Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Sprache
Da in meiner Arbeit der bittersüße Rassismus im Fokus steht und aus dem vorherigen Kapitel deutlich zu entnehmen ist, dass dieser auf der verbalen Ebene ausgetragen wird, scheint mir die genauere Betrachtung für das Verständnis über den Zusammenhang zwischen Rassismus und Sprache für sinnvoll.
Wenn die Auseinandersetzung mit Rassismuserfahrungen auf der sprachlichen Ebene erfolgt, wird zwischen primären Erfahrungen, welche subtil und gleichzeitig mit einer eindeutigen rassistischen Botschaft vermittelt werden und den sekundären Erfahrungen, die alle jene Diskriminierungserfahrungen hinsichtlich der Thematisierung beziehungsweise der Nichtthematisierung rassistischer Vorfälle im öffentlichen Kontext einschließen, die die eigene Person betreffen, unterschieden (vgl. Çiçek; Heinemann; Mecheril 2014, S. 311). Es ist deshalb die Rede von sekundären Rassismuserfahrungen, da sie bei der Thematisierung beziehungsweise Nichtthematisierung von primären Erfahrungen durchlaufen wird (vgl. ebd., S. 312).
Wie im obigen Kapitel erörtert, verwenden wir in unserem Sprachgebrauch die Wörter schwarz und weiß. Wir wissen auch, dass bestimmte Assoziationen mit dem jeweiligen Wort in Verbindung verbunden und damit gewisse Aussagen aus dem Subtext suggeriert werden (vgl. Sow 2018, S. 117). Wörter, welche auf den Wortstamm schwarz zurückzuführen sind, wie beispielsweise „Schwarzfahren“, „schwarzes Loch“, „schwarzmalen“ haben in unserem Sprachgebrauch eine vorwiegend negative Bedeutung. Das Wort weiß hingegen, lässt durch Wortkonstellationen wie „weiße Weste“ oder „etwas weiß Waschen“ positive Assoziationen zu (vgl. ebd.). Traditionen formten unsere Sprache, um gesellschaftliche Werte verbal auszuformulieren. Auch werden Kultur und Machtverhältnisse über das System der Kommunikation weitergegeben, welche sich bei jedem Individuum festigen. Auf dieser Grundlage zeigt sich, dass eine Auflösung der kontinuierlichen Reproduktion schwer zu realisieren ist (vgl. ebd. S.118). Erwachsene wenden ihre erlernten Sprachsysteme permanent an und geben sie sowohl im Alltagsgebrauch als auch über mediale Kommunikationsmittel an die Kinder weiter, welche dann wie selbstverständlich verinnerlicht werden. Die fehlende Aufklärung und Erläuterung bestimmter Wörter erlauben, dass Annahmen von Generation zu Generation weitergetragen werden können. Somit ist es nicht unüblich, dass Kinder annehmen weiß sei mit etwas „Gutem“ in Verbindung zu bringen und schwarz mit etwas „Schlechtem“ (vgl. Sow 2018, S.118). Ersichtlich wird diese Verknüpfung beispielsweise im alltäglichen Sprachgebrauch. Wie häufig hört man die Aussage „da sehe ich schwarz für dich“, wenn es darum geht, dass für eine bestimmte Situation kein gutes Ende zu erwarten ist. Es handelt sich hierbei um Aussagen, welche kaum oder unzureichend reflektiert werden und somit lässt sich auch begründen, dass Kinder davon ausgehen, diese Zusammenhänge würden einer natürlichen Norm entsprechen und nicht etwa erfunden oder auf Menschen bezogen nicht anwendbar sein (vgl. ebd).
Wer die Ansicht vertritt, Deutschland sei aktuell in seiner sprachlichen Entwicklung geradezu gewaltfrei und politisch korrekt, befindet sich in einem Irrtum. Auch wenn der Umstand berücksichtig wird, dass viele Menschen heutzutage versuchen sich in einem Umfeld aufzuhalten, welches einen weitestgehend diskriminierungsfreien Sprachgebrauch anzuwenden versucht, besteht die Gefahr im vorherrschenden gesellschaftspolitischen Diskurs (vgl. ebd., S. 119). Denn die Ansicht, dass wir die Tradition der rassistischen Sprache soweit dekonstruiert haben, um es besser zu wissen hat zur Konsequenz, dass Wörter, welche gewaltvollen Inhalt aufweisen, immer weiter produziert und bagatellisiert werden (vgl. ebd.). Entschuldigt wird dies damit, dass eine Aufarbeitung der Thematik erfolgt ist und einem der Verweis auf die Verwendung solcher Wörter zu verzichten, nicht fremd ist. Doch das scheint nicht ausreichend abzuschrecken, denn noch immer werden solche Wortkonstrukte für eine „spaßige“ Angelegenheit zweckentfremdet. Nicht selten wird diese Grundlage zur Rechtfertigung vor der eigenen als auch vor anderen Personen genutzt. Die Konsequenz zeigt sich dahingehend, dass Veröffentlichungen versuchen, die rassistische Sprache zu verharmlosen, um sie als Normzustand darzustellen (vgl. ebd., S. 119f).
2.4.1 Die Auswirkungen von rassistischer Sprache auf People of Color
Zuallererst ist wichtig zu erwähnen, dass die sprachliche Gewalt keinesfalls auf die körperliche Gewalt reduzierbar ist. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Ausdruckmöglichkeiten auf sprachlicher Ebene im Gegensatz zur physischen Ebene differenzierter in Erscheinung treten (vgl. Çiçek; Heinemann, Mecheril; edt. 2014, S 313). Die Sprache stellt eine immer wiederholende abstrakte Ordnung dar, welche sich auf nicht zurückführbarer Weise in das Körperliche transformiert. Im Gegensatz zu der physischen Gewalt, hinterlässt verbale Gewalt keine unmittelbar äußerlich erkennbaren Folgen. Dennoch ist bekannt, dass sie sich auf die körperliche Verfassung auswirken kann. Bei Begrifflichkeiten wie „Beleidigung“, die das körperliche „Leiden“ impliziert, sollte auch beim Begriff „Kränkung“ daran gedacht werden, dass dieses Wort auf eine Krankheit hinweist, welche den Körper schwächt (vgl. Çiçek; Heinemann, Mecheril; edt. 2014S. 314). Ob im aktuellen rassistischen Kontext oder generell betrachtet ist zu beachten, dass Sprache verletzen kann. Die Verwendung der rassistischen Sprache versetzt rassismuserfahrene Menschen in Stresssituationen. Das Gefühl, aufgrund eines formulierten Satzes von rassismus-privilegierten Menschen, von Ausschluss einer Zugehörigkeitsgruppe bedroht zu sein, können wahrscheinlich nur Schwarze Menschen und People of Color nachempfinden (vgl. Ogette 2017, S. 79). Das Gefühl der Herabwürdigung, kann als Reaktion beispielsweise sowohl Schmerz und Empörung als auch Trauer und Demütigung hervorrufen, das wiederrum zur Folge haben kann, dass ein emotionaler sowie auch physischer Rückzug erfolgt (vgl. Çiçek; Heinemann, Mecheril; edt. 2014 S. 314).
2.4.2 Der erstrebenswerte Umgang mit rassistischer Sprache
Es ist für Menschen, welche selbst nicht von Rassismus betroffen sind, oft nicht einfach zu akzeptieren, dass sie selbst in ihren täglichen Sprachhandlungen Gebrauch von der rassistischen Sprache machen. Denn das Wissen darüber selbst jemand zu sein, der rassistisch handelt, kann natürlich in erster Linie ein Gefühl von Irritation und Verunsicherung auslösen (vgl. Nduka-Agwu; Lann Hornscheidt 2010, S. 12). Zusätzlich braucht es zu dieser Auseinandersetzung kontinuierliche Reflexionsbereitschaft, welche zunächst initiiert werden muss und für einige Personen eine Hürde darstellt. Doch die Herausforderung die eigenen Aussagen permanent zu reflektieren, kann eben auch beinhalten, dass sich Ansichten verändern und einige Individuen einen neuen Bezug zu sich selbst und ihren Handlungsmöglichkeiten erhalten (vgl. ebd., S. 13). Deshalb sollten Irritationen und Verunsicherungen bezüglich der eigenen Sprechweise zugelassen werden, denn nur dann versetzt man sich in die Lage, eine Auseinandersetzung mit diskriminierenden und stigmatisierenden Situationen zu zulassen. Eigene Denk- und Handlungsweisen können dadurch besser hinterfragt, überdacht sowie neu konstruiert werden. Es wäre schade drum den Versuch nicht zu wagen, sich mit einer so bedeuteten Thematik auseinanderzusetzen. Um sich der eigenen Handlungsmacht im Sprechen bewusst zu werden, sollte die Beschäftigung mit diesem Thema als Möglichkeit dienen, politische Handlungen durch die eigene Meinung zu beeinflussen. Denn das Einnehmen einer anderen Perspektive, bietet die Gegebenheit Situationen, welche einem selber fremd sind, besser nachzuempfinden. Diese reflexive Auseinandersetzung stellt eine Maßnahme dar, die nachhaltige und politische Veränderungen erzielen will. Die sprachliche Reflexion offeriert diesbezüglich eine wichtige Rolle für die Umsetzung politischer Veränderungen (vgl. ebd.).
[...]
1 In meiner Arbeit verwende ich bewusst die kursive Schreibweise von weiß. Damit beabsichtige ich die Hervorhebung einer konstruierten Hautfarbe.
2 In meiner Arbeit verwende ich bewusst die Großschreibung von Schwarz. Ich möchte diesbezüglich zum Ausdruck bringen, dass es sich hierbei um eine Realität sowie Identität von Menschen handelt und dieser auf einen selbstgewählten Begriff zurückzuführen ist.
3 Einzahl für die politische Begriffserklärung People of Color. Genauere Begriffserklärung unter Kapitel 2.1 vorzufinden.
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