Die Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts und reicht, im Sinne des Wandels der Zeit, von 1933 bis zum heutigen Tage. Das Ziel der Arbeit ist es, über das historische Deutschland sowie die Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung zu berichten. Trotz der unbegreiflichen Gräueltaten während der nationalsozialistischen Epoche sind es die Zeit und die Menschen, welche sich verändern. Denn an die Stelle der Euthanasie und der Verfolgung von minderwertigem Leben, rückte ein Deutschland, das sich heute deutlich von seiner Vergangenheit abhebt.
Beginnend mit einer allgemeinen Einführung, im zweiten Kapitel, wird in die Thematik der Sozialen Arbeit eingeleitet und grundlegende Begrifflichkeiten sowie professionsspezifische Inhalte thematisiert. Nach ausführlichen Begriffserläuterungen zur Menschenwürde und zum Menschenrecht, wird im dritten Kapitel geklärt, inwiefern menschliche Würde durch das deutsche Grundgesetz gewährt werden kann und muss.
Folglich widmet sich der Hauptteil dieser Arbeit den Kapiteln vier bis sieben. Diese umfassen die Darstellung der Sozialen Arbeit im Wandel der Zeiten innerhalb der deutschen Geschichte, komplexe und strukturelle Veränderungen, Gesetzesreformen sowie sozialarbeiterische Handlungsrichtlinien und -konzeptionen seiner Zeit.
Fazit und der Ausblick bilden abschließend in Kapitel acht ein reflexives Statement und den Schlussstein dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Soziale Arbeit- Was ist das eigentlich?
2.1. Definition
2.2. Auftrag
2.2.1. Fachlicher Auftrag
2.2.2. Politischer Auftrag
2.2.3. Rechtliche Grundlagen
2.3. Ziele
2.4. Adressat*innen
2.5. Historische Herausbildung der Profession
2.5.1. Soziale Arbeit als Beruf
2.5.2. Begründerinnen
2.5.3. Sozialarbeiter- und Sozialwissenschaftler*innen der Neuzeit
2.5.4. Soziale Arbeit als Profession
2.6. Soziale Arbeit als Wissenschaft
3. Menschenwürde und Menschenrecht
3.1. Menschenwürde
3.1.1. Positionen zum Begriff der Menschenwürde aus Sicht der Philosophie
3.1.2. Menschenwürde aus Sicht der Theologie
3.2. Menschenwürde im Wandel der Zeit
3.3. Menschenwürde und Verfassungsrecht
3.3.1. Menschenrechte in Deutschland- nach 1949
3.3.2. Grundsatz der Menschenrechte
3.4. Menschenwürde und -recht in der Sozialen Arbeit
3.5. Menschenwürde und -rechte im Spannungsfeld
4. Soziale Arbeit im Wandel der Zeiten
5. Soziale Arbeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland
5.1. Historischer Überblick
5.2. Gesellschaftliche und staatliche Dispositionen zur Menschenwürde
5.3. Menschen mit Behinderung unter dem Hakenkreuz
5.3.1. Sozialhygiene, Eugenik, Zwangssterilisation und Euthanasie
5.3.2. Radikalisierung der Euthanasie- Psychiatrie
5.3.3. Hadamar
5.4. Entwicklung der beruflichen und professionellen Sozialarbeit
5.4.1. Soziale Arbeit unter dem nationalsozialistischen Herrschaftssystem
5.4.2. Verrechtlichung der Sozialen Arbeit
5.4.3. Vereinnahmung der Sozialarbeit im nationalsozialistischen Totalitarismus
5.4.4. Soziale Arbeit im Widerstand
6. Zwischen 1945 und 1989 in der Bundesrepublik Deutschland
6.1. Nachkriegsdeutschland- Historischer Abriss
6.2. Nürnberger Prozesse (1946- 1947)
6.3. Politische Neuerungen
6.3.1. Geschichte der Menschenrechte
6.3.2. Staats- und Verfassungsrecht
6.4. Gründerjahre der BRD- Entstehung zweier deutscher Staaten
6.5. Sozialpolitik
6.5.1. Sozialpolitische Wende
6.5.2. Entstehung der Sozialgesetzgebung
6.5.3. Westdeutsche Behindertenpolitik
6.6. Behinderung- Annäherung an den Begriff
6.7. Restauration und Reform der Sozialen Arbeit
6.7.1. Theoretische Sozialarbeit ab 1945
6.7.2. Theorietraditionen
6.8. Aufbau und Entwicklung der Sozialarbeit
6.8.1. Pädagogik und Soziale Arbeit für Menschen mit einer geistigen Behinderung
6.8.2. Soziale Arbeit für Menschen mit einer seelischen Behinderung
6.9. Ausblick
7. Zwischen 1990 und heute in Deutschland
7.1. Die Wiedervereinigung
7.2. Sozioökonomische, gesellschaftliche und politische Entwicklungen
7.2.1. Sozialhilfe
7.2.2. Gesundheitshilfe
7.2.3. Verbände, Organisationen und Einrichtungen
7.2.4. Ausbildung und Berufsentwicklung
7.3. Gesetzliche Reformen
7.3.1. Sozialgesetzbuch IX- Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
7.3.2. Entwicklungen im Rehabilitationsbereich (1990- 2001)
7.3.3. UN- Behindertenrechtskonvention (UN- BRK)
7.3.4. Normalisierungsprinzip
7.3.5. Integration und Inklusion
7.4. Behinderung in der heutigen Zeit
7.5. Gesetzliche Veränderungen und neue Begriffsbestimmungen
7.6. Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung (ICF)
7.7. Bundesteilhabegesetz
7.7.1. Rehabilitations- und Teilhaberecht
7.7.2. Ziele und Umsetzung des BTHG
7.8. Sozialarbeit für Menschen mit Behinderungen
7.8.1. Doppeltes Mandat
7.8.2. Leitprinzipien professioneller Hilfe
7.8.3. Handlungs- und Arbeitsfelder
7.8.4. Theoretischer Zugang der Sozialen Arbeit
7.9. Diskussion: System im Wandel?
8. Fazit und Ausblick
8.1. Diskussionspunkte
8.2. Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
8.3. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Vorwort
Die vorliegende Bachelorarbeit, zum Thema „Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung im Wandel der Zeiten“, entstand im Rahmen der Abschlussarbeit meines dreijährigen dualen Studiums des Bachelor of Arts- im Bereich Soziale Arbeit.
Meine Faszination gegenüber unserer Nation, ebenso wie meine persönliche Betroffenheit, veranlassten mich, dieses bedeutsame historische Thema zu wählen. Innerhalb der vergangenen drei Jahre konnte ich in den Praxisphasen, im Sachgebiet Eingliederungshilfe, aktiv die Gesetzesreform des SGB IX mitverfolgen. Mit Hilfe dieser wissenschaftlichen Arbeit, soll aufgezeigt werden, wie sich die Gesetzeslage in Deutschland über die Jahre hinweg verändert hat und dass das Recht, als auch Gesetz im Allgemeinen wandelbar sein können.
Als noch bedeutsamer empfinde ich die Verknüpfung von Geschichte, Recht und Sozialarbeit. Aus diesem Grund setzt sich diese Arbeit zum Ziel, grundlegende geschichtliche Inhalte, unter dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit für Menschen mit Behinderung, darzustellen.
Da Reflexion nach wie vor eine professionelle Disziplin der Sozialarbeit darstellt, möchte ich mit dieser Arbeit eine positive Auffassung für eine inklusive Gesellschaft, im Umgang mit dem Thema „Behinderung“, generieren.
Die Gelegenheit, ein Vorwort verfassen zu können, möchte ich außerdem dafür nutzen, meinen persönlichen Dank auszusprechen.
Ich möchte mich hiermit herzlich bei all denen bedanken, die es mir möglich gemacht haben, diese Bachelorarbeit zu verfassen. Hierzu zähle ich insbesondere meinen Bachelor-für seine umfangreiche Unterstützung sowie die
Des Weiteren möchte ich mich gerne bei meinem langjährigen Lebenspartner und meiner Familie bedanken, welche mir während des Schreibprozesses den Rücken freihielten und damit ermöglichten, dass ich diese letzte Phase meines Studiums zu einem guten Abschluss bringen konnte.
Ich wünsche viel Freude beim Lesen dieser Arbeit!
Abstract
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts und reicht, im Sinne des „Wandel[s] der Zeiten“, von 1933 bis zum heutigen Tage.
Der philosophische Gedanke von Kant, dass „[d]ie Menschheit selbst [..] eine Würde [ist]“, spricht sich als eins von vielen Beispielen dafür aus, dass sich nichts auf der Welt über die Würde des Einzelnen erheben darf. Selbst die vorübergehende Außerkraftsetzung von Recht und Gesetz, welche dem Schutz der Menschenwürde dient, ist heute keine Option mehr- das lehren uns die Ereignisse der Vergangenheit.
Um nun zum Aufbau dieser Bachelorarbeit zu kommen, werden im Folgenden die einzelnen Kapitel dargestellt.
Beginnend mit einer allgemeinen Einführung, im zweiten Kapitel, wird in die Thematik der Sozialen Arbeit eingeleitet und grundlegende Begrifflichkeiten sowie professionsspezifische Inhalte thematisiert.
Nach ausführlichen Begriffserläuterungen zur Menschenwürde und zum Menschenrecht, wird im dritten Kapitel geklärt, inwiefern menschliche Würde durch das deutsche Grundgesetz gewährt werden kann und muss.
Folglich widmet sich der Hauptteil dieser Arbeit den Kapiteln vier bis sieben. Diese umfassen die Darstellung der Sozialen Arbeit im Wandel der Zeiten, innerhalb der deutschen Geschichte, komplexe und strukturelle Veränderungen, Gesetzesreformen sowie sozialarbeiterische Handlungsrichtlinien und -konzeptionen seiner Zeit.
Fazit und der Ausblick bilden abschließend in Kapitel acht ein reflexives Statement und den Schlussstein dieser Arbeit.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Praxis- und Aufgabenfelder der Sozialen Arbeit
Abbildung 2: Freiheits-, Gleichheits- und Inklusionsrechte
Abbildung 3 und 4: Lebensunterhaltskosten-Bilanz deutscher Reichsbürger*innen.
Abbildung 5: Erlass des Sterilisationsgesetzes, am 14. Juli 1933
Abbildung 6: Zum Sterilisationsgesetz - Gedicht einer Anstaltsinsassin
Abbildung 7: Bargelder der öffentlichen Fürsorge für Hilfebedürftige (1928- 1933)
Abbildung 8: Mord am „Mischlingskind“ Erika
Abbildung 9: Auszug aus einer kriminalpolizeilichen Vernehmung
Abbildung 10: Schriftlicher Befehl und Beweisstück Hitlers für die Euthanasie
Abbildung 11: Theorietraditionen - Schematischer Überblick
Abbildung 12: Einheitliches Sozialgesetzbuch
Abbildung 13: Unterschiede der Termini „Integration“ und „Inklusion“
Abbildung 14: Die Konzeption der ICF: Das Bio-Psycho-Soziale Modell
Abbildung 15: Stufenweises Inkrafttreten des BTHG (2017- 2023)
Abbildung 16: Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis
Abbildung 17: Methoden und Einsatzgebiet der Sozialarbeit
1. Einleitung
Die Geschichte der deutschen Nation war so einprägsam, wie kaum eine andere. Aspekte und Folgen der Vergangenheit prägten im Laufe der Jahrzehnte nachfolgende Generationen und veranlassten zeitgenössische Menschen zum Umdenken. Deutschland lag nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, 1945, in Schutt und Asche. Es bestand kaum Aussicht auf eine vielversprechende Zukunft. Der Mut, die Tapferkeit und die Willensstärke unserer Vorväter und -mütter schafften die Grundlage für eine blühende Zukunft, welche unsere heutige Gegenwart noch immer prägt. Daher galt damals wie heute: Jeder Tag kann als bedeutsam gelten und in die Geschichte eingehen.
Der Zeitgeist einer Gesellschaft oder einer Nation, hängt stets von der derzeit bestehenden Gesetzeslage ab- oder ist es umgekehrt? Woraus resultiert unser heutiges Verständnis von Menschenwürde und wie würdevoll werden Menschen mit Behinderung, nach der aktuellen Rechtslage, behandelt?
Die professionelle Sozialarbeit ist verhältnismäßig zu anderen Professionen, ein sehr junges Arbeitsfeld. Gleiches gilt für deren Gesetzgebung, Berufsfelder und insbesondere, die Arbeit mit Menschen mit Behinderung.
Aus der Tatsache heraus, dass bereits einige literarische Werke zur deutschen Geschichte oder speziell zur Sozialarbeit existieren, ist das Ziel dieser Arbeit, über das historische Deutschland sowie die Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung, zu berichten.
Trotz der unbegreiflichen Gräueltaten, während der nationalsozialistischen Epoche, sind es die Zeit und die Menschen, welche sich verändern. Denn an die Stelle der Euthanasie und der Verfolgung von minderwertigem Leben, rückte ein Deutschland, das sich heute deutlich von seiner Vergangenheit abhebt.
Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung umfasst u.a. das Bundesteilhabegesetz (BTHG), welches beabsichtigt, die Lebensumstände und Grundvoraussetzungen für Menschen mit Behinderung zu verbessern. Jedoch liegen die konkrete Mitwirkung und die Umsetzung bei der Gesellschaft. Folglich bei den Bundesländern und Landkreisen und damit bei den Sozialarbeiter*innen und Adressat*innen selbst.
So wie Goethe bereits sagte: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“
2. Soziale Arbeit- Was ist das eigentlich?
Die Komplexität der Sozialen Arbeit lässt sie unüberschaubar wirken. Selbst der alltägliche Gebrauch von Begrifflichkeiten, wie Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit bzw. Sozialarbeit, geben keinen eindeutigen Aufschluss über einen korrekten Terminus dieses Fachbereichs. Der Fakt, dass ein „grundsätzlicher Unterschied zwischen Sozialpädagogik und Sozialarbeit“ (Thole 2012, S. 20) auf einer rein beobachtbaren Ebene nicht vergegenwärtig werden kann, zeigt, dass weder Inhalte noch Strukturen, in Form von ausdifferenzierten Handlungsfeldern, existieren. (vgl. ebd., S. 19f.) Nichtdestotrotz ist der geschichtliche Ursprung beider Handlungsfelder ein anderer. Der Begriff, der Sozialen Arbeit, ist stets in einem historischen Kontext einzubetten und in einem wandelnden, rechtspolitischen Bezug zu betrachten. (vgl. Thole 2012, S. 20; Wendt 2017b, S. 1)
Folglich werden in diesem Kapitel grundlegende Inhalte zur geschichtlichen Professionalisierung Sozialer Arbeit detailliert beschrieben. Vorab dient die Definition sowie ein bündiger Auftakt zum Arbeitsauftrag sowie den Zielen, Sozialer Arbeit, als Einstieg.
2.1. Definition
„Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein.“ (DBSH 2016)
Für die Soziale Arbeit besteht, seit 2014, eine globale bzw. internationale Definition. Die Präambel der IFSW verschriftlicht, als Grundlagen und für ein vereintes Verständnis, die vielfältigen Praxisbereiche, theoretischen Konzepte, sowie eine anspruchsgerechte Rahmung der Sozialen Arbeit. Die Beteiligung von 116 Mitgl iedstaaten, unterschiedlichster Völker und geschichtlicher Prägungen, vereinbarten diese rechtmäßige Erklärung. Anpassungen der Definition an die deutschsprachige Bevölkerung, mit ihrer nationsbezogenen Rah- mung, wurden vorgenommen, sodass die herkömmliche Definition des IFSW, in ergänzter Version keine terminologische Umdeutung impliziert. (vgl. DBSH 2016)
2.2. Auftrag
2.2.1. Fachlicher Auftrag
Der fachliche Auftrag, Sozialer Arbeit, setzte sich aus zentralen Aufgaben, Funktionen sowie Grundsatzprinzipien zusammen.
Im Fokus der Sozialen Arbeit steht „die Förderung gesellschaftlicher Veränderungen und Entwicklungen, des sozialen Zusammenhalts sowie der Ermächtigung und Befreiung der Menschen“ (Avenir Social 2014, S. 2). Diese zentrale Aufgabe bezieht sich sowohl auf die wissenschafts-theoretische als auch auf die praktische Sozialarbeit. (vgl. ebd.)
In der Sozialen Arbeit wird davon ausgegangen, dass das Zusammenspiel individueller Möglichkeiten und nationsspezifischer Voraussetzungen, wie z.B. Geschichte, Sozioökonomie, Kultur und Politik, die Verfassung menschlichen Wohlbefindens beeinflussen. Aus diesem Denken resultiert der Forschungsauftrag der Sozialen Arbeit. Es soll zum einen ergründet werden, inwieweit ethnische Missstände - ausgelöst durch Schichtzugehörigkeit, Sprache, Religion, o.ä.- durch strukturelle Verhältnisse 1 begünstigt werden. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, wie diesen, mittels abwendender Maßnahmen entgegengewirkt werden kann. Konkret zählt hierzu der Einsatz für Armutsbekämpfung, die Erhebung Schutzwürdiger, sowie das „Wiedererlangen ihrer Rechte und die Förderung ihrer sozialen Integration in kohäsive Sozialstrukturen“ (Avenir Social 2014, S. 2). (vgl. ebd.)
Die Berufsfelder, der Sozialen Arbeit, sind breit aufgestellt und bringen entsprechend des Fachbereiches andere Aufgabenstellungen mit sich. Daher findet sich der sozialarbeiterische Auftrag in den Bereichen „Bildung und Erziehung“, „Beratung und Hilfe“, in der „Arbeit [..] [mit] medizinischer und sozialer Rehabilitation“ und im Umgang mit „Sozial, Jugend- und Gesundheitsämter[n]“ (Erler 2012, S. 23f.). (vgl. ebd.)
Des Weiteren ist nennenswert, dass Soziale Arbeit zur „Förderung der Menschenrechte und der sozialen (wirtschaftlichen und ökologischen) Gerechtigkeit“ (Avenir Social 2014, S. 2) beiträgt. Die strategische Nutzung von Interventionen, die zur Weiterentwicklung politischer Rahmungen oder sozialer Strukturen beisteuert, wird durch die Soziale Arbeit gefördert. (vgl. Avenir Social 2014, S. 2)
Soziale Arbeit verpflichtet sich für die Einhaltung standardisierter Prinzipien. Daher ist die Achtung vor dem Individuum, seines inneren und äußeren Wohlbefindens zu nennen. Ein weiteres Prinzip ist die Anerkennung der menschlichen Vielfalt und das Eintreten für die Menschenrechte und -würde mit dem Postulat für soziale Gerechtigkeit. Für die Ausgestaltung der Idee, von einer „gemeinschaftlichen Verantwortung“ (Avenir Social 2014, S. 2) der Gesellschaft, benötigt die Soziale Arbeit ein bewusstes, zwischenmenschliches Engagement der Gemeinschaft. Aus diesem Grund stellt die Goldene Regel eine grundlegende Maxime für die Arbeitsmoral der Sozialarbeit dar. (vgl. ebd.)
2.2.2. Politischer Auftrag
Dem politischen Auftrag, Sozialer Arbeit, liegt stets das Verständnis von sozialer Gerechtigkeit zugrunde.
Der Definition sozialer Gerechtigkeit zufolge geht es stets um die Verteilung von Gütern, den sogenannten Ressourcen und Lasten; darin inbegriffen sind Steuern und Sozialleistungen. Die Umverteilung dieser hat zum Ziel, dass niemand strukturell benachteiligt wird. (vgl. Engel 2011, S. 15) Mit konkreteren Maßstäbe , zu vier sozialen Gerechtigkeitsprinzipien, beschäftigten sich Becker und Hauser (2004):
- Gleichheitsprinzip: Gleiche Rechte/ Pflichten sowie die gerechte Verteilung von Gütern und Lasten
- Bedarfsprinzip: Umverteilung der Güter, zur Bedarfsdeckung (Mindestsicherung)
- Anrechtsprinzip: Zugangsmöglichkeiten/ Anspruch auf Unterstützungsleistungen
- Leistungsprinzip: Individuelle Anstrengung wird durch Leistung belohnt (Mehraufwand an Arbeit rechtfertigt Besitzberechtigung) (vgl. Engel 2011, S. 15f.)
Gemäß dem Leistungsprinzip gilt Reichtum als gerecht, da das Verständnis dieses Gerechtigkeitsprinzips Ungleichheit zulässt. Gegensätzlich gehen Borstel und Fischer (2018) davon aus, dass ein Volk durch politische Wahlen einen indirekten Einfluss auf die Akzeptanz und die Ausgrenzung bestimmter Menschengruppen verübt. Die Mehrheit eines Volkes entscheidet darüber, was als gerecht gilt. (vgl. Borstel; Fischer 2018, S. 13f.)
„Die Soziale Arbeit hat kein politisches Mandat, aber einen professionellen Auftrag.“ (Mühlum 2007, S. 25) Die Soziale Arbeit kann nicht gänzlich unpolitisch sein, da sie sich als eine sozialpolitische Instanz begreift und handelt. Sie ist seit jeher in politischen Bereichen aktiv, was sich u.a. durch die Frauenbewegung zeigt. Das Verhältnis zwischen der Sozialen Arbeit und der Sozialpolitik ist jedoch kein einseitiges. Zum einen wird ihr Handeln von der Politik beeinflusst und zum anderen nimmt sie Einfluss auf die Politik, anhand unterschiedlicher Dimensionen. Sozialpolitik legt „Ziele und Arbeitsaufträge der Sozialen Arbeit fest“ (Borstel; Fischer 2018, S.18). Dies hat eine direkte „Bedeutung für die Ausgestaltung der Sozialen Arbeit“ (ebd.). (vgl. ebd., S. 18f.) und prägt das Verständnis von sozialer Gerechtigkeit: Die Grundlage für politisches Handeln im gerechten Sinne- „[s]oziale Gerechtigkeit zielt so auf die Gestaltung der Verhältnisse“ (Grunwald; Thiersch 2016, S.30).
Sozialpolitik hat soziale Ungleichheit als Ausgangspunkt und setzte dort an, wo Menschen „nicht oder nur zum Teil aus eigener Kraft für ihre Existenz sorgen können und auf die Hilfe Dritter angewiesen sind“ (Engel 2011, S. 11). Die Notwendigkeit für diese Unterstützung ergibt sich u.a. aus „sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft, die einen verteilungsbedingten Bedarf an sozialpolitischen Maßnahmen auslöst“ (ebd.). (vgl. ebd.)
Die Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten Positionen oder die Verfügungsmöglichkeit, wie z.B. zu wirtschaftlichen Gütern, machen den sozialpolitischen Auftrag Sozialer Arbeit deutlich. Hier hat Sozialpolitik die Aufgabe, Folgen der gesellschaftlichen Ungleichverteilung zu mildern und über „die Zugangsmöglichkeiten zur Bildung als eine Grundvoraussetzung“ (Engel 2011, S. 12f.) eine Chancengleichheit für alle, im gleichen Maß zu garantieren. Viele Maßnahmen sind davon abhängig, was die Gesellschaft durchsetzen will, sowie von den zu Verfügung stehenden finanziellen Mitteln (vgl. ebd., S. 11ff.)
2.2.3. Rechtliche Grundlagen
Die Arbeit mit Klient*innen, innerhalb der Sozialen Arbeit erfordert eine verwaltende und planmäßige Durchführung, gestützt auf rechtliche Grundlagen der deutschen Gesetzgebung. Sozialarbeit vollzieht ihre Tätigkeiten auf verfassungsrechtlichen Grundlagen, welche Auszüge aus dem Grundgesetz sowie der Europäische Menschenrechtskonvention 2 beinhalten. (vgl. Nomos Gesetze 2019, S. 919ff.)
Das Allgemeine Verfassungsrecht beinhaltet die Verwaltungsverfahrens-, -vollstreckungsund -gerichtsordnung und das Bundesdatenschutzgesetz. (vgl. Nomos Gesetze 2019, S. 1171ff.) Da Soziale Arbeit des Öfteren, durch behördliche und gerichtliche Begleitung, eine klient*innen-unterstützende Funktion einnimmt, stellt das sozialrechtliche Verfahrensrecht3 eine weitere Arbeitsgrundlage dar. Insbesondere das Sozialrecht, mit seinen einzelnen Fachgesetzen, verzweigt sich aufgrund verschiedener Sozialleistungen innerhalb der Sozialgesetzbücher 4. (vgl. Nomos Gesetze 2019, S. 1364ff.)
2.3. Ziele
Soziale Arbeit basiert auf gewonnenem „pädagogische[n] wie auf psychologische[n] Wissen und Können“ (Thole 2012, S. 39), welches sich auf die empirische Wissenschaft beruft und dadurch ihrem Auftrag und Ziel gerecht wird. (vgl. ebd.)
Die Voraussetzung eines demokratischen und gerechten Staats beinhaltet für die Sozialarbeit das Ziel, jeden Menschen dabei zu unterstützen, ein „mündig- emanzipiertes Individuum“ (Erler 2012, S. 14) zu werden. Deshalb beabsichtigt die praktische Sozialarbeit in ihrer Umsetzung folglich diese Ziele:
1. der Bereich der Sozialhilfe (finanzielle Unterstützung, Beratung, Rehabilitation), 2. der Bereich der Gesundheitshilfe (soziale Dienste, Betreuung und Arbeit mit Alten, Behinderten, Kranken und Drogenabhängigen) und 3. der (vielleicht wichtigste) Bereich der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe (Beratung, Erziehung, Hilfe und Fürsorge).“ (Erler 2012, S. 13)
Das bedeutet konkret, dass Soziale Arbeit das Ziel verfolgt, Menschen in ihren Problem- und Lebenslagen abzuholen und ihnen bei ihrer Verselbständigun g unter die Arme zu greifen. Soziale Interventionen zeichnen sich in ihrer Umsetzung, durch adäquate Interventionen und Maßnahmen (Güter, Finanzmittel oder Dienstleistungen) aus, welche die Bedürfnisse und Ziele der Adressat*innen in den Fokus stellen. (vgl. Erler 2012, S. 13f.)
2.4. Adressat*innen
Grundlegend beinhaltet der Begriff der Adressat*innen jegliche Menschen, welche durch die Sozialarbeit unterstützt werden- dies geschieht überwiegend durch Institutionen. Synonyme und weitere Termini sind Hilfeempfänger*innen und Klient*innen. Mitunter haben sämtliche „Angebote der Sozialen Arbeit [...] die Menschen“ (Graßhoff 2015, S. 8) im Fokus ihrer Arbeit, d.h. sowohl Individuen als auch Personengruppen. Die Hilfen und Hilfeformen der heutigen Sozialarbeit, differenzierten sich aufgrund des gesellschaftlichen Wandels in verschiedene Arbeitsfelder aus, um so vielfältige Herausforderungen und Schwierigkeiten spezialisierter bewältigen zu können. Entsprechend der Gemeinsamkeiten werden Einzelpersonen merkmalsspezifisch 5 in bestimmte Handlungsfelder, Institutionen sowie nach „sozialpädagogische[n] Interventionen“ (Graßhoff 2015, S. 10) unterteilt und zusammengefasst. Dabei sind die zu betreuenden Adressat*innen „weder als Individuen mit schwierigen Verhaltensdispositionen zu verstehen, noch als ausschließliches Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse“ (ebd., S. 11). Adressat*innen befinden sich im Spannungsfeld der eigenen Person, also dem Subjekt, sowie der sie umgebenden Struktur. An genau dieser Schnittstelle klinkt sich die Sozialarbeit als Vermittlungsinstanz ein. (vgl. ebd. 2015, S. 8ff.)
2.5. Historische Herausbildung der Profession
„Die Soziale Arbeit als Profession, die sich um Menschen in Not- und Problemlagen 'kümmert' und diesen Unterstützungs- und Hilfeleistungen zukommen lässt, hat eine lange Tradition.“ (Autrata; Scheu 2008, S.13)
Historisch betrachtet bildet das deutsche Kaiserreich den Ursprung des deutschen Sozialstaats und ist damit der Grundstein für die „Entwicklung der modernen Sozialen Arbeit in Deutschland“ (Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 73). Zuvor, am Ende des 18. Jhdt., schaffte die „Einführung der Arbeitsversicherung“6 (ebd.) ausreichend finanzielle Mittel für die Kosten arbeitsunfähiger Personen. An die Stelle der Armenpflege und der kommunalen Hilfe rückte nun, als weitere Instanz, die Gesundheitsvorsorge. Die Finanzierung durch die Arbeitsversicherung und die erhöhten Steuereinnahmen wurden durch die kapitalistische Industrie ermöglicht. Die neue, finanzielle Stabilität ließ zu, dass professionell-organisierte Hilfeleistungen initiiert werden konnten. (vgl. ebd., S. 13f.)
Die sogenannte Fürsorgearbeit, welche die Grundlage für die spätere, professionalisierte Sozialarbeit bildete, widmete sich dem Randmilieu der Gesel lschaft, worunter Kranke und Arme fielen. Die verübten pflegerischen Tätigkeiten wurden überwiegend von weiblichem Personal geleistet. Innerhalb von zwei Phasen wurde die Armenfürsorge durch die Frauenschulen (1908) zu einem Arbeitsfeld mit einer anerkannten Ausbildung, den Fürsorger*innen. Innerhalb der zweiten Phase gelang die „Einbindung kommunaler Wohlfahrtspflege in den Wohlfahrtsstaat“ (Hammerschmidt.; Tennstedt 2012, S. 73). Dies bedeutete für die Wohlfahrtspfleger*innen in zweifacher Funktion tätig zu sein. Die Position der Hilfsinstanz und der Kontrolle einzunehmen hieß, sich an den zu erfüllenden Erwartungen des Geldgebers zu orientieren. (vgl. Autrata; Scheu 2008, S.13f.; Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 73f.)
2.5.1. Soziale Arbeit als Beruf
Das „Prinzip der Mütterlichkeit“ (Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 79), als kulturelle Aufgabe der Frau 7, befand sich während der Frauenbewegung (1918) im Zwiespalt mit der emanzipatorischen Bestrebung, nach einem „außerhäuslichen, öffentlichen Wirkungsbereich“ (ebd.). Doch es zeigte sich, dass dieses gesellschaftliche Engagement der Anfang einer siegreichen Sozialreform sein würde. Erste Initiativen und Vereine für Hilfesuchende wurden gegründet und wichtige Begründerinnen der Sozialen Arbeit etablierten sich. (vgl. ebd.)
2.5.2. Begründerinnen
Alice Salomon (1872- 1948)
Die Berlinerin, Alice Salomon, steht als „Begründerin des sozialen Frauenberufs in Deutschland“ (Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 79). Mit ihrem Interesse, das professionelle Handeln zu einer Erwerbsarbeit weiterzuentwickeln, ging Salomon gemeinsam mit der Arzt-Gattin, Schwerin, nach. Durch ihre Mithilfe gelang es Salomon einfache Fortbildungen zu „Bildungsveranstaltungen“ weiterzuentwickeln und hierfür fachkompetente Dozierende zu gewinnen. Die beiden Frauen verfolgten das Ziel, die Fürsorgerinnen in den Bereichen Wissenskompetenz und Arbeitshaltung zu schulen und zu unterweisen. Erstmals 1908 war es Kindergärtnerinnen möglich, durch die Soziale Frauenschule eine anerkannte Ausbildung abzuschließen. Bereits bis zum ersten Weltkrieg wurden 14 weitere Frauenschulen an unterschiedlichen Standorten, in ganz Deutschland, eröffnet. (vgl. ebd., S. 79f.)
Die Protagonistin, Salomon, verfasste 1926 eine Lektüre, mit dem Titel „Soziale Diagnose“, die sich für eine methodisch-gestützte Einzelfallhilfe aussprach. Zu einem späteren Zeitpunkt erwies sich diese Lektüre als Grundlage für die Herausbildung der „Sozialen Therapie“. (vgl. Wendt 2020, S. 29)
Mary Richmond (1861- 1928)
Richmond war es, die bereits 1917 ein Werk mit dem gleichen Titel „Social Diagnosis“ veröffentlichte. Sie verfolgte das Ziel über ihre Methode, des „Caseworks“, eine selbstbestimmte und professionalisierte Sozialarbeit anzuregen. Aus ihrem psychoanalytischen Grundgedanken heraus, waren für Richmond insbesondere die Opfer des ersten Weltkriegs von Bedeutung und damit auch für Salomon von Belangen. Denn Salomon führte den Ansatz von Richmond fort. (vgl. Wendt 2020, S. 28f.)
Die ehemalige Bibliothekarin Richmond erkannte frühzeitig, dass eine fundierte Ausbildung notwendig war, um die Soziale Arbeit als Dienstleistungsunternehmen zu etablieren. Es würde eine professionelle Einschätzung der Lage benötigen, um durch vorhandene Hilfsmittel zur Zielerreichung zu gelangen. Richmond erkannte zudem, dass materielle Hilfen und Geldmittel allein zu keinem dauerhaften Abbau von Hilfsbedürftigkeit führen würden. Viel mehr waren sozialpolitische Reformen notwendig, welche wiederum nicht zum direkten Handlungsfeld der Sozialarbeitenden gehörten. Diese Erkenntnis brachte Richmond folglich dazu, „die Sozialreformer zu generalisieren und zu simplifizieren [, um] [.] das professionelle Handeln [zu] differenzieren“ (Wendt 2017b, S. 81), sodass die Hilfen einzelfallbezogen zugeschnitten werden konnten. (vgl. ebd., S. 80f.)
Jane Addams (1860- 1935)
Die soziale Situation, in welcher Jane Addams tätig war, ist vergleichbar mit jener von Richmond. Sie stand einer Arbeitergesellschaft, mit den Forderungen nach höheren Löhnen und einer wachsenden Bevölkerung, gegenüber. Diese Gruppierung setzte sich aus europaweiten Zuwanderern und Zuwanderinnen zusammen. Prekäre Hygieneverhältnisse und eine, sich im Aufbau befindende, Infrastruktur mit notleidenden Menschen zogen Addams Aufmerksamkeit auf sich. Addams setzte sich verstärkt für den Kinderschutz, das Frauenwahlrecht und eine internationale Friedensbewegung ein. Dies gelang ihr, indem sie die vorherrschenden Missstände öffentlich machte. Für ihren Verdienst erhielt Jane Addams, 1931, den Friedensnobelpreis. (vgl. Wendt 2017a, S. 11; Wendt 2017b, S. 64f.)
2.5.3. Sozialarbeiter- und Sozialwissenschaftler*innen der Neuzeit
Einige wichtige Sozialarbeitende, wie Wichern (1808- 1881), Kraus (1897- 1968) und Bäumer (1873- 1954) reihten sich mit ihren Theorien in die traditionelle Sozialarbeit ein. Gefolgt von den sozialarbeiterischen Persönlichkeiten, Thiersch und Böhnisch, deren „[l]ebensweltorientierte[r] Bewältigungsansatz“ (Thole 2012, S. 42) noch immer gelehrt wird. Eine weitere markante Arbeitshaltung führte Staub- Bernasconi als Menschenrechtsprofessions- Beauftragte ein. (vgl. ebd., S. 36; 42)
Lebensweltorientierter Bewältigungsansatz (Thiersch/ Böhnisch)
„Anknüpfend an phänomenologische, geisteswissenschaftliche, marxistische und alltagssoziologische Theoriebestände ist der Ansatz auf der Basis des Verstehens der Lebenswelt der AdressatInnen sowie der Fragen und Aufgaben der sozialpädagogischen Praxis darauf orientiert, Menschen eine bessere Lebensbewältigung und -führung zu ermöglichen.“ (Thole 2012, S. 42)
Der lebensweltorientierte Bewältigungsansatz fand seinen Ursprung in den 1970er Jahren. Er hatte sich „als einer der maßgeblichen Ansätze in der theoretischen Diskussion“ (Thiersch; Grundwald 2016, S. 24), der praktischen Sozialarbeit, etabliert. Nach Thiersch und Böhnisch zeigt dieses Konzept die „alltäglichen Deutungs- und Handlungsmuster der Adressat_innen“ (ebd.), mit ihren Bewältigungshandeln, auf. Soziale Arbeit sieht sich in der Position, das Alltagserleben der Adressat*innen zu verbessern. Dabei erhalten die Adressat*innen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Probleme, indem ihre Stärken und Ressourcen mobilisiert werden. Es werden nach Möglichkeit aus der „Eigensinnigkeit der Lebenserfahrung und Bedürftigkeit“ (ebd.) der Adressat*innen und unter Berücksichtigung der Professionalität und Institutionalisierung Sozialer Arbeit kontroverse Konzepte entwickelt und ausgestaltet. Daher stützt sich die Arbeitsweise, nach der Lebensweltorientierung, auf ihre Adressat*innen. (vgl. ebd.)
„Das Konzept der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch verbindet die Frage nach den Dimensionen heutiger Lebensverhältnisse mit der nach der Konstruktion einer zeitgemäßen Sozialen Arbeit.“ (Früchtel et al. 2010, S. 37)
Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession (Staub- Bernasconi)
„Ausgehend von der Beschreibung der Sozialen Arbeit wird der Sozialen Arbeit die Aufgabe zugeschrieben, weltweit an der Durchsetzung der Menschenrechte mitzuwirken und sich hierbei insbesondere für diejenigen zu engagieren die aus den bestehenden Systemen exkludiert werden.“ (Thole 2012, S. 42)
Staub- Bernasconi positionierte sich bereits, 1990, für ein systemtheoretisches Leitbild der Sozialen Arbeit und sprach sich dadurch für die „Züricher Schule“ aus. Ihr Anliegen war es, soziale Probleme durch ihre Bearbeitung aufzulösen, einzudämmen und/oder ihnen durch Prävention entgegenzuwirken. Diese Denkweise sprach der Sozialen Arbeit, als Profession, ein politisches Mandat zu und bildete durch die Menschenrechte somit das dritte Mandat der Sozialen Arbeit. Der IFSW steht daher als Berufsverband für die Menschenrechte der Sozialen Arbeit. (vgl. Aner; Scherr 2020, S. 326)
2.5.4. Soziale Arbeit als Profession
„Ohne Gegenstand keine Disziplin, ohne Zuständigkeitsbereich keine Profession!“ (Staub- Bernasconi 2018, S.369) Eine Gleichstellung der Begriffe „Profession“ und „Disziplin“ empfiehlt sich nicht, denn die „Profession beschreibt das gesamte fachlich ausbuchstabierte Handlungssystem“ (Thole 2012, S. 21), während sich die Disziplin erstrangig mit der „Forschung, Reflexion und Produktion von Theorien Welt- und Gesellschaftsbilder[n]“ (ebd.) befasst. Kennzeichnend für die professionelle und praktische Sozialarbeit sind die „offerierten Hilfe-, Beratungs- und Bildungsleistungen auf der Basis der von der Gesellschaft an sie adressierten Ansprüche und Wünsche“ (ebd.). So ist der*die Sozialarbeitende auf professioneller Ebene, für die Verfügbarkeit und die Art der Hilfe zuständig. Indessen erbringt die Disziplin den Sozialarbeitenden erst durch das vorhandene Wissen und die Kenntnis den Status der Expert*innen ihrer Profession. (vgl. ebd.) „Zielt die Profession auf Wirksamkeit, so setzt die Disziplin im Wesentlichen auf Wahrheit und Richtigkeit [.]“ (ebd.).
Professionalisierung
Die Anfänge der neuzeitlichen Sozialarbeit liegen in der Geschichte bereits 150 Jahre zurück. Zu dieser Zeit haben sich die ersten Konzeptionen sowie eine organisierte Praxis herausgebildet. Wie bereits beschrieben, entwickelte sich die Armenfürsorge zu einer modernen Sozialarbeit weiter. (vgl. Thole 2012, S. 22)
Die Motivation für eine professionalisierte Sozialarbeit, nach 1900, bildeten die „kapitalistischen Produktionsformen“ (Thole 2012, S. 22) und innermilitärischen Reibungen, welche auch die Notlagen und das Elend des deutschen Randmilieus förderten. (vgl. ebd., S. 22f.)
Als ein Gründungsvater von „erzieherischen Intentionen“ (Thole 2012, S. 34) wird Wichern angesehen, denn er zeichnete die traditionelle Sozialarbeit mit der Gründung des „Rauen Hauses“ ab. Wichern verfolgte das Ziel einer familiären Erziehung für verwahrloste oder elternlose Kinder und Jugendliche. Somit stieß er eine soziale Gegenbewegung zum Kapitalismus an. „Aufgaben und Handlungsfelder“ (ebd.) der Sozialen Arbeit fanden in ihrer Reflexion und Realisierbarkeit erst Anfang des 20. Jhdt. statt. In dieser Zeit wurden Adressat*innen der Sozialarbeit, schrittweise als „hilfebedürftige Subjekt[e] [und] nicht mehr als 'gottlose[] Sünder' etikettiert[]“ (ebd.). Die Erkenntnis, dass die Gesellschaft und ihre Struktur maßgeblich an der Konstruktion von Elend beteiligt sind, führte zu ersten Analysen der Missstände. Es folgten Konzepte und Modelle, sowie Auflagen für eine effektive und effiziente Sozialarbeit. Des Weiteren zeigte sich, dass, neben dem theoretischen und praktischen Wissen, die Administration eingebunden werden musste. Überdies lag es in der Verantwortung der Gesellschaft, seine Zuständigkeit „für die Bearbeitung individueller Problemlagen zu sehen und individuelle Rechte auf Unterstützung gesetzlich zu fixieren“ (ebd.). Abschließend entstand so, auf der Grundlage der Wissenschaft, eine systematisierte Sozialarbeit. (vgl. ebd., S. 34f.)
Berufliche Haltung der Profession
Die Soziale Arbeit verfolgt mit der Achtung der Menschenrechte, wie sie im GG verankert sind, die Idee, die Menschenwürde zu konkretisieren und diese als Maßstab für ihr professionelles Handeln zu gebrauchen. Die vielschichtigen Aufgaben der Sozialarbeit sind durch eine gemeinsame Grundhaltung fundiert und finden sich in den Begri fflichkeiten der Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Assistenz sowie dem*der Advokat*in wieder. (vgl. DBSH 2021)
Durch die Grundhaltung der Aufmerksamkeit sieht sich der* die Sozialarbeiter*in in der Position eines würdevollen Umgangs dem*der Adressaten*Adressatin gegenüber. Es geht darum, sich den Bedürfnissen dieser Person zuzuwenden und sie zuallererst als Menschen wahrzunehmen, welcher sich in einer vulnerablen Lebenslage befindet. Die Tragweite der Achtsamkeit ist ebenfalls von Bedeutung, da sie sich auf die Sensibilität und dadurch auf eine möglichst detaillierte Diagnose bezieht, um so eine „geeignete Intervention konzipieren zu können“ (Schmid Noerr 2018, S. 140). Dahingegen stützt sich die Assistenz sowie die berufliche Haltung, als Advokat*in, auf die Fürsorge. In erster Linie wird die unabhängige Lebensführung als Notwendigkeit für die eigene Selbstversorgung gesehen. Sollte dies nicht gelingen oder ins Wanken geraten, gilt es, dem*der Adressat*in unter die Arme zu greifen und wenn notwendig, stellvertretend für ihn*sie zu entscheiden oder zu agieren. In dieser Angelegenheit sollte im Sinne des*der Adressat*in und nach dessen*deren Willen gehandelt werden, um mit seiner*ihrer Selbstbestimmung respektvoll umzugehen. (vgl. Schmid Noerr 2018, S. 139ff.)
Des Weiteren sieht sich der DBSH in der Position des professionellen Bindeglieds, um Hilfe zu vermitteln. Durch die „Hilfe zur Selbsthilfe“ werden Ressourcen aktiviert und Menschen in ihrer eigenen Lebenswelt abgeholt. Dies beinhaltet auch, dass sich Soziale Arbeit „zwischen der Lebenswelt der Menschen und dem System gesellschaftliche[r] Strukturen und Normen“ (DBSH 2021) bewegt. Dabei verfolgt Soziale Arbeit das Ziel, Menschen durch Selbstwirksamkeit zu ermutigen sowie ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. (vgl. ebd.)
Handlungsfelder
„Im Verlauf der vergangenen einhundertfünfzig Jahre dokumentiert die sozialpädagogische Entwicklung einen ständigen Zuwachs neuer Aufgaben und Arbeitsfelder und eine deutliche Binnendifferenzierung der bestehenden Arbeits- und Handlungsfelder.“ (Thole 2012, S. 23)
Diese historische Ausdifferenzierung, mit ihrer neugewonnenen Vielfalt, führt Anfang des 20. Jhdt. zu einer „Stärkung präventiver Konzepte“ (Thole 2012, S. 23), welche das Kompetenz - und Methodenprofil zusätzlich erweiterten. So entwickelten sich aus zunächst vier großen Praxisbereichen die multiplen Handlungsfelder der heutigen Sozialarbeit. (vgl. ebd.)
Die allbekannten „Erziehungshilfen“ entwickelten sich aus der Praxislandschaft der ehemaligen Waisenhäuser und Fürsorgeanstalten und sind unter dem Ausdruck „Hilfen zur Erziehung“ (§§27-35 SGB VIII) gesetzlich verankert. Sie gewährleisten in- oder außerhalb der Herkunftsfamilie adäquate Bedingungen für die Betreuung der Kinder und Jugendliche. Ähnlich verhält es sich mit der Herausbildung von Einrichtung für Kleinstkinder. Es wurden „private[] und kirchliche[] Initiativen [..] [zur] Bewahrung und Erziehung von noch nicht schulpflichtigen Kindern entwickelt[]“ (Thole 2012, S. 24). Heutzutage existieren die Betreuungsformen durch Kindergärten bzw. -krippen und anderen Tageseinrichtungen für Kinder, welche noch nicht schulpflichtig sind. (vgl. ebd., S. 23f.)
Ein weiterer, großer Bereich der Sozialarbeit ist das Arbeitsfeld der Sozialen Dienste. Hierzu zählt ebenfalls die „Armen- und Gesundheitsfürsorge“ (Thole 2012, S. 24), welche sich heute auch in der Altenhilfe wiederfindet. Insbesondere der Allgemeine Soziale Dienst (ASD), im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, oder andere verwaltungsorganisatorische und dienstleistungsorientierte Hilfen, entwickelten sich zu dem heutigen Handlungsfeld der Sozialen Dienste 8. Dieses komplexe Handlungsfeld hat seine Wurzeln in der Jugendpflege und -fürsorge. In der heutigen Form spezialisiert sich dieser Bereich in die Kinder- und Jugendarbeit9 (vgl. ebd.).
„In Anlehnung an die [.] vier großen sozialpädagogischen Praxisfelder“ (Thole 2012, S. 27) sind in der Sozialarbeit „[e]rstens das Feld der Kinder- und Jugendhilfe, zweitens das sehr diffuse Praxisfeld der erwachsenenbezogenen Sozialen Hilfen, drittens der Bereich der Altenhilfe und viertens sozialpädagogische Angebote im Gesundheitssystem“10 (ebd.) bezeichnet. (vgl. ebd.)
Betrachtet man die Methodenentwicklung innerhalb der Handlungsfelder, werden diese in die Bereiche Einzelfallhilfe und Individuum, Gemeinwesenarbeit und Netzwerk sowie Organisation und Sozialstruktur unterteilt. (vgl. Wendt 2020, S. 29ff.)
Kompetenzprofil
Zu dem heutigen Kompetenzprofil gelang die Sozialen Arbeit durch ihre Professionalisierung, welches durch die praktisch-sozialpädagogische Arbeit „vor allem methodisches Wissen und Können“ (Thole 2012, S. 30) erfordert. Mit der Professionalisierung sowie der Herausbildung der Handlungsfelder formte sich ein Professionsanspruch, mit einem Kompetenzprofil der Sozialarbeiter*innen. Es folgten Methodenentwicklungen innerhalb der benannten Handlungsfelder. Sämtliche sozialarbeiterische Dienstleistungen und Tätigkeiten erfordern eine akademische Qualifizierung und eine wissenschaftsfundierte Methodik. Soziale Arbeit versteht sich als Menschenrechtsprofession und verpflichtet sich durch den Code of Ethics11 einer standardisierten Norm sowie der Wahrung praktischer Standards durch den Beitritt einer „berufsständischen Organisation“ (Wendt 2020, S. 26) Folge zu leisten. (vgl. ebd.)
Die „Gestaltungsansätze einer eher personen- und gruppenzentrierten gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit“ (Homfeldt; Gahleitner 2018, S. 48) bilden, neben den benannten Voraussetzungen, ein anerkanntes und sozialarbeiterisches Kompetenzprofil das aus der „psychosoziale[n] Beratung, Betreuung wie auch Begleitung“ (ebd.) besteht. (vgl. ebd.)
Eine der wichtigsten Arbeitsweisen stellen die W-Fragen 12, als „Leitfragen für ihr[] Vorgehen“ (Staub- Bernasconi 2018, S. 382), dar. Mithilfe dieser grundlegenden Fragestrukturierung soll ein „gemeinsames Reflektieren der Problemsituation, ihrer Entstehung, Bewertung sowie der Bestimmung von Veränderungszielen und -aktivitäten“ (ebd.) erfolgen. Darüber hinaus stellen diese eine partizipatorische und demokratische Interaktion dar und erfüllen so die Denkweise und Haltung des Code of Ethics. (vgl. ebd.)
2.6. Soziale Arbeit als Wissenschaft
Der direkte Zusammenhang zwischen „Disziplin, Profession, Theorie und Praxis“ (Staub- Bernasconi 2018, S. 379) erfordert ein theoretisch-basiertes Handeln, welchem die wissenschaftliche Überprüfbarkeit von Ansichten und Hypothesen zugrunde liegt. Während sich ein Beruf auf grundlegende Erfahrungswerte stützen kann, bedarf es bei einer fachlich anerkannten Profession „theorie- bzw. forschungsbasierte[n] Arbeitshypothesen und Handlungsleitlinien“ (ebd.). Die Bearbeitung der Probleme und Schwierigkeiten, der Adressat*innen Sozialer Arbeit, schließt daher mit ein, dass sich das derzeit bestehende Wissen nicht aus „Alltagstheorien“ generiert. Themen müssen innerhalb der Sozialpolitik oder anderer Fachdiskurse angegangen werden, um anschließend gewissen Standards, wie der Einhaltung ethischer Richtlinien und der Novellierung, unterzogen werden zu können. Die gemeinsame Wissensgestaltung erfolgt durch die prozesshafte Anteilnahme und unter dem Beitragseinfluss der Adressat*innen. Erst durch die kollektive Reflexion gestalten sich neue Erkenntnisse. (vgl. ebd.)
„Eine Profession muss also das Problem der Transformation von wissenschaftliche Wissen in Arbeitshypothesen und Handlungsleitlinien für die Praxis im Hinblick auf die je besonderen Notlagen ihrer Adressat_innen zufriedenstellend lösen können.“ (Staub- Bernasconi 2018, S. 379)
Bei der Transformation des Wissens soll methodisch-nützliches Praxiswissen stets den Grundstein bilden. Hieraus werden nachfolgende Theorien abgeleitet. Durch den disziplinären Ausdruck „Sozialwissenschaft“ verfügt die Sozialarbeit daher über den Auftrag diskursive Themen, wie bspw. Sozialökonomie oder Systemtheorien, zu bearbeiten. Zum Zweck sowie der Datenerhebung konkreten empirischen Wissens sind die praktische und theoretische Sozialarbeit auf die empirische Forschung angewiesen. Die Vielfalt theoretischer Denkweisen und Grundgedanken werden mittels „empirische[r] Beobachtungsformen“ (Thole 2012, S. 45) auf eine standardisierte Norm festgelegt. (vgl. ebd., S. 43ff.)
3. Menschenwürde und Menschenrecht
Anknüpfend an den, in Kapitel zwei aufgeführten Berufsethos der Sozialen Arbeit, wird sich dieses Kapitel nun den Begrifflichkeiten der Menschenwürde und -rechte widmen. Anders als im zweiten Kapitel, soll am Ende dieses Kapitels kritisch Bezug auf die Menschenwürde, im Wandel der Zeit, genommen werden und insbesondere unter Betrachtung der Menschenwürde von Menschen mit Behinderung stehen.
3.1. Menschenwürde
Vorrangig gilt es zu klären, was der Begriff Mensch bedeutet. Die philosophische Antwort darauf lautet, 'Animal rationale', also „das vernünftige, das sich von allen anderen Lebewesen durch das Vermögen unterscheidet, alles Seiende als es selbst zu begreifen“ (Schweidler 2012, S. 15). Faktisch ist der Mensch, nach Platon und Aristoteles, als Vernunftwesen zu begreifen. (vgl. ebd.)
Im Zusammenhang mit der Natur wird die menschliche Würde, seit dem 20. Jhdt. als Symbiose zwischen dem Sein und dem Erkennen verstanden. Dieses kulturelle Verständnis umfasst ebenfalls eine gemeinsame Norm und den Ausdruck Wir, mit einer „unantastbare[n] Würde des Menschen zum Legitimationsgrund ihrer politischen Ordnung“ (Schweidler 2012, S. 42). Das Leben, nach dem Prinzip der Würde, unterscheidet den Menschen von anderen natürlichen Geschöpfen und Wesen und vereint zugleich die Menschen untereinander. (vgl. ebd., S. 41f.)
3.1.1. Positionen zum Begriff der Menschenwürde aus Sicht der Philosophie
Immanuel Kant (1724- 1804)
Kants „Kategorischer Imperativ“ erweist sich als geeignet, um klar abzugrenzen, was Würde bedeutet und was unter Menschenwürde konkret zu verstehen ist. Aus diesem Prinzip resultiert der praktische Imperativ: „'Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchtest.'“13 (Härle 2018, S. 221). Diese Formulierung impliziert, dass die Men- schenwürde stets verletzt wird, wenn ein Mensch nicht seinetwillen registriert und stattdessen seine Wertigkeit darin bemessen wird, wie viel er für andere bedeutet. In Folge dieses Wertverständnisses darf, nach Kant, für einen Menschen kein Preis bemessen werden. Sklaverei, Menschenhandel und dergleichen gelten als Missachtung und folglich als Verletzung der Menschenwürde. Der Mensch dient also seinem Selbstzweck und darf nicht objektiviert und herabgewürdigt werden, da er unter dem Schutz des Instrumentalisierungsverbots steht. (vgl. Härle 2018, S. 221ff.)
Johannes Reiter (1944)
Im Verständnis von Reiter verfügt die neuzeitliche Welt über plurale Vorstellungen von Werten. Diese äußern sich weitestgehend durch Krisen in den Bereichen Religion, Sitten und Rechte. Zusätzlich kann der „Wahrheitsanspruch“, verschiedener kultureller Überzeugungen, das Werteverständnis beeinflussen. Aus dieser Einstellung heraus, sowie dem geschichtlichen Wandel der Menschenwürde, resultiert für Reiter, dass der Begriff der Menschenwürde nicht länger als eine undefinierte „Leerformel“ verstanden werden darf. Reiter ist der Auffassung, dass die Menschenwürde ein „dynamischer Begriff“ sei und, dass „dem Menschen auf Grund seiner unverlierbaren Grundwürde [..] weitere Würde zusteh[e]“ (Reiter 2004, S. 13). Der Erhalt und die weitere Gewinnung von Teilen der Würde befinden sich in einem dynamisch-bedingten Zusammenhang mit der sich entwickelnden Gesellschaft. Jedoch gilt die Unantastbarkeit der Menschenwürde stets als Maßstab einzuhalten. (vgl. ebd., S. 6ff.)
Marcus Düwell (1962)
Die Bedeutungen des Würdebegriffs sind vielschichtig. Nach Düwells Verständnis, der menschlichen Würde als Ehre, kann sich der*die Würdetrager*in in seinen*ihren Verpflichtungen als ehrenvoll und somit, als würdig erweisen. Hierbei ist die Würde im Zusammenhang mit Macht, mit bestimmten Fertigkeiten, erworbenen Fähigkeiten und Talenten zu verstehen. Durch diese Veranlagungen erhält der Menschen einen Status und Positionen. Erst die moralische Interpretation des Würdebegriffs, als „Vorstellung vom Menschen als ein[] moral- und vernunftfähige[s] Wesen [,] mit der Betonung seiner Bedürftigkeit und Verletzlichkeit“ (Düwell 2010, S. 68), wird ihm ein moralischer Status verliehen. Diese Positionierung macht ein wertendes Urteil sowie eine gebührende, würdevolle Behandlung des Menschen möglich. Gegenteiliges geschieht bei einem Verstoß dagegen. Düwell versteht Würde als ein angeborenes, sozial-zugeschriebenes Merkmal, welches sich als Grundlage für die Menschenrechte ausspricht. Er vertritt die Ansicht, dass menschliche Würde die Menschenrechte konkretisiert. (vgl. Düwell 2010, S. 68ff.)
3.1.2. Menschenwürde aus Sicht der Theologie
Aus Sichtweise der Theologie, wurde die menschliche Würde nicht erst durch die Aufklärung geschaffen. Die Menschenwürde ist mitunter als ein Teil „christlichen Ursprungs“ (Hoye 2018, S. 23) zu verstehen und wurde als Geschenk an die Menschheit gegeben. Die Theologie ist weiter der Auffassung, dass die Menschen als Ebenbild Gottes erschaffen wurden und aufgrund dessen der Ursprung für das anthropologische Verständnis resultiert: Das Verständnis über die menschliche Würde existiert bereits durch das Vernunftwesen. Im Widerspruch dazu steht die heutige Vorstellung darüber, dass mit der Anthropologie die Menschenwürde Einzug fand, da bereits „[d]ie christliche Lehre [.] über die vorgegebene Natur [spricht], deren inhaltliche Wahrheit aus eigener Kraft durchscheint“ (ebd., S. 25). Das bedeutet aus christlicher Sicht, dass die Menschenwürde bereits den allerersten Menschen als Attribut anerkannt wurde. (vgl. ebd., S. 23ff.)
Bereits Thomas von Aquin war der Auffassung, dass der Mensch durch seine „Gottesebenbildlichkeit“ über Vernunft verfüge. Diese Vernunft bringe, ihm zu folge, den freien Willen sowie die Entscheidungsvollmacht, jedes Einzelnen, mit sich. „[P]er se potestativum“ steht als Ausdruck für eine Existenz des Menschen um seinetwillen und als autonomes Wesen. (vgl. Hoye 2018, S. 26)
3.2. Menschenwürde im Wandel der Zeit
„'Menschenwürde' hat keine lange Tradition in der Geschichte demokratischer Verfassungen.“ (Hoye 2018, S. 42) Geschichtlich betrachtet taucht der Begriff der Menschenwürde erst im Jahr 1937, innerhalb der Präambel der „irischen Verfassung“ (ebd.), auf. Die christliche Formulierung umfasst das Bestreben nach einer gerechteren und barmherzigeren Welt, die das würdevolle sowie freie Allgemeinwohl fördert. (vgl. ebd.)
Im Kontext der deutschen Geschichte, Mitte des 19. Jhdt., ist zu erfassen, dass sich die Weimarer Reichsverfassung14 aus ökonomischen Gründen für ein „menschenwürdige[s] Dasein“ (Dolder 2012, S. 41) aussprach. Im Zuge des Nationalsozialismus gelang es dem Regime, das „Bewusstsein für die menschliche Würde“ (ebd.) zum Vorteil ihrer Absichten zu verändern. Erst durch die Vereinten Nationen konnte, nach 1945, eine Verordnung verabschiedet werden, die die Würde des Menschen gesetzlich verankerte. Zudem fanden sich diese Vorschriften, nach 1948, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte15 wieder. Im weiteren Verlauf wurde der Schutzbereich, menschlicher Würde, aufgrund der europaweiten Verfassung auf weitere Länder ausgedehnt (vgl. Dolder 2012, S. 41f.)
Da also die Menschenwürde in einer direkten Verbindung zu den Werten einer Gesellschaft steht und diese hierbei eine soziale Funktion übernehmen, wie bspw. das Intkthalten des gesellschaftlichen Zusammenlebens, gilt es, die Grundwerte in den Grundrechten einer Verfassung aufzunehmen. Denn die Menschenwürde benötigt zum Schutz, sowie für eine freie Persönlichkeitsentfaltung, die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Freiheits-, Gleichheits- und der Sozialen Rechte. (vgl. Eisenmann 2006, S. 139, 153f.) Daher gelangte der „Parlamentarische[] Rat Einigkeit darüber, dass die Pflicht zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde in die Verfassung aufzunehmen sei und an die Spitze der Verfassung gehöre“ (Dolder 2012, S. 42). (vgl. ebd.)
3.3. Menschenwürde und Verfassungsrecht
Mit Blick auf die Präambel der Vereinten Nationen, der Allgemein Erklärung der Menschenrechte, wurde die angeborene Menschenwürde vereidigt. Sie beruhen auf den „unveräußerlichen Rechte[n] aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen [auf der] [..] Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“ (United Nations 2021, S. 1). Beteiligte Nationen verpflichteten sich nach 1948, wie heute, für die Einhaltung und Gewährleistung von Menschenrechten. (vgl. ebd. S. 1f.)
3.3.1. Menschenrechte in Deutschland- nach 1949
„Die westlichen Besatzungsmächte hatten sich im Frühjahr 1948 für die Bildung eines deutschen Staates auf dem Territorium ihrer Besatzungszonen entschieden. Von September 1948 bis Mai 1949 beriet der so genannte Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz dieses neuen Staates.“ (Duden Learnattack GmbH (2021))
Die Begründer*innen und die ersten Versuche, menschliche Würde in die deutsche Verfassung aufzunehmen, wurden im Verfassungstext 1948, als natürliches Recht eines jeden Menschen, formuliert. Es war zu vermeiden, dass die Formulierung weder philosophische noch theologische Ansichten ausdrückte, um so die Achtung der Menschenwürde nicht als Tugend darzustellen, sondern als allgemeingültige Rechtsverpflichtung, mit Konsequenzen bei Zuwiderhandlung. Die Menschenwürde sollte als Grundlage für Menschenrechte dienen und die Menschenrechte selbst die Idee der Menschenwürde konkretisieren. Die Menschenwürde erhält dadurch eine nichtinterpretierbare Formulierung sowie die systematische Begründung des Rechtszuspruchs. Dabei besteht keine Möglichkeit für weitere Auslegungen. (vgl. Dolder 2012, S. 42f.)
Die Verfassungsänderung des deutschen Grundgesetzes, vom 23.05.1949, beinhaltet gemäß Art. 1 Abs. 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“. Weiter verpflichtet sich der deutsche Staat, gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 GG16, für den Schutz und die Wahrung der Menschenwürde. „Hier hat die 'Menschenwürde' fraglos den Charakter eines rechtlichen Grundbegriffs“ (Härle 2018, S. 230) und erhält durch seine Positionierung im GG einen allumfassenden, staatlichen Rückhalt. Zudem garantiert der Grundsatz, in Art. 79 Abs. 3 GG, die Unantastbarkeit der menschlichen Würde. Dieser Artikel dient der grundsätzlichen Unveränderbarkeit der Artikel 1 und 20 des GG. Eine Änderung wäre unzulässig. (vgl. Dolder 2012, S. 43f.; Härle 2018, S. 230)
Von dem „Anrecht eines Menschen auf [die] Achtung seines Menschseins“ (Härle 2018, S. 230) geht eine Rechtsverpflichtung aus. Kommt es zur Missachtung dieses Grundsatzes, folgt die Konsequenz eines „gerichtlichen Verfahren [s]“ (ebd.) und eines verfassungsgerichtlichen Urteils“ (vgl. ebd.). Daraus folgt: Eine „natürliche Person [ist] [..] Träger der Menschenwürde“ (Geddert- Steinacher 1990, S. 59). Kommt es bspw. zu einem Verstoß gegen die Menschenwürde, bedeutet dies für das staatliche Eingreifen, dass keine Unterschiede bei der Würde gemacht werden dürfen. Denn, „[w]o menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewußt ist und sie selbst zu wahren weiß“17. (vgl. ebd., S. 59ff.)
3.3.2. Grundsatz der Menschenrechte
Als Grundsatz für die Menschenrechte steht die Menschenwürde. Denn „[o]hne die konkreten Normen der Menschenrechte würde das Gebot, die Menschenwürde zu achten, leer bleiben“ (Eberlei et al., S. 162). Die Anerkennung der Menschenwürde vollzieht sich demnach in den Menschenrechten. Im Umkehrschluss wären Menschenrechte, ohne Einbezug der Menschenwürde wie ein bodenloser Grund, maßstabslos. (vgl. ebd.)
„Von der Menschenwürde her lassen sich tragende Prinzipien des Menschenrechtsansatzes [.] als eine sinnvolle Struktur verstehen [.].“ (Bielefeldt 2011, S. 108)
Nach Bielefeldts (2011) Auffassung, handelt es sich bei diesen Prinzipien um allgemeingültige Menschenrechte, frei von Veräußerlichung und für den Egalitarismus. Ein allumfassendes Verständnis des Menschenrechtsansatzes ist nur durch die Rechte auf Freiheit, Gleichheit und Inklusion möglich. „Freiheit, Gleichheit und Inklusion prägen die Menschenrechte also insgesamt normativ und erklären sich wechselseitig.“18 (Eberlei et al., S. 159) Im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch eines Menschen, wird der Schutz seiner Rechte sowie deren Gewährleistung vereint. Der Mensch gibt durch das Gesellschaftsleben daher seine Selbststimmung nicht auf, wenn Strukturen und die Gesetzgebung dafür sorgen, dass alle Menschen, neben den benannten Rechten, die Rechte auf Inklusion und Gleichheit zustehen. Der Gewährleistungsschutz für das Inklusionsrecht des Staats vermeidet dadurch „unfreiwillige soziale Ausschlüsse“ (ebd., S. 156), während das Recht auf Gleichheit bspw. durch ein Diskriminierungsverbot den Verstoß gegen das Menschenrecht im Keim erstickt. (vgl. ebd., S. 156ff.)
3.4. Menschenwürde und -recht in der Sozialen Arbeit
In Bezug auf die Aussage, dass sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession versteht, gibt es Ziele, eine Grundhaltung und das praktisch-berufliche Handeln, welches als Fundament diese Auffassung stützt. Als Dienstleister für die hilfesuchenden Adressat*innen, tragen sie eine „staatlich finanzierte[] Fürsorge“ (Eberlei et al. 2018, S. 13), um den Wünschen der Adressat*innen nachzukommen. An dieser Stelle fordert die Sozialarbeiterin, Silvia Staub- Bernasconi, dass die Soziale Arbeit ein sogenanntes „Triplemandat“ zu erhalten habe. Dieses Mandat steht für die Selbstvertretung der eigenen Professionen, also für die Soziale Arbeit selbst. Da sich soziale und politische Strukturen verändern, würde es einmal mehr für ein eigenes Mandat sprechen. Die Sozialarbeit könnte dadurch konfliktfrei und aus ihrem „professionelle[n] Selbstverständnis“ (ebd., S. 14) heraus frei entscheiden und handeln. Die Forderung, nach einem eigenen Mandat beruht auf den jahrzehntelangen Entwicklungen (1960- 1980) des Berufsfelds. Sie führte zu der heutigen Definition der IFSW 19. Denn erst seit 1990 zählt die Sozialarbeit „zu den Berufsgruppen [.], die in besonderer Weise dazu beitragen, ein menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen“ (Eberlei et al. 2018, S.14), sowie den Adressat*innen ein Stück ihrer „Menschen- und Sozialrechte“ (ebd.) zurückzugeben. (vgl. ebd., S. 13f.)
Handlungskompetenzen und -instrumente
Die verbindliche Einhaltung und das Grundverständnis, der Sozialen Arbeit, beruhen auf der Achtung und dem Erhalt der die Menschenwürde -und rechte. Dies wurde normativ festgelegt. Daher steht Empowerment 20 für ein ressourcenorientiertes Konzept, das der Selbstbefähigung dient. Dieses Konzept verfolgt das Ziel, die individuellen Lebensumstände der Adressat*innen zu verbessern, indem gleichzeitig ihr Leidensdruck reduziert werden soll. Zudem wird ein Selbstbefähigungsprozess angestrebt, bei welchem neue „Handlungskompetenzen“ (Eberlei et al. 2018, S.15) erlernt und dauerhaft angeeignet werden sollen. (vgl. ebd., S. 15f.)
„Ein [weiteres] wichtiges Instrument menschrechtlicher Personalentwicklung ist das Einüben von Diversitätsstrategien“ (Eberlei et al. 2018, S. 204). Diese Strategien stammen aus der amerikanischen Bürgerrechtsinitiative von 2013. Die Initiative stand seinerzeit für mehr Achtung gegenüber menschlicher Vielfalt bzw. Diversität ein. Mit dem Grundgedanken, eine größtmögliche Gemeinsamkeit oder zumindest Schnittstellen bei aller Unterschiedlichkeit 21, zwischen Menschen zu finden, steht diese Bewegung für die Auflösung stringenter Differenzlinien und für mehr Zugehörigkeit. Die soziale Kategorisierung und der dadurch entstehende Ausschluss, beruhen auf der Intersektionalität 22 und bedeuten, bestimmte Menschengruppen an den Gesellschaftsrand zu drängen. Es gilt daher für die Gesellschaft und insbesondere für die Sozialarbeit, „[m]it der unauflösbaren Spannung zwischen individuellen Lebensrealitäten und gesellschaftlichen Machtpositionen“ (ebd.) einen (selbst-)reflektierten Umgang zu finden. Soziale Arbeit steht als Ombudsinstanz dafür, zur generellen Sensibilisierung der Gesellschaft und zur Achtung der Menschenrechte positiv beizutragen. (vgl. ebd., S. 204f.)
3.5. Menschenwürde und -rechte im Spannungsfeld
„Die objektivrechtliche Seite der Menschenwürde ist, dass auch der Gesetzgeber selbst zu der Achtung der äußeren Freiheit des Individuums verpflichtet ist, deren zwangsbewehrte Einschränkung nur dann zu rechtfertigen ist, wenn durch bestimmte Handlungen die Freiheit anderer unzumutbar eingeschränkt wird.“ (Baranzke 2010, S. 23)
Durch gesellschaftliche Normen wird grundsätzlich das ethisch-korrekte Handeln bestimmt. Für deren Einhaltung wird also indirekt, durch das Außen gesorgt. Baranzke (2010) ist der Auffassung, dass Handlungsnormen in der Tat erzwungen werden können. Da dieser Akt jedoch gesetzeswidrig wäre, schließt er diese Option der Erzwingbarkeit aus. Legitim bliebe aus rechtlicher Sicht daher, eine selbstüberlassene Lebensführung, welche sich nicht negativ auf die „äußere Willkürfreiheit Anderer“ (Baranzke 2010, S. 23) auswirke. (vgl. ebd.)
Mit dem Blick auf eine „rechtsverbürgende Kraft der Menschenwürde“ (Eberlei et al. 2018, S. 53), zeigt die „Geschichte des Würdebegriffs [.] [, dass] die Forderung nach Achtung der Würde [immer auch]“ (ebd.) einen Würdebesitz voraussetzt. Kant nannte es die Tugendpflichten, wenn sich der*die Würdeträger*in entsprechend angemessen verhielt oder diese pflichtgemäß einer Institution durch Gehorsam seinen*ihren Dank ausdrückte. (vgl. ebd., S. 53f.)
Erst nach 1945 bekam die Würde, durch Art. 1 GG, einen unabhängigen und unangreifbaren Rechtsschutz. Gesellschaftlich betrachtet, beinhaltet es die Verpflichtung, dieses Recht zu wahren. Betrachtet man die nationalsozialistische Zeit, kam es durch volksverhetzende und rassistische Lehren zum Ausschluss bestimmter Personengruppen „aus aller Rechtsträgerschaft“ (Eberlei et al. 2018, S. 54). Diese Personen wurden durch Anspruchslosigkeit, Schutzlosigkeit und Hilflosigkeit entmachtet. Historisch betrachtet wird daher aufgezeigt, dass im Unterschied zur menschlichen Würde, Menschenrechte durch die Gesetzgebung außer Kraft gesetzt werden können, während die Menschenwürde weiterhin Bestand hat und unabhängig vom Gesetz bestehen kann. (vgl. ebd., S. 53f.)
Menschenrechte als unabgeschlossene Lerngeschichte
„Menschenrechtserklärungen sind immer auch Produkte ihrer Zeit.“ (Eberlei et al. 2018, S. 163) Diese Erkenntnis, gegenüber den Menschenrechten, setzt voraus, dass Menschenrechtsdiskurse 23 24 immer auch zu neuen theoretischen Erkenntnissen und Konzeptionen führen. Zivilgesellschaften werden weiterhin politische Auseinandersetzungen für die Aushandlung von Menschenrechten führen. Obgleich bestimmte Diskurse eine klare Definition von Menschenrechten erschweren, können bisherige Ergebnisse zu Menschenrechtsdiskursen eine Hilfe sein. Indem mit einer kritischdogmatischen Stellungnahme das Urteil innerhalb eines Konflikts gefällt wird. Menschenrechte sind, wie sich zeigt, daher nie als eine zeitlose Absolution zu betrachten. Dies belegt mitunter die Tatsache, dass es keine allgemeingültigen, weltweiten Menschenrechte gibt. Stattdessen müssen bestimmte Bevölkerungsgruppen heute noch hart für Standards kämpfen, die in der westlichen Welt als selbstverständlich gelten. Da Menschenrechte nicht naturgegeben sind, kann man sie daher als Resultat menschlicher Geschichte verstehen. (vgl. Eberlei et al. 2018, S. 163f.)
„Als Manifestation ihrer Zeit erhalten sie die vorherrschenden Deutungen - und damit auch Voreingenommenheit/ Blindheiten dieser Zeit, ihres Ortes und der beteiligten Personen.“ (Eberlei et al. 2018, S. 163)
Insbesondere dem Staat obliegt es, inwiefern Menschenrechte gewährt oder missachtet werden. Dies zeigen die geschichtlichen Ergebnisse Deutschlands während des vergangenen Jahrhunderts. Hier kamen bspw. für Ausnahmesituationen Sonderregelungen zum Tragen, wie das „Notverordnungsrecht nach Artikel 48 der Reichsverfassung“ (Schrenk 2017). Sie erteilt dem Reichpräsidenten Macht, sich über die Überwachung des Parlaments hinwegzusetzen und per se mit Hilfe der Notverordnung eigenmächtig zu regieren. So war es in dieser Ausnahmesituation für die Nationalsozialisten, im Februar 1933 ein Leichtes, sämtliche politische Antagonist*innen auszuschalten, indem sie die „Notverordnung zum Schutze des Deutschen Volkes“ (ebd.) erließen. Der zusätzliche Putsch der NSDAP- Mitglieder verhalf ihnen mittels der Reichstagsbrandverordnung, die Ausnahmesituation durch die Außerkraftsetzung bedeutsamer Grundrechte zu legitimieren. (vgl. ebd.) „Damit war der Grundstein für die uneingeschränkte nationalsozialistische Herrschaft unter dem Deckmantel der Legalität gelegt.“ (ebd.)
4. Soziale Arbeit im Wandel der Zeiten
Die Sozialarbeit hat sich bereits in der Weimarer Republik und in der Wohlfahrtspflege stark durch den Erwerbsberuf verändert und entwickelt. Dennoch bestanden noch größere und weitreichendere Veränderungen während des letzten Jahrhunderts. Betroffen vom demografischen Wandel und gesellschaftlichen Entwicklungen, wechselnden Staatsformen, der Ökonomisierung und nicht zuletzt von innerberuflichen Veränderungen, kam es zur Herausbildung verschiedener Handlungsfelder der Sozialarbeit.
Folglich befasst sich das Kernstück dieser Arbeit mit geschichtlichen Aspekten, rund um die Sozialarbeit innerhalb verschiedener Epochen. Als elementarer Ausgangspunkt wurde für die drei folgenden Unterkapitel der Standpunkt von Menschen mit Behinderung, als Protagonist*innen, ausgewählt. Diese Kapitel handelt vom Umgang mit Menschen mit Behinderung, von ihrer Würde und ihren Rechten, im Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit.
Da sich, aus meiner Sicht, die nationalsozialistische Epoche überwiegend auf männliche Täter bezieht, sind Nationalsozialisten, Nationalsozialistinnen u.a. dieser Zeit, unter der männlichen Bezeichnung mitinbegriffen.
5. Soziale Arbeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland
„Die 12 Jahre Nationalsozialismus nehmen innerhalb der deutschen Geschichtsschreibung zu Recht eine Sonderstellung ein. Verglichen mit dem selbstpropagierten Anspruch, ein 1000- jähriges 'Drittes Reich' zu schaffen, waren die Nationalsozialisten zwar nur kurze Zeit an der Macht, sie veränderten in dieser Zeit jedoch die politische Situation in Deutschland und später in Europa [.]“ (Feustel 2012, S. 87).
Insbesondere die radikale und menschenverachtende Einstellung, gegenüber bestimmten Teilen der Bevölkerung, setzten eine dynamische Herabsetzung und Beseitigung von unwertem, menschlichen Leben in Gange. Aufgrund der „planmäßig durchgeführten, industriellen, millionenfachen Massenvernichtung[en]“ (Feustel 2012, S. 87), steht diese historische Epoche, für ein unmoralisch und unmenschliches Elend als Resultat des deutschen Faschismus. (vgl. ebd.)
5.1. Historischer Überblick
Es war der 30.01.1933, als es zur Machtübernahme durch eine „scheinbar legale Taktik“, (Reidegeld 2006, S. 351) kam. Die NSDAP verfolgte auf diktatorische Weise ihr Ziel, Deutschland auf eine rechtsradikale Art anzuführen. An die Spitze schaffte es Adolf Hitler, als Reichspräsident. „Ein Trommelfeuer von Versammlungen und Aufzügen, die Rede von der 'kommenden Abrechnung', vom 'anbrechenden Volkssturm' [...], von 'eiserner Entschlossenheit' [...] und [dem] 'fanatische[n] Siegeswillen' [...].“ (ebd., S.352) Eine gewaltbeherrschte Sprache schürte Ängste und erzielte die Ohnmacht der Bevölkerung. Letztlich fand die Machtergreifung am 01.02.1933, durch die Auflösung und anschließenden Neubesetzung des Reichstags ihr Ende. (vgl. ebd., S. 351f.)
Organisation des Herrschaftssystems
Die Organisation des nationalsozialistischen Deutschlands zeichnete sich durch seine staatliche Herrschaftsautorität aus. Als Instrument dienten neben der NSDAP weitere Suborganisationen, welche den Staatsanführer stützten. Die nationalsozialistische Ordnung berief sich auf „vier Prinzipien [.]: Erstens [.] [auf die] einheitliche[], umfassende[] und autoritäre[] Organisation der Gesellschaft“ (Rüter 2013, S. 71). An zweiter Stelle wurde die gesellschaftliche Gemeinschaft über den*die Einzelne*n gestellt, sowie jegliche Unabhängigkeit unterbunden. Zum dritten Prinzip wurden hierarchische Organisationen bestimmt. Diese verfolgten den Auftrag, Teile der deutschen Bevölkerung anhand „rassistischer Kriterien“ (ebd.), von der Gesamtbevölkerung zu exkludieren und diese gleichzeitig, im Sinne der „Verwahru ng und Vernichtung“ (ebd.), zu inkludieren. Die „Verbreitung von Propaganda und [..] [die] Installation eines Gewaltsystems“ (ebd.) bildeten das vierte Prinzip. Ineinandergreifende „Herrschaftsstrukturen“ (ebd.), im Sinne der polykratischen Organisation einer Einheitsregierung bedeutete für die Nationalsozialisten, sämtliche Organisationen und Vereine zu verbieten und an ihre Stelle „neue Zusammenschlüsse mit veränderten Kompetenzen“ (ebd.) zu setzen; wie etwa die „Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden im Jahr 1939“ (ebd.). (vgl. ebd.)
Organisation der Arbeitsfront
Neben einem einheitlichen Herrschaftssystem war eine stabile Wirtschaft notwendig, welche die Herrschaft stützen sollte. Die sogenannte, „Deutsche Arbeitsfront“ (Rüter 2013, S. 71) verdrängte Berufsständische, Unternehmer und Gewerkschaften. Diese Umstellung betraf sämtliche Arbeiter, welche nicht bereits im „öffentlichen Dienst angestellt waren“ (Rüter 2013, S. 72). Es folgte eine Machtverschiebung innerhalb der Unternehmen. „Amtspersonen mit umfassenden Delegationsrechten“ (ebd.), konnten auf disziplinäre Art und Weise, staatliche wie auch arbeitsbezogene Interventionen, ergreifen. Arbeiter wurden durch die „Organisation 'Kraft durch Freude'“ (ebd.) manipuliert, um eine Produktionssteigerung zu erzielen. Auf der Grundlage dieser Arbeitsmoral entstanden Konzentrationslager, die mit der Legitimation für unwertes Leben, die der massenhaften „Ermordung der Insassen“ (ebd.) mittels industrieller und landwirtschaftlicher Zwangsarbeit, dienten. (vgl. ebd., S. 70ff.)
Organisation des Wohlfahrtsstaats
Zu Beginn des Nationalsozialismus kam es zur „Entmachtung der selbstverwalteten Kommunen“ (Rüter 2013, S. 72). Für die Sozialversicherungen, welche der Weimarer Republik entstammten, bedeutete dies, dass Leistungen gekürzt wurden und anhand „rassistische[r] Ausgrenzungscodes“ (ebd.), bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Versicherung ausgenommen waren. „Die Sozialversicherung erfuhr die Umformung von einer selbstbestimmten Körperschaft in eine Anstalt des Staates [.].“ (ebd., S, 73) So kam es durch die NSDAP zu einem Zusammenschluss der staatlichen als auch der privaten Sozialhilfen 25. Konkret bedeutete diese Umstellung für Hilfebedürftige und Kranke, dass eine „Selektion zwischen 'erbgesunden' und 'erbkranken' Menschen“ (ebd.) erfolgte. Diese Ideologie prädestinierte ausschließlich „förderungswürdige[] Menschen“ (ebd.) für Hilfen, die ihrer Gesundheit dienten. Des Weiteren kümmerten sich die Nationalsozialisten um Belange von Müttern und ihren Kindern. An dieser Stelle flossen finanzielle Hilfen aufgrund politischer Weisungen. Denn Mütter sollten möglichst viele „erbgesunde[]“ (ebd.) Kinder gebären, um mit dem Mutterkreuz ausgezeichnet zu werden. (vgl. ebd., S. 72f.)
5.2. Gesellschaftliche und staatliche Dispositionen zur Menschenwürde
Frühkindliche Sozialisation
Die frühkindliche Sozialisation, welche zumeist in der Familie erfolgt, erwies sich rückblickend, auf die nationalsozialistisch, deutsche Epoche als „blinder Fleck“ (Gebhardt 2009, S. 222). Mitunter vermittelt die Sozialisation grundsätzliche und zeitgemäße Kompetenzen und beabsichtigt, ein Kind auf die Gesellschaft vorzubereiten. In diesem Zusammenhang ist bspw. die „vermeintliche[] Privilegierung von Mütterlichkeit im Nationalsozialismus“ (ebd.) zu betrachten. Die wesentliche Wertevermittlung erfolgte durch die Abbildung solcher u.ä. Identitäten, um der damaligen Jugend frühzeitig zu signalisieren, welchen Platz sie innerhalb der Gesellschaft einnehmen würden. Ideologien wurden neben der frühkindlichen Sozialisation durch eine feststehende Ordnung sowie mittels strukturierter Interventionen gefestigt. (vgl. ebd.)
Unter anderem wurde von einer angesehenen Autorin, Hildegard Hetzer, als Erziehungsmethode empfohlen, sich „vor jeder Verweichlichung und Verzärtelung“ (Gebhardt 2009, S. 230) bei Kindern mit Krankheiten oder der Neigung zu Anfälligkeiten zu hüten. Es sei ohnehin schwer möglich, „sie schrittweise an die 'Rauheiten des Lebens' zu gewöhnen, sie abzuhärten“ (ebd.). Die Bezeichnung „Anlagen“ (ebd.) stand für das Erbgut, in Zusammenhang mit einer adäquaten Erziehung, welche die Kinder auf die „Lebensmeisterung“ (ebd.) vorbereiten sollten. (vgl. ebd., S. 228ff.)
Ein weiterer, beispielhafter Auszug aus dem Briefverkehr zwischen Ärzten:
„Es ist nicht erwünscht, dass ein idiotisches Kind wieder in die Familie zurückverlegt wird, da die Arbeitskraft einer Mutter heute anderweitig besser ausgenutzt werden kann, als durch die Pflege eines Idioten.“ 26 (Lebenshilfe-Werk Weimar 1999, S. 16)
„Archiv für Bevölkerungspolitik, Sexualethik und Familienkunde“
Mit dieser und ähnlichen Formulierungen wurden Kinder kategorisiert und priorisiert. Diese Moral wurde zusätzlich von wissenschaftlichen Erkenntnissen gestützt. Unter anderem war die Zeitschrift „Archiv für Bevölkerungspolitik, Sexualethik und Familienkunde (AfBSF)“ (Schnitzler 2012, S. 23) eine der führenden Herausgeber für Medizin, Wissenschaft und Politik. Der sogenannte „Sozialhygieniker Prof. Dr. med. habil. Dr. phil. Hans Harmsen (1899- 1989)“ (ebd.) galt in seinem Fach als einer der populärsten Experten. „Außerdem war er [ein]leitendes Mitglied des Reichsausschusses für Bevölkerungsfragen des Reichsinnenministeriums [.].“ (ebd., S. 24) Es gelang Harmsen, im Zusammenschluss und mit der Unterstützung anderer Führungspersonen sowie mittels wissenschaftsgestützter Inhalte und Theorien, die Mehrheit der Bevölkerung politisch auf seine Seite zu ziehen. Unter anderem stellte Harmsen sicher, dass das „wichtigste[] bevölkerungspolitische[] Problem [.] [, der] Geburtenrückgang[]“ (Schnitzler 2012, S. 45), mit Hilfe des neu gegründeten „Bevölkerungspolitische[n] Ausschuss[es] des deutschen Schutzbundes“ (ebd.), präventiv behoben werden konnte. Auf wissenschaftliche Begründungen gestützt, konnte der angekündigte Geburtenrückgang beseitigten werden, ehe es zu dessen Eintritt kam. (vgl. Schnitzler 2012, S. 23ff.; 45f.)
Hier ein Auszug aus Harmsens Zeitschrift „AfBSF“, im Jahr 1931:
„die Erscheinung des Geburtenrückganges genau zu verfolgen, da er das entscheidende Symptom für das Schwinden des Willens zur völkischen Selbstbehauptung ist und seine Folgeerscheinungen in der Entwicklung des deutschen Siedlungsraumes von entschiedenster Bedeutung sind.“27 (Schnitzler 2012, S. 47)
Die AfBSF verfolgte bewusst den Zweck, die Gesellschaft durch seine Missionsarbeit politisch zu lenken. Angetrieben von der Angst, dass dem „deutschen Volk[]“ (Schnitzler 2012, S. 90) der Untergang blühe, sollte es zu einem rechtzeitigen Stopp für Zuwanderer kommen. Harmsen und seine Anhänger hatten die Befürchtung, dass die Deutschen unterwandert würden und sich die deutsche Bevölkerung mit minderwertigen oder asozialen Teilen der Nation fortpflanze. Das Selbstverständnis der Deutschen wurde von sozialethischen und bevölkerungswissenschaftlichen Lehren genährt, sodass im Zentrum des Selbstzwecks die Fortpflanzung, mit einem*einer arischer*arischen Partner*in, stand. (vgl. ebd., S.90f.)
Zerstörung der Rechtspersonalität
Das Werk und das Denken im nationalsozialistischen Sinne bilden sich in seiner idealistischen Vorstellung ab: Der Mensch und die politisch-verfolgten Zwecke sind eins.
Pluralität ist nicht weiter gewünscht. Ein spontaner, individueller oder nutzloser Mensch ist aufgrund seiner Abtraglichkeit für den Staat nicht zu lenken und dadurch ein Risiko. Daher dienen die „Ideologie und [der] Terror“ (Bushart 2019, S. 97) als maßgebende Werkzeuge, um die Bevölkerung in Schach zu halten. „Aspekte des Sozialdarwinismus und des Antisemitismus“ (ebd.) münden in eine natürliche Auslese sowie Aufteilung von Menschen- und Bevölkerungsgruppen. (vgl. ebd., S. 95ff.)
Die Qualität eines Menschen hängt, mit Beginn des Nationalsozialismus, von seiner Gesundheit, Stärke und von seinem höherwertigen Blut ab. Juden*Jüdinnen, Menschen mit Behinderung u.ä., besaßen in den Augen der Nationalsozialisten keine „Rechtspersonalität“ (Bushart 2019, S. 10). Da Juden*Jüdinnen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit als besonders kritisch eingestuft wurden, erklärte man sie zum Rechtsobjekt. „Das Recht ist demnach nicht allein restriktiv oder arbiträr, sondern als Prozessrecht selbst produktiv“ (ebd., S. 11), sodass die absolute Rechtszusprechung gegenüber Personen galt, die als arisch und nicht als Artfremde eingestuft wurden. Die Legitimation für Kriegsverbrechen wurde durch die Gesetzgebung gesichert und eine neue politische Ordnung hergestellt. Es kam zum Ausschluss der Artfremden durch die Öffentlichkeit. Zugleich sollte der gesunde, arische „Volkskörper“ (Reidegeld 2006, S. 371) durch ausgewählte Zuwander*innen gestärkt werden. (vgl. Bushart 2019, S. 10ff.; Reidegeld 2006, S. 371)
Gesetzgebung
Gesetze, welche speziell für die Rassenhygiene eingeführt wurden, vereinfachten „öffentlichen Gesundheitsdienst[en]“ (Rüter 2013, S. 73), wie etwa dem Gesundheitsamt, die Selektion der Bevölkerung. In einer Perversion diente die Lehre der Rassenhygiene u.a. der „Seuchenbekämpfung“ (ebd.) sowie der Aufrechterhaltung des Rassenschutzes. Die Registrierung durch „Erb- und Sippentafeln“ (ebd.) machten eine Einteilung in wertes und unwertes Leben möglich“. (vgl. ebd.)
Durch die staatliche Zusammenarbeit zwischen politischen, verwaltungsorganisatorischen sowie wissenschaftlichen Instanzen, wurde Deutschland, gemäß der Betitelung nach Burleigh und Wippermann s (1991), zum „Rassenstaat“ erklärt. Sozialpolitisch veränderte sich 1935, mit den, durch den „Reichsparteitages der Freiheit“ (Reidegeld 2006, S. 370) erlassenen Gesetzen - „Nürnberger Gesetze“ (ebd.) und „Reichsbürgergesetz“ (ebd., S. 371) - der individuelle Status der Zugehörigkeit. (vgl. ebd., S. 370f.)
„Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, dass er gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.“ (§ 2 Abs. 1 Reichsbürgergesetz)
[...]
1 gesellschaftliche Strukturen auf den Makro-/Meso-/Mikroebene (vgl. Avenir Social 2014, S. 2)
2 Grundrechte der Europäischen Union
3 Rechtsdienstleistungs- und Beratungsgesetz
4 SGB II- SGB XII
5 „Geschlecht, Migrationsgeschichte, Krankheit oder auch die sexuelle Orientierung“ (Graßhoff 2015, S. 10)
6 „Arbeitsversicherungsgesetzgesetzgebung [.] Kranken-, Unfall- und Altersversicherung“ (Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 77)
7 „Schutzwall von Wärme, Emotionalität und sozialer Ganzheit“ (Hammerschmidt; Tennstedt 2012, S. 79)
8 Gesundheitsamt, Eingliederungshilfe, Sozialhilfe, usw.
9 Schulsozialarbeit, Street Working, usw.
10 siehe Anhang: Abbildung 1
11 §2 S. 3 Satzung des DBSH
12 „Was,- Warum,- Wohin,- Wert(e),- Woraufhin,- Wie,- Womit,- Wer,- und Wirksamkeitsfrage“ (vgl. Staub- Bernasconi 2018, S. 382)
13 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten BA 66f.
14 Gemäß Art. 151 Abs. 1 S. 1: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens muss den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Zeil der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.“
15 Gemäß A/RES/217 A (III) / siehe Kapitel 6.3.1
16 Art. 1 Abs. 1 GG: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Art. 1 Abs. 2 GG: „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
17 Art. 39 Abs. 1 BVerfGE
18 siehe Anhang: Abbildung 2
19 siehe Kapitel 2.1
20 engl.: to empower = ermächtigen
21 Geschlecht, Behinderung usw. (vgl. Eberlei et al. 2018, S. 204)
22 engl.: intersection = Schnittpunkt, Schnittmenge; „Intersektionalität bezeichnet das gleichzeitige Zusammenwirken verschiedener sozialer Kategorien [.].“ (Eberlei et al. 2018, S. 204)
23
24 Der stetige Austausch zu Menschenrechtsentwicklungen findet sich in jährlichen Analysen, wie z. B. Grundrechte Report 2020. (vgl. Eberlei et al. 2018, S. 163)
25 „Nationalsozialistische[] Volkswohlfahrt [.] des öffentlichen Gesundheitsdienstes [.] mit zwölf Millionen Mitgliedern“ (Rüter 2013, S. 73)
26 Dr. Gerhard Kloos, Stadtroda, am 28.07.1944
27 Entschließung, BAK, N 1336/ 129. Fehler im Original.
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung im Wandel der Zeit (1933 bis 2021), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1158594
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