Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung von geschlechtergerechter Sprache für Kinder und Jugendliche, da diese bisher kaum Teil der Diskussion und Forschung von geschlechtergerechter Sprache darstellen.
Dabei ist von großem Interesse, wie Heranwachsende die Entwicklung und solche Formulierungen einschätzen und bewerten. Hierzu wurden mit einem qualitativen Forschungsdesign neun Heranwachsende in Einzelinterviews nach ihrer Meinung und Bewertung von geschlechtergerechter Sprache befragt.
Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Beurteilung durch Kinder und Jugendliche. Sie befürworten mehrheitlich die Intention und das Ziel von geschlechtergerechter Sprache. Gleichwohl kritisieren sie die Umsetzung. Ebenso wird die Notwendigkeit teilweise hinterfragt. Die befragten Kinder und Jugendlichen präferieren insgesamt eher geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen, um Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht anzusprechen und gleichermaßen sowohl Irritationen als auch Diskriminierungen zu vermeiden. Für einige Kinder stellt die Befragung die erste bewusste Auseinandersetzung mit geschlechtergerechten Formulierungen dar. Daraus ergibt sich die dringende Empfehlung geschlechtergerechte Sprache in der Schule zu behandeln und zu reflektieren.
Die Sprache ist wesentlicher Bestandteil der Kultur der Menschen zur Kommunikation. Der Sprachgebrauch ist als Handlung zu verstehen, sie erzeugt Bilder und Erwartungen in den Köpfen der Menschen. Im Zuge der Diskussion um Gleichberechtigung und der Forderung nach Anti-Diskriminierung, rückt auch gendergerechte Sprache in den Fokus der öffentlichen und privaten Debatten. Meist sind diese politisch aufgeladen und werden emotional geführt.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Zusammenfassung
1. Einleitung
2. Sprache als Handlung
3. Geschlecht und Sprache
3.1. Feministische Linguistik
3.2. Das generische Maskulinum
3.3. Geschlechtergerechte Sprache
3.3.1. Geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen
3.3.2. Beidnennung
3.3.3. Das Gender-Sternchen und der Doppelpunkt
3.3.4. Sonstige Formen der geschlechtergerechten Sprache
3.4. Effekte von geschlechtergerechter Sprache
3.5. Kritik an geschlechtergerechter Sprache
4. Geschlechtergerechte Didaktik
4.1. Doing Gender in der Schule
4.2. Geschlechtergerechte Didaktik des Sprechens in der Schule
5. Zwischenfazit
6. Untersuchungsidee und Methode
6.1. Untersuchungsdesign
6.1.1. Erhebungsmethode
6.1.2. Auswertungsmethode
6.2. Zielsetzung und Durchführung der Untersuchung
7. Auswertung der Interviews
7.1. Erstes Interview
7.2. Zweites Interview
7.3. Drittes Interview
7.4. Viertes Interview
7.5. Fünftes Interview
7.6. Sechstes Interview
7.7. Siebtes Interview
7.8. Achtes Interview
7.9. Neuntes Interview
8. Diskussion der Ergebnisse
8.1. Kenntnis und Berührungspunkte
8.2. Verständlichkeit und Lesbarkeit
8.3. Repräsentation und Relevanz
8.4. Nutzung und Gewöhnung
8.5. Alternativen
9. Reflexion der Untersuchung
9.1. Überprüfung der Zielsetzung
9.2. Kritische Reflexion der Durchführung
10. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang A – Interview Leitfaden
Anhang B – Texte zur Vorlage im Interview
Anhang C – Transkript Interview Nr. 1
Anhang D – Transkript Interview Nr. 2
Anhang E – Transkript Interview Nr. 3
Anhang F – Transkript Interview Nr. 4
Anhang G – Transkript Interview Nr. 5
Anhang H – Transkript Interview Nr. 6
Anhang I – Transkript Interview Nr. 7
Anhang J – Transkript Interview Nr. 8
Anhang K – Transkript Interview Nr. 9
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Übersicht über Formen der geschlechtergerechten Sprache
Tabelle 2 Übersicht über weitere Formen der geschlechtergerechten Sprache
Tabelle 3 Kategorienbildung für die Untersuchung
Tabelle 4 Zusammensetzung der Befragten nach Geschlecht
Tabelle 5 Zusammensetzung der Befragten nach Jahrgangsstufe und Geschlecht
Tabelle 6 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 1
Tabelle 7 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 2
Tabelle 8 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 3
Tabelle 9 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 4
Tabelle 10 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 5
Tabelle 11 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 6
Tabelle 12 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 7
Tabelle 13 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 8
Tabelle 14 Kernaussagen hinsichtlich der Kategorien des Teilnehmenden 9
Abstract
Language is considered a tool for humans to communicate socially, to exchange information and to communicate values and attitudes. Language is to be understood as an action, it creates images and expectations in people's minds. During the dis-cussion about equality and the demand for anti-discrimination, gender-equitable language is also becoming the focus of public and private debates. In most cases these are politically charged and are conducted emotionally. Gender-equitable lan-guage has developed from the demands of feminist linguistics. This deals with the analysis of language use regarding sexism and discrimination. The criticism of the status quo, the so-called generic masculine, refers to the co-meaning of women and other gender identities, as they are thus linguistically excluded. Feminist linguistics therefore aims to make women and non-binary persons linguistically visible and to establish equality in linguistic usage. Currently, there is no unified recommendation on the use of gendered language. This is one of the reasons, along with the discus-sion about its necessity, for which it is criticized.
This paper deals with the meaning of gender-equitable language for children and adolescents, as they have hardly been part of the discussion and research of gen-der-equitable language so far. It is of great interest how adolescents assess and evaluate the development and such formulations. For this purpose, nine adoles-cents were asked in individual interviews about their opinion and evaluation of gender-equitable language using a qualitative research design. The results provide an insight into the assessment of children and adolescents. Most of them support the intention and the goal of gender-appropriate language. Nevertheless, they criti-cize the implementation. Likewise, the necessity is partly questioned. Overall, the children and adolescents surveyed prefer gender-neutral names for persons in or-der to address people regardless of their gender and to avoid both irritation and dis-crimination. For some adolescents, the survey represents their first conscious en-counter with gender-equitable formulations. This results in the urgent recommenda-tion to deal with and reflect on gender-equitable language at school.
Zusammenfassung
Die Sprache ist wesentlicher Bestandteil der Kultur der Menschen zur Kommunikation. Der Sprachgebrauch ist als Handlung zu verstehen, sie erzeugt Bilder und Erwartungen in den Köpfen der Menschen. Im Zuge der Diskussion um Gleichberechtigung und der Forderung nach Anti-Diskriminierung, rückt auch geschlechtergerechte Sprache in den Fokus der öffentlichen und privaten Debatten. Meist sind diese politisch aufgeladen und werden emotional geführt. Geschlechtergerechte Sprache hat sich aus den Forderungen der feministischen Linguistik entwickelt. Diese beschäftigt sich mit der Analyse des Sprachgebrauchs hinsichtlich Sexismen und Diskriminierung. Die Kritik an dem Status quo, dem sogenannten generischen Maskulinum, bezieht sich auf das Mitmeinen von Frauen und anderen Geschlechteridentitäten, da diese so sprachlich ausgeschlossen werden. Die Feministische Linguistik setzt sich daher die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen und nicht-binären Personen sowie die Etablierung von Gleichberechtigung im Sprachgebrauch zum Ziel. Derzeit gibt es keine einheitliche Empfehlung zur Verwendung von geschlechtergerechter Sprache. Dies ist neben der Diskussion um die Notwendigkeit einer der Gründe, weswegen diese kritisiert wird.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung von geschlechtergerechter Sprache für Kinder und Jugendliche, da diese bisher kaum Teil der Diskussion und Forschung von geschlechtergerechter Sprache darstellen. Dabei ist von großem Interesse wie Heranwachsende die Entwicklung und solche Formulierungen einschätzen und bewerten. Hierzu wurden mit einem qualitativen Forschungsdesign neun Heranwachsende in Einzelinterviews nach ihrer Meinung und Bewertung von geschlechtergerechter Sprache befragt. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Beurteilung durch Kinder und Jugendliche. Sie befürworten mehrheitlich die Intention und das Ziel von geschlechtergerechter Sprache. Gleichwohl kritisieren sie die Umsetzung. Ebenso wird die Notwendigkeit teilweise hinterfragt. Die befragten Kinder und Jugendlichen präferieren insgesamt eher geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen, um Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht anzusprechen und gleichermaßen sowohl Irritationen als auch Diskriminierungen zu vermeiden. Für einige Kinder stellt die Befragung die erste bewusste Auseinandersetzung mit geschlechtergerechten Formulierungen dar. Daraus ergibt sich die dringende Empfehlung geschlechtergerechte Sprache in der Schule zu behandeln und zu reflektieren.
1. Einleitung
Die Sprache ist das Werkzeug des Menschen, um sich mitzuteilen, Informationen auszutauschen, zu kommunizieren und zwischenmenschliche Beziehungen zu formen. Sprache ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Kultur des Menschen und vermittelt so viel mehr als nur auf der rein sachlichen Informationsebene. Sprache ist Ausdruck von Emotionen und Beziehungsaspekten, Sprache ist Sichtbarkeit und repräsentiert Menschen. Durch den gewählten Sprachgebrauch, die Nutzung einzelner Begriffe und allgemeinen Formulierungen werden Standpunkte, persönliche Einstellungen und Motive verdeutlicht. Gleichermaßen werden verschiedene Themen und Personen(-gruppen) adressiert und gehört. Sprache ist entsprechend eine Handlungsform (vgl. AG Feministisch Sprachhandeln 2015, S. 7). Im Zuge des gesellschaftlichen Diskurses um Gleichberechtigung rückt in jüngster Vergangenheit entsprechend auch die Debatte um nicht-diskriminierende Sprache erneut in den Fokus.
Die Forderung nach einer geschlechtergerechten Sprache und der Überholung des sogenannten generischen Maskulinums, der übergreifenden maskulinen Personenbezeichnung für nicht spezifische Einzelpersonen und Gruppen, wird immer deutlicher. Gleichzeitig werden auch die Kritiker:innen in Diskussionen immer lauter. Die geschlechtergerechte Sprache möchte alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Geschlechteridentität, ansprechen und repräsentieren. Das heißt mit der geschlechtergerechten Sprache werden neben männlichen und weiblichen Personen auch weitere Geschlechteridentitäten außerhalb des binären Systems in der Sprache sichtbar (vgl. Lengyel / Rühlmann 2020, S. 2). Die Kritiker:innen bemängeln nicht nur die bisher nicht einheitlich geregelte Schreibweise, sondern stellen darüber hinaus dessen Notwendigkeit und Effekt in Frage.
Die Frage, ob geschlechtergerechte Sprache also tatsächlich einen Einfluss auf das Bewusstsein der Gesellschaft hat und der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Nutzen steht, wird aufgeworfen. Umso interessanter erscheinen daher die Einschätzungen und Meinungen der jüngsten Mitglieder der Gesellschaft. Hat geschlechtergerechte Sprache Auswirkungen auf die Wahrnehmung von traditionellen Geschlechterrollen von Kindern und Jugendlichen? Ist für sie die Diskussion und Bedeutung von geschlechtergerechter Sprache relevant und ersichtlich? Werden Heranwachsenden durch geschlechtergerechte Sprache erreicht und können diese so für die Diversität der Gesellschaft und ihre (Macht-)Strukturen sensibilisiert werden?
Das Thema der Master Arbeit soll neben der Relevanz und die Diskussion um die Notwendigkeit von geschlechtergerechter Sprache das Bewusstsein von Schüler:innen für diese Art der inklusiven Sprache sein. Für Kinder und Jugendliche ist Sprache ebenso relevant wie für Erwachsene. Sprache veranschaulicht Möglichkeiten und Perspektiven für künftiges gesellschaftliches Agieren. Dies betrifft besonders Heranwachsende, da diese weniger lange als ältere Generationen durch das generische Maskulinum beeinflusst worden sind. Daher ist von enormen Interesse, ob Schüler:innen gendergerechte Sprache auffällt, ob sie diese für wichtig erachten und ob die (Nicht-)Benutzung von gendergerechter Sprache sie in ihrem Leben und Handeln beeinflusst. Ziel der Arbeit ist es infolgedessen, das Bewusstsein für geschlechtergerechte Sprache von Schüler:innen zu untersuchen. Dafür soll die Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen von gendergerechter Sprache mit Hilfe von Interviews ermittelt werden: Fällt ihnen der Einsatz von dieser überhaupt auf und welche Bedeutung hat diese für sie? Nutzen sie selbst gendergerechte Sprache und warum (nicht)? Darüber hinaus soll ermittelt werden, ob und welchen Einfluss gendergerechte Sprache auf Schüler:innen hat und wie sie damit umgehen. Die folgende Arbeit beschäftigt sich entsprechend mit der Fragestellung: Welche Bedeutung hat das Gender-Sternchen für Kinder und Jugendliche?
Hierzu werden zunächst auf theoretischer Ebene die Beeinflussung durch Sprache im Allgemeinen und das Konzept sowie die Hintergründe von geschlechtergerechter Sprache beleuchtet. Im Anschluss daran erfolgt der empirische Teil der Arbeit: die Durchführung, Auswertung und Reflexion der qualitativen Umfrage durch Einzelinterviews mit Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersklasse. Diese werden mittels der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) ausgewertet, um die Perspektiven der befragten Heranwachsenden analysieren und reflektieren zu können. Diese sollen Aufschluss darüber geben, welche Bedeutung die geschlechtergerechte Sprache für Kinder und Jugendliche hat und welche Möglichkeiten durch die Gesellschaft verfolgt werden sollten. Zuletzt werden die Ergebnisse diskutiert und mögliche Lösungsversuche und Handlungsempfehlungen sollen aufgezeigt werden können.
2. Sprache als Handlung
Sprache ist für den Menschen und die Gesellschaft omnipräsent. Mit und durch Sprache wird der Alltag und das Handeln geformt und bestimmt, auch die Sprache selbst gilt als Handlung (vgl. AG Feministisch Sprachhandeln 2015). Dabei gehen Kommunikation und Sprache über die rein inhaltliche Ebene, über die Informationen ausgetauscht werden, hinaus. Schon einer der bekanntesten Kommunikationswisschaftler:innen Friedemann Schulz von Thun erklärt mit seinem Kommunikationsquadrat die Vielfalt und Vielschichtigkeit einer Aussage. Das Konzept ist international verbreitet und auch als Vier-Seiten-Modell bekannt. Es legt dar, dass eine Nachricht, die von einem:r Sender:in an eine:n Empfänger:in übermittelt wird, über vier Aspekte verfügt: eine Sachinformation, eine Selbstkundgabe, ein Beziehungshinweis, ein Appell (vgl. Schulz von Thun Institut). Die Sachinformationsebene offenbart die Daten und Fakten, die reinen Informationen, die übermittelt werden sollen. Hier greifen nach Schulz von Thun drei Kriterien im Wesentlichen: ist eine Information wahr oder falsch, ist jene Information relevant oder irrelevant und sind die gegebenen Informationen ausreichend oder unzulänglich. Auf der Ebene der Selbstkundgabe geben die Sprecher:innen immer auch einen Einblick in die eigene Persönlichkeit oder stellen sich dar. Hierbei können beispielsweise Emotionen, Werte, Vorlieben oder Abneigungen mitgeteilt werden. Die Beziehungsebene verdeutlicht den Empfänger:innen wie die Sprecher:innen zu der jeweiligen Person stehen. Dies wird vor allem durch die Formulierung, den Tonfall sowie Mimik und Gestik übermittelt. Die Appellebene vermittelt das, was die Sprecher:innen mit ihrer Aussage bei den Empfänger:innen erreichen möchten. Diese können in Wünschen, Ratschlägen oder Handlungsanweisungen dargestellt werden (vgl. ebd.). Die Kommunikation wird also auf vier verschiedenen Ebenen von Sprecher:innen und Empfänger:innen einer Nachricht verarbeitet. Somit zeigt sich, dass eine Aussage nicht nur eine reine Information enthalten kann. Selbst ein vermeintlich schlichtes ‚Pass auf, dein Schnürsenkel ist offen!‘ vermittelt mehr als die Information, dass der Schnürsenkel des Gegenübers geöffnet ist. Die Beziehungseben verrät, dass ich mir Sorgen um die Person mache und sie mir wichtig ist. Der Appell ist eindeutig erkennbar, der Schnürsenkel soll gebunden werden, damit die Person nicht stolpert oder fällt. Auf der Ebene der Selbstkundgabe wird gezeigt, dass ich möglicherweise eine aufmerksame und fürsorgliche Person bin.
Sprache transportiert also sehr viel mehr als zunächst gedacht. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick geht sogar noch einen Schritt weiter: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick, Beavin, Jackson 1974). Er erklärt jedes Verhalten ist Kommunikation, infolgedessen ist auch jede Kommunikation, jeder Einsatz von Sprache, eine Handlung und eine Haltung.
Durch Kommunikation und Sprache werden entsprechend viele Aspekte vermittelt, sie ist Werkzeug und Handlung zugleich. Sprache erzeugt Bilder in den Köpfen der Menschen, wie das nachfolgende Rätsel veranschaulicht:
Ein Vater fährt mit seiner Tochter im Auto zum Fußballspiel Da sie spät dran sind, fährt der Vater sehr schnell. Er verliert die Kontrolle über das Auto und fährt in einen Baum. Der Vater stirbt noch an der Unfallstelle. Die Tochter ist schwerverletzt und wird mit der Ambulanz ins Spital gebracht. In der Notaufnahme kommt der Notarzt zum verletzten Mädchen und ruft erschrocken: «Ich kann nicht operieren. Das ist meine Tochter!» (Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften).
Die sich daran anschließende Frage, die sich stellt, ist: Wer ist der Chirurg? Die Antwort lautet: die Mutter. Da in diesem Beispiel die maskuline Form benutzt wird, ist die Rolle der Mutter nicht klar ersichtlich. Das Bild, welches im Kopf erzeugt wird, ist das eines Mannes. Die Lösung, das Mädchen sei die Tochter zweier Männer, würde selbstverständlich ebenfalls Sinn ergeben, scheint aufgrund der gewählten Formulierung sogar naheliegender zu sein. Die Sprache beeinflusst und formt dementsprechend das Denken der Menschen.
3. Geschlecht und Sprache
Als Geschlecht wird im Deutschen ein körperliches und soziales Merkmal von Menschen bezeichnet. Dabei wird zwischen dem biologisch zugeordneten Geschlecht, dem Sexus, und dem sozialen und gesellschaftlich geprägten Geschlecht, dem Gender, differenziert (vgl. Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 14 f.). Die Geschlechtszugehörigkeit oder -identität erklärt das jeweilige Geschlecht, mit welchem sich eine Person identifiziert. Dabei stimmt häufig die Geschlechteridentität (Gender) mit dem bei der Geburt zugewiesenem biologischen Geschlecht (Sexus) überein (weiblich oder männlich). Die Geschlechteridentität kann auch von der biologischen Zuweisung abweichen: beispielsweise eine als bei der Geburt weiblich klassifizierte Person identifiziert sich selbst als männlich oder fühlt sich beiden oder keinem der beiden Geschlechter zugehörig. Geschlecht beziehungsweise Gender wird dabei als fluides Spektrum empfunden. Auch in der Medizin kann sich die These der Zweigeschlechtlichkeit nicht mehr halten und vergangene Praktiken der zwanghaften Zuweisung werden hinterfragt: „Auf anatomischer [...], chromosomaler und hormonaler Ebene existieren vielfältige Zwischentypen und -formen, die bislang bald nach der Geburt medizinisch zugunsten der Geschlechtsbinarität bearbeitet (‚vereindeutigt‘) wurden.“ (ebd., S. 15).
Auch wenn Menschen nach wie vor zu Beginn ihres Lebens in zwei Geschlechter unterteilt werden, kann gegenwärtig verfolgt werden, wie sich immer mehr Geschlechter und Geschlechteridentitäten Gehör und Respekt verschaffen. Die Überholung des streng binären Systems von Geschlecht wird gefordert, alle Personen sollen berücksichtigt und respektiert werden, unabhängig von ihrem Geschlecht. Denn „[d]ie Geschlechtszuordnung sortiert die Menschen von Anfang an in (mindestens) zwei Klassen und [das] hat gewaltige soziale Folgen“ (ebd., S. 14). Die soziale Geschlechterrolle oder das Leben mit seinem Geschlecht geht immer auch mit kulturellen und gesellschaftlichen Erwartungen, Anforderungen und Verhaltensweisen einher. „Diese sind viel wirkmächtiger als Genitalien, Chromosomen- oder Hormonsätze und bestehen aus kulturell und historisch variablen Kleidungs-, [...] Konsum-, Bestätigungs-, Verhaltens- und auch Sprechweisen [...]“ (ebd.), die in keiner Hinsicht tatsächlich von der biologisch klassifizierten Geschlechterzuweisung abhängen. In Bezug auf die Vielfalt von Geschlecht und Geschlechteridentität im sozialwissenschaftlichen Bereich erweist es sich als notwendig, die deutsche Sprache auf ihre Möglichkeiten in Bezug auf die Adressierung von Geschlecht zu beleuchten.
Die deutsche Sprache gehört zu denjenigen Sprachen, die zwischen verschiedenen grammatischen Geschlechtern, den Genera, differenzieren: Femininum, Maskulinum und Neutrum. Die grammatische Kategorie des Genus‘ dient als System der Sprache zur Klassifizierung von Nomen mit dem spezifizierenden Charakteristikum der Kongruenz (vgl. Scholz 2007, S. 9). Das Genus-System im Deutschen scheint willkürlich bestimmt und bereitet im Besonderen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Sexus, dem natürlichen Geschlecht (vgl. Pittner 1998, S. 153). Das grammatische Geschlecht, das Genus, ist in der deutschen Sprache von der Idee eines biologischen Geschlechts zu differenzieren, da die Zuordnung nicht aufgrund von sexuellen, biologischen Geschlechtsmerkmalen erfolgt. Dies wird im Besonderen bei unbelebten Gegenständen ersichtlich: die Waschmaschine und der Tisch sind weder als biologisch weiblich noch männlich zu klassifizieren. Gäbe es eine Kongruenz zwischen dem Genus und dem Sexus, müssten unbelebte Gegenstände als Neutrum klassifiziert werden. Im Deutschen häufen sich dennoch Übereinstimmungen von grammatikalischen und biologischen Geschlechtern in Bezug auf Personenbezeichnungen: die Mutter und der Vater sind Beispiele für die Kongruenz von grammatikalischen und biologischen Geschlechterbezeichnungen, also einer Entsprechung des Sexus‘ mit dem Genus der Personenbezeichnungen. Dem gegenüber steht wiederum der Ausdruck das Mädchen. Hier ist klar ersichtlich, dass das biologische Geschlecht mit dem grammatikalischen Geschlecht nicht übereinstimmt und eine Asymmetrie vorliegt. Die Beziehung zwischen Genus und Sexus ist sehr strittig und wird häufig als Kritik der feministischen Linguistik verwendet. Allein diese Differenzierungen und dessen Beziehungen sind allseits diskutiert und eröffnen gesellschaftliche Debatten und Diskurse um die Geschlechter in der deutschen Sprache.
3.1. Feministische Linguistik
Die Diskussion um die Nutzung und Relevanz von geschlechtergerechter Sprache geht im deutschen Sprachraum aus der sozialwissenschaftlichen Disziplin der Feministischen Linguistik hervor. Diese beschäftigt sich vor allem mit der Analyse und Bewertung des Sprachgebrauchs in Hinblick auf sexistische Aspekte und mit der Ausarbeitung von Richtlinien für eine nicht-diskriminierende und inklusive Sprache. Entsprechend verfolgt die Bewegung der Feministischen Linguistik trotz ihrer Bezeichnung nicht nur eine ausschließlich wissenschaftliche Betrachtung und Analyse von Sprache, sondern versucht gleichermaßen als intervenierende Disziplin Veränderungen hervor-zurufen. Sie kann somit als Teil der politischen Bewegung des Feminismus‘ verstanden werden (vgl. Niemann 2020, S. 6).
Kotthoff, Nübling und Schmidt (2018) erklären in ihrer Betrachtung des Diskurses um geschlechtergerechte Sprache, dass die linguistisch-sprachwissenschaftliche Pers-pektive dessen im deutschsprachigen Diskurs zu kurz kommt. Dies liegt mitunter daran, dass die deutsche Analyse aus der US-amerikanischen hervorgeht und die Genderlinguistik bisher nicht an deutschen Hochschulen und Universitäten institutionalisiert worden ist. In den 1970er Jahren entwickeln sich die ersten Studien zu der Relation von Sprache, Patriachat und Diskurs in den USA. Neben der Analyse von Sexismen im Sprachgebrauch, Geschlechterrollen und geschlechtlicher Repräsentation in Schulbüchern erscheint 1973 eine Beobachtungsstudie von Robin Lakoff, die verdeutlicht, „wie Frauen in Sprache und Sprechen marginalisiert werden, z. B. wie sie im sog. generischen Maskulinum verschwinden und einen Sprechstil der Zurückhaltung, Unterordnung und Unsicherheit praktizieren, der ihre gesellschaftliche Zweitrangigkeit absichert“ (Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 17). Damit ist sie die erste Sprachwissenschaftlerin, die von einer Frauen- und Männersprache berichtet.
In Deutschland erlebt die Feministische Linguistik ihre Anfänge durch die Sprachwissenschaftlerinnen Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz. Trömel-Plötz (1978) überträgt die im US-amerikanischem Raum gestellten Fragestellungen auf das Deutsche und kritisiert das sogenannte generische Maskulinum als „frauenverschleierndes Sprachsystem“ (Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 18). Die gesellschaftliche Unterordnung der Frau findet sich auch in der Unterordnung in der Sprache wieder. Dabei zeige Sprache nicht nur die Realität, sondern diese trage auch maßgeblich zu der Wirklichkeit bei. Infolgedessen fordert Trömel-Plötz (1978) die Sichtbarmachung von Frauen in der Sprache, um ihnen so auch zu mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu verhelfen. Die Feministische Linguistik konzentriert sich auf die Sichtbarmachung von sexistischem Sprachgebrauch und ist eng mit der Emanzipationsbewegung verknüpft. Frauen sollen endlich in der Gesellschaft gleichgestellt werden – in Handlungen und in der Sprache (vgl. Lutter / Reisenleitner 2008, S. 101). „Die aus der Feministischen Linguistik-Bewegung hervorgegangenen „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ (Guentherodt, Hellinger, Pusch & Trömel-Plötz, 1980) [legen] den Grundstein für die Entwicklung des Konzepts der geschlechtergerechten Sprache“ (Niemann 2020, S. 7).
Die Feministische Linguistik verfolgt das Ziel, Frauen auch in der Sprache sichtbar zu machen und zu stärken. Trömel-Plotz und weitere feministische Sprachwissenschaft-ler:innen kritisieren „sowohl das Sprachsystem [...] mit seinen Subsystemen Lexik [...] und Grammatik als auch den Sprachgebrauch“ (Samel 2000, S. 20), da so die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen verstärkt und verbreitet werde. Dies bestätigt sich auch in Forschungen über die Zusammenhänge von Sprache, Geschlecht und Macht (vgl. ebd., S. 39). Die Begründerinnen der Feministischen Linguistik in Deutschland Pusch und Trömel-Plötz erheben den Anspruch, dass die Feministische Linguistik „ein offiziell anerkannter und geförderter Forschungsbereich innerhalb der Sprachwissenschaft“ (Trömel-Plötz 1982, S. 33) sein soll und muss. Samel (2000), die die erste Einführung in die Feministische Linguistik im Deutschen veröffentlicht hat, erklärt, die Feministische Linguistik strebe eine aktive Veränderung in der Sprache an und stelle insofern ein sprachliches, aber politisches Vorhaben des Feminismus‘ dar (vgl. Samel 2000, S. 39). Entsprechend will die Feministische Linguistik auf die patriarchalen und sexistischen Aspekte des Deutschen aufmerksam machen und diese bekämpfen. Samel unterscheidet zwei Hauptforschungsgebiete der feministischen Linguistik. Zum einen wird die Forschung zum Sexismus in der Sprache thematisiert, wie Frauen sowohl von der Sprache als auch von Sprecher:innen behandelt werden. Zum anderen wird das Gesprächsverhalten von Frauen und Männern untersucht (vgl. ebd., S. 45 f.).
Bis heute ist die Feministische Linguistik ein „umstrittenes und ideologisch umkämpftes Feld“ (Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 18). Die Diskussion ist oft emotional aufgeladen und voller persönlicher Meinungen, ohne sprachwissenschaftliches Fundament geführt. Dies liegt mitunter an den bereits erwähnten Defiziten in der Forschung im deutschen Sprachraum.
3.2. Das generische Maskulinum
Die Feministische Linguistik fordert ein Umdenken im deutschen Sprachgebrauch. Dazu bedarf es zunächst einer Analyse des Status Quo, dem androzentrischen Sprachgebrauch im Deutschen. Der Androzentrismus stellt den Mann in das Zentrum des Denkens (vgl. Duden). Diese Hervorhebung lässt sich auch in der deutschen Sprache in Form vom generischen Maskulinum beobachten. „Die androzentrische Ersetzungsregel besagt, daß die maskulinen Personenbezeichnungen „neutral“ seien und stellvertretend für die Bezeichnung von Frauen verwendet werden können“ (Samel, 2000, S. 55). Das generische Maskulinum bezeichnet die geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen und Pronomen, die zwar in der maskulinen Form benutzt werden, sich jedoch auf männliche und nicht-männliche Personen beziehen können (vgl. Duden Online 2021). Klann-Delius (2005) erklärt:
„Unter generischem Maskulinum werden Formen maskuliner Nomina und Pronomina verstanden, die sich auf Personen mit unbekanntem Geschlecht beziehen, bei denen das Geschlecht der Personen nicht relevant ist, mit denen männliche und weibliche Personen gemeint sind oder mit denen eine verallgemeinernde Aussage gemacht werden soll.“ (Klann-Delius 2005, S. 26).
Die Verwendung des Generischen Maskulinums wird 1850 im britischen Parlament eingeführt. Sie beschließen, dass maskuline Formen gleichermaßen Frauen wie Männer berücksichtigen und einschließen (vgl. Gibbon 1999, S. 50). Dies basiert auf der langen Tradition, dass jene Stellen und Ämter ausschließlich von Männern besetzt und ausgeführt worden sind. Insofern kann das generische Maskulinum nicht nur als formalen Aspekt des Sprachgebrauchs verstanden werden. Es gilt darüber hinaus auch als Abbildung einer systematischen Bevorzugung des männlichen Geschlechts innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen der Vergangenheit und Gegenwart. Entsprechend fraglich ist, ob das sogenannte generische Maskulinum tatsächlich Frauen und Personen mit anderen Geschlechteridentitäten einschließen und repräsentieren kann.
Die selbstverständliche Nutzung des generischen Maskulinums für die Beschreibungen heterogener Gruppen im Deutschen führt zu zwei möglichen Lesarten solcher Personenbezeichnungen, beispielsweise: ‚Die Lehrer stellen fest, dass ...‘. Die Gruppe der Personen, die hier gemeint sind, kann aus männlichen und nicht-männlichen Personen oder ausschließlich aus männlichen Personen bestehen. Samel (2000) beschreibt dies mit folgendem Schema:
der Kunde der Kunde und die Kundin
der Kunde der Kunde (vs. die Kundin) (Samel 2000, S. 66).
Die erste Lesart wird als generisch erkannt und soll geschlechtsneutral, beziehungsweise geschlechtsübergreifend fungieren. Die zweite Lesart steht dem gegenüber und meint lediglich männliche Personen. Letztere schließt dabei alle nicht-männlichen Personen aus. Durch die identischen Formen des generischen und des geschlechtsspezifischen Maskulinums ist nicht ersichtlich, wann welche Form verwendet wird. Häufig wird eine generische Form als geschlechtsspezifisch männliche Bezeichnung verstanden (vgl. Trömel-Plötz in Samel 2000, S. 67). Daraus kann sich eine realitätsferne und asymmetrische Repräsentation der Geschlechter in dem Sprachsystem ergeben. Die Auffassung der feministischen Linguistik kritisiert diese Zweideutigkeit des generischen Maskulinums und die damit einhergehende Nicht-Beachtung von Frauen und nicht-männlichen Geschlechtern. Dies wird mitunter auch durch lexikalische Defizite im Deutschen deutlich, welche einen sexistischen Sprachgebrauch unterstützen: es gibt beispielsweise kein maskulines Gegenstück zu dem Begriff Krankenschwester. Ebenso fehlt ein Pendant zu der Berufsbezeichnung Hebamme oder dem abwertenden Begriff Flittchen.
Ferner argumentiert Trömel-Plötz die Nutzung des Maskulinums sei nur angeblich generisch, dabei referiere und identifiziere es ausschließlich männliche Personen. Daher müsse die feminine Form und somit Frauen in der Sprache sichtbar werden. Trömel-Plötz schlägt infolgedessen ein neues Schema vor, welches die Beidnennung der Geschlechter vorsieht:
Die Kundin / der Kunde die Kundin und/oder der Kunde der Kunde der Kunde (ein Mann) (Trömel-Plötz in Samel 2000, S. 67).
In der klassischen Sprachwissenschaft wird das generische Maskulinum ebenso als nur bedingt funktional erachtet. Die Linguist:innen stolpern bereits im ersten Schritt über die Verwendung des Ausdrucks generisch in der Bezeichnung selbst. Diese Bezeichnung wird üblicherweise in der Linguistik anders benutzt: „Eine generische Personenbezeichnung bezieht sich abstrakt auf eine Gattung (Klasse) als solche und keinesfalls auf konkrete Mitglieder derselben.“ (Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 92.). Generika werden in der Regel als nicht-referentiell und nicht-identifizierend verwendet. Laut durchgeführten Tests wird dies jedoch nur selten dem sogenannten generischen Maskulinum und dessen Nutzung zugrunde gelegt. Einige Sprachwisssenschaftler:innen sprechen eher von einem geschlechtsübergreifenden Maskulinum (vgl. ebd., S. 92 f.). Die Sprachwissenschaft sieht infolgedessen vor, verschiedene Arten der Determination, beziehungsweise die Abstufungen in der Referenzialität zu beachten, wenn es um das sogenannte generische oder geschlechtsübergreifende Maskulinum geht. Faktoren, die dies beeinflussen, sind unter anderem der Numerus oder auch ob die genannte Person als Subjekt, Objekt oder etwa nur als adverbiale Bestimmung fungiert. Für die linguistische Perspektive steht die Referenzialität in proportionaler Abhängigkeit zu der Relevanz der Nennung von Geschlecht (vgl. ebd.). Gleichermaßen wird zu bedenken gegeben, dass der Mensch in der Regel nicht dazu in der Lage ist, sich geschlechtslose Personen vorzustellen. „Aus der experimentellen Psychologie weiß man, dass ein Mensch ohne deutlich weibliche Geschlechtsinsignien (Brust, Rock, Stöckelschuhe) als Mann gelesen wird“ (ebd., S. 93). Entsprechend greift bei Personenbezeichnungen typischerweise das Genus-Sexus-Prinzip, das grammatische Geschlecht wird auch als biologisches angenommen. „Da wir uns kaum eine geschlechtslose Person vorstellen können, ist es nahezu immer relevant, beim sprachlichen Bezug auf eine Einzelperson das Geschlecht zu erwähnen“ (Becker in Kotthoff / Nübling / Schmidt 2018, S. 94). Auch die linguistische Perspektive kritisiert die doppelte Lesart des generischen oder geschlechterübergreifenden Maskulinums und gibt zu bedenken, dass hauptsächlich männliche Assoziationen hervorgerufen werden.
3.3. Geschlechtergerechte Sprache
Als Alternative zu dem sogenannten generischen Maskulinum wird die geschlechtergerechte Sprache vorgeschlagen. Die geschlechtergerechte Sprache ist medial so präsent wie nie und wird öffentlich vielseitig diskutiert. Um jene Diskussion untersuchen und erklären zu können, müssen zunächst das Konzept und Ziel sowie die unterschiedlichen Varianten der geschlechtergerechten Sprache erläutert werden. Bereits im Jahr 1980 wurden die ersten Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs unter anderen von Pusch und Trömel-Plötz formuliert (vgl. Pusch / Trömel-Plötz 1980). Mit diesen Empfehlungen wollen sie zum einen den Blick für Sexismus in der Sprache schärfen. Zum anderen sollen Frauen durch Symmetrie in den Bezeichnungen in der Sprache sichtbar gemacht werden (vgl. Samel 2000, S. 141). Im Jahr 1992 beschließt der Deutsche Bundestag das generische Maskulinum in der Rechtssprache zu vermeiden, damit Frauen und Männer gleichermaßen sprachlich repräsentiert werden (vgl. Deutscher Bundestag 1990, S. 3).
In einer Gesellschaft, in der alle Geschlechter und Geschlechteridentitäten gleichberechtigt und gleichgestellt sind, sollte eine inklusive und nicht-diskriminierende Sprache selbstverständlich sein. Das Antidiskriminierungsgesetz oder allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert in Deutschland das Recht auf (sprachliche) Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht (§ 1 AGG). Im Gegensatz zu Artikel 3 des Grundgesetzes, welcher die Gleichbehandlung in Handlungen das Staates festlegt, ist das AGG auch im Verhältnis der Bürger:innen untereinander anwendbar. Das AGG schreibt beispielsweise auch die geschlechtsneutralen Formulierungen von Stellenausschreibungen vor. In Deutschland lassen sich jedoch trotz der Rechtslage in vielen Bereichen des alltäglichen und öffentlichen Lebens Defizite in der Umsetzung von geschlechtergerechter oder geschlechterneutraler Sprache beobachten. Ebenso ist die geringe Verwendung von geschlechtergerechten Formulierungen in der Wissenschaft und Forschung erkennbar. Dies ist deshalb kritisch zu werten, da geschlechtergerechte Sprache nachweislich die Präzision und Aufmerksamkeit in der Nutzung von Sprache steigert (vgl. Posch 2011). Insbesondere im Hinblick auf die aus einer Untersuchung von Posch (2011) hervorgehenden Erkenntnisse, dass Strategien zur Veränderung des Sprachgebrauchs besonders erfolgreich seien, wenn sie von „statushohe[n] Gruppen und soziale[n] Institutionen“ (Ivanov et al., 2018) umgesetzt werden, wird die entscheidende Rolle geschlechtergerechter Sprache in der Wissenschaft deutlich.
Der Senat in Hamburg hat als erstes Bundesland eine geschlechtergerechte Sprache im Jahr 2021 in die Verwaltungssprache aufgenommen. Der Senatsbeschluss Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechts- und Verwaltungssprache der Freien und Hansestadt Hamburg von 1995 wurde entsprechend erweitert:
„Neben geschlechtsneutralen Formulierungen können künftig auch Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt verwendet werden. Auch bezüglich der persönlichen Anrede werden Alternativen vorgeschlagen, die ohne Geschlechtsbezeichnung auskommen. Dies stärkt die Wahlfreiheit für alle Mitarbeitenden der Hamburgischen Verwaltung und schließt Formulierungsverbote künftig aus.“ (Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, Hamburg 2021).
Der Hamburger Senat begründet dies mit dem Anliegen, alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht ansprechen zu wollen und somit die Vielfalt der Gesellschaft zu repräsentieren. Eine einheitliche Bundesrichtlinie zu geschlechtergerechter Sprache existiert derzeit nicht. Auch wenn der Rat für deutsche Rechtschreibung eine geschlechtergerechte Sprache begrüßt, wird geschlechtergerechte Sprache zunächst als gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe erachtet. Somit wird die Nutzung von Sonderzeichen bislang nicht vom Rat für deutsche Rechtschreibung empfohlen (vgl. Rat für deutsche Rechtschreibung 2021).
Der Linguist Stefanowitsch erachtet politisch korrekte Sprache als eine Frage der Moral und formuliert folgende goldene Regeln:
„1. Stelle andere sprachlich nicht so dar, wie du nicht wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle.
2. Stelle andere sprachlich stets so dar, wie du wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle.“ (Stefanowitsch 2018, S. 24).
Das Ziel der geschlechtergerechten Sprache ist der explizite Einbezug von weiblichen Personen und/oder Personen mit nicht-binärer Geschlechteridentität in den gewählten Formulierungen der deutschen Sprache. Die geschlechtergerechte Sprache möchte so die Gleichberechtigung von Frauen und Personen mit weiteren Geschlechteridentitäten (neben dem Maskulinum) auch sprachlich fördern und manifestieren. Die geschlechtergerechten Formulierungen unterscheiden sich entsprechend deutlich von der konventionellen Verwendung des sogenannten generischen Maskulinums. Grundsätzlich wird in der geschlechtergerechten Sprache nach Methoden der Sichtbarmachung und der Neutralisierung differenziert. Währenddessen die Sichtbarmachung explizit auf die Nennung von nicht-männlichen Geschlechteridentitäten abzielt, versucht die Neutralisierung auf geschlechterspezifische Personenbezeichnungen zu verzichten und somit den Bezug zum Geschlecht zu umgehen. In Tabelle 1 wird eine Übersicht über ausgewählte Formen der geschlechtergerechten Sprache und das generische Maskulinum dargestellt.
Tabelle 1 Übersicht über Formen der geschlechtergerechten Sprache
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3.1. Geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen
Geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen versuchen keinen Bezug zum Geschlecht einer Person oder Personengruppe herzustellen. In der Regel handelt es sich bei dieser Formulierung um Substantivierungen, die aus Adjektiven oder Partizipien abgeleitet werden: die Studierenden. Im Singular lassen sich so identische Formen bilden, die lediglich durch den angepassten Artikel Rückschlüsse auf das Geschlecht zulassen: die Studierende, der Studierende. Der geschlechtsspezifische Bedeutungsaspekt wird also im Plural neutralisiert, entsprechend sind Pluralformen dieser Personenbezeichnungen geschlechtsneutral. Des Weiteren zählen Neutra wie das Individuum und Substantive, die innerhalb des Genus-Systems der deutschen Sprache zwar einen nicht-neutralen Artikel besitzen, jedoch keinen Bezug zum Geschlecht aufweisen wie die Person oder der Mensch zu den geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen (vgl. Braun, Sczesny & Stahlberg 2005, S. 3 f.).
3.3.2. Beidnennung
Eine Form, die im Besonderen die Gleichstellung von Mann und Frau sprachlich verfolgt, ist die Beidnennung der maskulinen und femininen Personenbezeichnungen: die Studentinnen und Studenten. Ebenso können die Adjektive weiblich und männlich als Attribute vor ein Substantiv gestellt werden: die weiblichen und männlichen Studenten. Dabei werden die weiblichen Personen gleichermaßen benannt wie die männlichen. Somit werden Frauen mit der Sprache repräsentiert. Nicht-binäre Personen oder andere Geschlechteridentitäten werden mit dieser Schreib- und Sprechweise allerdings weder adressiert noch berücksichtigt. Zudem nimmt diese Form viel Raum für die Schreibung und Aussprache in Anspruch. Schon Pusch erkannte die Schwerfälligkeit und unökonomische Verwendung dieser Formulierungen (vgl. Samel 2000, S.71 f.).
3.3.3. Das Gender-Sternchen und der Doppelpunkt
Als ökonomischere Formulierung der Beidnennung bieten sich Kurzformen an, die mit Hilfe eines Sonderzeichens dargestellt werden. Dabei wird die Morphemgrenze zwischen Stamm und Movierungssuffix visuell und auditiv voneinander getrennt. Die geschlechtergerechte Form des Gender-Sternchens (Schüler*innen) verdeutlicht dabei neben der maskulinen und femininen Form einer Personenbezeichnung außerdem eine diverse Geschlechterzugehörigkeit (vgl. Kotthoff, H. / Nübling, D. / Schmidt, C. 2018, S. 218). Das jeweilige Sonderzeichen repräsentiert alle nicht-männlichen und nicht-weiblichen Geschlechteridentitäten. In der Aussprache wird das Sonderzeichen durch eine integrierte Sprechpause, dem Glottisverschluss, angezeigt. Weitere Zeichen, die eine geschlechtergerechte Sprache veranschaulichen, sind unter anderem der Doppelpunkt (Schüler:innen) und der Unterstrich (Schüler_innen). Jedes dieser Sonderzeichen möchte einen Raum zwischen den Geschlechtern eröffnen, welcher die Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellt und weitere Geschlechteridentitäten einschließt und repräsentiert (vgl. AG Feministisch Sprachhandeln 2015). Der Doppelpunkt wird dem Gender-Sternchen gegenüber teilweise bevorzugt behandelt, da er barrierefreier für blinde Menschen sein soll. Sprachausgabeprogramme lesen die Doppelpunkt-Variante mit der entsprechenden eingeschobenen Pause, vor, währenddessen das Sternchen auch als Stern rezipiert wird: Schüler-Stern-Innen.
3.3.4. Sonstige Formen der geschlechtergerechten Sprache
Als weitere Formulierungen von feministischer Sprache gelten die verkürzten Formen der Beidnennung mit dem Binnen-I (SchülerInnen) oder einem Schrägstrich (Schüler/innen). Diese beziehen sich allerdings lediglich auf weibliche und männliche Personenbezeichnungen und werden daher weitestgehend abgelehnt (vgl. Kotthoff, H. / Nübling, D. / Schmidt, C. 2018, S. 217 ff.).
Pusch schlägt 1990 die Nutzung eines generischen Femininums vor, um dem sogenannten generischen Maskulinum entgegenzuwirken. Anstatt die maskuline Form übergreifend für alle Personen zu verwenden, werden bei diesem Konzept ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen benutzt. Die feminine Form enthalte schließlich die maskuline Form in sich, argumentiert sie (vgl. Pusch 1990, S. 93). Sie selbst kommt zu dem Schluss, dass diese Formulierung zwar das einzig richtige Verfahren sei, um Gleichstellung in der Sprache hervorzurufen. Dennoch äußert sie Bedenken, ob diese in der Praxis aufgenommen und umgesetzt werde (vgl. ebd. S. 101). Mit dieser Einschätzung liegt sie heute nicht falsch, das generische Femininum hat sich bislang nicht durchgesetzt. Dennoch hat die Universität Leipzig im Jahr 2013 ihre Grundordnung im generischen Femininum veröffentlicht (vgl. Universität Leipzig 2013). Entsprechend kann diese Möglichkeit für eine Art der sprachlichen Gleichberechtigung nicht als unanwendbar oder gar ausgestorben erachtet werden.
Die AG Feministisch Sprachhandeln schlägt zudem die X-Schreibweise nach L. Hornscheidt (2012) vor. Hierbei wird auf einen Bezug zum Geschlecht verzichtet und eine neue Form gebildet (vgl. AG Feministisch Handeln 2015, S. 22 f.). Dazu wird ein -x im Singular und -xs im Plural an den Wortstamm angehängt: Studierx oder Studierxs. „Das ‚x‘ signalisiert ein Durchkreuzen herkömmlicher gegenderter Personenvorstellungen“ (ebd., S. 22). Zudem kann auch der Artikel mit einem -x versehen werden. Diese Form kann benutzt werden, wenn kein Bezug zum Geschlecht oder der Geschlechteridentität einer Person hergestellt wird oder hergestellt werden soll.
Zudem findet sich das sogenannte Entgendern nach Phettberg als weitere mögliche Form von geschlechtergerechten, beziehungsweise geschlechterneutralen Sprache. Der Germanist Kronschläger der TU Braunschweig befürwortet und verwendet diese Methode seit drei Jahren. Das Entgendern nach Phettberg sieht ebenfalls ein anderes Suffix für Personenbezeichnungen vor, um so über Personen sprechen zu können, ohne ihnen ein Geschlecht zuzuschreiben. Es wird das -y im Singular und -ys im Plural vorgeschlagen. Diese Form geht auf den österreichischen Aktionskünstler Hermes Phettberg zurück, der diese Art in seiner wöchentlichen Kolumne bereits seit 1992 verwendet (vgl. Kronschläger 2020, S. 1). Aus Schülerin und Schüler wird die geschlechtsneutrale Form das Schüly im Singular sowie die Schülys im Plural. „Alle Personenbezeichnungen, die nach Phettberg entgendert werden, sind im Genus Neutrum (ne utrum = keines von beidem)“ (ebd.). Das hat zur Folge, dass alle Personenbezeichnungen im Singular neben dem Suffix ebenfalls den Artikel wechseln. Dieser innovative Ansatz soll alltagsbrauchbar, leicht verständlich und einfach umzusetzen sein. Ebenso ist er als besonders leicht lernbare Variante für Deutschlerner:innen zu erklären.
Tabelle 2 Übersicht über weitere Formen der geschlechtergerechten Sprache
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.4. Effekte von geschlechtergerechter Sprache
Das generische Maskulinum wird im Wesentlichen sowohl für das Mitmeinen von Frauen und anderen Geschlechteridentitäten als auch für das Hervorheben der Männer in patriarchalen Gesellschaftsstrukturen kritisiert. Geschlechtergerechte Sprache soll und will diese Probleme lösen. Frauen und nicht-binäre Personen sollen in der Sprache sichtbar werden, um so nachweislich Effekte auf die Gleichberechtigung und das Lösen von traditionellen Geschlechterrollen zu erzielen.
Durch den Einsatz von geschlechtergerechter Sprache werden Frauen gedanklich einbezogen und abgebildet. Das Bild, welches in den Köpfen erzeugt wird, wird diverser, Frauen werden sichtbar. Dies ermittelt die 2008 von Gygax et al. durchgeführt Studie. Auch die Forschung von Kollmayer et al. 2018 bestätigt dies: etwa 44% der Teilnehmenden assoziieren weibliche Personen bei der geschlechtergerechten Nutzung der Personenbezeichnung Spezialist. Nur 33% der Befragten glaubten dies bei der Formulierung mit ausschließlich männlichen Personenbezeichnungen (vgl. Kollmeyer et al. 2018). Die Verwendung von geschlechtergerechten Formulierungen kann entsprechend ein Mittel sein, um mit stereotypischen Geschlechterrollen zu brechen.
Zudem zeigt die Nutzung von geschlechtergerechter Sprache Auswirkungen auf die Berufswahl und die Vergabe von Arbeitsplätzen. Stout untersucht 2009 die Reaktionen auf Bewerbungen in Abhängigkeit zu der Formulierung der Stellenausschreibungen. Den Versuchspersonen wurden verschiedene Bewerbungen für eine Stelle im Management vorgelegt. Die Stellenausschreibungen adressieren entweder potenzielle Manager oder Manager und Managerin. Die Studie zeigt, dass, wenn in der Ausschreibung ausschließlich die männliche Form verwendet wird, die Bewerbung einer Frau mit gleichen Qualifikationen als weniger passend empfunden wird (vgl. Stout 2009).
Ein ähnlicher Effekt von geschlechtergerechter Sprache wird auch in Bezug auf Kinder beobachtet. In der Studie von Vervecken / Hannover aus dem Jahr 2015 wurde gezeigt, welche Wirkungen die Nutzung von geschlechtergerechter Sprache auf Grundschulkinder haben kann. Dazu wurden den Kindern verschiedene Berufsbezeichnungen vorgelesen, entweder in geschlechtergerechter Bezeichnung oder männlicher Bezeichnung, darunter stereotypische Männer- und Frauenberufe. Die Kinder sollten einschätzen, wie viel man in dem jeweiligen Beruf verdient, wie wichtig er ist, wie schwer zu erlernen und auszuführen er ist und ob sie sich selbst zutrauen würden, diesen Beruf auszuüben. Werden die Berufe in geschlechtergerechter Sprache präsentiert, trauen sich Mädchen viel eher zu, stereotype Männerberufe zu ergreifen. Auch Jungen wählen häufiger stereotype Frauenberufe, wenn geschlechtergerechte Sprache verwendet wird. Durch die Beidnennung der Geschlechter in der Berufsbezeichnung von Automechanikerinnen und Automechaniker gaben wesentlich mehr Mädchen an, den Beruf ausführen zu wollen als nur bei der maskulinen Form. Gleichermaßen sprach die Berufsbezeichnung Kosmetikerinnen und Kosmetiker wesentlich mehr Jungen an (vgl. Vervecken / Hannover 2015). Dennoch führt das generische Maskulinum zu einer tendenziell anspruchsvolleren Einschätzung durch die Kinder (vgl. ebd.). Die explizite Sichtbarmachung von beiden Geschlechtern in der Sprache bewirkt infolgedessen eine gesteigerte Zuversicht hinsichtlich der eigenen Eignung. Die typisch männlichen Berufe wurden nach der geschlechtergerechten Bezeichnung als leichter erlernbar und weniger schwierig eingeschätzt als mit der rein männlichen Bezeichnung. Erklärt wird dies auch mit der internalisierten Vorstellung typisch männliche Berufe seien schwieriger auszuführen und verantwortungsvoller. Die Nutzung von geschlechtergerechter Sprache kann entsprechend mit positiven und negativen Auswirkungen auf Kinder einhergehen: die eigene Zuversicht einen Beruf auszuüben steigt, währenddessen das Ansehen und die Bewertung eines Berufes sinkt (vgl. ebd.). Diese Tendenz, die Abwertung von Berufen, bestätigt auch die Studie von Horvath et al. (2016).
3.5. Kritik an geschlechtergerechter Sprache
Die Diskussion um den Gebrauch und den Nutzen von geschlechtergerechter Sprache ist vielschichtig und emotional aufgeladen. Der Diskurs findet in öffentlichen Debatten, in sozialen Netzwerken sowie im privaten Raum statt. Geschlechtergerechte Sprache möchte alle Personen ansprechen und repräsentieren und fordert eine Umstellung im Sprachgebrauch.
Kritker:innen beschweren sich oft über die vermeintliche Umständlichkeit und Unübersichtlichkeit von geschlechtergerechter Sprache. Diese widerspreche so dem Prinzip der Ökonomie. Geschlechtergerechte Sprache scheint im ersten Moment tatsächlich umständlich und kompliziert zu sein, doch wird die Verwendung von Sprache vor allem durch eines geprägt: Gewöhnung. Die Menschen sind seit Jahrzehnten daran gewöhnt das vermeintlich generische Maskulinum alltäglich zu benutzen. Umstellung ist zunächst anstrengend. Feminist:innen wiederum entgegnen, diese Umstellung sei notwendig um Diskriminierung in und durch Sprache zu bekämpfen und so mit stereotypischen Vorstellungen von Geschlechtern zu brechen (vgl. AG Feministisch Sprachhandeln 2015). Ebenso wird darauf aufmerksam gemacht, dass durch die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache die Bedeutungsgenauigkeit von Sprache und Aussagen gesteigert wird, es wird deutlich ob ausschließlich männliche Personen gemeint werden oder nicht (vgl. Schneider et al. 2011, S. 70). Auch die gesprochene Pause im Wort, der Glottisverschlusslaut, wird als umständlich empfunden. Dabei ist dieser in anderen Wörtern im deutschen Sprachgebrauch geläufig: Spiegelei, vereisen, überall.
Des Weiteren wird oft entgegnet, geschlechtergerechte Sprache entspreche nicht den vorherrschenden Grammatik- und Orthographieregeln des Deutschen. Das ist korrekt, es gibt derzeit keine einheitlichen Regeln hierzu. Dennoch zeigt sich, dass Sprache veränderbar ist. Dies findet auf der einen Seite durch den natürlichen Sprachwandel statt, die Sprache verändert sich innerhalb eines natürlichen Prozesses. So ist beispielsweise die Nutzung der Präposition wegen mit dem Dativ mittlerweile auch vom Duden aufgenommen worden (vgl. Duden online). Zuletzt hat der Duden außerdem 3000 neue Wörter aufgenommen und etwa 300 Wörter gestrichen. Zum anderen wird die Sprache als Kulturgut durch gesellschaftliche Umbrüche geprägt und gestaltet. Der Sprachgebrauch sollte stets an eine nicht-diskriminierende Sprache angepasst werden. Ähnlich verhält es sich mit dem N-Wort, welches nicht mehr ausgeschrieben oder ausgesprochen wird (vgl. ebd.). Zudem gibt es eine Reihe von Begriffen im Deutschen, die innerhalb eines Wortes Großbuchstaben enthalten, beispielsweise GmbH (vgl. ebd.).
Aus diesen Kritikpunkten ergibt sich ein weiterer, nämlich die vermeintliche Unverständlichkeit im Lesefluss von geschlechtergerechter Sprache. Die kognitive Leistung des Arbeitsgedächtnisses würde bei der Rezeption von Texten, in denen eine geschlechtergerechte Formulierung gewählt worden ist, erheblich gesteigert werden, sodass es sich bei der geschlechtergerechten Sprache um eine Art Elitensprache handle. So lautet beispielsweise auch der Vorwurf des FDP-Politikers Kubicki (Berliner Zeitung 2021). Die Diplom-Psychologin Niemann konnte dies in ihrer Studie (2020) nicht bestätigen. Es sind keine signifikanten Unterschiede in der Rezeption und somit in der erhöhten Leistung des Arbeitsgedächtnisses von geschlechtergerechter Sprache nachgewiesen worden (vgl. Niemann 2020). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Blake / Klimmt in ihrer 2018 durchgeführten Studie: „In Bezug auf die subjektiven und zeitbasierten Lesbarkeitsmaße sowie die sprachliche Ästhetik erzielte das Modell mit Paarfomen und genusneutralen Formulierungen ebenso gute Werte wie der Text in gewohnt generisch maskuliner Schreibweise.“ (Blake / Klimmt 2018, S. 299).
Ebenso wird die Intention selbst von geschlechtergerechter Sprache kritisiert: Frauen und nicht-männliche Personen sollen sichtbar gemacht werden. Der Einwand besteht in der Überbetonung von Geschlechte in der Sprache, sodass das Geschlecht überhaupt erst eine Rolle spiele, auch in Situationen, in denen es keine Rolle spielen sollte. Die Unterschiede von Frauen und Männern können so noch mehr in den Vordergrund treten und somit die Differenz der Geschlechter vergrößern und würde nicht zuletzt Sexismus in die Sprache erst einführen. Ebenso wird argumentiert, die maskulinen Personenbezeichnungen haben kaum einen Einfluss auf die Assoziationen, die hergestellt werden. So würden Türk:innen und Japaner:innen beispielsweise auch bei den Berufsbezeichnungen Pilot und Soldat überwiegend an männliche Personen denken – und das obwohl ihre Sprachen weder ein Femininum noch ein Maskulinum kennen (vgl. Lorenz 2020).
Ein weiterer Einwand besteht in der Notwendigkeit um geschlechtergerechte Sprache. Nicht-männliche Personen werfen ein, sie fühlen sich auch mit dem sogenannten generischen Maskulinum angesprochen und benötigen keine separate Form oder ausdrückliche Nennung des eigenen Geschlechts. Das mag subjektiv auf diejenige Person zutreffen, doch zeigen aktuelle Studien (Gygax et al. 2008, Kollmayer et al. 2018) zum Einfluss sprachlicher Formen auf die Wahrnehmung, dass bei der männlichen Personenbezeichnung zunächst Männer assoziiert werden. Infolgedessen wird das sogenannte generische Maskulinum in der Regel nicht mehrheitlich generisch interpretiert. Dies gilt nicht nur für prototypisch männlich konnotierte Berufe. Auch bei sogenannten Frauenberufen haben die Teilnehmenden der Studie zunächst männliche Personen assoziiert bei der Verwendung von ausschließlich männlichen Personen- und Berufsbezeichnungen (vgl. Gygax et al. 2008). Die AG Feministisch Sprachhandeln gibt außerdem zu bedenken, dass Fälle, wenn sich nicht-männliche Personen mit dem übergreifenden Maskulinum repräsentiert und angesprochen fühlen, verdeutlichen wie sehr „Sexismus/Genderismus internalisiert und wie stark Sexismus/Genderismus gesellschaftliche normalisiert ist“ (AG Feministisch Sprachhandeln 2015, S. 45).
4. Geschlechtergerechte Didaktik
4.1. Doing Gender in der Schule
Die Geschlechterforschungen in der Schule berücksichtigen hauptsächlich Gymnasien. Dabei werden im Besonderen Mädchen von der Frauenforschung betrachtet. Im Fokus der Analysen der Geschlechterunterschiede in der Schule liegen zwei Aspekte. Zum einen wird die Divergenz zwischen den sehr guten schulischen Leistungen der Mädchen und den mangelhaften Berufsaussichten dieser beobachtet. Zum anderen stehen die geschlechterbezogenen Leistungskurswahlen in der gymnasialen Oberstufe für die Untersuchungen im Fokus der Forschung. Daran geknüpft sind die Selbstkonzepte der Mädchen und Jungen bezüglich der verschiedenen Leistungen und Möglichkeiten in den jeweiligen Fachrichtungen (vgl. Nyssen 2004, S. 392 f.).
Das Konzept Doing Gender wurde von West und Zimmermann 1987 veröffentlicht. Mit diesem Ansatz verfolgen sie eine Ausarbeitung der sex/gender-Relation. Sie lehnen die Betrachtung von Geschlecht als natürliche, biologische Gegebenheit ab und erkennen die Konstruktion von Geschlecht in Abhängigkeit von sozialer Interaktion, genauer als Ergebnis interaktiver, sozialer Prozesse innerhalb der Gesellschaft. Geschlecht und Geschlechteridentität sind zwar gegebene Eigenschaften einer Person, diese werden jedoch ständig durch soziale Prozesse und Interaktionen kreiert, entwickelt und rezipiert (vgl. Meissner 2008, S. 9). Für die Analyse von Prozessen in sozialen Interaktionen unterscheiden West / Zimmermann zwischen drei Faktoren, die für die soziale Konstruktion von Geschlecht relevant sind:
a) sex (Geburtsklassifikation): die Klassifikation nach der Geburt durch die körperlichen Merkmale bezüglich sozial vereinbarter Kriterien
b) sex-category (Geschlechtskategorie): die soziale Zuordnung eines Geschlechts infolge der sozial ausreichenden Darstellung einer Zugehörigkeit zu einem Geschlecht
c) gender: die intersubjektive Bestätigung der Zuordnung der Geschlechtskategorie durch angemessene Verhaltensweisen, die der Normalvorstellung entsprechen (vgl. West / Zimmermann 1987, S. 127).
Die drei Faktoren sind unabhängig voneinander zu betrachten. So muss der Aspekt sex nicht mit der sex-category übereinstimmen, wie beispielsweise bei Transpersonen gezeigt werden kann. Gleichermaßen ist auch bei der Betrachtung von sex-category und dem Faktor gender zu differenzieren. Wirkt beispielsweise eine als Frau identifizierte Person in einer Situation unweiblich, so bleibt ihre sex-category dessen ungeachtet bestehen (vgl. ebd., S. 131 f. / Meissner 2008, S. 9). West / Zimmermann bezeichnen Geschlecht und die Auslebung dessen als ominrelevant: „doing gender is unavoidable“ (West / Zimmermann 1987, S. 137).
Auf der Basis des Konzepts des Doing Gender von West / Zimmermann (1987) und der sozialkonstruktivistischen Perspektive auf Geschlecht wird die Geschlechter-ordnung in der Schule betrachtet. Dabei spielen die sozialen Interaktionen von Schüler:innen und Lehrkräften eine besondere Rolle. Diese sind grundlegend für die allgemeinen Geschlechterrollen und -erwartungen, die Heranwachsende in ihrer Persönlichkeitsbildung beeinflussen. Die Geschlechterbildung wird bereits in der Schule konzipiert und reproduziert. Durch die besondere Analyse der Verhaltensweisen des Lehrpersonals wurde das „Zweidrittel-Aufmerksamkeitsgesetz“ (Meuser 2008, S. 645) bestimmt. Demzufolge wird nur ein Drittel der Aufmerksamkeit den Mädchen und bis zu zwei Drittel den Jungen gegeben. Erklärt wird dies wird durch das oft negativ auffallende Verhalten von Jungen, welches in der Institution Schule vermeintlich zu tadeln und zu korrigieren gilt. In der Gruppe der gleichaltrigen Jungen wird dieses Verhalten gleichwohl toleriert und gutgeheißen. Des Weiteren wird durch eine ausdrückliche geschlechtergerechte Unterrichtspraxis, beispielsweise dem explizit abwechselnden Aufrufen von Mädchen und Jungen, das Bewusstsein für zwei unterschiedliche Geschlechter gestärkt. (vgl. ebd., S. 645 f.).
Auch unter den Schüler:innen werden Unterschiede im Verhalten innerhalb und außerhalb des Unterrichts erfasst. Aus diesen geht hervor, dass Mädchen und Jungen stetig verschiedene Geschlechter (unterbewusst) konstruieren, zwischen diesen unterscheiden und als Ordnungsaspekt der sozialen Welt verstehen. Exemplarisch dafür ist besonders bei jüngeren Schüler:innen das Auswählen der Sitznachbar:innen nach ihren Geschlechtern. Doing Gender in der Schule zeigt, dass Schüler:innen bereits aktiv Geschlechterrollen rezipieren und rekonstruieren. So wird durch die angestrebte Wettbewerbsfähigkeit der Jungen auf die Struktur von hegemonialer Männlichkeit hingearbeitet (vgl. ebd.).
Die Ergebnisse der Untersuchungen der Geschlechterungleichheit in der Schule führen bereits in der Vergangenheit zu vermehrter Aufmerksamkeit der Schulpolitik. Im Fokus stehen im Besonderen die Wahl der Leistungskurse und die Interessenentwicklung von Schüler:innen. Infolgedessen wurden mehrere Modelle der Mädchenförderung entwickelt, die sich auf die naturwissenschaftlich-mathematische Leistungsfähigkeit der Mädchen konzentriert. Andersrum wurden jedoch die beobachteten Defizite der Jungen in dem sprachlich-kulturellen Bereich außer Acht gelassen. Demnach gibt es eine Vielzahl an Konzepten der Erneuerung des Curriculums oder allgemeiner Organisation der Unterrichtspraxis im naturwissenschaftlichen Bereich. Die Konzentration auf die Förderungen der Mädchen ist dennoch kritisch zu betrachten. Zum einen bedeutet dies weniger Aufmerksamkeit und Förderung der Jungen und damit eine geschlechterungleiche Betrachtung und Behandlung. Zum anderen werden Mädchen an eine männliche, allgemeingültige Norm angeglichen, welches gleichermaßen die Differenzen zwischen den Geschlechtern aufzeigt und das Männliche als Norm hervorhebt.
Um eine Gleichstellung der Geschlechter in der Schule zu realisieren, gilt die „reflexive Koedukation“ (Nyssen 2004, S. 399) als elementares Modell. Darunter fällt eine an die Interessen der Schüler:innen gebundene Erneuerung des Lehrplans, sowie die aktive Reduktion von Geschlechterstereotypisierungen des Lehrpersonals. Außerdem sollen grundsätzlich alle Schüler:innen als vom Geschlecht unabhängige Individuen akzeptiert, respektiert und gefördert werden (vgl. ebd.).
4.2. Geschlechtergerechte Didaktik des Sprechens in der Schule
Zu einer sprachlich geschlechtergerechten Didaktik ist der Forschungsstand aktuell eher spärlich. Elsen (2020) schlägt vor, „Stereotype aufzuweichen und die gewohnten Rollen und Verhaltensweisen [der Geschlechter] kritisch zu reflektieren“ (Elsen 2020, S. 231). Hierzu eigne sich im Besonderen der Deutsch- und Literaturunterricht. Es gibt einige Konzepte, die sich grundsätzlich mit der Aufarbeitung von Geschlecht, Stereotypen und Machtstrukturen in der Gesellschaft beschäftigen. Brünner (1990) entwickelt für die Sensibilisierung von Geschlecht und Sprache eine Unterrichtsreihe für die Oberstufe. Die Reihe enthält Texte und weitere Anregungen, die die Schüler:innen zu einem kritischen und reflektierten Denken ermutigen sollen. Dazu benutzt sie beispielsweise Materialien wie Folgendes:
„Zwei Indianer sitzen auf einem Zaun. Der erste ist der Sohn des zweiten, aber der zweite ist nicht der Vater des ersten. In welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander?“ (Brünner 1990, S. 70).
Die Lösung des Rätsels ist, dass es sich bei dem zweiten Indianer um die Mutter des Sohnes handelt. Die verwendete Formulierung lässt jedoch zunächst auf eine männliche Person schließen. In ihrer Beschreibung der Durchführung zeigt sich, dass eine lebhafte Diskussion in der Klasse entsteht und viele Schüler:innen sich aufmerksam und kritisch mit dem Thema auseinandersetzen. Besonders interessant ist, dass „viele kritisch und konstruktiv mit der Thematik umgingen, [währenddessen] es auf Seiten der jungen Männer aber auch abwehrende Reaktionen [gab]“ (Elsen 2020, S. 232). Elsen verweist ebenfalls auf Spieß‘ Vorschlag (2013), geschlechtergerechte Sprache im Arbeitsfeld von Bewerbungen und Stellenanzeigen zu thematisieren (vgl. Elsen 2020, S. 232).
Schneider et al. (2011) haben im Rahmen des österreichischen Bundeministeriums für Bildung unter anderem eine Checkliste für eine nicht diskriminierende Sprache im Unterricht herausgegeben. Sie machen darauf aufmerksam, dass auch Lehrkräfte auf eine gendersensible Sprache zurückgreifen und sich von dem Gedanken lösen sollen, Schülerinnen seien stets in dem Begriff Schüler inkludiert (vgl. Schneider et al. 2011, S. 71). Des Weiteren werden konkrete Handlungs- und Unterrichtsideen vorgeschlagen: im Literaturunterricht bietet es sich an, Gerd Brantenbergs Töchter Egalias auf Geschlechterrollen und deren Darstellung in der Sprache zu untersuchen. Im Speziellen verweisen sie auf die folgende Stelle, die für die kritische Sensibilisierung genutzt werden kann:
"Ich will Seefrau werden" - sagt ein Bub in diesem Roman und erntet damit den Spott seiner Schwester. "Haha! Ein Mann soll Seefrau werden? Denkste!" Neunmalklug fügte sie noch hinzu, dass der Wi¬edersinn doch schon in den Wörtern liege. "Eine männliche Seefrau! Der blödeste Aus¬druck seit Wibschengedenken [= Menschengedenken, Anm.]" (Brantenberg in Schneider et al. 2011, S. 72).
Zudem können Untersuchungen von Printmedien in Bezug auf geschlechtergerechte beziehungsweise sexistische Sprache durchgeführt werden. Jüngere Schüler:innen können hingegen klassische Gedichte genauer betrachten und diese in eine geschlechtergerechte Sprache und / oder Darstellung hin verändern. Ebenfalls können beschreibende Texte mit dem sogenannten generischen Maskulinum aus Geschichtsbüchern und Zeitungen, die beispielsweise das Leben in der Landwirtschaft oder auf einer Burg schildern, im Unterricht laut vorgelesen werden. Die Schüler:innen zeichnen, was sie sich dazu denken und welche Bilder in ihren Köpfen erzeugt wurden. Im Anschluss daran werden die Bilder nach Frauen- und Männerfiguren und ihren Tätigkeiten hin vergleichend untersucht und reflektiert (vgl. ebd. S. 72 f.).
Medienberichten zufolge untersagt Sachsens Kultusministerium zum neuen Schuljahr 2021/2022 die Nutzung von Sonderzeichen für eine geschlechtergerechte Sprache an Schulen (vgl. MDR Sachsen 2021). Dies bezieht sich auf offizielle Schreiben, Briefe an die Eltern sowie Unterrichtsmaterialien. Laut dem entsprechenden Schreiben an die Schulleitungen soll auf jegliche Sonderzeichen gänzlich verzichtet werden.
„Zur Begründung heißt es im Schreiben: Diese Sonderzeichen erfüllten weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung, noch entspreche sie den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks, hieß es in dem Schreiben. Mit dem Regelwerk meine man Vorgaben des "Rats für deutsche Rechtschreibung", so die Sprecherin.“ (ebd.).
Das Ministerium empfiehlt stattdessen die Verwendung von Paarformen und geschlechtsneutrale Formulierungen mit dem Ziel eine gendergerechte und verständliche Sprache zu ermöglichen (vgl. ebd.).
Insgesamt wird hinsichtlich einer geschlechtergerechten Sprache in der Schule vor allem das Bewusstsein der Schüler:innen geschärft. Es geht im Speziellen um den gesellschaftlichen Diskurs und das Aufbrechen von Stereotypen und Geschlechterklischees. Die Schüler:innen werden durch verschiedene Ansätze auf die Relevanz und Bedeutung von Sprache aufmerksam gemacht, sodass erst im Anschluss daran die Sprache selbst und die Möglichkeiten, um geschlechtergerecht zu agieren, ausdrücklich thematisiert wird.
5. Zwischenfazit
Die vorangegangene Betrachtung von Sprache zeigt, dass jegliche sprachliche Äußerung als Handlung zu verstehen und als solche zu bewerten ist. Der Sprachgebrauch vermittelt neben der Information persönliche Haltungen, Einstellungen und Werte von Menschen. Entsprechend relevant ist, wie gesprochen wird und wer adressiert und repräsentiert wird, denn Sprache erzeugt Bilder und Vorstellungen in den Köpfen eines jeden Individuums. Die deutsche Sprache stellt sich mit ihrem Genus-System und dessen Beziehung zum Sexus, dem biologischen Geschlecht, als besonders dar. Übereinstimmungen dieser Kategorien scheinen willkürlich, insbesondere bei Personenbezeichnungen wird ein sexistisches Bild in der Sprache sichtbar. Dies kann ebenso in Bezug auf das sogenannte generische Maskulinum interpretiert werden: die Norm scheint eine männliche zu sein. Frauen und nicht-binäre Menschen werden vermeintlich mitgemeint, allerdings nicht erwähnt. Die zuvor genannten Studien widerlegen diese Intention: meist werden mit dem generischen Maskulinum überwiegend männliche Personen assoziiert (vgl. Gygax et al. 2008, Kollmayer et al. 2018). Die explizite Nennung von Frauen und nicht-binären Menschen ist infolgedessen wichtig, um die Sichtbarkeit derer zu fördern und so ein diverseres Bild der Gesellschaft auch in der Sprache abzubilden. Die Sichtbarkeit in der Sprache fördert die Gleichberechtigung in der Gesellschaft.
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- Quote paper
- Lisa-Marie Osterhaus (Author), 2021, Bedeutung von Gender-Sternchen für Kinder und Jugendliche. Heranwachsende und Sprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1158219
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