Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich mit Gestaltungshinweisen für die Implementierung eines automatisierten Callcenters. Im Speziellen geht es dabei um die Ermittlung der automatisierbaren Prozesse. Auf Basis dieser gewonnenen Informationen und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen bilden Handlungsempfehlungen den Abschluss dieser wissenschaftlichen Arbeit.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die dadurch ermöglichte intelligente Prozessautomatisierung ermöglichen die Automatisierung von Geschäftsfällen in Callcentern. Da diese Automatisierungschancen in vielen Callcentern noch nicht genützt werden, wird in dieser Bachelorarbeit anhand eines österreichischen Handelsunternehmens ein Leitfaden erstellt, der die für die Automatisierung eines Callcenters erforderlichen Handlungsempfehlungen zusammenfasst.
Es werden dabei die in Callcentern vorhandenen Geschäftsfälle mittels leitfadengestützten Interviews in einem österreichischen Handelsunternehmen ermittelt und angeführt. Im Vorfeld wurden Kriterien für den Grad der Automatisierbarkeit von Geschäftsfällen identifiziert. Anschließend konnte ermittelt werden, welche Geschäftsfälle automatisiert werden können. Durch eine weitere Literaturrecherche wurden die für Callcenter einsetzbaren Technologien festgelegt und im Zuge einer weiteren Prüfung den automatisierbaren Geschäftsfällen gegenübergestellt. Als Ergebnis dieser Prüfungen wurden die Technologien Spracherkennung und Chatbot für eine Automatisierung der Geschäftsfälle eruiert. Anschließend wurden Hindernisse evaluiert, die eine Implementierung dieser Technologien verzögern oder verhindern könnten.
Es werden mögliche Hindernisse, welche bei der Einführung von Automatisierungs-Maßnahmen zu berücksichtigen sind, aufgelistet und auf die aktuell bereits in Callcentern im Einsatz befindlichen Technologien, wie Spracherkennung und Chatbots, eingegangen.
Die Forschungsergebnisse verschiedener Studien und Untersuchungen werden als aktueller Stand des Wissens angeführt. An diesem Zusammenhang werden sowohl die Abläufe als auch die Auswirkungen einer vollständigen Automatisierung erörtert. Dabei werden Einsatzbereiche und konkrete Tipps zur Implementierung angeführt.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kurzfassung
Abstract
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und wissenschaftliche Fragestellung
2 Grundlagen
2.1 Callcentertypen
2.2 Prozesse und Geschäftsfälle
2.3 Prozessautomatisierungstechnologien
2.4 Stand des Wissens
3 Vorgangsweise und Methoden
3.1 Vorgangsweise
3.2 Methoden
3.2.1 Literaturrecherche
3.2.2 Leitfadengestütztes Interview
3.2.3 Induktive Referenzmodellierung
3.2.4 Konzeptionell-deduktive Analyse
4 Empirischer Teil
4.1 Phase 1 – Mobilisieren
4.2 Phase 2 – Verstehen
4.2.1 Kriterien für Automatisierbarkeit festlegen
4.2.2 Prozesse dokumentieren
4.3 Phase 3 – Gestalten
4.3.1 Prüfung auf Automatisierbarkeit
4.3.2 Einsetzbare Technologien
4.3.3 Prüfung der Prozesse auf einsetzbare Technologien
4.4 Phase 4 – Implementieren
4.4.1 Hindernisse bei Automatisierung
4.4.2 Lösungsvorschläge für Hindernisse
4.4.3 Umsetzungsempfehlungen
4.5 Phase 5 – Managen
5 Ergebnisse und Schlussfolgerungen
5.1 Ergebnis - Leitfaden für die Implementierung von automatisierten Callcentern
5.2 Schlussfolgerungen
5.3 Beantwortung der Forschungsfragen
6 Zusammenfassung
7 Literatur
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhang
Eidesstattliche Erklärung
Vorwort
An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen Menschen bedanken, die mich während aller Abschnitte des Studiums und besonders bei der Erstellung der Bachelorarbeit verständnisvoll begleitet und unterstützt haben. Ein ganz besonderer Dank gilt dabei meiner Familie und meinen engsten Freunden, die in dieser Zeit viel Verständnis gezeigt und mir immer wieder Mut zugesprochen haben.
Ein großes Dankeschön gebührt meinem Arbeitgeber, im besonderen Hr. MMag. Jörg Bachl, der es mir in seiner Position als Personalleiter ermöglicht hat durch individuelle Arbeitszeitenlösungen ein berufsbegleitendes Studium trotz meiner Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen.
Ich möchte mich ebenfalls bei meinen Studienkollegen Thomas Schweiger, Florian Stricker und Michael Suker bedanken, die ab der ersten Lehrveranstaltung zu unverzichtbaren Teamkollegen wurden und dank denen es möglich wurde jede Herausforderung in den gemeinsamen 6 Semestern zu meistern.
Außerdem möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn DI Wolfram Rinke bedanken, der mich in der Zeit der Erstellung dieser Bachelorarbeit betreut, sich für meine Fragen stets Zeit genommen und damit wesentlich zum Gelingen der Bachelorarbeit beigetragen hat.
Des Weiteren möchte ich meinen Dank gegenüber der Studiengangsleitung und dem Department Informationstechnologie und Informationsmanagement aussprechen, welches die berufsbegleitende Weiterbildung durch hohe Optimierung des Zeitmanagements ermöglichte.
Kurzfassung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die dadurch ermöglichte intelligente Prozessautomatisierung ermöglichen die Automatisierung von Geschäftsfällen in Callcentern. Da diese Automatisierungschancen in vielen Callcentern noch nicht genützt werden, wird in dieser Bachelorarbeit anhand eines österreichischen Handelsunternehmens ein Leitfaden erstellt, der die für die Automatisierung eines Callcenters erforderlichen Handlungsempfehlungen zusammenfasst.
Es werden dabei die in Callcentern vorhandenen Geschäftsfälle mittels leitfadengestützten Interviews in einem österreichischen Handelsunternehmen ermittelt und angeführt. Im Vorfeld wurden Kriterien für den Grad der Automatisierbarkeit von Geschäftsfällen identifiziert. Anschließend konnte ermittelt werden, welche Geschäftsfälle automatisiert werden können. Durch eine weitere Literaturrecherche wurden die für Callcenter einsetzbaren Technologien festgelegt und im Zuge einer weiteren Prüfung den automatisierbaren Geschäftsfällen gegenübergestellt. Als Ergebnis dieser Prüfungen wurden die Technologien Spracherkennung und Chatbot für eine Automatisierung der Geschäftsfälle eruiert. Anschließend wurden Hindernisse evaluiert, die eine Implementierung dieser Technologien verzögern oder verhindern könnten.
Es werden mögliche Hindernisse, welche bei der Einführung von Automatisierungs-Maßnahmen zu berücksichtigen sind, aufgelistet und auf die aktuell bereits in Callcentern im Einsatz befindlichen Technologien, wie Spracherkennung und Chatbots, eingegangen.
Die Forschungsergebnisse verschiedener Studien und Untersuchungen werden als aktueller Stand des Wissens angeführt. An diesem Zusammenhang werden sowohl die Abläufe als auch die Auswirkungen einer vollständigen Automatisierung erörtert. Dabei werden Einsatzbereiche und konkrete Tipps zur Implementierung angeführt.
Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich mit Gestaltungshinweisen für die Implementierung eines automatisierten Callcenters. Im Speziellen geht es dabei um die Ermittlung der automatisierbaren Prozesse. Auf Basis dieser gewonnenen Informationen und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen bilden Handlungsempfehlungen den Abschluss dieser wissenschaftlichen Arbeit.
Abstract
The use of artificial intelligence and the resulting intelligent process automation enable the computerization of business cases in call centers. As these automation opportunities are not yet used in many call centers, this bachelor thesis will be based on an Austrian trading company and will compile a guideline that summarizes the recommended actions for the automation of a call center.
The business transactions in call centers are determined and listed by means of guided interviews in an Austrian trading company. In the beginning, the criteria for the degree of automation of business cases were identified. Subsequently, it was possible to determine which business cases can be automated. A further literature search established the technologies that could be used for call centers and compared them with the automatable business cases in the course of a further examination. As a result of these checks, the speech recognition and chatbot technologies were evaluated for business case automation. Subsequently, obstacles were evaluated that could delay or prevent an implementation of these technologies.
Possible obstacles to be considered in the introduction of automation measures are listed and the technologies already in use in call centers, such as speech recognition and chatbots, are discussed.
The research results of various studies and researches are cited as the current state of information. In this context, both the processes and the effects of a complete automation are discussed. Here are areas of application and concrete tips for implementation.
This scientific work deals with design notes for the implementation of an automated call center. In particular, it is about the determination of automatable processes. On the basis of this information and taking into account the general conditions, recommendations for action form the conclusion of this scientific work.
1 Einleitung
Mit Fragen zur menschlichen Intelligenz beschäftigten sich bereits zahlreiche Philosophen in der Antike. Den Ausgangspunkt für die, heute unter Künstliche Intelligenz (KI) bekannten, Forschung allerdings legte Alan Turing im Jahre 1950 mit seinen Überlegungen, ob Maschinen denken können. Schon damals war das Verständnis für Fragen der theoretischen Informatik und der Mathematik weit fortgeschritten, welche den Durchbruch im Bereich der Künstlichen Intelligenz ermöglichte. Als Ergebnis dieses Durchbruchs wurden heuristische Algorithmen und neuronale Netze entwickelt, die es ermöglichten in den letzten 20 Jahren weitere Fortschritte in diesem Gebiet zu machen. Damit wurde der Computer vom einfachen Speicher- und Rechenmedium zum hochintelligenten Analysewerkzeug (Kharchenko, Kleinschmidt, & Karla, 2018, S. 388).
IBMs Deep Blue und Watson waren dabei wichtige Meilensteine auf dem Weg zur regelbasierten Verarbeitung von Sprache in Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz. Bei Lösungen zur Sprachverarbeitung müssen Systeme in Echtzeit die auf natürlicher Sprache basierenden Inhalte der Mensch-Maschine-Kommunikation analysieren und je nach gesprochenem Inhalt anpassen können. Die technische Abbildung dieses neuronalen Netzes bildet die Grundlage für Machine Learning. Unter Machine Learning versteht man das eigenständige Erlernen von Interaktionen, wobei ein Software-Roboter aus dem menschlichen Verhalten lernt (Kharchenko et al., 2018, S. 388).
Das Fundament einer automatisierten Mensch-Maschine–Kommunikation in einem Callcenter ist somit die automatisierte Spracherkennung (Kharchenko et al., 2018, S. 385).
Dank intelligenter Prozessautomatisierungssoftware in Verbindung mit intelligenter Spracherkennung und –verarbeitung ist es im 21.Jahrhundert möglich, regelbasierte Geschäftsfälle in Callcentern zu automatisieren und die Geschäftsprozesse zwischen betrieblichen Anwendungssystemen mit Hilfe von Software-Robotern abzuwickeln (Kharchenko et al., 2018, S. 384).
„A foundational question for many BISE (Business and Information Systems Engineering) authors and readers is „What should be automated and what should be done by humans?” This question is not new. However, developments in data science, machine learning, and artificial intelligence force us to revisit this question continuously.” (van der Aalst, Bichler, & Heinzl, 2018, S. 269)
Laut Kharchenko et al. (2018) haben intelligente Prozessautomatisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz, allerdings erfordert Prozessautomatisierung laut van der Aalst et al. (2018, S. 269)eine laufende Überprüfung der Geschäftsfälle auf deren Automatisierbarkeit.
1.1 Problemstellung
Laut einer IDC1 -Studie (Gantz, Schubmehl, Wardley, Murray, & Vesset, 2017) planen bis 2018 rund 40 Prozent der befragten Unternehmen in Europa und den USA aktiv von Technologien der Künstlichen Intelligenz wie Machine Learning, Spracherkennung, Textanalyse oder numerischer Analyse im Bereich von Customer Relationship Management Gebrauch zu machen (Wahlmüller-Schiller, 2017, S. 361).
In Callcentern werden Tag für Tag mehrfach wiederkehrende Geschäftsfälle von Callcentermitarbeitenden direkt am Telefon oder in schriftlicher Form per E-Mail beantwortet. Bei einem Großteil der Anfragen handelt es sich um eine klassische Form der Auskunft, welche der Anfragende einfordert (Bittner, Schietinger, Schroth, & Weinkopf, 2000, S. 17).
Dank intelligenter Prozessautomatisierungssoftware in Verbindung mit intelligenter Spracherkennung und -verarbeitung ist es im 21.Jahrhundert möglich, regelbasierte Geschäftsfälle in Callcentern zu automatisieren und die Geschäftsprozesse zwischen betrieblichen Anwendungssystemen mit Hilfe von Software-Robotern abzuwickeln (Kharchenko et al., 2018, S. 384).
Die grundlegende Frage, welche Tätigkeiten von Maschinen und welche von Menschen erledigt werden können, ist nicht neu, sondern die laufenden Entwicklungen in Datenwissenschaften, Machine Learning und Künstlicher Intelligenz zwingen uns, diese Frage laufend zu überdenken (van der Aalst et al., 2018, S. 269).
1.2 Zielsetzung und wissenschaftliche Fragestellung
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es einen Leitfaden zu erstellen, welcher die Hindernisse für die Automatisierung eines Inbound-Callcenters2 anführt.
1) Ist es möglich einen Leitfaden für die Implementierung von automatisierten Callcentern zu erstellen?
2) Welche Geschäftsfälle gibt es in einem Inbound-Callcenter?
3) Lassen sich für die Automatisierung von Geschäftsfällen in Callcentern Kriterien definieren?
3.1) Welche Geschäftsfälle lassen sich mit diesen Kriterien als „automatisierbar“ identifizieren?
4) Was könnte die Automatisierung von Geschäftsfällen verhindern?
2 Grundlagen
Um einen Leitfaden für die Implementierung eines automatisierten Callcenters erstellen zu können, müssen die erforderlichen Grundlagen geschaffen werden.
Dazu muss der für den Leitfaden relevante Callcentertyp definiert werden und ein einheitliches Verständnis über den Prozessbegriff geschaffen werden.
In weiterer Folge wird Prozessautomatisierungssoftware definiert, um im empirischen Teil dieser Bachelorarbeit als vorausgesetzt herangezogen werden zu können.
2.1 Callcentertypen
Laut Herzog (2017, S. 5) sind Callcenter betriebliche Einheiten, die möglicherweise ausgelagert sind, und deren Aufgabe darin besteht, den Kontakt zu bestehenden Kunden per Telefon, E-Mail, Chat aufrecht zu erhalten und bei potentiellen Neukunden den Erstkontakt herzustellen. Callcenter können in verschiedene Typen eingeteilt werden. Aufgrund der allgemeinen Definition von Callcentern ergeben sich eine ganze Reihe von Kriterien, nach denen diese Einteilung erfolgen kann. Ein Callcenter kann dabei durchaus Eigenschaften mehrerer Typen gleichzeitig aufweisen, weil die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Typen nicht immer eindeutig ist (Herzog, 2017, S. 5).
Die Kommunikationsrichtung ist laut Herzog (2017, S. 5) das wichtigste Unterscheidungsmerkmal für die Einteilung von Callcentern. Dabei wird grob zwischen Inbound- und Outbound-Callcentern unterschieden. In Inbound-Callcentern, welche laut dem Callcenter Statista-Dossier (Statista GmbH, 2018, S. 32) etwa 55% der Kundenkontakte abdecken, wird das Callcenter vom Kunden ausgehend kontaktiert, wohingegen das Outbound-Callcenter, welches etwa 45% der Kundenkontakte abdeckt, ein Callcenter ist, das aktiv bestehende und potentielle Neukunden kontaktiert. Eine Mischform dieser beiden Callcentertypen ist das Blended Callcenter, in welchem parallel sowohl Inbound- wie auch Outbound-Geschäftsfälle abgewickelt werden.
Im Rahmen des empirischen Teils in Kapitel 4 wird ausschließlich auf die Geschäftsfälle eines Inbound-Callcenters eingegangen.
2.2 Prozesse und Geschäftsfälle
Der Prozessbegriff umschreibt jene Tätigkeiten, die aus vordefinierten Eingaben die gewünschten Ausgaben erzeugen (Wagner & Patzak, 2015, S. 32).
Eine Definition ist in der ÖNORM EN ISO 9000:2015 zu finden:
„Prozesse weisen miteinander zusammenhängende Tätigkeiten auf, die Eingaben zum Erzielen von Ergebnissen verwenden.“ (ÖNORM EN ISO 9000:2015 11 15, 2015, S. 16)
Wie in unten angeführter Abbildung dargestellt beschreiben Prozesse das geordnete Zusammenspiel von Menschen als Mitgliedern eines Systems und haben Kunden und weitere Parteien, die davon betroffen sind. Eingaben und Ergebnisse können materiell, wie Ausrüstung oder Material, oder immateriell, wie Information oder Energie, sein (ÖNORM A 9009:2013 04 01, 2013, S. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: das grundsätzliche Prinzip von Prozessen nach ÖNORM A 9009: 2013 04 01
Im Rahmen dieser Bachelorarbeit werden die Begriffe Prozess und Geschäftsfall gleichgesetzt und gleichermaßen verwendet.
2.3 Prozessautomatisierungstechnologien
Das Zusammenspiel weitreichend erforschter Technologien, wie automatisierte Spracherkennung, Künstliche Intelligenz in der Verarbeitung der Sprache sowie Robotergesteuerte Prozessautomatisierung, ermöglicht bereits jetzt den unterschiedlichen Anbietern die Erprobung der Systeme am Markt (Kharchenko et al., 2018, S. 385).
Der Begriff Robotergesteuerte Prozessautomatisierung wird für Software-Roboter verwendet, welche die Aufgaben und Rollen von Nutzern übernehmen und in diesem Rahmen auch mit anderen Softwaresystemen interagieren. Es gibt daher vielfältige Einsatzbereiche für Unternehmen, als Beispiele können das Erledigen von Tickets im First-Level-Support oder der systemübergreifende Abgleich von Daten hinsichtlich ihrer Integrität genannt werden (Beardmore, 2017, S. 30).
Im Bereich der automatischen Spracherkennung ermöglicht der aktuelle Technologiestand den Einsatz von umfangreichen Vokabularsystemen mit vollständigen semantischen Modellen, welche mit Hilfe von Text-to-Speech-Synthesesystemen integrierbar sind. Diese Systeme bieten eine große Reichweite an Ein- und Ausgabemodalitäten und sind so die Grundlage für gesprochene Dialogsysteme (Kharchenko et al., 2018, S. 387).
2.4 Stand des Wissens
Wie Spracherkennung, Künstliche Intelligenz und Prozessautomatisierungssoftware die bisherigen Geschäftsmodelle von Callcentern verändern, wurde 2017 von Kharchenko et al. untersucht und im März 2018 veröffentlicht.
„Die Vision eines Callcenter 4.0, in dem ein Kunde nicht mehr mit einem Menschen, sondern vollumfänglich mit einem Software-Roboter kommuniziert, liegt nicht mehr in ferner Zukunft.“ (Kharchenko et al., 2018, S. 385)
Ist ein Geschäftsfall erstmal automatisiert, erhöhen sich Verfügbarkeit, Ausfallsicherheit und Qualität. Die vollständige Realisierung von automatisierten Callcentern hängt aber nicht nur von technischen, sondern auch von gesellschaftlichen Faktoren ab. In einem Callcenter sind aufgrund des hohen Maßes an automatisierbaren Tätigkeiten viele Arbeitsplätze für Menschen mit wenig spezialisierter Qualifikation, wie in einem Callcenter aufgrund der vielen Tätigkeiten ohne hohe Anforderungen an die kognitiven Fähigkeiten des Mitarbeitenden üblich, nicht mehr vorhanden. Dem entgegen zu stellen sind die, für die Programmierung und Administration von Software-Robotern geschaffenen, neuen Arbeitsplätze mit erforderlicher hoch spezialisierter Qualifikation, welche die stattfindende Arbeitsplatzrationalisierung nur bedingt ausgleichen. Neben den eingesparten Arbeitsplätzen und den damit verbundenen Verlust der Arbeitsstelle für den Angestellten, kann aus Unternehmenssicht auch prozessübergreifendes Wissen mit den Mitarbeitern verloren gehen, was zu einer Abhängigkeit von IT-Systemen führen kann, wenn das verlorengegangene Know-How nicht an anderer Stelle wieder aufgebaut wird (Kharchenko et al., 2018, S. 390).
Der von Kharchenko et al. (2018) beschriebenen Arbeitsplatzeinsparung entgegenzusetzen ist die von Gentsch (2017) in Kapitel 2.1.6 beschriebene Vorgehensweise, wo für die eingesetzten Software-Roboter menschliche Assistenten vorhanden sein müssen, damit diese jederzeit bei einem Fahlverhalten der Software eingreifen können.
Eine weitere Herausforderung für Callcenter 4.0 ist das Feststellen der Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Software-Robotern als Callcenter-Agenten. Für den Einsatz dieser Agenten ist eine Akzeptanz in der Gesellschaft erforderlich, dass die zwischenmenschliche Kommunikation, auf die die Anrufer einen großen Wert legen, bei der Mensch-Maschine-Kommunikation nicht gegeben ist, sondern eine reine Lösung des Problems durchgeführt wird (Böse, Flieger, & Temme, 1999, S. 227).
Laut der Studie der Information Service Group (ISG) wird erwartet, dass die Automatisierung von Geschäftsprozessen den Ressourcenaufwand um 37% reduziert und dass 72% der Unternehmen Prozessautomatisierungssoftware bereits im Jahr 2019 für Support-Funktionen einsetzen werden (Otto, 2017, S. 1).
47% der in Amerika Beschäftigten sind laut Frey et al. (2017, S. 38) von einem hohen Risiko betroffen, dass der Arbeitsplatz innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte durch Automatisierung eingespart wird, da ein beträchtlicher Anteil der Arbeitsplätze in den Bereichen Dienstleistung, Verkauf und Bauwesen einen hohen Grad an Automatisierbarkeit aufweisen. Ähnliche Erkenntnisse spiegeln sich in den dokumentierten Ergebnissen des McKinsey Global Instituts in der weltweit durchgeführten Studie von Manyika et al. (2017, S. 5) wider, wo 49% der Tätigkeiten für die Menschen bezahlt werden das Potential haben automatisiert zu werden und zusammengefasst angeführt wird, dass 60% aller Berufe ein Automatisierungspotential von 30% der durchzuführenden Tätigkeiten hat.
3 Vorgangsweise und Methoden
3.1 Vorgangsweise
Da es sich bei der Umstellung eines konventionellen Callcenters auf ein automatisiertes Callcenter um eine Veränderung des bestehenden Geschäftsmodelles handelt, wird der Leitfaden anhand der Phasen, welche von Bucherer (2010, S. 35) für die Erneuerung von Geschäftsmodellen definiert wurden, erstellt:
1) Mobilisieren
2) Verstehen
3) Gestalten
4) Implementieren
5) Managen
Im ersten Teil werden allgemeine Handlungsempfehlungen zur Mobilisierung und Initiierung eines Projektes gegeben. Dabei wird auf die ÖNORM ISO 21500:2016 01 01)Leitlinien Projektmanagement verwiesen und nicht im Detail auf die einzelnen Punkte der Projektplanung eingegangen.
Die für den zweiten Teil des Leitfadens benötigten Kriterien der Automatisierbarkeit und die aktuell bereits in Callcentern eingesetzten Technologien zur Automatisierung werden mittels Literaturrecherche eruiert. Die Recherche erfolgt anhand der von Heinrich, Heinzl, & Riedl (2011, S. 50ff) definierten Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Die ermittelten Kriterien der Automatisierbarkeit fließen in das im nächsten Schritt durchgeführt leitfadengestütze Interview ein, bei welchem die in einem Inbound-Callcenter auftretenden Geschäftsfälle ermittelt und als Prozesse dargestellt werden. Leitfadengestützte Interviews zeichnen sich gleichermaßen durch ein hohes Maß an Offenheit und Nicht-Direktivität mit einem hohen Niveau der Konkretion und der Erfassung detaillierter Informationen aus (Hopf, 1991, S. 179). Aufgrund dieser Charakteristik eignet sich diese Forschungsmethode als Erfassungsinstrument für die Erhebung der Prozesse in einem Inbound-Callcenter.
Die im Rahmen der leitfadengestützten Interviews ermittelten Prozesse werden mittels induktiver Referenzmodellierung dokumentiert. Um bestehende Erkenntnisse zu vertiefen und daraus Gestaltungsvorlagen zu generieren, erstellt die Referenzmodellierung ausgehend von Beobachtungen vereinfachte und optimierte Abbildungen von Systemen (Wilde & Hess, 2007, S. 282).
Anhand der erhobenen Daten wird für den dritten Teil des Leitfadens ein Vorgehensmodell entwickelt. Der Modellentwurf wird auf Basis einer konzeptionell deduktiven Analyse erstellt (Wilde & Hess, 2007, S. 282).
Bei dieser Analyse wird ermittelt, welche Prozesse automatisiert werden können und welche Technologie sich für die Automatisierung eignet. Um die ermittelten Technologien implementieren zu können, werden Lösungsvorschläge, für eventuell auftretende Hindernisse, die anhand einer Literaturrecherche ermittelt werden, und Umsetzungsempfehlungen anhand der Whitepapers von Beratungsfirmen eruiert und im vierten Teil des Leitfadens angeführt.
Im fünften und abschließenden Teil des Leitfadens werden allgemeine Handlungsempfehlungen zum erfolgreichen Abschluss der Implementierung anhand der ÖNORM ISO 21500:2016 01 01)Leitlinien Projektmanagement in zusammengefasster Form angeführt.
Wie in der unten angeführten grafischen Darstellung der Vorgehensweise ersichtlich, ist die schrittweise Vorgehensweise anhand der Phasen mit den festgelegten Methoden kombiniert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: grafische Darstellung der Vorgehensweise
In den fünf Phasen des Leitfadens werden vier verschiedene Forschungsmethoden zur Anwendung kommen, um alle Forschungsfragen in den Ergebnissen dieser Bachelorarbeit beantworten zu können.
3.2 Methoden
Im Rahmen dieser Bachelorarbeit werden vier Forschungsmethoden angewendet.
3.2.1 Literaturrecherche
Ziel der Recherche ist es, Studien, wissenschaftliche Journale und einschlägige Fachliteratur zu finden, die die Kriterien für die Automatisierbarkeit von Geschäftsfällen und bereits im Einsatz befindliche Technologien zur Automatisierung von Callcentern und die mit dieser Technologie abgedeckten Anforderungen zu definieren.
Literatur zu den für die Bachelorarbeit erforderlichen Themen ist erstmals in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen und wurde auch ab diesem Zeitpunkt in die Recherche miteinbezogen. Es wurde sowohl nach Fachliteratur in deutscher wie auch in englischer Sprache gesucht. Die daraus erzielte Literatur wurde mittels des Abstracts für die Ergebnisse ausgewählt. Im nächsten Schritt wurde der Volltext inspiziert. Für diese Bachelorarbeit wurden zwei Studien und ein Herausgeberwerk für den empirischen Teil herangezogen, wobei für die Ermittlung der von den jeweiligen Technologien abgedeckten Anforderungen eine vertiefende Literaturrecherche durchgeführt wurde, bei der konkrete Herstellerinformationen ermittelt wurden. Die Auswahl der Hersteller erfolgte anhand der Referenzen namhafter in der DACH3 -Region ansässigen Konzerne, welche bereits Geschäftsfälle in ihren Callcentern automatisiert haben. Von diesen Herstellern veröffentlichte Dokumente, wie Whitepapers und Produktdatenblätter, wurden in wissenschaftlich Artikeln, welche einem Peer-Review-Verfahren unterliegen, zitiert.
3.2.2 Leitfadengestütztes Interview
Die Methodik des Leitfadeninterviews ermöglicht es spontan und individuell auf die Antworten der Interviewten zu reagieren, sodass weitere Nachfragen, Einschiebungen und Veränderungen in der Reihenfolge möglich waren. Der Leitfaden für die Interviews wird anhand der Konstruktion des Interviewleitfadens von Gläser & Laudel (2010, S. 111–153) erstellt und ist als Anhang A in den Anhängen dieser Bachelorarbeit abgebildet. Die im Leitfaden angeführten Fragen stellen sicher, dass die Befragten alle Gründe für eine Kontaktaufnahme des Kunden mit dem Callcenter anführen und die danach durchzuführenden Schritte gemeinsam mit dem Interviewer grafisch als ereignisgesteuerte Prozesskette darstellen. Es werden für jeden Prozess die interessierten Parteien, Anwendungssysteme, Prozessbeteiligten, daraus resultierenden Artefakte, einzuhaltenden Richtlinien und gesetzlichen Regelungen festgehalten. Für die in weiterer Folge geplante deduktive Analyse werden bei den Interviews die für die Durchführung des Prozesses erforderlichen Fähigkeiten der Prozessbeteiligten, referenziert auf die in der Literaturrecherche eruierten Kriterien der Automatisierbarkeit, und die dazu benötigten Arbeitsmittel erfragt.
3.2.3 Induktive Referenzmodellierung
Die Modellierung der durch das leitfadengestützte Interview evaluierten Prozesse wird mit von der Software AG für Studenten zur Verfügung gestellten Software ARIS umgesetzt.
ARIS ist ein Metamodell zur systematischen Prozessmodellierung. Die Prozesse werden als ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) dokumentiert und grafisch dargestellt. Eine ereignisgesteuerte Prozesskette zeigt einen Ablauf der Tätigkeiten und enthält alle relevanten Informationen, wie beispielsweise Stakeholder und Artefakte, zum Prozess und integriert diese auch in der Dokumentation, wie in untenstehendem Prozessbeispiel dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Beispiel einer ereignisgesteuerten Prozesskette in ARIS
Wie in der Abbildung erkennbar, werden die Tätigkeiten beschrieben und die zusätzlichen Prozessinformationen, wie Stakeholder, erforderliche Fähigkeiten und Arbeitsmittel oder gesetzliche Vorgaben und Richtlinien, die dem Prozess zugeordnet werden können und während der leitfadengestützten Interviews eruiert werden, im Überschriftenbereich angeführt. Die Anwendungstypen, Artefakte und Prozessbeteiligten werden in der ereignisgesteuerten Prozesskette bei jeder Tätigkeit angeführt. Gibt es im Prozess weiterführende Tätigkeiten außerhalb des Callcenters, so werden diese mit einer Prozessschnittstelle beschrieben.
Es wird die aktuelle Version des ARIS Education Package für Einzelbenutzer mit den beliebtesten Erweiterungspaketen von der Seite des Herstellers heruntergeladen und verwendet, nachdem eine kostenlose Lizenz für Studenten angefordert wurde:
*** ARIS Client Setup 10.X for Windows Operating Systems:
ARIS.10.0_Client (6.1 GB)
Die eruierten und in ARIS dokumentierten Prozesse sind als Anhang B in Form der ereignisgesteuerten Prozessketten vollständig angeführt und werden in Anhang C in einer vereinfachten Prozessübersicht zusammengefasst, welche für die konzeptionell-deduktive Analyse verwendet wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Matrix zur Beschreibung der vereinfachten Prozessübersicht
In dieser Übersicht findet keine Sortierung oder Priorisierung der Prozesse statt. Es werden alle Prozesse als gleichwertig betrachtet und auch auf eine Anführung der Eintrittshäufigkeit verzichtet, da diese den Interviewten nicht bekannt ist und aktuell in dem betroffenen Unternehmen nicht gemessen wird.
3.2.4 Konzeptionell-deduktive Analyse
Es wird eine Prüfung der im Rahmen der leitfadengestützten Interviews eruierten Prozesse auf Automatisierbarkeit anhand der bei der Literaturrecherche ermittelten Kriterien durchgeführt. Dazu werden die erfassten Prozesse den Kriterien gegenübergestellt und geprüft, ob diese Kriterien für die Durchführung des Prozesses benötigt werden. Welche Kriterien für den jeweiligen Prozess erforderlich sind, wird während der leitfadengestützten Interviews von den Interviewpartnern erfragt und inklusive der dazu gegebenen Begründung dokumentiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Matrix zur Beschreibung der Prüfung auf Automatisierbarkeit
Die Kriterien der nicht automatisierbaren Hauptkriterien sind Ausschlusskriterien und sobald ein Prozess eines dieser Kriterien zur Durchführung benötigt, ist dieser damit nicht mehr automatisierbar. Hier wird begründet, warum eine Automatisierung nicht umgesetzt werden kann. In diese Begründung fließen die von den Interviewten genannten Gründe ein, warum bei dem Prozess die genannten Fähigkeiten erforderlich sind.
Die nach der Prüfung als automatisierbar eruierten Prozesse werden den bereits in Callcentern eingesetzten Technologien zur Prozessautomatisierung und den damit abgedeckten Anforderungen gegenübergestellt und geprüft, welche Technologie für welchen Prozess eingesetzt werden kann. Dazu werden die im jeweiligen Prozess ermittelten Anforderungen, wie Arbeitsmittel, Fähigkeiten, Anwendungssysteme und Artefakte als Anforderungen für die einsetzbare Technologie herangezogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Matrix zur Beschreibung der Eruierung der Technologie pro Prozess
Wie in der Tabelle dargestellt wird mit Ja und Nein festgelegt, ob die von der Technologie erfüllte Anforderung für die Automatisierung des jeweiligen Prozesses benötigt wird oder nicht. Das Ergebnis aus dieser Analyse ergibt die für den jeweiligen automatisierbaren Prozess anwendbaren Technologien und somit die Gesamtheit für die Automatisierung aller Prozesse zu implementierenden Technologien. Im Anschluss werden die dokumentierten Prozesse betrachtet und in den Prozessen wird mittels Symbole gekennzeichnet welche Technologie bei welcher Tätigkeit eingesetzt werden muss, um den gesamten Prozess zu automatisieren.
4 Empirischer Teil
4.1 Phase 1 – Mobilisieren
Es werden Handlungsempfehlungen zur Mobilisierung und Initiierung eines Projektes aus der ÖNORM ISO 21500:2016 01 01) in zusammengefasster Form gegeben, wo als erster Schritt ein Projekt aufgesetzt werden soll und die Projektinhalte definiert werden. Sobald der Projektleiter und das Projektteam nominiert sind, werden die Stakeholder und deren Erwartungen dokumentiert. Im nächsten Schritt werden die Projektrandbedingungen, wie Dauer und Termine, Projektziele und Nichtziele, Leistungsumfang, Projektbudget, Verfügbarkeit von Ressourcen, Risikofaktoren, Qualitätssicherung, Beschaffungsprozess, Auswirkungen des Projekts, rechtliche Anforderungen, Projektkommunikation, Lessons Learned Dokumentation definiert und das Projekt anhand dieser umgesetzt.
Es ist während der Durchführung der leitfadengestützten Interviews in Phase 2 ein Hindernis aufgetreten, dass bereits in Phase 1 mit Durchführung einer frühzeitigen Gegenmaßnahme gemildert oder gänzlich verhindert hätte werden können, daher wird hier folgende Empfehlung gegeben:
Beim Erstellen der Implementierungsempfehlungen der Beratungsfirmen in Phase 4 wird diese Empfehlung von Klug (2018, S. 13) im Whitepaper zur Implementierung von Künstlicher Intelligenz der ITyX AG, welche mit Installationen in 24 Ländern als international renommierter Spezialist für intelligente Automation für Input Management, Robotic Process Automation und Chatbots gilt, angeführt. Die Syncwork AG (2019), anerkannte Beratungsfirma, führt diesen Punkt ebenfalls in ihrem Whitepaper an.
Dies bestätigt die in Phase 2 gewonnene Erkenntnis und unterstreicht die Notwendigkeit dieser Handlungsempfehlung in Phase 1 des Leitfadens, dass der Changemanagement-Prozess betrachtet und das richtige Umfeld geschaffen werden muss. Es soll in dieser Phase bereits viel Projektmarketing betrieben werden, um die Callcentermitarbeitenden von Anfang an zu motivieren und ihnen die Angst vor einem möglichen Jobverlust zu nehmen. Es ist zielführend die Personalabteilung zu involvieren, um ein gemeinsames Vorgehen inklusive individueller Lösungsvorschläge für von eventuellen im Projekt generierten Einsparungsmaßnahmen betroffene Mitarbeitende vorzubereiten.
4.2 Phase 2 – Verstehen
Um Geschäftsfälle in einem Inbound-Servicecenter automatisieren zu können, müssen diese eruiert und dokumentiert werden. Dazu ist es erforderlich mit den aktuell handelnden Personen zu sprechen und diesen gezielte Fragen nach den durchzuführenden Tätigkeiten zu stellen. Da in diesem Schritt aber keine reine Dokumentation der IST-Prozesse erfolgen soll, sondern eine Dokumentation in Hinblick auf die Automatisierbarkeit erfolgt, sind vorab Kriterien zu definieren, anhand derer eine spätere Analyse auf Automatisierbarkeit möglich ist und diese Kriterien bereits in die Prozessdokumentation einfließen zu lassen.
Um dies zu gewährleisten wird im Leitfaden zur Implementierung eines automatisierten Callcenters angegeben, dass Kriterien definiert werden müssen, anhand denen festgestellt werden kann, ob ein Prozess automatisierbar ist. Dazu kann einschlägige Fachliteratur oder veröffentlichte Best-Practice Beispiele von renommierten Firmen, welche Callcenter bereits erfolgreich automatisiert haben, herangezogen werden.
Im konkreten Anwendungsfall dieser Bachelorarbeit werden die Kriterien mittels Literaturrecherche eruiert.
4.2.1 Kriterien für Automatisierbarkeit festlegen
Das Ergebnis der Literaturrecherche ist die Studie von Frey und Osborne „The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation?” aus dem Jahr 2017. In dieser Studie wurden die Kriterien für die Computerisierung von Arbeitsplätzen festgelegt. Diese Kriterien wurden abgeleitet von einer O*NET4 - Umfrage, bei welcher die Befragten die allgemein für eine Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten im Hinblick auf die Computerisierung definiert und bewertet haben (Frey & Osborne, 2017, S. 28–31).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Kriterien zur Computerisierung (in Anlehnung an Frey & Osborne, 2017)
Der Grad der Automatisierbarkeit aller 702 Berufe wurde manuell festgelegt, indem jeder einzelne Beruf anhand der von O*NET für jeden Beruf erforderlichen 9 Kriterien analysiert wurde. Diese Kriterien wurden im Rahmen der Studie festgelegt und konnten auf die Tätigkeiten von 702 Berufen angewendet werden, woraus sich ein induktiver Rückschluss auf alle Berufe und damit verbundenen Geschäftsfälle ziehen lässt. Es wurden dabei Mittelwerte pro Kriterium für Automatisierbarkeit errechnet und anhand dieser festgelegt, welche Kriterien eine Automatisierung ermöglichen (Frey & Osborne, 2017, S. 28–31).
Daraus ergibt sich folgender Kriterien-Katalog mit 9 Kriterien, welche in die leitfadengestützten Interviews einfließen und in der konzeptionell-deduktiven Analyse der Automatisierbarkeit von Prozessen in Phase 3 des Leitfadens herangezogen werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 5: Kriterienkatalog für Automatisierbarkeit
Für die durchzuführenden Prüfungen der Prozesse sind die Messergebnisse Ja und Nein ausreichend und es wird daher auf eine Skalierung verzichtet.
Somit sind die Kriterien für die Automatisierbarkeit für den konkreten Anwendungsfall definiert und können für die im nächsten Schritt durchzuführenden leitfadengestützten Interviews herangezogen werden und die Unterkriterien in den daraus resultierenden Prozessdokumentationen angeführt werden. Dazu werden die oben angeführten Unterkriterien während der Interviews bei jedem einzelnen Prozess mit den Befragten durchgegangen und in der Prozessdokumentation als für den Prozess erforderliche Fähigkeit angeführt, wenn das Kriterium für den Prozess erforderlich ist.
Bei den Interviews werden die Gründe für Kontakte des Kunden beim Unternehmen erfragt und die je nach Grund durchzuführenden Tätigkeiten, um das Kundenanliegen zu bearbeiten. Dies ergibt die in Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, die in weiterer Folge als Prozess bezeichnet werden. Als weitere wichtige Informationen zu den Prozessen werden die je Prozess erzeugten Artefakte und verwendeten Anwendungen und Arbeitsmittel erfragt. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, wer im Prozess beteiligt ist, wer die Stakeholder des Prozesses sind und ob es gesetzliche Vorgaben und firmeninterne Richtlinien gibt, welche eingehalten werden müssen. Diese Prozessinformation und die für die Durchführung des Prozesses erforderlichen Fähigkeiten sind für die spätere Analyse zur Automatisierbarkeit unbedingt erforderlich. Um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Informationen und alle Prozesse vollständig erfasst werden, wird der Interviewleitfaden erstellt, welcher als Anhang A dieser Bachelorarbeit angeführt ist.
Daraus ergibt sich ein Punkt für den Leitfaden zur Implementierung eines automatisierten Callcenters, der festhält, dass der Fokus auf konkrete Anwendungsfälle gelegt werden soll und die bestehenden IST-Prozesse dokumentiert werden müssen. Dabei wird jeder Prozess betrachtet und für jeden Prozess festgelegt, welche Automatisierungskriterien zutreffen. Des Weiteren wird angeführt, dass die erforderlichen Arbeitsmittel, Anwendungssysteme, Prozessbeteiligten, interessierten Parteien, entstandenen Artefakte und gesetzlichen Vorgaben oder interne Richtlinien, die Einfluss auf den Prozess haben, zu jedem Prozess angeführt werden.
4.2.2 Prozesse dokumentieren
Beim Führen der leitfadengestützten Interviews werden die Prozesse als ereignisgesteuerte Prozessketten manuell mit den Befragten gemeinsam skizziert und im Anschluss in ARIS übertragen. Die Interviews wurden im März 2019 mit Mitarbeitern eines Blended-Callcenters in einem österreichischen Handelskonzern durchgeführt. Es wurden 3 Personen in Führungsposition, 2 Mitarbeiter der Organsationsabteilung, ein Prozessverantwortlicher und 7 Sachbearbeiter interviewt. Insgesamt wurden 13 Interviews geführt, bis keine neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden konnten und damit keine weiteren Interviews mehr als sinnvoll erachtet wurden.
Persönliche Daten, wie beispielsweise Alter und Geschlecht der Interviewten, sind für das Ergebnis der Interviews nicht relevant und wurden daher nicht erfasst und die Interviews dementsprechend anonym durchgeführt. Es wurde bei den Interviews nur auf die Inbound-Prozesse eingegangen, bei welchen die Mitarbeiter von Kunden entweder in schriftlicher wie auch in mündlicher Form kontaktiert werden.
Es wurden während der Interviews 27 Prozesse von den Interviewten genannt. Die mit ARIS dokumentierten Prozesse sind als Anhang B dieser Bachelorarbeit angeführt und werden in Anhang C zusammengefasst dargestellt.
[...]
1 International Data Corporation ist ein international tätiges Marktforschungs- und Beratungsunternehmen auf dem Gebiet der Informationstechnologie und der Telekommunikation mit Niederlassungen in über 110 Ländern
2 das Callcenter wird vom Kunden ausgehend kontaktiert (Herzog, 2017, S. 5)
3 Apronym für Deutschland, Österreich und Schweiz
4 O * NET OnLine bietet detaillierte Beschreibungen der Arbeitswelt für Arbeitssuchende, Personalentwicklung, Studenten und Forscher
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